Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAG CH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077." ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Sonntag, 15. April 1934

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 88

Schenkers ,, streng vertraulicher"

Kompagnon

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Adolf Hitler  

Der Führer" steht persönlich in Verbindung mit den Schenkerleuten

Krach im Nazi- Verein der Spediteure

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Streng vertrauliche Audienz bei Hitler

Schenker u. Co., nebenberuflich eine Speditionsfirma" und im Hauptberuf des Drit. ten Reiches Spikel und Beste chungszentrale, hat dem deutschen Außenamt ,, streng vertrauliche" Dienste geleistet und stand zum Lohne dafür unter dem allerhöchsten per­sönlichen Schutz des Führers. Jeder, der an dieser ungeheuerlichen Tatsache bisher noch Zweifel hatte, wird jetzt durch das wahrhaft unverdächtige Zeugnis Herrn Adolf Hitlers   eines besseren belehrt.

Wir sind heute in der Lage, den vollen Wortlaut eines Rundschreibens des haken­frenzlerischen Vereines Deutscher   Spediteure zu veröffentlichen, aus dem nicht weniger hervor= geht, als daß

Adolf Hitler   in einer streng vertraulichen" Audienz, die er dem Ehrenvorsitzenden dieses Vereines Herrn Oberstleutnant a. D. Georg Ahlemann   gewährte, ausdrücklich die Ein­stellung jeder Aktion gegen Schenker u. Co. befohlen hat. Dieses sensationelle Rundschreiben lautet:

Schenker u. Co., G. m. b. H.

Berlin, den 26. September 1933.

Rundschreiben

reinsten Kräften gedient zu haben. Ich bin stolz dar auf, daß die Unzahl von Zustimmungserklärungen verschiedenster Art mir beweisen, daß ich in diesem Kampfe Euer unbedingtes Vertrauen, ja mehr noch, auch die Verehrung der bei weitem größeren Mehrheit an alle Niederlassungen von Schenker u. Co. und des Gewerbes in vollem Umfana beseffen habe. ihren Konzernfirmen in Deutschland  , Holland  , Beim Abschiede reiche ich jedem einzelnen meiner Belgien  , Dänemark  , Danzig  , Estland  , Lettland  , Mitlämpfer die Hand und möchte zum Schluß über Nordamerika  , je zu Handen der Geschäftsleitung. die Herbheiten des Alltags hinüberweisen auf das große Ganze. Ueber unser aller einzelnen Wünsche Betr.: Verein Deutscher   Spediteure und Oberſt- und Ziele steht unverbrüchlich das eine riesengroße lentnant a. D. v. Ahlemann. Gebot: Deutschland   muß leven, Deutschland   muß frei sein! Diesem Höchstziel unterstellen wir gern unser Einzelgeschid. Darum soll und muß bei aller Tren­nung deutscher   Männer in Freund und Feind uns schließlich doch vereinen der eine Ruf

Im Anschluß an unser Rundschreiben vom 23. d. M. geben wir Ihnen nachstehend ein weiteres Rundschreiben des Oberstleutnants a. D. v. Ahlmann vom 22. d. M. zur Kenntnis: Der Ehrenvorsitzende

des

Vereins Deutscher  Spediteure e. V. Berlin  

3. Zt. Bad Mergeiheim 22. September 1933

Kameraden des Speditionsgewerbes! Nachdem sich der Rampf zwischen Schenker u. Co. und uns außerordentlich zugespitzt hatte, habe ich mich zu dem letzten Schritt entschlossen, mich an meinen Führer, unseren hochwerten Herrn Reichs­fanzler, zu wenden. Ich habe deshalb die Kampflage brieflich eingehend Herrn Staatssekretär Dr. Lam­mers vorgetragen und ihn gebeten, mir eine Audienz beim Führer gütigst zu erwirken. Ich erhielt darauf sofort eine Einladung zur Rüdsprache in der Reichskanzlei, die am 21. 9. nach­miftags stattfand.

In liebenswürdig wohlwollender Art, ja mit einem Vertrauen, das mich ehrt,

find mir dort rückhaltslos offen, streng vertraulich die Gründe mitgeteilt worden, die meinen Führer veranlaßten, den weiteren Kampf gegen Schenker nicht mehr zu wünschen.

Des Führers Wunsch ist mir Befehl!

Als alter Nationalsozialist und als alter Kämpfer für die Freiheit meines Voltes, der ich seit über 12 Jahre im politischen Kampfe stehe, weiß ich, daß nur in der strengsten Manneszucht einer Be­wegung ihre politische Stoßkraft liegt, daher füge ich) mich unbedingt der besseren und tieferen Einsicht meines Führers.

Demgemäß lege ich jetzt hiermit in einem Angen­blick vor einem viel Erfolg versprechenden Großan­griff gegen die Feinde des Gewerbes gehorsamst die Waffen nieder. Nicht einer unserer Gegner hat sie mir aus der Hand gerungen, sondern nur ganz allein

das Gebot Adolf Hitlers  ."

Heil Hitler!

Georg Ahlemann  , Oberstleutnant a. D. und Mitglied des Preußischen Landiages. Schenker u. Co. G. m. b..

POLEN  

Von Herman Lieberman  

Die polnische Regierung hat in der letzten Zeit ein ungemein geräuschvolles Resseltreiben gegen die Tschechoslowakei   in Szene gesetzt. Man fann mit Recht sagen: zum Erstaunen und Entseyen der ganzen, friedfertig gesinnten Be völkerung. Die ursprünglichen Grenzdifferenzen, die unmittelbar nach Kriegsende zwischen bei­Deutlicher kann kaum mehr gesagt werden, den Völkern entstanden, sind schon längst ver welcher mitteleuropäische Standal gessen und der nachbarliche Verkehr wickelte sich hier vorliegt. Die Spediteure Nazideutschlands ununterbrochen in den freundlichsten Formen ab. hatten in ihrer Plumpheit weit weniger findig Auf einmal wurde der volnischen Regierungs­als manche fascistische, journaliſtiſche Gejinnungs- presse in bezug auf die Tschechoslowakei   das be­genossen in der Tschechoslowakei   nicht gewußt, fannte Bersaglieri Sommando ausgegeben: was hier gespielt wird. Sie ließen sich in einen wacht ein wildes Gesicht! Und so wird seit Wo­Konkurrenzstreit mit Schenker u. Co. ein und mußten erst durch einen ausdrücklichen Befehl den Hitler in einer vertraulichen Audienz ihrem Ehrenvorjizenden gab, zurüdge pfiffen werden. Die Karriere des Vorsitzenden ist daran gescheitert, daß er erst

von Hitler   selbst streng vertraulich erfahren mußte, daß Schenker eine Weltorganisation der nazideutschen Spionage ist und deshalb nicht bekämpft werden darf.

chen gegen die Tschechen gedonnert, als Unter­drücker der polnischen Minorität, als grausame terricht in ihrer Muttersprache verweigert wird Verfolger der polnischen Kinder, denen der Un­und dergleichen. Dabei ist zu bemerken, daß; in der Tschechoslowakei   mehr als die Hälfte der polnischen Kinder polnischen Unterricht erhalten. während in Deutschland   bloß 5 Prozent sich dieser Wohltat erfreuen. Eine unter der Leitung des Senatspräsidenten Raczkiewicz stehende Ver. einigung, die dem Schutze der polnischen Minori Man darf gespannt darauf sein, was die täten ihre Tätigkeit widmet, bezeichnet in einer europäische Oeffentlichkeit zu der Tatsache sagen jüngst erschienenen Veröffentlichung die Tsche­wird, daß Herrn Hitlers   persönliche Beauftragte choslowakei als Land, wo die polnischen Schul­und Schüßlinge in den meisten europäischen   Staa- tinder in nationaler Beziehung am günstigſten fen unter dem harmlosen Titel einer Speditions  - behandelt werden. firma" politische Spiseldienste leisten. Man darf Um eine halbwegs logische Erklärung für aber ebenso gespannt sein, was die Oeffentlichkeit diese ganz ungeheuerliche Hetze zu finden, greift unseres Staates dazu sagt, daß even' jene man in Polen   unwillkürlich auf den am 26. fascistischen Blätter, die immer wieder gerne den Jänner d. J. geschlossenen polnisch- deutschen Mund voll nehmen vor sittlicher Entrüstung über die korrupte Demokratie", von den diretten Freundschaftspakt zurück. Bekanntlich enthält die­Beauftragten Sitters, für die dem ser Pakt hauptsächlich dieselben, keiner wie im­Dritten Reich geleisteten wertvollen Schweige- mer gearteten Sanktion unterliegenden Frie­dienſte Best e chungsgelder genommen densphrasen, die in den Locarno  - Vertrag und haben. Der innen- und außenpolitische Standal den Briand  - Kellogg Paft aufgenommen wur dieser Affäre hat nun ein Ausmaß angenommen, den. Hinter den üblichen diplomatischen Frie­das längeres Schweigen nicht mehr duldet.

Die Wiener   Polizei bemüht sich

Haussuchungen und Verhaftungen von Sozialdemokraten

Wien  , 14. April.  ( Eigener Bericht.) Im Laufe des heutigen Tages wurden in den einzelnen Wiener   Bezirken zahlreiche Haussuchungen und Verhaftungen von Sozialdemokraten vorgenommen. Ueber den Anlaß hiezu hüllt sich die Polizei in Schweigen. Sie gibt nur an, daß sie 25 Verhaftungen durchgeführt und zahlreiches Material beschlagnahmt habe, dessen Sichtung längere Zeit in Anspruch nehmen werde.

densbeteuerungen aber vermutet man in Polen  ganz fonfrete geheime Abmachungen, die dem deutschen  , respektive polnischen Diftator ein weit­gehendes laissez faire hinsichtlich Oester­ reichs  , Litauens   und der Tschechoslowakei   ein­räumten. Nicht zu vergessen ist, daß im Zusam­menhang mit dem Pakt ein beiderseitiges Presse­und Propagandaabkommen getroffen wurde und daß beide vertragschließenden Regierungen in einem offiziellen Kommentar mit Stolz darauf hinwiesen, daß ihr autoritäres Regime" genug Straft werde aufbringen können, um jede ihnen schädliche Propaganda zu unterdrüden. Sauptorgan der polnischen Regierung versicherte überdies mit der den Fascisten eigenen An­maßung, daß die polnisch deutschen   Beziehungen der Kompetenz verschiedener bestehender oder in Zukunft etwa zu schaffender internationaler Organisationen" entrissen würden und daß beide Staaten ein eigenes Stabilisierungs- und eine gar nicht versteckte, sondern ganz offene Absage Polens   an den Völkerbund!

Die Polizeiattion ist augenscheinlich erfolgt. Freiheit!" geschrieben hat, werde er für ein auto­um die Vorbereitungen für den 1. Mai zu unter- ritäres, antidemokratisches Regime nie gewinnen. binden. Von sozialdemokratischer Seite wird die Sie werde auch trotz allen Verfolgungen weiter Zahl der Verhafteten höher geschätzt als sie von arbeiten, um ihre Rechte und ihre Freiheit zu der Polizei angegeben wird. Nach einer Meldung rückzuerobern. des tschechoslowakischen Korrespondenzbüros wur Nach dem Verlauf dieses Abends ist es sehr den zehntausende illegaler Zeitschriften, vor fraglich, ob noch ein zweiter versucht werden Sicherheitssystem" aufgerichtet haben. Somit allem die in Brünn   gedruckte Arbeiterzeitung" wird. Auch der heutige Tag kann nur beſtäti­gefunden. Die Festnahme maßgebender Perso- gen, daß die österreichische Sozialdemokratic lebt nen der sozialdemokratischen Partei soll unmit- und nicht daran denkt, den Kampf aufzugeben. telbar bevorstehen.

Welche Aussichten man der neuen Regie­Wien, 14. April. Der ehemalige sozialdemo­rungsaftion gibt, zeigt ein Bericht von unab- tratische Gemeinderat Josef Stroebl aus Brunn hängiger Seite, in welchem es heißt: am Gebirge wurde unter dem Verdachte verhaf tet, an der Beiseiteschaffung von Schußbundwaf fen beteiligt gewesen zu sein.

Während einer gestern stattgefundenen Ver­sammlung der Ostmärkischen Sturmscharen im 16. Wiener   Bezirk wurde eine Tränengasbombe geworfen. Die Versammlung mußte unterbrochen werden, die Täter sind flüchtig.

Tatsächlich hat sich in der letzten Zeit die illegale Propaganda der sozialdemokratischen Partei start fühlbar gemacht. Der Widerstands­geiſt ſcheint ungebrochen zu sein. Die Arbeiter haben das vor zwei Tagen dem dritten Vizebür­germeister Dr. Winter in einem Debattenabend im Volksbildungsheim im 5. Bezirk sehr einden In Vefolgung dieses Gebvies meines Führers tig zum Ausdrud gebracht. Es handelte sich um soll aber auch keine Halbheit meinen ganzen Entschluß manuelle Arbeiter und Angestellte, vor welchen hemmen. Deshalb lege ich hiermit durchaus aus freien Dr. Winter erklärte, er betrachte es als seine Stücken den mir seinerzeit von Euch auf Lebenszeit Aufgabe, die Arbeiter für das Regime zu ge= übertragenen Ehrenvorsitz nieder und ziehe mich völlig winnen. Die Arbeiter, die sich zur revolutionären von dem Stampffeld zurück, auf das mich Ende vorigen Tätigkeit bekannten, antworteten, der Vizebür­Jahres der Befehl der Fraktion der Nationalsoziali- germeister solle sich keine Illusionen machen, denn Die im Jänner für April in Aussicht genommene stischen Partei des Landtages hingestellt hat. er könne höchstens den Flugsand und einige Mit- Konferenz der Vertreter der Hauptgläubigerlän­Wenn ich jetzt scheide, so geschicht das im Be läufer gewinnen, die Jugend aber, die auf ihre der mit der Reichsbank findet am 27. April in wußtsein, Eurer guten Sache aus redlichsten und Fahnen die Parole Brüder zur Sonne, zur dem Gebäude der Reichsvant statt.

"

Ein unangenehmer Termin

für den Reichsbankpräsidenten. Berlin  , 14. April. Die Reichsvant teilt mit: Berlin  , 14. April. Die Reichsbant teilt mit:

Es ist nun die Frage zu beantworten, wel ches die Beweggründe sein mochten, die den pol. nischen Diktator veranlaßten, dem nach dem Verlassen des Völkerbundes vollends isolierten Hitler  - Deutschland   sich als treuer Verbündeter anzuschließen und so die gemeinsame gegen Deutschlands   Aufrüstung gerichtete europäische  Front zu durchbrechen. Von vornherein ausge. schlossen ist es, daß Pilsudski   den Freundschafts­und Friedensbeteuerungen Hitlers irgend wel chen Glauben beimist: so naiv ist er nicht. Um die Aufrichtigkeit diefer plötzlich aufflammen­den Freundschaft zu bekräftigen, hätte es genügt, einen Punkt über die Unverletzlichkeit der pol­nisch- Deutschen Staatsgrenze in den Pakt aufzu. nehmen. Das hat aber Hitler nicht getan und der polnische Dittator hat es wohlweislich nicht einmal verlangt, weil er sich einem sicheren Miß­erfolge nicht aussetzen wollte.