Mr. 101
Dienstag, 1. Mai 1934
Die Vorarbeit der Mordkatholiken
für die neue Verfassung
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Jahrzehntelang haben wir im ersten Mai das Fest des internationaler: Gebantens gesehen: An diesem tragischen Weltfeiertag der Arbeit, Juristen Findigkeit, die idyllischeste Verfassung, die aus dem Rathaus geschleppt haben.„ Gewerk- Brüderhände von Arbeitern und Gosialisten, die der für Millionen arbeitender Menschen zu einem verlockendste Verheißung ständischer Gemeinschaftsfront"? Die Arbeiter jchen den Galgen sich einander über die Grenzen caigegenstreden. Tag qualvollſter Demütigung und frivolſter Pro- schaft dieses Bewußtsein im Volte nicht auslöschen des Gewerkschaftsführers Josef Stane 1. Ber- Solidarität, die aus der gleicher Nor, dem gleis vokationen durch eine machtberauschte Herrentlasse fönnen. zeihendes Verstehen? Aber es lebi das Andenken chen Recht, dem gleichen Zukunftsviten einer geworden ist, wird die eue Verfassung Die renovierten Machthaber Oesterreichs ver- fenes Karl Minich reiter, den sie von der unterdrückten Klasse geboren iſt. Über den Sta desfascistischen Oesterreich feier suchen es dennoch. Der symbolische Aft einer Ver- Bahre auf den Galgen gehoben.„ Kulturfammer"? cheldraht von Völterhaß hinweg, mit dem die Dis fassungsproflamation, begleitet von einem Niagara Aber die Zeugen dieser Kultur liegen mit zerschmet- plomatie der herrschenden Schidit jedes Land zu iverbender Phrasen und Kommentare, soll diesem terten Kinnladen und blutigen Striemen in tsche umzäunen sucht, reichten die Arbeiter den Klassen. Desterreich den Anschein eines Rechtsstaates, seiner choslowakischen Spitälern. Ruhe und Ordnung? genossen die Hand zum Bunde. Wir wollten fre Bevölkerung Zufriedenheit und Zuversicht geben. Das Volk von Wien hört noch die Startätschen fra ſein von den Schenklappen des Nationalismus, Doch welch' armseliges Symbol soll da das wahre chen. Qudragejimo Anno im Zeichen der christwollten auf der Brüde des eignen Klassenschick sals hinüberfinden zum Verständnis fremden Wesens, zur Solidarität mit der Not und dem Kampf des Proletariats der andern Länder.
lich verkündet.
Wenige Wochen nur, nachdem der Donner der Kanonen verhallt ist, die die Straßen Wiensdes Roten Wien mit dem Blute seiner Bewohner röteten und deren Wohnstätten in Trümmer
legten, da Männer, deren heroische Größe nur den legendären Geſtalten der Antike vergleichbar ist, zum Galgen geschleppt wurden, zur selben Zeit, da die Besten des Landes im Kerker der tierischen Willfür alpenländischer Rüpel preisgegeben sind, frönen die Sieger durch solchen symbolischen Att ihr schmähliches Wert.
2. Dachboden im Goethehof
3. Ein anderer Teil des Dach. bodens im Goethehof.
4. Bon Granaten verwüstete Zimmer im Goethehof.
Sinnbild dieser österreichischen Gegenwart verdet- lichen Religion? Aver lauter als alle Kirchen fen! Wie dürftig wirkt das offizielle Lügen- glocken dröhnen die leßten Worte Georg Wei gestammel vor einer alle menschliche Phantasie übersteigenden Wirklichkeit!
els durch das Land. Vertrauen zur autoritären Führung? Aber das Volk legt Blumen auf das Grab des Koloman Wallisch . Christliche Wilde und Liebe? Aber siebenundachtzig Mütter weinen um ihre gemordeten Kinder. Ein neues Wappen? Die Galgen ragen höher! Eine neue Fahne? Die alte ist mit Blut geweiht!...
Die Verheißung organischer Eingliederung in die ständische Gemeinschaft soll die österreichischen Arbeiter versöhnen? Es wird nie gelingen! Denn Würdelos umschmeichelt von einer verfom- ihr Haß wächst an der stärkeren, wahren Symbolit menen Bourgeoisie, gestützt und gegängelt von den dieses„ neuen" Desterreich, den verwüsteten WohWelch' aussichtsloser Versuch, gegen so nic= Bedrückern des italienischen Proletariats, beweihnungen der Proleten, den geraubten Arbeiterhäuderschmetternde Symbolit die Gewandtheit der räuchert und gesegnet von den Sachwaltern der sern, den gestohlenen Geldern. katholischen Kirche, doch tausendfach verflucht Die festgefügte Ordnung eines Rechtsstaates Juristen zu mobilisieren. Auch nur einem Men= und gehaßt von der erdrückenden Mehrheit des wollen sie heute proklamieren? Aber sein Sinn- schen in Oesterreich weismachen zu wollen, diese österreichischen Volkes, erheben sich alle Gespenster bild ist nicht die neue Verfassung, sondern jener Verfassung sei mehr als ein elender Feßen Papier ! der Vergangenheit aus ihren Grüften und uſur- reinste Mann, durch dessen Hände je Geld gingen, Welch' törichte Hoffnung, mehr dapieren ein Gemeinwesen, daß ihnen nicht gehört. iener Hugo Breitner , den die Gesinnungs- bon zu erwarten, als noch mehr Alt- Desterreich ist wieder auferstanden, die genossen der Ahrer und Strafella, der Troß und Hohn, da doch ein Heer Feschats und die Hofräte, die Ex'lenzen und die Lippowiß und Betessy in den Kerker ge- von Rebellen sehnsüchtig dem Tag Hoheiten, urälteste Adelsdegenerationen mit ihren worfen haben. Verständigungsbereitschaft mit den entgegenfiebert, der diese but Hausjuden sind auf das Volt losgelassen, finden Proleten verkünden sie heute? Aber das Symbol ein Ende bereitet, nichts anderes ihre Hez in diesem allermodernsten Mullatschat ist nicht jener zweifelhafte Vizebürgermeister von denkend, für nichts andereslebend von Blut und Tränen und lassen sich das Recht Wien , sondern Karl Seiß, den sie mit Gewalt a 13 für Vergeltung und Freiheit. darauf heute verbriefen und verbürgen.
Und dies Volk, dieſe wundervollſte, umber Zwei Maiansprachen
gleichlichste Arbeiterklasse der Welt, die in Schmerz und Zorn nach Rache jinnt, muß es geschehen las= sen... Muß zusehen, wie eine ewig gestrige Clique einfältiger Parasiten den angestammten Stammtisch im Jockeyklub mit der Ministerbant bertauscht, um den Fußtritt blutig zu bergelten, den sie 1918 leider nicht bekommen hat.
Eine neue Verfassung soll nun diesen er= bärmlichen Zustand, Mittelding von Operette und Inferno, nicht nur stabilisieren, sondern auch be= mänteln, eine Stilübung von Verfassungsjuristen,
fascistischer Diktatoren
Unserem P i p 3- Sonderforrespondenten ist es gelungen, die Manuskripte iener Reden, die die Herren Sitler und
Dollfuß am 1. Mai halten werden, vorzeitig in die Hand zu bekommen. Wir publizieren sie nachstehend: I.
Der Arbeiter, der uns treu gedient hat, verdient eine besondere Ehrung. Um ihm und der ganzen neidischen Umwelt zu zeigen, als ein wie wichtiges Glied der Volksgemeinschaft wir ihn einſchäßen und wie dankbar wir seine Tätigfeit zu würdigen wissen, erhält die Erlaubnis, für weniger Lohn noch weit mehr zu schaffen als bisher und so noch überragender am Schalten und Walten des deutschen Sozialismus beteiligt zu sein! So feiern wir, geeint in allen Klassen, das Fest des deutschen 1. Mai! Für Lohnabbau und Dividende noch herrlicheren Zeiten entgegen! Heil!"
II.
Wie unendlich weit entfernt ist aber diese unsere internationale Gefühlswelt von der Ins ternationale", die das Bürgertum zur Verteidis gung seiner Klassenherrschaft betätigt! Für die Sozialdemokratie war die Internationale immer die sich auf die Entfaltung des eignen Volkstums aufbauende Solidarität der Völker, jie hatte die Erfüllung der nationalen Selbständigkeit zur Vorausseßung, nicht ihre Auflösung. Jeßt hat uns der Fascismus eine andere, eine hundert prozentige Internationale gezeigt, von der wir nichts wußten, an der wir nicht schuld sind, die uns aber Lehrmeisterin sein muß.
Wir haben gesehen, wie die Heimatschüßler" Österreich an Italien verschachert haben, um für diesen Verrat die dreißig Silberlinge einer Verlängerung ihrer Klassenherrschaft einzu streichen. Deutlich heben sich vom dunklen Untergrund der Tagespolitik die Fäden des internatio= nalen Nezzes ab, das von den großen Trusts der Vereinigten Staaten hinüberreicht nach Italien , um sich von dort aus über Deutschland und Östers reich zu spannen. Staaten, die, wie das deutsche Reich und Italien , dicht vor dem Bankrott stehen, haben Millionen übrig zur Auslandspropaganda, Millionen ihres hungernden Volkes, die sie unbedenklich in fremden Ländern ausgeben. Die herrschenden fascistischen Schichten haben den Haß gegen den einstigen Feind im Weltkrieg, an wel chem Haß so viele patriotische Süppchen gefocht werden, gänzlich vergessen, wo es sich darum handelt, ihre Vorrangsstellung zu verteidigen. So wird der altrömische Gruß zum urdeutschen Symbol; so schießt mit den von Italien bezahlten Waffen der Heimwehr eine christliche Regierung auf österreichische Arbeiter und ihre Frauen und Kinder. Deutsche Fascisten huldigen dem Bedrücker von Südtirol , begeistert für eine ,, starte Regierung", die ihren Landsleuten die Muttersprache, ja, das Tragen des deutschen Namens, deutsche Inschriften auf ihren Gräbern verwehrt. in jedem fascistischen Lande wird im Dienst der vaterländischen Erhebung" dreimal täglich das Waterland verraten.
Wahrhaftig, von dieser Internationale, die das eigene Volkstum verkauft, verrät und Inechtet, die aus einem gemeinsamen Fonds Waffen und Geld, Programme und Lügen bezieht, von dieser Internationale wußten wir nichts. Und einen lassenfamps, in dem der Wahrung der Klassenvorrechte zuliebe die eignen Volfsgenossen mit fremden Mitteln niedergeworfen und nieders gehalten werden, den hat in seinen heutigen MaBen erst der Fascismus in die Welt gebracht. Die Heilige Allianz " gegen die Ideen der französi schen Revolution war im Vergleich dazu beinahe cine harmlose Verabredung. Um auf einen derart brutal geführten Klassenkampf gegen das eigene Bolt zu stoßen, muß man schon auf die Niederwerfung der Bauernaufstände im sechzehnten Jahrhundert zurückgehen.
Ohne internationalen Beistand wäre viclleicht in feinem Lande die fascistische Diktatur möglich gewesen. In Österreich , sicher nicht, aber auch in Italien wäre er ohne Geldhilfe aus den Bereinigten Staaten und ohne das schließlich auch nichtitalienische Geld der Banca Commerciale" faum über die ersten Anfänge hinausgekommen. In der Tat wird der Fascismus überall als
Fremdherrschaft empfunden und muß sich im
eigenen Lande verschanzen und sichern, wie ein
feindliches Heer, braucht die Hungerpeitsche, Geheimpolizei und Folterkammern, Stonzentra sich auch selbst als Fremdherrschaft, nur weiß er tionslager und Todesstrafe. Der Fascismus fühlt nicht, in wie tiefem Sinne er das ist. Nicht nur, die Erbitterung der Beraubten, Geknechteten, Gedaß er beständig vor einem Aufstand des eigenen Volles auf der Hut sein muß, gibt dem fascisti= quälten besänftigen. Als ob Willkür und Unrecht Artdeutsche Männer und Frauen, meine aufhörten, es zu sein, wenn man sie fodifiziert! lieben Herren Unternehmer, Leute! Der Tag, Dollfuß , Engelbert , Bundeskanzler: schen Machtapparat den Charakter einer feindli Als ob diese trostlosen Diktatoren dem österreichi- den wir heute so festlich begehen, ist ein Tag, der" Desterreichische Menschen und Menschin chen Besatzung, sondern vor allem die Tatsache, schen Volt, um das sie nun werben, durch die Tat mir und meinesgleichen in tiefster Seele verhaßt nen! Wir feiern heute, durch Kanonen und Ma- daß er volksfremde Ideologien und Intereſſen nicht schon längst bewiesen hätten, was Ferdinand| ist! Was haben wir mit dem 1. Mai zu tun? schinengewehre vor der allzu großen Liebe des vertritt. Mit preußischer Dressur und NietzscheLassalle vor Jahrzehnten das deutsche Prole- Ueberhaupt nichts! Und gerade deshalb feiern Volkes trefflich geschützt, den 1. Mail Unsere schen Wahnvorstellungen, mit nordamerikanischem tariat„ leber das Verfassungswesen" lehrte: Die wir ihn! Schon um die verfluchten Marristen zu Parolen sind klar, einfach und wuchtig. Was Kultus der Maschine und byzantinischem Prunt wahre Verfassung eines Staatswesens wird nicht ärgern! Wir feiern ihn, neben 200 Musikkapellen wir gestohlen haben, wollen wir behalten! Recht ist er über Italien hergefallen, hat dort Unitaliebestimmt durch die Normen eines juristischen Do- und dreitausend Meter Fahnentuch, auch mit Ge- ist, wenn alle Rechte fehlen! Ringt um die nisches gewaltsam attlimatisiert, soweit es direkt fuments; sie liegt beschlossen in dem sozialen schenken aller Art an das in der wahren, deut- Seele des marxistisch verseuchten Arbeiters; er oder indirekt der herrschenden Klasse dienen Kräfteverhältnis der herrschenden und der unter- fchen Voltsgemeinschaft gecinte, aufbau- und gehört zu uns als unser verbrieftes Ausbeu- konnte, und stellt nun das Ergebnis der Reaktion drückten Klasse. Die wahre Verfassung eines entbehrungsbereite Publifum! Jedem das tungsobjeft! Im Namen des Volkes, das ge- allen Ländern zur Verfügung. Nie hätte sich das Staates ist die innerhalb seiner Grenzen bestehende Seine und dem Großkapital alles! schlossen gegen uns steht, marschieren wir für Proletariat es auch nur in den Sinn fommen gesellschaftliche und politische Wirklichkeit. Und Der Unternehmer, der une finanziert und so Futterkrippe und f. und f.- Uniformen, für Mus- lassen, eine derartige Walze der Gleichmacherei venn nun diese Wirklichkeit, wenn nun das Ver- den Ausbruch des deutschen Sozialismus erst er solini und das am besten zahlende jeweilige über verschieden geartete Völfer hinwegrollen zu hältnis der Bourgeoisie zum Proletariat, so wie in möglicht hat, erhält einen durchgreifenden Lohn Vaterland! Unsere Wahrzeichen sind die zerschos- lassen! Desterreich, ein Verhältnis der brutalsten Unter- abbau, verringerte Umsatzsteuer, und die beglüt fenen Gemeindebauten in Floridsdorf und Ottat- Die Arbeiterschaft ist schließlich die große drückung, der grausamsten Entrechtung und Ver- fende Scharfmachergewißheit, wieder, unbehindert ring, unsere Zukunft liegt in der restlosen Pleite! und Recht steht auf dem Boden ihres angestamm= gewaltigung ist, dann wird auch des gerissensten und ungeschmälert, Herr im eigenen Hause und in diesem stolzen Sinne begeben wir unser ten Wesens, deutscher oder englischer, tschechi zu sein! Begräbnis am 1. Mai!" scher oder Schweizer Art. Sie fühlt sich als Klasse
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