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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Sonntag, 1. April 1934

Seitz fordert Rechenschaft! Die Waffentransporte

Ueber eine Einvernahme des Bürgermeisters Seit im Polizeigefängnis in der Rossauerlände erfährt der OND aus Wien  : Als Bürgermeister Seitz von einem hohen Polizeibeamten einvernom­men wurde, wartete die Frau eines sozialdemo= fratischen Funktionärs im Nebenraum. Dort hörte sie folgendes: Der Beamte forderte den Bürger­meister Seitz auf, sich doch endlich zu verant­worten". Darauf antwortete Bürgermeister Seit sehr nachdrücklich: Ich bin von zwei Dritteln des Wiener   Volkes zum Bürgermeister gewählt wor­den. Von dem Platz, auf dem mich das Vertrauen meiner Mitbürger gestellt hat, wurde ich mit Brachialgewalt fortgeschleppt. Ich bin aber noch immer der gewählte Bürgermeister dieser Stadt.

Nicht ich habe mich vorder Polizeizu verantworten, sondern die Poli­

zei hat sich vor mir zu verantwor= tcn!"

China- japanische Kolonie?

nach Oesterreich  

Enthüllungen eines Belgrader Blattes

Titel Gegen wen rüstet Desterreich" befaßt sich Belgrad  , 31. März.( Avala.) Unter dem das hiesige Blatt" Politika" in einem Sonder bericht seines Bratislaver Korrespondenten mit den unlängst aufgedeckten heimlichen Waffentrans­porten aus Italien   nach Desterreich und Ungarn  und schreibt:

Nummern an. Den Angestellten der österreichischen  sichergestellt und der Korrespondent führt auch ihre Bundesbahnen waren besondere Instruktionen zu gegangen, damit die Sendung schnell und ohne Schwierigkeiten transportiert werde.

Nr. 77

Eine notwendige Antwort

Die Selbständigkeit Desterreichs ist nicht nur das heute beliebteste Thema diplomatischer Frühstücke und anderer, feiner Lustbarkeitsstener gerade seit sie de facto aufgehört hat zu besichen, unterworfener Vergnügungen, sie ist nicht nur, das umstrittenste Problem der europäischen   Poli tit, sie ist auch Gegenstand einer polemischen Am 21. März traf ein ganzer Zug mit Auseinandersetzung zwischen uns und dem Flugzeug- und Automobil- Material in Wiener Linkspublizisten" der mosaischsozialen Wiener  Nach den Informationen des Blattes trafen Neustadt ein. Es war dies ein von Italien   kom Sonn- und Montagszeitung", dem Herausgeber am 9. März auf dem italienischen Grenzbahnhof mender und für Ungarn   bestimmter Zug. Unter des Neuen Tagebuches", Leopold italienische Waggons ein, wo sie Heimwehrabtei- a cht 7 lng c. Tup Fiat 20-18, Flugzeuge sich der Hoffnung hin, daß auch Sozialdemo San Candido vier österreichische und vierzehn dem bisher transportierten Material befinden sich Schwarzschild  . Herr Schwarzschild gab lungen übergeben wurden. Die Sendung war als Typ Maqui M 18 mit einem Motor und 250 Straten, gerade Sozialdemokraten, vielleicht ge

" Blumenkohl" deklariert, tatsächlich aber enthiel- fechs Flugzeuge Typ Savoia mit 750- ten sie vier Tanks und eine große Menge Motoren und 20 Maschinen verschiedener Typs. Munition. Die Sendung wurde nach einer in Außerdem wurden nach Ungarn   4000 besondere der nächsten Umgebung Wiens liegenden Station Anzüge für den Kampf gegen Giftgase trans: weiterdirigiert. Sämtliche Waggons wurden portiert.

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Neuer Diebstahl von Arbeiter- attiviert werden. Der neue Verein übernimmt das gesamte Erbe und schließt sich der Vaterländischen vermögen Front an.

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Merkwürdige Mandats­Annullierungen

Moskau, 31. März. Die Telegraphenagentur der Sowjetunion   teilt mit: Die Moskauer   Blätter bringen aus Schanghai   die Nachricht, daß die Ver­handlungen, die von der dort eingetroffenen Gruppe großer internationaler Bantiers geführt werden, in den dortigen ausländischen Streifen großes Interesse erregen. Die Bantiers uniersuchen jammenhang mit den Fever- Ereignissen aufge Wien  , 31. März. Die Leitung des im Zu-| die Frage der Geivährung einer großen Anleihe lösten Arbeiter- Bildungsvereines in Alsergrund an China   seitens eines internationalen Stonsor wurde nunmehr durch das neue Präsidium, an Wien  , 31. März. Auf Grund der letzten Re­tiums. Bei den Verhandlungen mit den Bantiers deffen Spize ein Regierungstommiſſär steht, über- gierungsverordnung betreffend die Syſtierung fol­in Schanghai forderten die japanischen Vertreter nommen und ein Büro, Kino, Bibliothek und die cher Mandate, deren Inhaber aus der Partei, auf den Verzicht auf den in Aussicht genommenen Plan übrigen Unternehmen des Verbandes neu ge- deren Wahlvorschlag fic figurierten, ausgetreten und suchten zu beweisen, daß die Situation in öffnet. Auf ähnliche Weise werden auch die Ver- jind, wurden weiters vier Nationalrats China   die Aufnahme von Investitionsarbeiten mit hältnisse in den analogen Institutionen geregelt Mandate annulliert, und zwar jene der Ab­ausländischem Geld nicht gestatie. Gleichzeitig werden. Der bekannte sozialdemokratische Tou- geordneten Sainz und Ebner( Seimats­bietet Japan der Nanging- Regierung eine Anleihe risten- Verband Die Naturfreunde", der im Zu- block), des früheren Sozialdemokraten 3 e len ta im Falle des Abschlusses eines festen japanisch fammenhang mit den Feber- Ereignissen aufgelöst und des Mitgliedes des Wirtschaftsblocks Vinz I. japanisch- sammenhang chinesischen   Abkommens an. Die japanische   Diplo- und dessen Vermögen, insbesondere die zahlreichen matic gab den Vertretern des zu organisierenden Alpenhütten, beschlagnahmt und von einem Re­Bankentonsortiums ganz eindeutig zu verstehen, gierungskommissär übernommen wurden, wird, daß in sämtlichen mit den Beziehungen zwischen wie die Blätter melden, in der nächsten Zeit genden Fragen Japan   ein entscheidendes neuerlich unter dem Titel Die Bergfreunde" Wort zu sprechen habe, da in seinen Sänden die Macht liegt, die fähig ist, im Osten die Ordnung zu schützen." Diese Hal­tung Japans   rief in den internationalen Finanzkreisen den größten Mizmut hervor, die diese Haltung als Versuch der Aufrichtung eines inberhüllten japanischen Protettorates über China  fennzeichnen.

Jit's nur eine Folge der bekannten österrei= chischen Schlamperei, daß man übersehen hat, der Nationalrat have in dem neuen Desterreich" überhaupt keine Bedeutung mehr?

rade deutsche   Sozialdemokraten der Tschecho­slowakei."( oder wie er sich an einer anderen Stelle so schön ausdrüdt: Tschechoslowakiens") folgendes zu verstehen in der Lage seien: 1. Dai; Desterreich, wenn es an Deutschland   fiele, dessen numerische Straft um sieben Millionen Menschen stärken würde; 2. daß Oesterreich, wenn es an Deutschland   fiele, dessen strategische Situation grandios verbessern würde. Denn damit wäre die Tschechoslowakei   militärisch so umklammert, dai; fie völlig hoffnungslos dem deutschen   Enunarja) preisgegeben wäre, eine Sache, die das Zen tralorgan der Prager Sozialdemokratie gelegent lich einmal überlegen könnte; 3. daß Oenerreich, wenn es an Deutschland   fiele, deſſen politijaje Situation außerordentlich stärken würde. Denn schen Berlin   und Rom   geschoben war und die der Keil verschwände, der bisher politisch zwi. Alliierung dieser beiden Mächte verhinderte...

,, Sachen" alto, die wir uns bereits redit gründlich überlegt hatten, noch bevor uns Herr Schwarzschild   den liebenswürdigen Rat gab, dies doch gelegentlich" zu tun und, wie wir glauben. gründlicher überlegt haben als er, weil wir uns vom Bluthund Dollfus nicht bestechen ließen, weder durch Artikel, noch durch die Möglichkeit

Gegen den Nationalhass fie abufeben. Wir haben uns nicht nur die Ge­

Friedensfeier des Roten Kreuzes

Prag, 31. März.( Tsch. P.-B.) Heute Vor­mittag wurde im Sizungssaal des Abgeordneten­hauses in Anwesenheit des Präsidentender matischen Storps und der gesetzgebenden Körper­Paris, 31. März. Die beiden parlamentari- schaften der Friede des tschechoslowa­schen Untersuchungskommissionen betreffs der Betischen Roten Kreuzes feierlich verkün= trugsaffäre Stavisty und der Verantwortung für det. Präsident M as a ryk wurde vor dem Parla­die blutigen Feber- Ereignisse, haben ihre Tätigkeit mentsgebäude u. a. vom Vorsitzenden des Abge­unterbrochen und sich bis Mitte April vertagt. ordnetenhauses Dr. Stanět begrüßt. Im Sibungs­Die Kommission betreffs der Betrugsaffäre Sta faal eröffnete die Feierlichkeit, nachdem die Staats­visty hat den ehemaligen Innenminister Frot ver- hymnen verflungen waren, der Vorsitzende des hört, welchen der Vorstand des Büros des chema- Abgeordnetenhauses Dr. Stanět. Nach dessen ligen Pariser Polizeipräfekten Chiappe, Zimmer, Kundgebung sprachen. a. der Vertreter der Re­beschuldigt hat, in den letzten Jahren auf der Pa gierung Minister für Unterricht und Voltsaufklä­riser Polizeipräfektur Schritte zugunsten des pol- rung Dr. Krčmář. nischen hetrügerischen Bantiers Danowsti, eines Nach einer furzen Einleitung über den Sinn Genossen Stavistys unternommen zu haben. Da- und die Losung der Feier sagte der Minister: nowsti war wegen Betrügereien u. Nichtbezahlung von Steuern in der Höhe von etwa einer halben Million Franken aus Frankreich   ausgewiesen wor den. Deputierter Frot ersuchte um einen Aufschub der Ausweisung, eventuell um Aufhebung dieser Anordnung. Schließlich flüchtete Danowski aus Frankreich  , bevor er verhaftet wurde. Frot er= flärte, diese Schritte nur als Advokat unternom= men und hiebei nicht seinen Einfluß als Deputier­ter ausgeniißt zu haben.

Frot vor der Kommission Republik, der Mitglieder der Regierung, des diplo

Die Untersuchungskommission sandie, bevor fie auf die Osterferien ging, der Regierung ein Schreiben, in welchem sie darauf aufmerksam macht, daß zahlreiche hohe Staatsbeamte und Offi­giere den Verwaltungsräten von Gesellschaften größtenteils zweifelhaften Charakters, angehören und durch ihren Namen oder ihren Rang die Spa­rer dazu verleiten, irrigerweise Vertrauen zur Reinheit dieser Unt.rnehmungen zu haben. Die Kommission frdert, daß allen Staatsbeamten empfohlen werde, Verwaltungsräten nicht als Mit­glieder anzugehören.

Liebe zum eigenen Volk fordert keineswegs Lieblosigkeit zu anderen Völkern." So lehrt uns unser großer Präsident. Gegen einen pofitiven Nationalismus, der positive Ziele anstrebt, eine intensive Arbeit zur Sebung der eigenen Nation beinhaltet, kann niemand etwas einzuwenden ha= ben. Nicht die Liebe zum eigenen Volf, sondern der Chauvinismus ist der Feind der Völker und der Menschheit."

Das Tschechoslowakische Rote Kreuz, dessen Inspiration der heutige schöne Brauch, der sich be­reits eingelebt hat, entsprungen iſt, bringt Jahr für Jahr dem ganzen Volt die Opfer des schreck­lichen Krieges in Erinnerung, führt ihnen wenig­stens einmal im Jahr neuerlich zu Bewußtsein, wohin Mißgunst, Herrschsucht, Gewalttätigkeit, Hochmut, Wachtgelüfte und Stolz führen und wie teuer die Menschheit dafür zu zahlen hat.

Krieg ist fein unentrinnbares Schicksal, er ist eine vorübergehende Krankheit.

fahren überlegt, die uns und der gesamten zivi. listischen Welt als Folgen der Gleichschaltung Oesterreichs   drohen würden( und die Herr Schwarzschild   in seinen drei Punkten nicht ein­Wie ein Arzt, der weiß, daß die beste Strant- mal annähernd erschöpfend erfaßt hat), sondern heitsbekämpfung darin besteht, ihren Ausbruch zu auch die nicht minder großen Gefahren, die uns verhindern, so arbeitet das Tschechoslowakische und ebenfalls der gesamten zivilisierten Welt, Rote Kreuz mit all seinen Sträften bereits im Frieden gegen den Krieg. Es hat nicht ohne Sinn als Folgen der schon vollzogenen Eingliederung für seine Friedensfundgebungen jenen Tag gewählt Desterreichs in das italienisch- ungarische Bünd an dem jener aus dem Grabe guferstand, der ge- nissystem bereits drohen. Herr Schwarzschild  , fommen war, zu verbinden und nicht zu trennen, der den Seinen stets mit den Worien entgegen- dem wir, obwohl er voraussichtlich weit von den trat: ,, Friede sei mit Euch". mrit tödlicher Sicherheit zu erwartenden Schüssen bleiben dürfte, im Interesse seiner journalisti. schen Vollkommenheit nahelegen, doch auch dies gelegentlich einmal zu überlegen", tat es noch) nicht.

Nach der Kundgebung des Ministers Dr. Kerčmář spielte das Orchester der Tschechischen Philharmonie   die Moldau" aus Smetanas fin­fonischer Dichtung Meine Heimat".

Der Vorsitzende der Regierung, Maly= petr, verkündete hierauf den Frieden des Tiche= Herr Schwarzschild, der den Unterschied choslowatischen Noten Streuzes und forderte zu des zwischen uns und ihm lediglich darin erblidt. daß es mit Kanonen, Refrutierungsziffern und ſen Einhaltung auf. Nach einem weiteren fünstlerischen Pro- strategisch- politischen Aufmarschbedingungen rech­gramme schloß Dr. Staněk die Feier. net, während wir uns mit sozialen Idealen be­Der Präsident der Republik und seine schäftigen, irrt nicht nur in der Beurteilung des Begleitung begaben sich dann zum Stiegenaufgewiß; gewaltigen Unterschiedes zwischen uns gang vor dem Parlament. Mitglieder der jungen Organisation des Roten Kreuzes legten am Fuße und ihm, der im Wesen völlig anderer Natur ist, von Stursas Verwundeten" einen Lorbeerfranz ganz abgesehen davon, daß eine politisch- strate­nieder. Ein Kanonenschuß leitete die zwei gische Gleichung niemals ausgehen kann, wenn minuten pause zum ſtillen Gedenten der man die von Schwarzschild   anscheinend recht ge­Kriegsopfer ein, dann sangen tausend Roie- Kreuz- ring gewerteten sozialen Ideale des Menschen­Kinder das Volkslied: Ach synku, syntu"

Nach Schluß der Feier verabschiedete sich der Präsident von den Würdenträgern und fuhr unter den Hochrufen der versammelten Menschenmenge auf die Burg.

Zwei Minuten vor der Mittagsstunde, nach Unter den Völkern gibt es keinen angeborenen der Abgabe des ersten Stanonenschusses, gaben Mi­Haß. Dem arbeitenden Bolt jedweder Zunge und Maffe ist jeglicher Rassenhaft fremd. Die Mensch- litär-, Sokol- und Feuerwehrhorniſten in allen heit ist nicht diefem fchrecklichen Fluch verfallen, Teilen Prags   und des flachen Landes das Zeichen ihre Sendung besteht nicht darin, einander zu zur Stillegung des Verkehrs für die Zeit der Zwei­Krüppeln zu schlagen und einander zu töten. Der minutenstille.

materials" außer Acht läßt, ganz abgesehen da van also, stimmt seine Rechnung deshalb nicht, weil das, was er als gegeben annimmt, die Selb­ständigkeit Desterreichs, nur noch in seiner Einbil. dung und in den Reden der Diplomaten existiert.

An dieser Stelle wurde bereits in einer Polemik mit Herrn Schwarzschild auseinander. gesetzt, daß in der Wiener   Feberschlacht nicht nur die politischen und gewerkschaftlichen Rechte des