Nr. 70

Neue Stavisky- Dokumente werden Tag und Nacht bewacht

Paris  , 23. März. Der Justizminister übergab gestern abends dem Untersuchungsrichter alle ihm vorgestern vom Deputierten Henriot überreichten Dokumente über die betrügerische Tätigkeit Stavistys und seiner Genossen in den Jahren 1926 bis 1930. Die Dokumente werden Tag und Nacht von republikani­ichen Garden bewacht, damit sie nicht entwendet werden, wie dies bereits einige Male im Justizpalast geschehen ist. Die Polizei unter­nahm gestern einige Hausdurchsuchungen bei den in den Dokumenten angeführten Personen vor.

Die parlamentarische Untersuchungskommis­sion betreffend die Betrugsaffären Stavistys ver­hörte gestern die ehemaligen Minister Julien Durand und Dalimier, welche bekannt­lich amtliche Empfehlungsschreiben zur Sub­skribierung der Aktien der Pfandleihanstalt von Bayonne   gegeben haben. Die beiden ehemaligen Minister schoben die Verantwartung den Beamten ihrer Ministerien zn.

Samstag, 24. März 1934

Hallo, wer dort?

Hier Onkel Boby...

... bin eben angekommen. Habe kolossal viel zu erzählen. Fahre jetzt gleich zu Ihnen. Freue mich schon! Denn eine Margarine- Fabrik, die moder­ner, reiner und hygienischer arbeitet, als die Vitello"-Werke, habe ich auf meiner ganzen Weltreise nicht gesehen. Allerdings- hier wird ja auch die gute Vitello"-Margarine ge­macht, deren rascher Umsatz es ermöglicht, jedem Würfel den Datumstempel aufzudrucken. Durch ihn weiß die Hausfrau, bis wann Vitello" zu verbrauchen ist. Sie kauft darum immer wieder

DATUM

Vitello

// Ruhrepidemie

VITELLO

Aus der katholischen Hölle Oesterreichs  

Die österreichische Regierung wird von ihrem schlechten Gewissen getrieben und führt zu dessen Beruhigung immer wieder einige gefangene Mits glieder des Parteivorstandes ausländischen Jour­nalisten vor, um so der Welt zu beweisen, daß es in den österreichischen Gefängnissen gar nicht so schlimm zugeht. In Wahrheit aber geht es in den österreichischen Gefängnissen gar nicht so zu, wie die ausländischen Berichterstatter vermeinen. Vor einigen Tagen waren zwei ausländische Ge fängnisinspettorinnen in Wien  . Sie hatten Gelegenheit festzustellen, daß in keinem der vielen Gefängnisse, die diese Frauen in ihrem Leben besucht hatten, so entwürdigende und jedes Menschentum verlegende Behandlungsmethoden üblich sind, wie sie bei einem Besuch im Wiener  Landesgericht feststellen konnten.

Gefangene in Käfigen

Schandbare Behandlung

der Gefangenen

aus 10 Sänfern allein 107 Menschen in Gefan­genschaft!

Genoffen vor, die bei den Kämpfen verwundet Besonders brutal geht die Regierung gegen wurden. Ein Gewerkschaftsfunktionär aus einem steirischen Ort( alle näheren Daten sind der Re­daktion bekannt) erhielt in den Stämpfen einen Lungen- und einen Handschuß. Der Mann wurde stundenlang im Schnee liegen gelassen, dann ine Inquijitenspital gebracht und bis heute wurde seis nen Angehörigen nicht gestattet, ihn zu besuchen.

Christkatholische Bluturteile

Nur ein fleiner Teil der Urteile, die von den Gerichten gefällt werden, wird bekanntgegeben. Wegen Teilnahme am Aufstand wurden folgende steirische Arbeiter verurteilt, ohne daß Prozeß­bericht und Urteil veröffentlicht wurden. Hang zu zehn Jahren, Perner zu zehn Jahren. Lili

Dort wurden z. B. zwei verhaftete Mitglies Pisch zu zehn Jahren, Poch zu fünf Jahren und der des Parteivorstandes, die die Genofsinnen besucher zu 15 Jahren schweren Kerfers. suchten, in einer Art von Käfig vorgeführt. Die Regierung tut alles, um immer mehr Die Inhaftierten wurden absichtlich im Halbdunkel Arbeiter vor die ihr gefügigen Richter zu bringen. gehalten, so daß die Besucherinnen nicht feststellen In Wels   werden die Kinder in der konnten, ob die Gefangenen gut oder schlecht aus- Schule nach der politischen Ueberzeugung ihrer sahen. Den Genossen, die zur Verhören geführt Eltern und deren Aufenthalt während des Auf­werden, wurde bei dieser und bei anderen Gelegen- standes gefragt. Auch das Beicht geheim= heiten gejagt: Strawatten braucht ihr Euch nicht ni 3 gilt in Oberösterreich   nicht mehr, wenn es fich zu besorgen. Ihr werdet schon den Strid als Kra- um unsere Genossen handelt. watic befommen."

Der schwerkrante Genosse Breits ner darf weder Diätkost, noch Zubuße bekommen, obwohl er die normale Gefängniskost erbricht. Während man anderen Genossen den Besuch von Angehörigen erlaubt, ist Breitner von der Be­günstigung, regelmäßige Besucher zu empfangen,

ausgeschlossen.

Roheiten gegen Frauen

Die pländernden und fengenden Heimat­

schützler

und verbrannt.

Inzwischen bemühen sich die wenigen Anhän

im Konzentrationslager von Wöllersdorf  

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Wien  , 23. März. Eigenbericht.) Im Kon­zentrationslager in Wöllersdorf   ist Witte März cine Ruhrepidemic ausgebrochen, die sich in den letzten Tagen start ausgebreitet hat. Es wurden 63 Nazi und 19 Mann der Heimwehr­11eberwachungsabteilung als ich were Fälle in Spitäler eingeliefert. Unter den Erkrankten befindet sich auch Rt= chard Frauenfeld, der Bruder des frühe­ren nationalsozialistischen Gauleiters in Wien  . In den Gefängnissen und Lagern wurden die Maßnahmen verschärft, um ähnlichen Vorfällen vorzubeugen, die bei der gegenwärtigen Ueber­füllung zu einer Katastrophe führen müßten.

Sechs Jahre Kerker

Der erste Aufruhrprozeß vor

dem ordentlichen Gericht

rührt und täglich zicht an diesem Grab eine Wall- Aufruhr- Prozeß" gefällt. Der Hilfsarbeiter Er fahrt von Genossen und Genossinnen vorbei.

Ein verhafteter Kämpfer des Schutzbundes, deffen Frau dem bittersten Elend preisgegeben ist, hatte sich im Laufe mehrerer Jahre die Summe von 500 Schilling erspart und diesen Betrag seiner Frau das Versted mitzuteilen. Aber die irgendwo als Notpfennig versteckt. Es gelang ihm, Frau verwendete den größten Teil des Geldes nicht Opfer des Dollfuß- Terrors. für sich selbst, sondern zur Unterſtüßung anderer

Wer Gelegenheit hatte, mit den fämpfenden Genossen in Desterreich zu sprechen und wer beobachten durfte, wie allen Verfolgungen durch die Regierung zum Trotz die Genossen und Ge­nofsinnen tapfer und ungebrochen sind, der weiß, daß kein Dollfuß und kein Fey mit dieser Arbeiterbewegung fertig werden wird!

Vom Rundfunk Empfehlenswertes aus den Programmen: Sonntag:

Wien  , 23. März. Im Großen Schwurge richtssaal des Landgerichtes 1. wurde heute das Urteil gegen die beiden ersten Angeklagten im dinger verteidigte sich dahin, daß er dem Repu blikanischen Schutzbund nicht angehört habe, daß er keinen der Ortsgruppenführer dieses Verban des tannte und daß er das bei ihm gefundene Ge­wehr von einem Unbekannten erhalten habe. Er habe die Waffe überhaupt nicht verwendet.

Nach einer halbstündigen gemeinsamen Bera tung mit den Geschworenen wurde Erdinger im

Sinne der Anklage jichuldig erkannt und zu sechs Zahrenschweren serfers unter Anrech nung der Untersuchungshaft verurteilt.

Der zweite Angeflagte Tuscher erklärte sich ebenfalls nicht schuldig. Er wurde freigesprochen.

Spanien   führt die Kongrua wieder ein

Madrid  , 23. März. Das spanische Parle­ment hat mit großer Stimmenmehrheit beschlossen, der infolge der Trennung von Kirche und Staat wirtschaftlich geschädigten niederen Geistlichfett eine Unterstübung von 16,5 Millionen Peseten jährlich auszusetzen. Diese Summe entspricht un­gefähr zwei Dritteln des Gehaltes, das die in Ve tradht kommenden Priester vor dem Sturz der Monarchie erhalten haben. Bedingung ist, daß die Unterstützungsempfänger am 14. April 1931 im Dienste waren und daß ihr Jahreseinkommen 7000 Peseten nicht überschreitet.

Prag  , Sender 2.: 9.15: Cello- Konzert, 11.10: Gesangvereins- Stonzert, 12.55: Weinberger: Auf Rofen gebettet, 14: Soziale Informationen, 18: Deutsche   Sendung: Moliere  : Der Geisige, 18.50: 2. Goldschmidt: llebersicht des musikalischen Pro grammes der tschechoslowakischen Stationen, 19: Deutsche Nachrichten, 21.55: Lezte Nachrichten, 22: Keine Devalvation Uebertragung aus London  , Europäisches Stonzert. Brünn 16: Frühlingsunterhaltung, 17.30: Geigen­fonzert, 18. Deutsche   Sendung: D. Veſta: des Schweizer Franken Wölferhaß und Wölferfriede.- Berlin   16: Mufik am Nachmittag, 20: Streußer: Das Nachtlager in Bern  , 23. März. Entgegen den im Aus­Granada, Romantische Oper, 21.45: Quartett für lande verbreiteten Gerüchten liegen dem Glücktritt Slarinette. Breslau   16: Mandolinenkonzert. des Bundesrates Musy feinerlei Meinungsvers Frankfurt 19.30: Opern- Stonzert. Königswuster­hausen 20: Haydn  : Die vier Jahreszeiten. Leip- schiedenheiten über die schweizerische Währungs­zig 20: Abendkonzert. München   13. Orchester- politik zugrunde. Der Bundesrat ist nach wie vo fonzert, 18.35: Bach: Die Matthäuspassion  . Varis 21: Orchesterkonzert. Wien   11.20: Sym entschlossen, den Schweizer Franken   auf der phonisches Konzert, 15: Mozart- Requiem, 15.30: heutigen Parität zu halten.

Die Geister, die sie riefen...

Schwieriger Abbau der Dollfuß- Hilistruppen auf Kosten unliebsamer Angestellter

Wien  , 23. März.( Eigenbericht.) Die

Starhemberg   hat einer Demobilisie­

Dabei hat sich die Heimwehr  , wie immer mehr Tatsachen beweisen, als eine Horde von plündernden Marodeuren benom men. Unser Parteiheim in Wiener Neustadt   ist ohne jede Notwendigkeit Zimmer für Zimmer des moliert worden und die große Bibliothek wurde im Hofe verbrannt. Varmittel wurden einfach ge­stohlen, so z. V. aus der Schreibtischlade des In der Provinz geht es natürlich noch är­Parteisekretärs der Betrag von 47 Schilling, wel­ger zu. Als die Frau des hingerichteten Genossen cher Betrag zur Bezahlung für eine Versiche Stanek zu der Verhandlung gegen ihren Mann rungsgesellschaft bereits vorbereitet war. In ging, wurde sie in jedem der vielen Amtszimmer, Brud a. M. wurden auch Privatbiblio= durch die sie gehen mußte, auf das Unflä= tigste beschimpft. Als sie zum leßtentheten von Heimwehrleuten geplündert Male mit ihrem Mann sprach, sagte ihr fein Mensch, daß sie nun zum leßten Male Gelegenheit habe, mit ihrem Mann zu sprechen und daß er ger der Regierung, die es gibt, ihre privaten Ge- österreichische Regierung trifft Maßnahmen, um rung bis auf ein Viertel zugestimmt, unter der hingerichtet werde. Von der bevorstehenden Hin- schäfte zu machen. Die Denunziationen die einberufenen Kontingente der militanten erhalten. Dazu wird die Regierungsverordnung richtung erfuhr Frau Stanek dadurch, daß sich ein städtischer Arbeiter aus dem Elektrizitäts- und Formationen des sogenannten Schuhkorps, Gaswerk der Stadt Wien   sind an der Tagesord­Geistlicher an sie mit der Bitte wandte, sie möge auf ihren Mann einwirken, damit er noch zum nung. Immer noch werden Arbeiter dieser Werte letzten Male- beichte! fristlos entlassen. In Wiener Neustadt   z. Ueber die Behandlung der Genossin Wa IV. genügte die Denunzierung eines Arztes, der nie politisch tätig gewesen war, um den Mann ins Iisch im Gefängnis von Leoben   ist nachzutragen, daß Frau Wallisch auf das Unflätigste, wie ,, rote Gefängnis zu bringen und seinem christlichsozialen Sure", rote Best i e" u. dgl. beschimpfi Konkurrenten die Stelle eines städtischen Arztes wurde. Obwohl die Genossin Wallisch schwer er 31 beschaffen. tranft ist und an argen Schmerzen leidet, ihr lin- Die Treue der Arbeiter ist ungebrochen les Bein ist nahezu ganz gelähmt, kommt die Alle diese Gemeinheiten der christlichen Regie­Frau nicht ins Spital. Im Gegenteil, man hält rung sind nicht imstande, den Mut unserer Ge­sie in einer Massenzelle mit Verbrecherinnen zu- nossen zu brechen. Von der Tapferkeit der Frauen fummen. Genoſſin Wallisch hält sich überaus und Männer in Desterreich, die treu zum So= tapfer. Ehe ihr Mann zum Tode ging, tröstete er noch seine Frau und als man ihm nahelegte, ein Gnadengesuch an Dollfuß   zu senden, lehnte er das ab.

Die Stadt ohne Männer Bruck   an der Mur   ist ein Ort nahezu ohne Männer geworden. Im Kino sind allein an die 300 Gefangenen, die zum großen Teil auf Steinboden liegen müssen. Als die Genossen einen Sunger streit durchführten, wurden sie zur

ialismus stehen, wird später erit ganz

berichtet werden können, denn heute würde ein selcher Bericht viele Genossen gefährden. Aber einiges kann doch schon erzählt werden. Als man den Führer der steirischen Arbeiterschaft, Koloman Wallisch  , verscharri hatte, wurde über Befehl der Regierung jede Kenntlichmachung des Grabes ver­boten. Aber wenige Stunden später wölbte sich bereits über dem Ort ein Grabhügel, viele Blumen

machten ihn kenntlich und Tausende von Genoſſin nen und Genossen brachten immer neeBlumen für Strafe in einem Keller untergebracht. Auch in Graz ist die Unterbringung der Ge- das Grab von Walliſch. Als Organe der Regierung nossen in den Gefängnissen eine unerhörte. In der die Blumen entfernten und versuchten, den Plaz Belle Nr. 33 in Paulustor, die normal für wiederum untenntlich zu machen, erhielten sie die brei Gefangene gedacht ist, sind gegenwärtig 28 Mitteilung, daß es ihnen bei Wiederholung ihres Mann! A; e Zahlen, die die Regierung angibt, Tuns so ergehen werde, wie dem Eisenbahner, der müssen mit größtem Mißtrauen betrachtet werden. Soloman Wallisch verraten hat. Seit dieser Zeit In dem kleinen Ort Niklasdorf   sind z. B. läßt die Regierung das Grab von Wallisch unbe­

die betreffend eine Säuberung der öffentlichen auf die Dauer nicht haltbar sind, abzubauen. Es und privaten Betriebe von ,, v at cr ländisch unverläßlichen" Angestellten stehen in Desterreich derzeit nahezu 50.000. in Anwendung gebracht. Die Privat= Mann Schukkorps in Wa e n, davon 40.000 betriebe sehen sich aber gegen einen durch­Heimwehr le r eine Armec, die greifenden Abbau der bewährten Kräfte zur täglich mindestens eine Viertelmillion mit dem ersten Kontingent von etwa 1000 Mann Wehr, so daß die Demobilisierung, die heute Schilling kostet. begonnen hat, nur schleppend vor sich gehen wird.

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Schisma in der Reichskirche

Westfälische Synode lehnt den Reichsbischof Müller ab

als

erster

Berlin  , 23. März. Im Kampfe zwischen| lich bei seiner Wahl im Vorjahre der nationalsozialistischen Leitung der deutschen   Dieichsbischof bezeichnet wurde. Hierauf wurde er evangelischen Kirche und den Kreisen, die auf der zum Rücktritt gezwungen und machte dem Ber­Reinheit des evangelischen Bekenntnisses behar- trauensmann des Kanzlers Hitler  , dem Wehr­ren, ist es jetzt in Westfalen   zum ersten off c- freispfarrer Müller, Plat. nen Schism a gekommen.

Der westfälische Kirchenfynod. lehnte nach Gegen die oppositionelle evangelische Be= sehr stürmischen Szenen und nach einem Einwegung in Westfalen   treten häufig SA- Mitglie­ſchreiten der Polizei, die von den Anhängern der der auf, die fich zum Gottesdienst der oppofitio­nationalsozialistischen Bewegung der Deutschen nellen evangelischen Geistlichen in Uniformen eln­Chriſten" herbeigerufen worden war, die Aner­rennung der Autorität des Reichsbischofs Müller ab und vertraute die Verwaltung seiner Seel­forgeangelegenheiten einem zu diesem Zwecke ge- Reichspräsidenten Hindenburg   ein Telegramm, wählten Bruderrat an.

finden.

Eine westfälische Pfarrei richtete an den in dem sie ein Einschreiten zum Diese westfälische Bewegung sympathisiert Schuß des christlichen Gewissens mit Pastor Bode( fchwingh, der bekannt- verlangt.