Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Zehn Jahre Zuchthaus

für die Bukarester   Verschwörer

Bukarest  , 22. April.  ( DR.) Der Kriegs­rat hat in dem Prozeß gegen die Militär- Ver­schwörer das Urteil gefällt. Sämtliche 13 Ange­flagten wurden zu je zehn Jahren Zuchthaus ver­urteilt. Soweit es sich um Militärpersonen han­delt, hat das Tribunal auch die Degradation ver­fügt.

Blutorgien

Hamburger Staatsanwalt fordert 13 Todesurteile

Hamburg  , 23. April. Im Prozeß gegen die ..Rote Marine" vor dem Hanseatischen Sonderge­richt beantragte der Staatsanwalt 13mal die To­desstrafe, zweimal lebenslängliches Zuchthaus und gegen die übrigen Angeklagten, mit Ausnahme von einem, der freigesprochen werden soll. Zucht­hausstrafen bis zu 12 Jahren.

In seinem Plädoyer wies der Staatsanwalt darauf hin, daß die ,, Note Marine" eine besondere Nampftruppe gewesen sei. Der Ueberfall im Herrengraben, bei dem der SA- Mann Heinzel­mann niedergestochen wurde, sei angeblich ein planmäßig vorbereiteter kombinierter Feuer- und Messerüberfall gewesen. Wer den tödlichen Stich gegen Heinzelmann geführt habe, habe nich i fest ge jt e II t(!) werden fönnen.

Das Kriegsschuldenproblem

Dienstag, 24. April 1934

Einzelpreis 70 Helfer

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 95

Dreistündige Konferenz In ein besseres

zwischen Barthou   und Pilsudski

Herzlicher Empfang in Warschau Warschau  

, 23. April. Der französische   sters für Aeußeres Graf Szembek in das Belve­Außenminister Bar thou ist Sonntag abends dere- Palais, wo er von Marschall Pilsudski in Warschau   eingetroffen. Seine Begrüßung ge- empfangen wurde. Die Konferenz Barthou­staltete sich überaus herzlich. Auf dem Bahnhof, Pilsudsti- Beck dauerte volle drei Stun auf dem sich das diplomatische Korps, Vertreter der den. Ueber den Verlauf der Konferenz wurde Regierung und eine große Menschenmenge ein bisher kein offizielles Kommuniqué ausgegeben. gefunden hatte, wurde Barthon vom Chef des Protokolls und einem Vertreter des Außen= ministers begrüßt, worauf er sich in die franzö­fische Botschaft begab. Auf der Fahrt durch die Stadt war er Gegenstand herzlicher Ovationen. Am Abend fand beim Außenminiſter Bed ein Empfang zu Ehren Barthous statt.

Montag früh stattete Barthon nach einem Presscempfang dem Ministerpräsidenten einen offiziellen Besuch ab. Mittags wurde er vom Präsidenten der Republik zu einer längeren Kon­ferenz empfangen.

Um 17 Uhr begab sich Barthon in Beglei= tung des Außenministers Ved und des Vizemini­

Morgen!

Nur wenige Monate sind seit der Feststel­lung eines führenden Nationalsozialisten ver­gangen, daß das jetzige Regime Deutschlands  Geschicke in den nächsten dreihundert Jahren be­stimmen werde und schon gibt es Zeichen, die eine schwere Krise der Hitlerregierung erkennen lassen. Auch die Stimmung des Volkes ist ein Gradmesser für die Macht eines Regimes, besonders eines diftatorischen, das seine Einset­zung zu einem nicht unwesentlichen Teil der V.­Nach Informationen aus unterrichteter Quelle geisterung breiter Volksmassen verdankt. wurden in dieser Konferen; alle aktuellen Fragen Die Festlaune ist in Deutschland   sehr schnell der internationalen Politil erörtert, welche Bolen verraucht und die Vorbereitungen, die das Re­und Frankreich   gemeinsam angehen. In allen Begime zur glanzvollen Begehung des 1. Mai ratungspunkten wurde ein vollkommene s trifft, gründen sich nicht mehr auf dieselbe Zu­Einvernehmen der Leiter der polnischen und versicht wie vor einem Jahre. Die Not der Arbei franzöfifchen Außenpolitik erzielt. Besonders ge- ter ist gestiegen, die Wirtschaft ist auf das langten die Angelegenheit des Verhältnisses Polens  zum Bölferbund, ferner die Frage des Viererpaf­tes, die Frage der Beziehungen Polens   zu Deutschland   und Rumänien   und schließlich die An­gelegenheiten der Abrüstungsarbeiten zur Bespre­chung.

Spaniens   Arbeiter im Gegenangriff

schwerste erschüttert, die Korruption hat in alle Aemter des Dritten Reichs Einzug gehalten, die brannen Bonzen leben in Saus und Braus, das

and ist in eine hoffnungslose außenpolitische Situation manövriert worden, die sozialistischen  Verspredjungen, mit denen Sitler weite Kreise des von antikapitalistischer Sehnsucht erfüllten Volfes gewann, blieben unerfüllt und in den Betrieben schwingen die Unternehmer als wahre Fronvögte die Hungerpeitsche. Zehntausende jun ger Menschen, denen die Weimarer Republik  

Generalstreik in Madrid   gegen eine klerikale Demonstration Madrid  , 23. April. Die Gewerkschafts  - so das Madrid   ohne jede Brotversorgung war. weder Brot noch den Glauben an sich selbst und Schuldner stellen ein Ultimatum? verbände der Sozialisten haben in der Nacht vom Gafés und Restaurants, die nicht auf die Auf- eine bessere Zukunft zu geben vermocht hatte, New York  , 23. April. Dem Washingtoner Samstag zum Sonntag zusammen mit den Orga- forderung der Sozialisten sofort schlossen, wur- folgten Sitler gläubigen Herzens auf dem ver. Korrespondenten des großen Hearstorgans Ame- nisationen der Syndikalisten in Madrid   einen den mit Steinen bombardiert. meintlichen Marsch in ein besseres Reich. Sie rican" zufolge haben die europäischen   Schuldner 24stündigen Generalstreit proklamiert, der als Sämtliche Theater und Kinos mußten ebenfalls sehen, daß es ein schlechteres murde, jie begehren Protestaktion gegen die Regierung und schließen. cine Art tatsächliches Ultimatum dem Präsidenten in immer größeren Scharen auf und sie sind In den Straßen von Madrid   ereigneten sich die Soldaten Hitlers  . Roosevelt   unterbreitet, in welchem sie erklären, gegen die am Sonntag im Escorial   stattfindende Riefenversammlung der katholischen Volksaktion Samstag und Sonntag verschiedene blutige Zu­daß sie den Vereinigten Staaten feine wirtschafts lichen Begünstigungen gewähren werden, solange gedacht war. Weder die Regierung noch die Po- jammenstöße, die mehrere Todesovfer forderten. nicht ein Einvernehmen über eine Reduktion der zei waren darauf vorbereitet, so daß dieser Auch ein englischer Staatsangehöriger wurde ge­europäischen Kriegsschulden an die Vereinigten Staaten   zustande komme.

Der Korrespondent des genannten Blattes fügi hinzu, daß England, Frankreich   und Italien  bei inoffiziellen diplomatischen Verhandlungen obige Frage aufs Tapet gebracht hätten.

Tagungen

der tschechischen Partei Die Genossen Hampl und Pik über aktuelle Fragen Im Pilsner Arbeiterheim   fanden Sonntag zwei große Konferenzen tschechischer sozialdemokra= tischer Organisationen statt.

Auf der Tagung des Metallarbeiterverbandes sprach Genosse Abg. ampl über die Taktik der Arbeiterbewegung und führte aus: Die caratteris stische Erscheinung der heutigen Zeit ist der Verfall des wirtschaftlichen Liberalismus, der in fast allen Staaten Eingriffe der Staatsmacht in den Wirt­schaftssektor erzwingt, um die Verhältnisse zu re­gulieren und Ertreme zu beseitigen. In diesem Stadium entsteht der Initiative der Arbeiterbewe­gung eine verantwortungsvolle Aufgabe. Wün­schenswert ist die engere Zusammenarbeit der so­ zialistischen   Parteien, welche hauptsächlich von un­ten, aus dem Willen der Arbeiterschaft selbst, die durch die Zersplitterung der Kräfte am meisten geschädigt wird, erwachsen muß.

Auf der Sonferenz der sozialdem. Partei­organisationen des Pilsner Gebietes erklärte Gen. Abg. Pit, daß in der Zeit der Revisionsgefahr der Zusammenschluß aller demokratischen Sträfte notwendig ist. In unserer Republik   fann weder für eine Diftatur noch für eine ständische Ordnung Plaß sein. Die demokratische Verfassung ist für uns die einzig mögliche Grundlage. Der Ruf nach Ver­fassungsänderung ist ein gefährliches Beginnen. Der Regierung muß bei der Staatsverwaltung Erleichterung verschafft werden. Das ließe sich er­reichen nicht durch Errichtung eines Wirtschafts­parlamentes, sondern durch Schaffung eines Silfsjetretariats beim Mini­sterrat, in welchem unter Mitarbeit von Sen nern und Fachleuten wirtschaftliche Angelegenhei= ten für die Regierung vorbereitet würden.

Schlag völlig unvermutet und tötet. In verschiedenen Stadtteilen explodierten überraschend kam. Innerhalb einer halben Bomben. Stunde war der gesamte Kraftdroschfen, Stra Der Generalstreik wurde lückenlos durchge­fenbahn- und Autobusverkehr eingestellt. Auch führt und Montag morgens nach den Weisungen in den Bäckereien wurde die Arbeit niedergelegt, des Streitfomitees beendet.

Präsident will Amnestiegesetz nicht unterzeichnen

Das Kabinett Lerrong ist auch dadurch in eine heren Offiziere wieder in den aktiven Dienst auf­äußerst kritische Lage geraten, daß Präsident 3a genommen werden sollen.

mora fich geweigert hat, das vom Parlament am

Freitag gegen den Widerstand der Linken ange= Heute fand unter dem Vorsit des Präsiden­nommene Amnesticgesetz zu unterschreiben. Der ten ein Ministerrat statt, der jedoch die endgültige Präsident soll hauptsächlich dagegen Einwendun- Entscheidung über das Amnesticgesetz auf morgen gen erheben, daß die als Gegner des republikani- vertagte. Die Gerüchte vom Rücktritt der Regie­schen Regimes bekannten seinerzeit entlassenen hörung wollen nicht verstummen.

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Die Lösung

Hitler   heiratet Zita und adoptiert Dollfuß  

Es ist grotesfe Wahrheit, daß sich die deut­ schen   Gefängnisse in steigendem Maße mit An­gehörigen der SA füllen, die die von ihnen an den politischen Gegnern verübten Terrormetho den nun am eigenen Leibe verspüren. Sie haben Sunger und sind so vermessen, nicht mehr zu glauben, daß ihn Sitler stillen werde. Das ein­zige braune Hemd, das sie besaßen, ist abgetra gen, durch die Hosen pfeift der Wind, die Schuhe sind zerrissen. Sie glaubten, richtige Soldaten des Reiches zu werden; aber die Reichswehr  will sie nicht. Sie glaubten, die Herren zu ſein; aber sie erkennen, daß sie nur Werkzeuge waren ist nicht nur der Hunger, der sie schmerzt. Es und nun schweigen sollen. Das verbittert sie. Es it noch weit mehr das Erkennen des Betruges, der an ihnen verübt wurde. Sie stellen sich gegen die Führer und sie sind die Soldaten Sitlers.

Mit den Kerfer und der Prügelpritsche ist einigen Hunderttausenden Bewaffneter nicht bei. zukommen. Der Gefahr, zu der die SA   in immer steigendem Maße wird, ist nur durch ihre Ent­waffnung zu begegnen, da der Versuch ihrer Eingliederung in die Reichswehr   als gescheitert angesehen werden muß. Eine fast unbemerkt gebliebene Meldung besagt, daß die SA   im Sommer einen Monat Urlaub bekommen werde. Es werden viele nicht mehr zum Dienst zu­rüdfehren, nachdem sie die Waffen abgaben. Ja, es ist die Frage, ob die SA nach diesem jeltsamen Urlaub es ist das erste Mal, das; eine ganze Armee in nicht gerade ruhigen Zei ten auf Erholung geschickt wird über­haupt wieder aufersteht. Denn das Sinnen und Trachten der Herren ist ihrer wahren Garde, ist der SS gewidmet, deren Führer Simmler nicht ohne Grund zum fast aus. schließlichen Herren der deutschen   Polizei gemacht worden ist. Gewiß, die Ersekung des wendigen Diehls durch Himmler ist auch ein Schlag gegen Goering  , den Gönner des bisherigen Chefs der Gestapo  . Aber sie ist mehr noch gedacht als ein Schlag gegen die Unbotmäßigen in den eigenen del Reihen, gegen die die SS, wie die übereinstim­menden Berichte besagen, mit besonderer Rück. sichtslosigkeit und Grausamkeit eingesetzt wird.