Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Freitag, 30. März 1934

Einzelpreis 70 Holfor

( einschließlich 5 Holter Borto)

Nr. 75

Abkommen über Gebrauch England und Amerika   Ein Fetzen Papier  

der Staatsflaggen

Prag  , 29. März. Seute vormittags wurde zwischen dem tschechoslowakischen Gesandten in Berlin   Dr. Ma stny und dem deutschen   Außen­amt ein Abkommen unterfertigt, durch das die Frage der gegenseitigen Benütung der staatlichen Flaggen und Hoheitsabzeichen geregelt wird.

Bekanntlich hatte die deutsche Reichsregie­rung vor einigen Wochen mit dem Hinweis dar­auf, daß in der Tschechoslowakei   die Hoheitsabzei­chen des Deutschen Reiches, also das Hakenkreuz und die schwarz- weiß- rote Flagge, verboten seien, ein Verbot der Benüßung der tschechoslowakischen Hoheitsabzeichen für ganz Deutschland   erlassen. Außer von den zünftigen Diplomaten durfte nicht nur im Privatleben, sondern auch bei Ausstellun gen, Mustermessen, Sportveranstaltungen usw. die ischechoslowakische Flagge nicht gezeigt werden.

Heute wurde nun diese Streitfrage, in dem Sinne geregelt, daß sich beide Staaten ver­pflichten, die Venüßung von Staatsflaggen und Hoheitsabzeichen bei allen internatio nalen und feierlichen( feineswegs also auch bei privaten!) Anlässen im gleichen Ausmaße zu gestatten, wie dies für dritte Staa­ten gilt.

Die deutsche Reichsregierung hat daraufhin, wie von ihr amtlich bekanntgegeben wird, das Verbot der Benüßung tschechoslowakischer Flags gen und Hoheitsabzeichen in Deutschland   aufges hoben. Diese amtliche deutsche   Meldung ist ab= sichtlich so unklar gefaßt, daß man vermuten fönnte, jeder Nazi fönne jest wieder in der Tsche­ choslowakei   ungehindert sein Hakenkreuz im Knopfloch oder sonstwo tragen.

Selbstverständlich ändert das Abkommen in keiner Hinsicht die geltenden Verbote in der Tschechoslowakei   für die Benützung der Haken­frenzabzeichen zu privaten Zweden."

Neue Zeitungsverbote Die Wiener   Polizeidirektion verständigte die fonzessionierten Zeitungskommissäre, daß von den tschechoslowakischen Zeitungen im Straßenverlauf bloß nachfolgende Blätter zugelassen sind:

České slovo", Narodni Listy", " Prager Presse", Deutsche Breffe", Prager Abend zeitnng" und der Tagesbote".

Von den in den übrigen Ländern erscheinen= ben Zeitungen sind bloß die ausgesprochen sozial­demokratischen und kommunistischen Zeitungen ber boten, aus der Tschechoslowakei   dagegen ab Don­nerstag alle Beitungen. Auch auf den Bahn­höfen ist der Verkauf dieser Zeitungen nicht er

hinter Frankreichs   Garantieforderungen?

Paris  , 29. März. Wie bereits gemeldet, erhielt das französische   Außenministerium gestern von der britischen   Regierung eine Note, in welcher um einige ergänzende Aufklärun­gen zu dem französischen   Abrüstungsmemorandum, namentlich betreffs des Charakters der Garantien, welche Frankreich   verlangt, ersucht wird. Wie Excelsior" erklärt, hat es den Anschein, daß sich die englische   Regierung zu den Sanktionen wirtschaftlichen Charakters gegenüber dem festgestellten Angreifer günstig zu stellen beginnt. Die Entscheidung Eng­lands werde aber von dem Einvernehmen mit Amerika   und von der Regelung des Grund­satzes betreffend die Freiheit des Meeres abhängen.

Norman Davis   soll in Genf   einigem ale erklärt haben, daß die amerikanische   Regie­rung sich nicht ungünstig gegen die Regelung der Garantien im Sinne der französischen  Forderungen stelle; der Standpunkt des Weißen Hauses   und namentlich jener des amerika­ nischen   Senats jei aber nicht genau bekannt.

Stavisky auch ein Spion?

Frankreichs   Festungspläne angeblich verraten

Paris  , 29. März. Der Londoner   Berichterstatter des Echo de Paris" bringt eine Meldung des heutigen Daily Expreß  " zum Abdruck, die sich mit den Pariser Spionage­und Korruptionsaffären befaßt. Darin wird die Behauptung aufgestellt, daß alle großen militärischen Geheimnisse Frankreichs   der Festungsplan an der Ostgrenze, der Plan cines nenen französischen Kreuzers, eines neuen Maschinengewehrmodells usw. an das Ausland verkauft wurden. Jeder Tag bringe nene Beweise dafür, daß Stavisky auch Mitglied einer internationalen Spionageorganisation gewesen ist.

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Ernste Spur der Stavisky- Mörder find in ihrem Berufe Bookmal ers und wer den des Mordes beschuldigt. Die Polizeidirektion hat bisher nähere Einzelheiten darüber noch nicht bekanntgegeben.

Nach einer späteren Meldung wurden gegen drei Zengen Stedbriefe erlassen. Alle drei

Chiappe belastet ein Pariser  Gericht

Deutschlands   Schmach wächst

Einstein die Staatsbürgerschaft aberkannt

Die neue fascistische Verfassung Oesterreichs  

Die Doppelrolle, die sich die deutschen  Christlichsozialen bei uns zurechtgelegt haben, ist bekannt. So oft ihnen etwas nicht in ihr Ston­zept paßt, jammern sie über Verletzung der Demokratie, in einem Atemzuge aber heißzen fie mit Wohlbehagen alles gut, was die österrei­chische christkatholische Fascistenregierung an Ver brechen gegen die Demokratic, Recht, Gesetz und Freiheit der Staatsbürger ins Wert jetzt. Sie haben die blutige Niederwerfung der die beschwo­rene Verfassung verteidigenden sozialdemokrati­schen Arbeiter bejubelt und nun, da die Fasci­sierung Desterreichs durch eine neue dekretierte Staatsverfassung ihre Vollendung erfahren soll, finden sie auch dies recht und billig.

Welches sind nun die Leitlinien der neuen Verfassung, die in den nächsten Tagen dem öster­reichischen Volte als Ostergeschenk beschert wer­den soll? Beschert denn das Volk selber wird überhaupt nicht befragt, was es dazu jagt und ob es unter dieser Verfassung leben will; die autoritäre" Regierung, deren Mitglieder die bisher geltende Verfassung im Namen Got­tes" beschworen haben, kümmert sich den Teufel um die Meinung des Volkes, das wäre auch sehr gefährlich, denn die Dollfußchristen würden sich dabei bis auf die Knochen blamieren und darum wird es im Ständeſtaat  " überhaupt keine Wah I en mehr geben.

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Die mit der Untersuchung der Ermordung des Gerichtsrates Prince betrauten Beamten der Die offiziöse Prager Presse stellt jedoch aus- Dijoner Kriminalpolizei wurden gestern telepho Die neue Verfassung kennt nur er. drücklich folgendes fest: nannte Körperschaften. Ihrer gibt es nisch nach Paris   berufen. In Polizeikreisen läßt um so mehr, da die Zahl der antimarristischen man durchblicken, daß man eine ernste Spur der Mörder gefunden hat und in kürzester und fascistischen Politiker, die von der Diktatur Zeit eine Lösung des Falles erwarten dürfe, der versorgt werden wollen, sehr groß ist. Da soll bereits über sechs Wochen untersucht wird. Der ehem. Pariser   Polizeipräfeft Chiappe es einen Staatsrat" von 40 bis 50 er­Gestern wurden auf der Sicherheitsabteilung wurde von nachmittag bis in die späten nannten Personen geben, daneben einen Su I- der Pariser Polizeipräfettur drei Personen von Abendstunden von der parlam... tc: ischen Unter- turrat" für Erziehungs- und Kulturfragen- frith bis in die späten Nachtſtunden verhört. Eine fuchungskommiffion als Zeuge verhört. Preſſemel ebenfalls 30 bis 40 Ernannte, vor allem Ber­vierte Person befindet sich in   Marseille in Gedungen zufolge lieferte er wertvolles überzeugen treter der Religionsgenossenschaften, daneben wahrsam und wird dort verhört. Es soll sich um des Material gegen das   Pariser Gericht, welches einen Wirtschaftsrat", der Vorläufer Personen handeln, die an der Ermordung Princes das Gerichtsverfahren gegen Stavisty eingestellt eines Ständerates" sein soll, und schließ;- mitbeteiligt wave. und feine Rücksicht auf zahlreiche ihm von der Polizeipräfeftur gesandte Berichte über Stavistu lich einen Länderrat", in dem je zwei Ver genommen habe. treter aller Bundesländer sitzen sollen. Alle diese Störperschaften haben überhaupt keine Befugnisse; sie haben nur Gesetzentwürfe, die ihnen die Regierung vorlegt, zu begut. achten! Ihre Beratungen sind nicht öffentlich. Die Gesetzgebung" foll vom Bundestag" ausgeübt werden. Aber sein Gesetzgebungsrecht wird nur die Starifatur  Berlin, 29. März.( Deutsches Nachrichten- daß zu neuen antijüdischen Maßnahmen fein einer wirklichen Gesetzgebung sein. Der Bun büro.) Der Reichsminister des Innern, Frid, hat Grund vorhanden sei, doch wurden anderseits in destag" darf nicht öffentlich beraten, er foeben, wiederum im Einvernehmen mit dem der letzten Zeit wiederum behördliche Maßnahmen darf keine Anträge stellen, er darf an den Außenminister, bisherigen Reichsangehörigen die getroffen, die zu dieser Erklärung im Widerspruch Regierungsvorlagen teine Aenderungen vorneh­deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt, weil sie stehen und sich hauptsächlich auf Filme mit jüdis men, er hat lediglich das Recht, die Gesetze anzu­,, durch ein Verhalten, das gegen die Pflicht zur schen Schauspielern beziehen. Nach dem Verbot Treue gegen Reich und Volt verstößt, die   deutschen des Filmes Katharina die   Große" mit der jüdi- nehmen oder abzulehnen. Da alle Mitglieder die­Belange geschädigt haben". Auf der Liste der Ausschen Schauspielerin, Bergner, wird heute mitges ses sonderbaren Parlaments von der Regie. gestoßenen befinden sich zahlreiche, ehemals in teilt, daß der   amerikanische Sportfilm Männer rung ernannt und abhängig sein  Deutschland sehr bekannte Personen, vor allem um eine Frau" verboten wurde, in welchem die werden, wird also das Gesetzgebungsrecht" des Roosevelts Veto hinfällig Professor Dr. Albert   Einstein, und die geflüch- weltbekannten Boger Dempsey, Carnera und der Bundestages" nur darin bestehen, zu allem Ja teten ehemaligen sozialdemokratischen Reichstags- amerikanische Jude Mar Baer, der vor einigen und Amen zu sagen.  Washington, 29. März. Auch der abgeordneten Dr. Herb. Toni Sender und Monaten den   deutschen Bormeister Schmeling be- Dabei kann die Regierung, wenn es ihr be­Senat überſtimmte mit der erforderlichen Zwei-| Way Seydewib, sowie Dr. Kurz Rosen- siegt hatte, auftritt. Der Film lief in   Berlin beliebt, selbst diesem Scheinparlament alle Be­drittelmehrheit den Einspruch des Präsidenten feld, weiter befinden sich unter den Ausgestoße- reits 14 Tage, ohne daß das Publikum irgend fugnisse entziehen. Die neue Verfassung räumt Noosevelts gegen die Vorlage über die Unter- nen Dr. Eduard Stilgebauer und die Ehefrau welche Abneigung gegen ihn an den Tag gelegt der Regierung das uneingeschränkte Recht ein, stützung arbeitsunfähiger Kriegsteilnehmer und Waltraud des Mar Hölz, dem die Staatsangehös gesetzesändernde Verordnungen zu erlassen, also über die Beamtengehälter. rigkeit bereits früher aberkannt war. Das Vermö sich selbst das Recht der Gesetzgebung anzu­Die Vorlage erlangt hiedurch Gesetzeskraft gen der der   deutschen Staatsangehörigkeit für ver- Englischer Protest gegen das maßen. Nicht einmal das Staatsoberhaupt muß und belastet den Haushalt um nicht vorhergeschene lustig Erklärten wird beschlagnahmt. Die Ausdeh­solchen Notverordnungen zustimmen. Das Verbot des Katharina- Films 230 Millionen Dollar. nung auf Familienangehörige bleibt vorbehalten. Staatsoberhaupt bekommt als Ostergeschenk cin Judenverfolgungen gesteigert Auf eine Anfrage im Unterhaus über eigenes Notverordnungsrecht: es kann durch eine Internationales Kohlenabkommen? das Verbot des Filmes ,, Katharina die Verordnung Teile der Verfassung abändern! Ein  Berlin, 29. März. Die antisemitische Belle  London, 29. März. Im Unterhaus teilte der Miniſter für Grubenwesen B r o to n mit, daß auf in   Deutschland, die nach dem vorjährigen Boykott Große" in   Deutschland, teilte Außenminister Sir so schrankenloser Absolutismus hat im lekten Einladung der englischen Grubenbesitzer in der und den judenfeindlichen Maßnahmen etwas nach John Simon mit, daß die Föderation der   britischen Jahrhundert in keinem europäischen nächsten Woche eine Delegation der polnischen gelassen hat, beginnt nun wieder anzusteigen, wie Industrie auf Veranlassung der Erzeuger dieses Grubenbesizer in   London eintreffen werde, um verschiedene Zwischenfälle zeigen. In den letzten Filmes im schriftlichen Gedankenaus

Taubt.

Ebenso hat das Bundeskanzleramt die Ver­breitung der Zeitschriften Der Rundfunt", Er scheinungsort   Prag, und Weltblick", Erschei­nungsort   Prag, im Inlande für die Tauer eines Jahres verboten.

hätte.

Staat bestanden!

Offenbar soll der Volkswille auch bei der Bestellung des   Bundespräsidenten ausgeschaltet

über bie noblenfrage zu beraten. Die Regierung Wochen wurden aus verschiedenen Teilen des Reis tausch mit den zuständigen Behörden ſtände. ſein. Der Bundespräsident, deſſen Befugnisse  Großbritanniens ſei dem einer nationalen Vereinbarung betreffend wurden sie zum Teil auch verschwiegen. Die Bez Der Minister sprach die Hoffnung aus, daß die über die absoluter Monarchen weit hinausgehen, die Abiagmärkte und bezüglich der Preise nicht hörden haben zwar in einigen Fällen, vor allem Angelegenheit zufriedenstellend geregelt werden wird auch nicht mehr gewählt werden. Die soweit sie das Wirtschaftsleben betreffen, erklärt, wird. österreichischen Verfassungskünstler denken wohl

abgeneigt.