Sitl.

Dělnická akademie

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sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEPONI 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

14. Jahrgang

Sonntag, 13. Mai 1934

Einzelpreis 70 Helter

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 111

Gewitterstimmung im Dritten Reich er en des Bundes

Selbst das Großmaul Goebbels in die Defensive gedrängt

Pogromhetze und Kommunistenprozesse als Ablenkungsmanöver

Berlin , 12. Mai. Daß die Mißstimmung über das herrschende Regime bereits weite Kreise der Bevölkerung erfaßt und einen Grad erreicht hat, der den führenden Nazigrößen ernste Besorgnis cinflößt, geht schon daraus hervor, daß sich der Reichs- Reklame= chef der Partei, Herr Dr. Go e bbc I&, bemüßigt fühlt, einen eigenen Feldzug gegen die Miesmacher und Krititaster" ins Werk zu setzen. In vielen Orten wer­den Rednerkurse organisiert, in denen fliegende Redner gegen die Miesmacherei ausgebildet merden.

Auch die zahlreichen Redeübungen verschiedener Nazigrößen in letzter Zeit, die vor den Arbeitern den Unternehmern und vor den Bauern den Großgrundbessern den ,, a my f" anfagten, legen Zeugnis dafür ab, daß die Herrschaften sich trotz allen gegenteiligen Versiche­rungen in ihrer Haut nicht mehr recht wohl fühlen und alles daranschen wollen, um die Massen durch neue Versprechungen und Vertrostungen, aber auch durch eine neue Indenhete abzulenken und so weiterhin bei der Stange zu halten.

In ganz großem Stil hat der oberste Propagandachef Dr. Goebbels gestern diesen neuesten Feldzug gegen die Miesmacherei im Rahmen einer Kundgebung im Berliner Sport­ palast offiziell eröffnet.

Einleitend mußte Goebbels zugeben, daß cine Reihe nationalsozialistischer Programms­punkte, vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet, noch nicht eingelöst worden seien: die nationalsozialistische Regierung sei angeblich unter dem Zwange der Situation gestanden und hätte nicht ,, Versuche unter nehmen fönnen, bon denen fie nicht wußte, ob sie gelin gen werden"; darum hätte sie Erperi­mente auf spätere(?) beſſere Zeiten ver­

schoben.

Im weiteren Berlauf der Rede bemühte sich Goebbels , die Schuld vor allem wieder auf die I u de n. abzuwälzen, und erging sich in offenen Drohungen mit weiteren Judenverfolgungen für den Fall, daß das Aus­land dem Naziregime weiter mit dem ,, anonymen Boytoit" begegne, der auf unsere jüdischen Mit­bürger" zurückzuführen sei. Er könne aber nicht, weil die ausländischen Juden Deutschland boykot­tieren, die Judengesetzgebung zurückziehen, son= dern man müsse ,, dise Krise eben durchstehen".

Welches Ausmaß dieſe- aus offiziellen

Mund wohl noch nie so offen verkündete

Pogromheze annahm, geht aus folgenden Zitaten

Nach einigen Ausfällen gegen das Zentrum und gegen Kardinal Faulhaber fündigte Goebbels noch an, daß es weiterhin weder eine katholische noch eine protestan= tische Presse mehr geben könne.

An die Adresse der Westmächte gewendet, erflärte Goebbels schließlich, daß ihm ein demo fratische Frankreich viel beffer gefalle als ein nationalsozialistisches; der Nationalsozialis mus sei fein Erportartikel, sondern ein deutsches Patent. Nach Wiederholung der nicht mehr ganz neuen Behauptung, daß die SA Testen Endes auch Frankreich vor dem Bolschewismus gerettet habe, versicherte er sogar noch, daß die SA eine Truppe der Ordnung und Disziplin(!) sei.

Zum Schluß mußte er sich noch mit den Be­hauptungen der ausländischen Presse ausein= andersehen, wonach das Prestige des Re­gimes im Lande gesunken fei. Auch wenn Goebbels dabei wieder in altgewohn= ter Weise den Mund aufriß und prahlerisch ver­kündete, daß mancher Minister des Auslandes sich beglückwünschen könne, wenn er eine so lange

Zeit vor sich hätte, wie die deutschen Minister, le der Welt schaffen, dai: das Regime fich fchon

konnte er damit doch nicht den Eindruck aus

chen durch weitere Provokationen auf den Hals hezen will. Grohe versicherte, die Partei sei immer bemüht gewesen, den Wünschen der Kirche ents gegenzufommen. Die Parteigenossen sollen des halb nicht mehr in Uniform in die Kirche gehen, sondern beim Kirchenbesuch Zivilfleidung fragen. Auch bei Nazifeftlichkeiten sollen in Zukunft feine Feldgottesdienste mehr abgehalten werden über Wunsch firchlicher Vertreter.

Weg der Landwirte

Minister Spina und Konrad fienlein

Die Deutsche Landpost", das Blatt des Herrn Ministers Spina, hat sich in der letzten Zeit im Kampfe gegen uns zwar keine Zuriid haltung auferlegt, aber ihr Ton war etwas maßvoller und unsicherer als sonst. Vielleicht kommt dies daher, daß man sich bei den deut. schen Agrariern mit der Lösung der fiyligen Frage beschäftigte, welche Funktion die deutschen Bauern in der Politik des Landes fernerhin erfüllen wollen. Herr Spina wurde vor einigen Monaten mit Paufen und Trompeten zum Füh rer des sogenannten Sudetendeutschen Land. In der Judenhezze wurde Goebbels heute standes gewählt. Das geistige Gesicht dieses überdies auch von dem Reichsbannerführer Darré Landstandes wird von den Landständischen unterstügt, der auf einer Bauerntagung in Bres Monatsheften" verkörpert, in deren erste Num­lau erflärte, Gott habe in Tester Mimer Herr Franz von Papen ein aufschlußreiches nute vor zwölf Hitler geschid t, um Geleitwort geschrieben hat. Die weiteren Folgen in lester Minute noch einmal den Juden die dieses seltsamen Organs sind mit Angriffen auf Weltherrschaft zu entreißen.

Thälmann

als nächstes Opfer?

die Demokratie angefüllt und mit Lobreden auf den Ständestaat. Herr Spina aber ist als Füh rer des Bundes der Landwirte, einer politi. jchen Partei also, in die Regierung berufen worden. Er sizt noch in dieser von Parteien Die Ablenkungsmanöver sollen in nächster gebildeten Regierung als ob nichts geschehen Beit auch noch durch eine Reihe groß aufgemachter wäre. Aber man beginnt sich doch zu fragen: politischer Prozesie gegen die einde des hat Herr Spina noch das Recht, Minister zu Regimes" fortgesetzt werden. Dazu gehören sein? Was ist er nämlich eigentlich: Führer des verschiedene Kommunist en prozesse Landstandes oder des Bundes der Landwirte? wegen früherer Schießereien mit der SA., bzw. Zicht er es vor, als Führer des Landstandes mit der Polizei. Auch den Prozeß gegen Thäl­ mann , den das DNB. für die nächste Zeit an- angesehen zu werden, so iſts offenbar, daß der Bund der Landwirte als Partei überhaupt nicht fündigt, dürfte in diesen Rahmen fallen. mehr besteht, denn der Ständegedanke schließt ja, wie die Landständischen Monatshefte" oft genug versichern, das" Parteiumwesen" aus. Was täte aber der Landständler Spina weiter in der Regierung einer Demokratie, die sogar den stolzen Herrn Henlein veranlaßt, seine Be wegung als Partei zu konstituieren, damit sie überhaupt mitreden könne?

Ein verheimlichter Prozeß

Dagegen wird ein anderer Prozeß, dem die angebliche Spionage in den Johannistaler Werfen zugrunde liegt, wo Versuche mit einem nicht erplosiblen Dampfmotor für Flugzeuge ge­macht werden, mit größter Heimlichkeit hinter bon Polen ausgeht, das man angesichts geschlossenen Türen verhandelt, weil die Spionage des neuen deutsch - polnischen Vertrages auf keinen Fall durch eine Aufmachung dieser Affäre ver­ſtimmen will. Ein Pariser Blatt meldet hiezu so­gar, daß die in die Affäre verwickelte Frau des Chefingenieurs der Siemenswerke, von Berg, Boykott!) einen Dienst zu tun. Sic tun das zum Tode und der polnische Rittmeister von Schlimmste, was sie überhaupt tun können, denn Aus einer anderen Rede, die der Berlinerosnowiti zu 20 Jahren Zuchthaus verur fie sollen nicht glauben, wenn sie in der Tat den Boykott so weit trieben, daß er wirklich eine ernst. Gauleiter Staatsrat Grohe gehalten hat, geht teilt worden sei. Die deutsche Presse bringt über hervor, daß man sich doch nicht auch noch die Kir- diesen Prozeß nicht ein Wort.

herbor:

Die Juden meinen vielleicht, ihren jüdischen Mitbürgern in Deutschland damit( mit dem

liche Bedrohung unserer wirtschaftlichen Situation darstellen würde, daß wir deshalb die Juden frei ausgehen ließen. Haß und Wut und Verzweiflung des deutschen Volfes würden sich dann zuerst an die halten, die im Lande greifba sind."

,, Wenn die Juden glauben, daß der unblutige Verlauf der deutschen Revolution ihnen das Recht gebe, in a ItgewohnterFrechheit und Arroganz wieder das deutsche Volt zu reizen und zu provozieren, so foll en fie unsere Geduld nicht all, zuschr auf die Probe stellen. Wir haben die Juden geschont. Wenn sie aber meinen, fie fönnten deshalb wieder auf deutsche Bühnen, um dem deutschen Volke Kunst darzu­bieten, wenn sie meinen, fic könnten wieder in den Redaktionsstuben auftauchen, um deutsche Zei tungen zu schreiben, wenn sie wieder über den Kurfürstendamm flanieren, als wenn gar nichts geschehen wäre, so mögen ihnen diese Worte als lekte Warnung dienen. Sie haben sich in Deutschland so aufzuführen, wie sich das für Gäste gehört."

Nach den Juden belamen auch noch diejeni= gen ihren Teil, die sich die Durchdringung der Kirchen mit dem Hafenkreuzgeist nicht wider­spruchslos gefallen lassen wollen.

Goebbels erklärte, wenn die ,, unzeitliche Reak­iion" nun versuche, den Kampf gegen den National­sozialismus auf dem Umwege über die Kirche fort­zusetzen, so würde die Partei auch dies zu verhin dern wissen. Nicht die Kirchen führen angeblich die­sen Kampf, sondern nur ganz fleine Klüngel, die aus politischen Motiven fämpften.

in der Defensive befindet und die allge= meine Vollsstimmung gegen sich bereits als einen sehr ernsten Faftor ins Kalfül ziehen muß.

In Sicherheit

goval

Dollfuß : Wie Sie mich hier sehen, stehe ich in Gottes Handi"

Die Deutsche Landvost" bezeichnet sich

jedenfalls noch als Hauptblatt des Bundes der Landwirte". Das ist ihre private publizistijde Angelegenheit sofern Herr Hader, der als der Führer der jungen Generation auf dem Um. weg über den Landstand" die Bauernorganisa tion an Henlein verschachern will, nichts dabei findet. Aber Spina selbst wird sich erffären müssen. Er hätte zu wählen zwischen der Demo­frafie und der landständischen Idee, zwischen dem Ministerstuhl und der Führung des Land standes, zwischen politischer Klarheit und der Freundschaft mit Sader und Senlein.

Allerdings die Deutsche Landpost" trägt zur Klärung der Verhältnisse nichts bei; sie ist eifrig dabei, sie zu verschleiern. Ihr fällt die schwere Aufgabe zu, nicht nur die demokratic. feindliche landständische Idee gegen die Angrific der Demokraten zu verteidigen, sondern auch die Freundschaft zwischen Sa der und Senlein, die, wie wir wissen, ihre Weihe durch einen zwi schen Senlein und Spina abgeschlossenen Palt erhalten hat. Es ist viel, was sich die Deutsche Landpost" da vorgenommen hat, denn Henleins Arbeit fußt auf hitlerschem Gedankengut und sein Organisationsschiffchen zimmerte er aus den Wracks der aufgelösten fascistischen Parteien. So ists denn begreiflich, daß die Deutsche Land­post" im Kampfe gegen uns die bequemere, da­für aber auch dümmere Methode des Schimp­fens anvendet. Uns aber wird ihr Steifen nicht hindern, den Jesutismus und die Roßtäuscherart der Landstand- Demofraten aufzudecken.

Wir haben die Deutsche Landpost" in den letzten Wochen faum angegriffen und in den letten Tagen überhaupt nicht. Umjo auffallen. der ist, daß sie sich in ihrer Ausgabe v. 12. Mai mit uns an leitender Stelle auseinanderzusetzen versucht. Sie wirft uns vor dies ist die Be­weisführung aller, die dumm sind oder ein schlechtes Gewissen haben alles als nicht.