Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Der Außenhandel im Mai

Freitag, 15. Juni 1934

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5- Heller Porto)

Nr. 138

Stärker als Im Mai 1933, aber schwächer Transfer völlig eingestellt Agrarische Pläne

im

als im April 1934

Das statistische Staatsamt veröffentlicht so­cben die Ziffern über den Außenhandel im Mai 1934. Danach betrug die Einfuhr im reinen Wa­renverkehr rund 523 Millionen, die Ausfuhr rund 539 Millionen, die Handelsbilanz war also mit rund 16 Millionen aftiv. Sowohl Einfuhr als auch Ausfuhr übersteigen den Außenhandel in der gleichen Zeit des Vorjahres. Im Mai 1933 war nämlich die Einfuhr rund 475.5 Millionen, die Ausfuhr 465 Millionen, die Handelsbilanz war also mit 10.5 Millionen passiv. In den ersten fünf Monaten 1934 war die Einfuhr 2554.5 Millionen, die Ausfuhr 2569 Millionen wieder durchwegs höher als 1933, ba die Einfuhr 2121 Millionen, die Ausfuhr 2179.5 Millionen betrug.

Allerdings ist der Außenhandel im Mai 1934 geringer als im April 1934, da im reinen Waren­verkehr( ohne Edelmetalle und Münzen) die Ein­

Gewundene Bankrotterklärung Dr. Schachts Auch die Dawes- und Young- Anleihe betroffen

Berlin  , 14. Juni. In der heutigen Sitzung des Zentralausschusses der Reichsbank machte Reichsbankpräsident Dr. Sch a cht die Mitteilung von einer Aenderung" der Trans­ferregelung mit Wirkung vom 1. Juli, die darin besteht, daß für alle lang- und mittelfristigen deutschen   Auslandsanleihen bis Ende dieses Jahres ein volles Transfermora torium   in Kraft tritt. Die Besitzer von Zinsscheinen können diese in Fundierungsbons" umtauschen, die erst 1945 fällig werden, oder sie jedoch erst nach dem 31. Dezember zu 40 Prozent ihres Nominalwertes an die Reichsbank in Devisen verkaufen.

Dr. Schacht erklärte, daß jetzt, nachdem durch die Entwertung der Währungen der haupt­sächlisten Konkurrenzländer und durch ständige Zollerhöhungen und Einfuhrkontingente der deutsche Absatz immer mehr geschmälert wurde, der Zeitpunkt gekommen sei, wo der Valuta­transfer auf die noch bestehende Auslandsverschuldung Deutschlands   zur völligen Un­möglichkeit(?) geworden sei.

Möglich sei, daß sich aus der Erschwerung Deutschlands  , Rohstoffe zu kaufen, neue Schwierigkeiten für die deutsche Voltswirtschaft ergäben.

Im Anschluß an die Mitteilung der Reichsbank hat der Reichsfinanzminister der BIZ in Basel   mitgeteilt, daß auch für den Dienst der Dawes und Young­Anleihe borübergehend" bis auf weiteres Devisen nicht mehr verfügbar sind. Dieser Mitteilung sind noch Eingaben über die unveränderte Weiterzahlung des Anleihedienstes in Reichsmark beigefügt.

fuhr 575 Millionen, die Ausfuhr 550 Millionen Inflationsstimmung im Dritten Reich  

betrug.

Graf Moltke

muß für Goebbels   intervenieren Warschau  . 14. Juni. Herr Goebbels  , dem die plögliche Abfahrt des Staatspräsidenten aufs Land und die ebenso plöbliche Erkrankung des Marschalls Pilsudsti ausgerechnet an dem Tage, an dem sie ihn empfangen wollten, äußerst pein­lich sind, da dies die wirklichen Erfolge seiner Aus­landspropaganda und die Herzlichkeit" der neuen polnisch- deutschen Freundschaft so eindeutig fund­tut, hat heute früh den deutschen Gesandten Gra­fen Moltle in Bewegung gesezt um dennoch einen Empfang wenigstens durch Pilsudsti zu erreichen. Pilsudsti ließ sich schließlich auch herbei, sein " Strantenbett" zu verlassen und Goebbels   etwa 30 Minuten in Audienz zu empfangen. Halbamt lich wird bekanntgegeben, daß die Besprechung rein privater und gesellschaftlicher Natur war.

Beim Staatspräsidenten konnte sich Goebbels  jedoch nur in das Audienzbuch eintragen.

Ein peinliches Gastgeschenk

Reuter meldet aus Berlin  , daß die Reichs­bant eine Abwertung der Mark um vierzig Pro­zent plane. Der Berliner   Korrespondent des Lon­doner Daily Herald" erhielt zwar von der Reichsbant die Auskunft, daß sie diese Meldung dementieren müsse, aber aus Berliner   Finanz­treisen erfuhr er, daß man dort davon überzeugt sei, daß Schacht unter dem Eindruck der jintenden deutschen   Ausfuhr, des katastrophalen Devisen mangels und des ständig wachsenden Defizits tat­sächlich zu einer rigorosen Abwertung der Reichs­mart entschlossen sei. Man spricht davon, daß Schacht die Baseler Internationale Bank bereits über sein Vorhaben unterrichtet habe.

Widerspruch in Paris Paris  

, 14. Juni. Die Mitteilung der deut­ schen   Regierung, daß Deutschland   den Zinsendienst der Dawes und der Young- Anleihe nicht zahlen wird, hat in Pariser   parlamentarischen Strei­sen sowie in der Presse lebhafte Proteste heryor­gerufen. In den Parlamentstouloirs wurde dar­auf verwiesen, daß sich Frankreich   nicht damit zu frieden geben werde, diese neuerliche Verlegung der deutschen   Verpflichtungen einfach zur Stennt nis zu nehmen. Der französische   Botschafter in Höchst   peinlich mußte es gleichfalls auf Herrn Berlin   hat bereits vor einigen Tagen die deutsche  Goebbels wirken, daß die polnischen Behörden aus- Regierung nachdrücklich auf die Konsequen gerechnet heute für ganz Polen   die Auflösungen aufmerksam gemacht, welche Frankreich   aus der polnischen nationalsozialisti diesem Verhalten Deutschlands   ziehen würde. Man schen Arbeiterpartei, die ein der deut­ schen   nationalsozialistischen Partei ähnliches poli­tisches Programm vertrat, angeordnet haben. Die Zugehörigkeit zu der aufgelösten Partei soll in Zu­funft gerichtlich verfolgt werden.

Frankreichs   Zahlungs­ablehnung

glaubt, das dies bereits bei der Wiederaufnahme der französisch- deutschen Handelsvertragsverhand lungen, die in den nächsten Tagen in Berlin   erfol­gen sollen, in Erscheinung treten wird.

Das Ministerium für auswärtige Angelegen, heiten veröffentlichte abends eine Note, in der es heißt, daß die französische   Regierung sich mit der Angelegenheit befaßt und die entsprechenden Maßz­nahmen zur Sicherung des Schutzes der Interessen der französischen   Inhaber dieser Anleihen treffen werde.

In der tschechoslowakischen Deffentlich. feit spielen seit Monaten die agrarischen Bestrebungen auf die Einführung einer angeblichen PI anwirtschaft in der Land. wirtschaft eine bedeutende Rolle.

Es ist notwendig, sich klar zu werden, was dahinter eigentlich) steckt. Es liegen einige Vorschläge zur Einführung einer landwirt. schaftlichen Planwirtschaft" der Diskussion z11­grunde, ohne daß es bisher gelungen wäre, sich in den maßgebenden Kreisen in einer bestimm ten Richtung fest zu binden. Um es vorweg zu jagen: von einer Planwirtschaft im soziali. stischen Sinne kann bei allen in Betracht kom­menden Vorschlägen nicht die Rede sein. Der eigentliche Inspirator der ganzen Plänemacherei, Landwirtschaftsminister Dr. Hodža, hat gleich anfangs feierlich erklärt, daß die landwirtschaft­liche Planwirtschaft nicht eine Sozialisierung der Produktion bedeutet, sondern dort Ordnung einzuführen sei, wo sie bisher fehlt". W o fehlt sie? Abg. Dr. 3 adina, der eigentliche fiche­chischagrarische Fachmann, gibt darauf eine ganz

flare Antwort: Der Schwerpunkt der Bemü hungen muß in der Sicherung angemes sener Preise und eines geregelten Abjat. 3 es liegen". Die Mittel, die man zur Erreichung dieses Hauptzieles anwenden will, nennt man etwas hochtrabend-- Planwirtschaft.

Was hat man in Wirklichkeit vor? Der aus acht Punkten bestehende Vorschlag der Tschecho. flowakischen landwirtschaftlichen Akademie" geht u. a. dahin, die Getreideanbau. fläche um 200.000 Heftar einzuschrän England führt Clearing­ten und dafür vorwiegend Futterpflanzen zu Verkehr ein ziehen. Der Absatz soll reglementiert London  , 14. Juni.  ( Reuter.) Vor jieben werden mit Hilfe eines gründlichen Nachrichten­Wochen hat die Regierung Groß- Britanniens der dienstes, einer Preisberichterstattung. einer deutschen   Regierung mitgeteilt, daß sie mit der Erntevorausschäßung, einer Statistik der Vor­größten Gewissenhaftigkeit alle Vorschläge be- räte sowie eines systematischen landwirtschaftlichen treffend ein Moratorium für den Transfer von Informationsdienstes alles Dinge, die wir Zahlungen auf die Dawes und die Young- An- schon längit als unbedingt notwendige Vor. leihe prüfen würde. Diese angelündigte Altion aussetzungen einer gesunden Agrarpolitik wird voraussichtlich so durchgeführt werden, daß ein obligatorisches Clearinghouse für den verlangt haben. Die Frage der Einfuhr, des Ab­Handelsverkehr Deutschlands   mit Groß- Britan- jabes, Auftaufs und Ausschaltung der Spefu nien errichtet werden wird. Die Zahlungen, welche lation soll am besten durch Monopoliiie. auf die Dawes und die Young- Anleihe geleistet rung gelöst werden. Als ausreichende, sorg­werden sollen, werden von jenen Beträgen in Ab­rechnung gebracht werden, welche in das Clea­ringhouse als Entgelt für deutsche Erzeugnisse abgeführt werden werden.

Der Kanzler des Staatsschazes wird morgen im Unterhause eine Erklärung über das deutsche Moratorium abgeben.

Zweistündige Unterredung in Stra

Betont ,, herzliche" Umgangsformen zwischen den beiden Fascistenführern

Venedig  , 14. Juni. Reichstanzler Hitler fam| Mehrere Pariser   Blätter haben ihre Son:

der Hitler von Mussolini  , den italienischen Be­hörden und der italienischen Oeffentlichkeit bereitet wurde. Hitler   wohnt im Grandhotel, wo er die auserlesensten Appartements bewohnt, die sonst den Herrschern und den föniglichen Prinzen vorbe­halten sind.

Werden die 400.000 streiken? Pittsburg  , 14. Juni.  ( Reuter.) Während die

heute vormittags um 10 Uhr im Flugzeug von derberichterstatter nach Venedig   entsandt, welche München   auf dem Flugplap San Nicolo in Venedig   ausführlich den ostentativen Empfang schildern, Grundsätzliche Anerkennung der Schulden. an. In seiner Begleitung befanden sich Reichs­Paris, 14. Juni. Die Regierung veröffent- außenminister von Neurath, der Reichspressechef lichte in den späten Abendstunden des Mittwoch etc. Hitlers   Maschine wurde von einer italie­den Wortlaut der französischen   Note in der Schul- nischen Fliegerstaffel begleitet. Auf dem Flugplaß denfrage an Amerita. In dieser Note wird dar- wartete Mussolini  , der Hitler herzlich" auf hingewiesen, daß seit Dezember 1932 fein die Hand schüttelte und ihn dann im Motorboot neuer Faktor hinsichtlich der Regelung der zwi- bis zum Grandhotel begleitete, wo Hitler   unterge­schenstaatlichen Schulden eingetreten sei und daß bracht ist. sich die französische   Regierung deshalb nicht in der Lage sehe, die Zahlungen am 15. d. M. wie­der aufzunehmen, die sie seit dem 15, Dezember 1932 infolge, des Moratoriums gezwungen ge­wesen sei, hinauszuschieben. Die französische   Re­gierung macht jedoch gleichzeitig darauf aufmert­sam, daß sie die Schulden an sich nicht bestreite und nach wie vor bereit sei, mit der amerikanischen  Regierung eine Regelung anzustreben auf einer Grundlage, die den gegenwärtigen Umständen. Rechnung trage. Sie gibt ferner der Hoffnung Ausdrud, daß eine solche Regelung in Kürze ge­funden werden könne.

fältig abgesuchte Preise bezeichnete die Afa­demie( im Dezember 1933): für Weizen 150, für Roggen 130, für Gerste 125 und für Safer 110 per Meterzentner. Ferner foll die Einfuhr fremder Futtermittel zentrali siert und überschüssiges Getreide eingelagert werden.

Nun ist charakteristisch, daß sich sowohl deutsche wie tschechische Agrarpolitiker gegen die Aufteilung der zulässigen Getreideanbau­flächen bis hinab zum einzelnen Landwirt" wenden und bezweifeln, daß dies in rein sach­licher und gerechter Weise durchgeführt werden kann. Man befürchtet, daß ein Großteil der Land­wirte glauben werde, Grund zur Ünzufrie denheit wegen Benachteiligung gegenüber anderen zu haben. Sie werden nicht nur das glauben, es wird in der agrarischen Vraris auch tatsächlich derartiges vorkommen! Um die gewiß eintretenden Schwierigkeiten beim Uebergang zu Ersatzpflanzungen abzuschvächen, schlägt Abg. Dr. Zadina vor, den Landwirten

Prämien zu gewähren. Er meint, dieses Prämiensystem pro Heftar 500-- würde von den Landwirten sicher günstiger aufgenom men werden als behördliche Schikanen. Das

Am Nachmittag begab sich Hitler   in die Villa Pisani in Stra, wo ihm Mussolini   wieder ent= gegentam. Nach einem Effen begann um 15 Uhr die erſte Unterredung, über die amtlich nur fol- ſtreites fortgesetzt werden, treffen massenhaft Ar- ter, daß es vom volkswirtschaftlichen Stand­gendes Kommuniqué ausgegeben wurde:

Versuche zur Verhinderung des Metallarbeiter dürfte stimmen! Abg. Dr. Zadina bemerkt wei­beitervertreter zu der morgigen Versammlung ein, punft aus zweckmäßiger wäre, den notwendigen " Der Chef der italienischen Regierung hat in der die definitive Entscheidung darüber fallen Betrag von 100 Millionen den Landwirten wird, ob der Streit proklamiert werden soll oder direkt zuzuwenden, um die Umstellung der Pro­nicht. Nach den Erklärungen einiger Arbeiter- duftion in zwei bis drei Jahren durchführen zu führer sind etwa 100.000 bis 400.000 Arbeite: zum Streit bereit. Die übrigen würden dem Bei können, statt die bisherigen überschüssigen Ge­spiel der Mehrheit folgen. Dagegen versuchen an- treidemengen dem Ausland um 30 bis 10 dere bedächtigere Führer durch ein Stompromiß den je Meterzentner billiger zu verkaufen, als es drohenden Streit abzuwenden. im Inland der Fall ist. Unter allen Umständen

dem deutschen   Reichskanzler heute ein Frühstück in der Billa   Pisani in Stra gegeben. Nach dem Frühstück haben die beiden Regierungschefs eine über zweistündige Unterredung gehabt. Die Unterredung wird morgen fortgescht werden." Wie das DNB dazu noch erfährt, fand die Unterredung unter vier Augen statt.