Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077." ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Nachschub

für Wöllersdorf  

81 Sozialdemokraten an die Stelle der Nazi

Freitag, 20. April 1934

England wartet ab

was Suvich sagen wird

London  , 19. April. Der Abrüstungsans Am 19. April wurden schuß des britischen   Stabinette hielt heute nach 81 szialdemokratische und kommunistische Partei  - mittags cinc Sinung ab, in der er sich mit der gänger, die bisher in Wien   angehalten worden durch die letzte Note der französischen   Regierung geschaffenen Lage befaßte. Obwohl sich die amt­waren, in das Anhaltelager nach Wöllers­lichen Kreise jedes Kommentars zur letzten fran­dorf überstellt. Unter ihnen befindet sich eine zösischen Abrüstungsnote enthalten, ist es doch größere Anzahl ehemaliger sozialdemokratischer offensichtlich, daß die Minister mit größter Sorg falt die Aussichten auf eine neuerliche Er öffnung der Abrüstungskon ferenz prüfen, um so die Möglichkeiten für die Ausarbeitung einer Abrüstungskonvention festzustellen.

Mandatare.

Die Prozeſſe gegen Schußbündler dauern an, wobei die Gerichte außerordentlich harte Strafen verhängen. So wurde der Führer des Schußbun­des in Engelsfeld, Alois Wohat, der während der Feberkämpfe die Arbeiter der dortigen staatlichen Munitionswerkstätten zum Streit aufgefordert hatte, in Wiener Neustadt   wegen Hochverrat zu

fünf Jahren schweren Kerkers verurteilt.

Vor dem Kreisgericht in Leoben   standen heute 37 Angehörige des Republikanischen Schuß­bundes aus der Gemeinde Thörl  , die sich an den

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( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 92

Frankreich  fordert Klarheit!

Was ist der Sinn der französischen   Note, det, daß Suvich über die letzte französische   Note die am 17. April abends in London   überreicht und über den italienischen Standpunkt hiczn mit wurde? Frankreich   bricht alle inoffiziellen Füh Sir Simon and Lord Eden konserieren lungnahmen und Verhandlungen ab, mit denen wird. In italienischen Streifen werde die Hoff England und Italien   die Abrüstungskonferenz nung ausgesprochen, daß die anglo- italienischen wieder flott zu machen versuchten. Es erklärt Unterredungen zur Aufklärung der ausdrücklich, nicht bereit zu sein, den gegen Atmosphäre beitragen werden, wie dies wärtigen Stand der deutschen   Rüstungen als ähnlich bei dem römischen Besuch Macdonalds vollendete Tatsache und als Basis einer neuen und Sir Simons der Fall gewesen sei. Suvich Vereinbarung anzuerkennen. Es verlangt, daß vertrete die Ansicht, daß eine wenn auch be der offizielle Apparat der Abrüstungskonferenz schränkte Abrüstungskonven- wieder zu arbeiten beginnt und daß er sich mit tion besser sei als überhaupt der Tatsache der vertragswidrigen deutschen  nichts. Aufrüstung beschäftigt.

Ans Paris   wird gemeldet, daß es nicht ans­

In englischen politischen Kreisen wartet man auch insbesondere ab, welchen Standpunkt Italien   und Belgien   einnehmen werden, und schreibt dem Besuch des italieniſchen linter geſchloſſen ſei, daß Suvich auf der Durchreise nach staatssekretärs Suvich, der Sonntag in Lon London   mit dem Ministerpräsidenten Don don cintrifft, große Bedeutung zu. Neuter mel- mergne eine Begegnung haben werde.

dortigen Feberkämpfen beteiligt hatten. Die Stage Der deutsche Wunschzettel

Tautete auf Hochverrat. Der Hauptangeklagte Josef Vaněk, Vorsitzender der aufgelösten so­zialdemokratischen Partei, erhielt dreieinhalb Jahre schweren Kerfer, sein Stellvertreter 3 Jahre, die Angeklagten Kerein zweieinhalb Jahre, Hilli­maher zwei Jahre und 27 weitere Angeflagte 12 bis 18 Monate ſchweren Kerker. Sechs Ange­flagte wurden freigesprochen.

Wozu

Das am Mittwoch abends veröffentlichte englische Weißbuch über den Notenaustausch in der Abrüstungsfrage enthält u. a. auch eine deut che Note vom 16. April an England, die eine Zusammenfassung der schon längere Zeit befann­ten deutschen   Forderungen darstellt. In dieser Veröffentlichung wird u. a. wiederholt:

1. Daß die deutsche Regierung nicht zwei Jahre lang auf die angemessenen Mittel für Deutsch­ lands   Luftverteidigung warten fann;

A

Die Abrüstungskonferenz, die im Feber

1932 zuſammentrat und die Vertreter von 61 Staaten der Welt vereinigte, befindet sich) feit dem Austritt Deutschlands   am 14. Oktober v. J. in einem Zustand der Agonie. Wohl ist verschie dentlich das Bureau der Konferenz unter dem Borjit Sendersons zusammengetreten zuletzt am 10. April- aber immer nur, um sich wie­land am Ende der zehn Jahre der Abrüstungsver- der zu vertagen, und der Hauptausschuß, bei einbarung sich auf dem Fuß voller zahlendem die eigentliche sachliche Arbeit liegt, ist über mäßigter Gleichberechtigung mit den haupt nicht mehr in Erscheinung getreten. Die nächsten Termine im Kalender sind Ende April wichtigſten Luftmächten befindet; Hauptausschuß. Ohne die neue Note Frankreichs  neue Bureauſibung und etwa am 23. Mai war Tausend gegen Eins zu wetten, daß auch diese Termine wieder gestrichen worden wären. Ob die Pariser   Initiative ausreichen wird, um eine Sitzung des Hauptausschusses zu erzwin­gen, muß die Zukunft lehren.

Grundlage der Meziprozität zur Annahme der von 4. die denische Regierung erflärt sich auf der Reichstanzler gegenüber Eden am 21. Feber er wähnten neuen Regulierungen bereit, die den nicht militärischen Charakter(?!) der SA und SS sicherstellen sollen;

5. die deutsche Regierung sei auch bereit zuzu stimmen, daß die anderen Mächte die Herabseßung ihrer Rüstungen bis zum Ende des fünften Jahres der Konvention aufschieben, wenn die in dem eng der kombbinierten Luftflotten sämtlicher Nachbarn lischen Memorandum niedergelegien Abrüstungs­oder 50 Prozent der Luftflotte Frankreichs   nicht maßnahmen während der zweiten fünf Jahre der überschreiten, je nachdem, welche Zahl die Konvention durchgeführt werden; größere ist;

2. daß Deutschland   bei Infrafttreten des Ab­braucht Deutschland 16,, Luftämter"? rüstungsabkommens eine für die Verteidigung be= stimmte Luftflotte zu befizzen wünscht, d. H. eine Berlin  , 19. April. Durch die Verordnung Luftflotte ohne Vombenflug= über den Ausbau der Reichsluftfahrtverwaltung se uge. Ihre zahlenmäßige Stärke soll 30 Prozent vom 18. April wird die Gesamiverwaltung der deutschen   Luftfahrt als eine Sonderver waltung neben der allgemeinen Verwal­tung begründet. Als dem Reichsminister der Luft­fahrt unmittelbar nachgeordnete Behörden wer­den 16 Luftämter errichtet, und zwar in Berlin  , Breslau  , Darmstadt  , Frankfurt   a. M., Hannover  , Kiel  , Köln  , Königsberg  , Magdeburg  , München  , Münster  , Nürnberg  , Stettin  , Stuttgart   und Weimar  .

Liebeswerben

um Bulgarien  

Berlin  , 19. April. Heute früh ist, aus Lon­ don   kommend, der bulgarische Ministerpräsident und Außenminister Muschanow in Berlin   einge­troffen. Zu seiner Begrüßung hatte sich der Staatssekretär vom Auswärtigen Amte Bülow mit mehreren offiziellen Persönlichkeiten einge­funden. Außerdem waren der bulgarische Ge­sandte in Berlin   mit dem ganzen Personal der Gesandtschaft und zahlreiche Mitglieder der bul­garischen Kolonie anwesend.

Zu Ehren des Gastes wird eine ganze Reihe von Empfängen veranstaltet. Die deutsche Presse widmet ihm sichtlich inspirierte Begrüßungs­artikel.

Muschanow war vorher in London   und Paris  , um dort die Frage der bulgarischen Auslands= schulden einer Klärung zuzuführen. Die deutsche  Diplomatie will Bulgarien   offenbar in ihr Schlepptan ziehen und die fürzliche Weigerung Bulgariens  , dem Ballanpalt beizutreten, dürfte bereits auf diese Einflüsse zurüdzuführen sein. Um Bulgarien   aber auch seine wirtschaft­liche Abhängigkeit von Deutschland   vor Augen zu führen, hat Deutschland  , das sonst der Haupt­abnehmer für die bulgarische Tabafernte ist, in letter Zeit seine Tabalbestellungen auffällig start reduziert. Weitere Bestellungen sollen sichtlich von politischen Zugeständnissen Bulgariens   abhängig gemacht werden, die es ganz unter deutsches Kuratel stellen würden.

3. während der ersten fünf Jahre einer auf zehn Jahre geschlossenen Abrüstungsvereinbarung wünsche Deutschland   keine größere Zahl von Flug zengen; aber nach dieſen fünf Jahren fordere es, daß die Herabseßungen und Erhöhungen vorgenom men werden, die notwendig sind, damit Deutsch  

6. die deutsche Regierung erfennt auch für die Zukunft die Locarno  - Verträge an;

7. Deutschland   ist der Ansicht, daß seine Rüd fehr zum Völkerbund nur zur Sprache gebrach: werden kann, nachdem die Abrüstungsfrage und be­sonders die Frage der deutschen   Gleichberechtigung gelöst ist.

Neudeutschlands Enttarnung

Tommy: ,, Aha, so schaut er von hinten aus!"

Man hat den Sauptausschuß der Konferenz von Vertagung zu Vertagung geschleppt, um einen Kladderadatsch zu vermeiden. Praktische Arbeit könnte der Hauptausschuß nur leisten. wenn es zuvor gelungen wäre, eine Verstän digung unter den Großmächten herbeizuführen. Stommt es zu einer solchen Verständigung nicht, so kann der Hauptausschus; nur zweierlei tun: er kann entweder seine vollkommene Unfähigkeit demonstrieren oder er fann wenigstens versuchen, einen moralischen Druck auszuüben. Käme es wirklich dazu, daß sich etwas wie eine Einheits­front gegen die Bedrohung Europas   durch den aufrüstungstollen Hitlerismus bildete, so wäre das für Frankreich   ein erheblicher Erfolg. Geht aber die nächste Sibung des Sauptausschusses auch wieder aus wie das Hornberger Schießen. so wird aus Berlin   ein Sohngelächter der Hölle antworten.

Es wäre verhängnisvoll für die Konferenz, wenn sie eine Politik treiben wollte, die auf das Geständnis ihrer Unfähigkeit hinausliefe. Das wäre ein furchtbarer Schlag für den Völkerbund, für die Abrüstung und für die Ehre der Kon­ferenz," so sprach der Vorsitzende Henderson im Herbst v. J. Mit zäher Geduld versuchte er immer wieder etwas zu retten: wenn schon nicht die Abrüstung, so doch den Rüstungsstilistand, dann doch wenigstens die Beschränkung der Auf­rüstung. Noch nach Überreichung der dreisten Note Neuraths in London   plädierte die Times" für eine Konvention, durch die Deutschland   verpflich tet werden soll, gewisse Grenzen in seiner Auf­rüstung innezuhalten. Alle Vorschläge dieser Art gehen blind an der entscheidenden Tatsache vor bei, da man die gegenwärtige deutsche Regierung durch Abmachungen, Vereinbarungen und un­terschriebene und gesiegelte Verträge nicht bin­den kann. Für diese deutsche Regierung ist ein Vertrag nur ein Mittel, den anderen zu binden, wenn er so altväterisch gesinnt ist, sich binden zu lassen. Kommt dieser andere dabei zu Schaden. so hat er das nur seiner eigenen Dummheit zu­zuschreiben. Denn eigentlich müßte er wissen, daß;