Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XH., FOCHOWA 62. TELEFON 53077." ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

14. Jahrgang

Samstag, 7. April 1934

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Gerichtliche Stäupung der Welt von heute Staat und

Das Urteil wegen der Verleumdung gegen Genossen Katz

Prag, 6. April. Heute fand beim Straf­freisgerichte in Prag - Pankrac die Verhandlung über die Verleumdungsflage statt, welche Genosse Abg. Katz gegen den verantwortlichen Redak= teur der Welt von heute", Dr. Ottokar Stur 3, überreicht hat. Die Verhandlung wurde vom Obergerichtsrat naute geleitet. Dr. Ottokar Kurz, welcher inzwischen die Herausgabe und verantwortliche Redaktion der Welt von heute" niedergelegt hat( jetzt zeichnet ein Herr Helmui Legler verantwortlich) war persönlich erschie nen und erklärte gleich zu Beginn der Verhand lung, daß er bereit sei, dem Privatkläger Abg. Kaz volle Genugtuung zu leisten. Der Vertreter des Genossen Kay, Genosse Dr. S ch tv e I b, gab hierauf die Bedingungen bekannt, unter welchen Genosse Kaß bereit wäre, von der weiteren Straf­verfolgung des Dr. Kurz Abstand zu nehmen un­ter Vorbehalt der Verfolgung des Urhebers des Artifels. Diesbezüglich hat nämlich der Sohn des Sarlsbader Steppdedenfabrikanten Fürnberg, Herr Louis Fürnberg , nachdem durch Erhe­bungen bei der Faltenauer Polizei und Gendar­merie sowie nach dem Ergebnisse der Prager Hausdurchsuchung feststand, daß er an der Sache beteiligt sei, in einer Zuſchrift an unser Karls­bader Bruderblatt zivar zugegeben, daß er dem Blatte Welt von heute" Informationen erteilt hat, aber gelengnet, der Autor des verleumderi­schen Artikels zu sein.

Das Gericht fällte nun folgende Ent= scheidung:

Der Beschuldigte, Dr. Ottokar Kurz, hat zu Handen des klägerischen Anwaltes eine Geldbuse von 800.- für wohl­tätige Zwecke, u. zw. für die Fürsorge für Arbeitslose zu erlegen. Dr. Kurz hat ferner in der Welt von heute" auf der ersten Scite links oben, im gleichen Druck wie der

erste Artikel erschienen war, binnen acht Tagen die nachstehende Erklärung zu ver­öffentlichen:

Erklärung

Zu dem in Nummer 4 unserer Zeit schrift Die Welt von heute" am 21. März 1934 unter der Ueberschrift Nach Zajiček Statz? Nicht dementierte" Gerüchte im Egerlande" veröffentlichten Artifel, in wel

chem behauptet worden ist, daß Gerüchte darüber kursieren, daß Avg. Kaß Mil­lionen Arbeitergelder veruntreut hat, ertlä­ren wir, uns davon überzeugt zu haben, daß diese von uns verbreiteten Gerüchte jeglicher Grundlage enibehren und vollkom men gegenstandslos find. Wir konstatieren, daß Herr Abg. Katz überhaupt nicht Mit­glied des Revierrates oder einer Korpora tion ist, welche große Beträge von Arbeiter­geldern verwaltet, und führen an, daß die obigen Gerüchte sofort von den kompetenten Stellen dementiert worden sind.

Mit Rücksicht darauf widerrufen wir alle beleidigenden Behauptungen, welche sich auf Herrn Abg. Franz Kat beziehen, mit dem Ausdrucke des Bedauerns darüber, daß es zur Veröffentlichung gekommen ist, und leisten ihm hiemit volle Genugtuning.

Die Redaktion der Zeitschrift Die Welt von heute".

Die Erflärung ist ferner auf Kostendes Beschuldigten im Sozialdemokrat" resp. Volfswille" zu veröffentlichen und die Welt von heute" hat schließlich die gesamten Kosten des Strafverfahrens, einschließlich der Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung des Genossen Katz zu ersetzen.

Das Stammeln der Gerichteten

Durch diese gerichtliche Entscheidung findet ein Vorfall seine Erledigung, der in der Ge­schichte der proletarischen Publizistik seinesglei chen sucht. Es ist wohl noch nie von einer Zeitung in leichtfertigerer und böswilligerer Weise eine Beschuldigung gegen einen proletarischen Ver trauensmann erhoben worden als hier. Es ist traurig, daß ein Zeitungsblatt, welches Ar be i ter zu seinen Lesern zählen will, nicht davor zu rüdgeschreckt ist, Methoden fascistischer und gelber Zeitungen im Stampfe gegen einen proletarischen Funktionär weitaus in den Schatten zu stellen.

Doch das beste kommt zulegt.

Gleichzeitig mit dem Berichte über den Aus­gang des Strittes gegen den verantwortlichen Redakteur der Welt von heute" kommen uns von dem Rechtsanwalt dieses Blattes, Herrn Doktor Siegmund Stein, nicht weniger als drei Be­richtigungen zu. Wir wären nicht verpflichtet, diese Berichtigungen zu veröffentlichen, weil der jezige Herausgeber der Welt von heute", in des= sen Namen uns die Berichtigungen zugehen, nicht legitimiert ist, Tatsachen zu berichtigen, die den früheren Herausgeber betreffen, da es ferner überhaupt fraglich ist, ob eine Zeitung als solche preßrechtliche Berichtigungen versenden darf und da wir auch durch kein Gericht dazu verhalten werden können, gegen unseren Willen, die ver­leumderischen Behauptungen von neuem zu be= handeln. Dies umsoweniger, wenn die Kommuni sten jetzt selbst bestrebt sind, ihren ursprünglichen Artifel in möglichst mildem Lichte erscheinen zu lassen und den Eindruck zu eriveden suchen, als hätten sie die verleumderischen Behauptungen eigentlich überhaupt nicht verbreitet. Aber wir wollen diese Berichtigungen der Herren der " Welt von heute" unseren Lesern nicht vorent­halten. Die erste Berichtigung, die uns zuge tommen ist, lautet:

Bresseberichtigung

des in Nr. 86 des Sozialdemokrat" vom 22. März 1934 erschienenen Artikels: Wer sind die Lumbenbunde?".

Es ist unwahr, daß Die Welt von Hente" in ihrer Ausgabe vom 21. März 1934 Ge­rüchte" widergibt, die ihr angeblich aus der Karlsbader Gegend zugetragen wurden und die besagten, daß Stais mit Millionenbeträgen in die Schweiz geflüchtet sei, weil die sozialdemo­tratische Partei vor der Auflösung stehe, wahr ist vielmehr, daß Die Welt von heute" in der Widergabe der Starlsbader Gerüchte weder von ciner Flucht des Abgeordneten Kay, noch von der Auflösung der sozialdemokratischen Partei geschrieben hat.

von heute" gegenüber erflärt hat, er habe mit Statz über die Sache schon am Samstag gefpro­chen. Diese Mitteilung hat Oberwachtmeister Karl Kopper in Falkenau dem Herrn Louis Fürnberg nicht gemacht. Die entgegenstehende Behauptung des Herrn Fürnberg , der Welt von heute" und dieser Berichtigung ist unwahr. Ober­wachtmeister Karl Kopper hat vielmehr dem Fürnberg das gerade Gegenteil dessen gesagt, was dann in der Welt von heute" erſchienen ist, nämlich, daß die Gerüchte, über welche Fürnberg eine Auskunft haben wollte, unwahr seien und univahr sein müssen.

Die zivcite Berichtigung hat folgenden Presseberichtigung

Wortlaut:

des Artikels Heraus mit der Sprache" in Nr. 72 vom 27. März 1934, der Zeitung So­zialdemokrat".

"

Es ist unwahr, daß ein Berichterstatter des Prager Tagblait" in der Welt von heute" einen Bericht unter dem Titel Nach Zajičet Stay? Nicht dementierte Gerüchte im dieser Bericht vom eigenen Berichterstatter der Egerland " erstattete. Wahr ist vielmehr, daß Welt von heute" herrührt.

Es ist unwahr, daß die flare Auskunft durch den Polizeibeamten in diesem Berichte umgelogen und die Auskunft durch den Gen= darmeriekommandanten in ihr Gegenteil um gelogen wurde. Wahr ist vielmehr, daß sowohl die Auskunft durch den Polizeibeamten als auch durch den Gendarmeriefommandanten wahrheitsgemäß wiedergegeben wurden.

Es ist unwahr schließlich, daß Die Welt von heute eine vom Saß eingesandte Berich tigung nicht gebracht hat, wahr ist vielmehr, daß Die Welt von heute" diese Berichtigung bereits in ihrer Nummer vom 25. März 1934 veröffentlicht hat.

Für Die Weit von heute

Helmut Legler, Herausgeber. Anmerkung der Redaktion zu dieser Berichtigung:

Wessen Berichterstatter bei den Falfenauer Behörden vorsprach und wofür er sich dort aus­gegeben hat, davon soll bei Besprechung der drit ten Berichtigung die Rede sein. Unsere Behaup­tung, daß die Welt von heute" über die Aus­funft der Falkenauer Behörden das gerade Ge­genteil dessen veröffentlicht hat, was dem Fürn­ berg von Gendarmericoverwachtmeister Karl Kop­per und dem Beamten des Polizeiamtes Starl Lubner gesagt worden ist, halten wir vollinhalt­lich aufrecht.

Es ist weiter unwahr, daß Die Welt von heute" davon schrieb, daß Abgeordneter Katz Richtig ist, daß die Welt von heute" die in seiner Eigenschaft als Funktionär des Fal preßrechtliche Berichtigung schon am 25. März fenauer Revierrates sich schwerer Verfehlungen 1984 veröffentlicht hat. Die Veröffentlichung er­schuldig gemacht habe und am vergangenen folgte aber an derart versteckter Stelle und dem­Samstag bereits vom Fallenauer Gendar- sufolge in gesezwidriger Weise, so daß die Welt meriekommandanten einvernommen worden sei, von heute" vom Gericht zu einem neuerlichen Ab­sondern wahr ist vielmehr, das Die Welt von druck verhalten werden mußte. heute" in ihrem Berichte nur darauf hingewie­sen hat, daß Abgeordneter Kaß Revierrat sei und Arbeitergelder zu verwalten habe, um die Notwendigkeit einer Aufklärung der kursieren­den Berichte zu begründen, und daß ,, Die Welt von heute" nur die Mitteilung brachte, daß der Gendarmerietommandant ihren Korresponden­ten gegenüber erklärt hat, er habe mit Kay über die Sache schon am Samstag gesprochen. Für Die Welt von heute"

Das eben Gesagte gilt auch von der dritten Berichtigung, die so. ausschaut:

Helmut Legler, Herausgeber.

Anmerkung der Redaktion hiezu:

Die Behauptungen der Presseberichtigung sind in den wesentlichsten Punkten unrichtig. Die Welt von heute" hat spätestens aus der von ihr zweimal veröffentlichten Berichtigung des Genos= sen Maß erfahren, daß Genosse Katz nicht Revier­rat ist und keine Arbeitergelder zu verivalten hat. Unwahr ist es, daß der Gendarmerickomman­dant in Faltenau dem Korrespondenten der Welt

"

Presseberichtigung

Nr. 81

Gegenstaat

Von Paul Szende

In Frankreich jagt eine Standalaffäre die andere; jeder Tag bringt seine Sensation, fein Bestandteil des staatlichen Lebens bleibt vom Standal verschont, hohe Richter, Generäle, Po­litiker, Staatsanwälte werden gleichmäßig bloß­gestellt. Der Außenstehende muß zwangsläufig den Eindruck gewinnen, eine Gangsterbande have fich des staatlichen Getriebes bemächtigt und treibe dort ihr Unwesen. Gleichzeitig geht eine andere sensationelle Angelegenheit vor sich. Außer dem parlamentarischen Untersuchungsaus. schuß, der sich mit den Weiterungen der Sta­visfy- Angelegenheit beschäftigt, ist auch ein zwei.. ter Ausschuß am Werke, um die Hintergründe und Hintermänner des fascistischen Aufruhrs am 6. Feber zu erforschen. Zwischen den beiden Affären gibt es zahlreiche Berührungspunkte. Das Symbol dieses Zusammenhanges ist der davongejagte Polizeipräfekt von Paris , Chiappe, der einerseits ein Gönner der meisten Verbin­deten Stabiskys war, anderseits aber dem faſci­stischen Aufruhr die Mauer machte, die Vorbe­reitungen desselben förderte.

Außer dieſem persönlichen Zusammenhang haben diese Angelegenheiten noch eine andere gemeinjanie Grundlage. In jedem demokratischen Staate richtet sich neben dem Staat, ein e genstaat auf und das, was in Frankreich jetzt vor sich geht, ist nichts anderes, als ein Kampf zwischen Staat und Gegenstaat. Frank­ reich ist ein demokratischer Staat in dem Sinne, daß es Kleinbürgertum und Arbeiterschaft ge lang, sich das Höchstmaß; politischer Freiheiten zu erkämpfen. In der Nachkriegszeit war die Arbeiterschaft auch start genug, wichtige jozial politische Gesetze durchzusetzen, sie verfügte über die Mehrheit in den Gemeinderäten zahlreicher Großstädte und unzähliger Sleingemeinden. Die Verfassung Frankreichs beruht auf Rechtsgleich heit, auf der Gleichheit vor dem Gesetze, die öffentliche Meinung übt einen großen Drud auf die Gesetzgebung aus, und zwingt sie, solche Gesetze zu erbringen, die auch dem Wohle der arbeitenden Klassen dienen. Würde man die Rechtsgleichheit vollständig verwirklichen und die Gesetze, die unter dem Drucke der arbeitenden Schichten erbracht worden sind, entsprechend staat eines Tages ohne Gewaltmittel aufhören. vollstrecken, dann würde theoretisch der Klassen­

Vom ersten Augenblick an, wo in einem Lande die Rechtsgleichheit verkündet wird, setzen sich diejenigen Stlassen, Gruppen und Personen. deren Interessen durch die Verwirklichung der Rechtsgleichheit und durch den sozialpolitischen Fortschritt gefährdet wurden, zur Wehr. Ihr Trachten ist, das Rad der Geschichte rückwärts zu drehen, den Fortschritt aufzuhalten und bei scheinbarer Aufrechterhaltung der Rechtsgleid)- heit einen Zustand der tatsächlichen Rechtsun­gleichheit zu schaffen. Jeder Mensch, der seine Privilegien verteidigen will, bekämpft und jabo­tiert die Gesetze, die diese Privilegien einschrän ken oder aufheben; allmählich verbinden sich aber diese Bestrebungen zu gemeinsamen Aftionen; verschiedene Organisationen, durch das Klassen. Es ist univahr, daß" Die Welt von heute" interesse auf den Plan gerufen, übernehmen die dem Genossen Kat ohne jeden Grund vorge Arbeiter der Einzelpersonen. Neben dem Staat, worfen hat, er habe. Millionenbeträge unter­schlagen und sei geflüchtet, wahr ist vielmehr, der die Rechtsgleichheit verfündet, entwickelt sich daß Die Welt von heute" von einer Flucht der Gegenstaat, der die Rechtsgleichheit bekämpft. des Abgeordneten Staß überhaupt nicht schrieb neben dem Staat, dessen Hauptfunktion die und auch sonst ausdrücklich erklärte, daß es sich Vollstreckung der Gesetze ist, um Wiedergabe von Gerüchten handelt, die eine wuchert der Gegenstaat empor, der sich die Aufklärung erfordern. Nicht vollstreckung der Gesetze zum Ziele jetzt.

des in Nummer 72 des Sozialdemokrat" vom 27. März 1934 erschienenen Artikels Kom­munistische Verleumderorganisation".

"

Es ist weiter unwahr, daß der Kerl, der für Die Welt von heute" in Falkenau ge= tundschaftet" hat, sich bei der dortigen Polizei als Berichterstatter des Prager Tagblatt" ausgegeben hat, wahr ist vielmehr, daß nie­mand daselbst für Die Welt von heute"" ge­

"

( Schluß auf Seite 2).

Würde dieser Gegenstaat den Staat offen befämpfen, dann wäre die Gegenwehr eine leich tere. Die Gefahr besteht aber darin, daß Staat und Gegenstaat vielfach ineinander verflochten sind, daß die staatlichen Organe zu oft auch Dr. gane des Gegenstaates, der Nichtvollstreckung der