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Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI
IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
14. Jahrgang
Amnestie- Entwurf
Sozialversicherungsnovelle und Kollektivverträge im Verordnungswege
Prag , 15. Juni. In der heute nachmit tags stattgefundenen Sitzung des Ministerrates wurde die Zustimmung zu dem Antrag auf Erlaffung einer A m ne stie ausgesprochen, den der Justizminister dem Präsidenten der Republik zur Entscheidung vorlegen wird.
Beschlossen wurde ferner auch die Novellierung der Sozialversicherung und die Verlängerung der Gültigkeit kollektiver Arbeitsverträge, beides durch Regierungsverordnung nach dem Ermächtigungsgesetz.
Angenommen wurden u. a. auch die vom Arbeitenministerium ausgearbeitete Regierungsvorlage über das Fahren mit Motorfahrzeugen ( das neue Automobilgesetz); da die
Samstag, 16. Juni Juni 1934
Verzicht auf den Anschluß
London , 15. Juni. Der Berichterstatter des Neuterbüros meldet aus Venedig : Der italienische Ministerpräsident Mussolini und der deutsche Reichskanzler Hitler einigten sich auf die volle Anerkennung der abhängigteit Oesterreichs . Der Vorstand des Pressedepartements des italienisch: Ministerpräsidiums Ciano teilte den Journalisten mit, daß zwar kein Vertrag unterzeichnet wurde, daß es sich aber um ein Abkommen handle, das die„ Gesinnung" gegenüber Oesterreich zum Ausdruck bringt. Andere Einzelheiten teilte er nicht mit, erklärte aber dennoch ausdrücklich, daß Deutschland praktisch auf den Anschluß verzichtet.
Bei einem Presse- Empfang erklärte Nichtsdestoweniger wird betont, daß das zu Giani, der Pressechef und Schwiegersohn standegekommene Abkommen allgemeinen Charat Mussolinis, noch folgendes: ters ist und daß kein Dokument hierüber abgefaßt wurde.
In der Abrüstungsfrage sei man sich dar
parlamentarische Durchberatung der Vorlage kei- über klar, daß, wenn für Deutschland die Ein mageres Kommuniquee neswegs übereilt werden soll, wird gleichzeitig Gleichberechtigung tatsächlich und noch eine letzte Verlängerung des bisherigen pro- wirtiam geworden sei, es in den visorischen Automobilgesetzes bis Ende dieses Jah- Völkerbund zurückkehren könne.
Benedig, 15. Juni. lleber die Zusammenfunft in Venedig wird folgende abschließende amt liche Mitteilung veröffentlicht:
res vorgelegt werden. Ebenfalls aus dem Arbei- Auch über Oesterreich sei gesprochen wor tenministerium stammt der genehmigte Gesetzent- den, wobei man der Ansicht sei, daß immer auf der ,, Der italienische Regierungschef und der wurf über die Gaswerksunternehmun- Basis der österreichischen Unabhängigkeit die deutsche Reichstanzler haben heute die Prüfung gent, welche Begünstigungen genießen, und eine erstellung normaler Beziehunder Fragen der allgemeinen Politik und die ihrer Regierungsverordnung über die amtliche Eichung gen zwischen Deutschland und Länder unmittelbar interessierenden Probleme in der Wassermesser. Desterreich wünschenswert sei. einem Geiste herzlicher Zusammenarbeit fortgescht und abgeschlossen.
Reuter meldet noch:
Von der sonstigen Tagesordnung des Ministerrates ist noch zu erwähnen die Genehmigung der Beschickung der in der zweiten Hälfte dieses Das Abkommen enthält weder von dieser Monates nach Genf einberufenen Beratung über noch von jener Seite Garantien für diese Unab die Ratifizierung des internationalen Abkommens hängigkeit, doch verpflichtete sich Deutschland durch betreffend die Regelung der Arbeits- den Mund Hitlers , daß es die Tätigkeit der nativzeit in den Gruben. Gleichzeitig wurden nalsozialistischen Terroristen in Oesterreich nicht die tschechoslowakische Delegation bestimmt und unterstützen werde. Richtlinien für ihr Vorgehen aufgestellt.
Der Rüstungskredit
von der Kammer angenommen
Paris , 15. Juni. Die Kammer nahm am Abend mit 420 gegen 171 Stimmen die Regierungsvorlagen betreffend die Gewährung von außerordentlichen Krediten in der Höhe von 3200 Millionen Franken für Sicherungsarbeiten zu Zwecken des Hecres, der Marine und des Flugwesens in ihrer Gänze an.
Grundlage des Abkommens ist, nach einer Erklärung Cianis, daß Deutschland dem italienischen Wunsche bezüglich der österreichischen Frage entspricht und daß Italien dafür Deutschland bezüglich der Rüstungen und in der Frage der Rückfehr in den Wölferbund unterstützen wird.
Die so eingeleiteten persönlichen Beziehun gen zwischen den beiden Regierungschefs werden fünftig fortgesetzt werden."
Habicht abgesetzt?
Wien , 15. Juni. Die..Reichs post" bringt eine noch nicht verifizierte Münchener Meldung. daß der Reichstagsabgeordnete Theo Habicht mit gestrigem Tage seiner Funktion als„ Landesinspekteur der nationalsozialistischen Arbeiterpartei Oesterreichs " enthoben worden sei. Zu gleich wurden andere nationalsozialistische Führer auf unbestimmte Zeit beurlaubt. 1
Der polnische Innenminister
Der Luftfahrtminister General Denain er Der unbekannte Täter entkommen Härte, daß die Regierung eine Angriffs= flugzeuge, fondern bloß Abwehrflugzeuge zum Schutze des Landes vor einem eventuellen Ueberfall und vor Fliegerangriffen bauen laffen wolle. Es sei notwendig, daß Frankreich in jeder Hinsicht gesichert und nicht überraschenden Fliegerangriffen auf Gnade und Ungnade ausge= liefert sei.
erschossen
Warschau , 15. Juni. Der Innenminister Bierad i ist heute nachmittags das Cofer eines Attentates geworden. Als sich der Minister vor 16 Uhr in das Lotal des Regierungsblocks begeben wollte, das in der Foksalstraße liegt, und aus dem Automobil ausstieg, trat ihm ein junger Mann entgegen, der gegen den Minister mehrere Revolverich üffe abfeuerte, die den Minister schwer verletzten. Als der Minister infolge seiner Verletzung zusammenbrach), versuchte ein in der Nähe befindlicher Polizist den Attentäter festzunehmen. Der Attentäter richtete aber auch gegen den Polizisten die Waffe und verwundete ihn ebenfalls, worauf er die Flucht ergriff und entkam. Die sofort aufgenommene Verfolgung verlief ergebnislos.
Der Minister erhielt eine schwere Kopfverlegung und wurde in das städtische Spital übergeführt, wo die Aerzte einen operativen Eingriff zur Entfernung der in das Gehirn eingedrungenen Revolverfugel vorgenommen haben. Sein Zustand ist außerordentlich bedenklich.
Gegen 18 Uhr ist der Minister trotz des operativen Eingriffes an den Folgen seiner Verletzung im Spital gestorben.
Nach einem volizeilichen Kommuniquee soll der Attentäter zwei Komplizen gehabt haben, die gleichfalls die Flucht ergreifen konnten. Das Attentat hat naturgemäß einen politischen Hintergrund.
Die bisherige Untersuchung ergab kein Re
Bufarest, 15. Juni. Nach dem provisorischen Programm wird der Ständige Rat der Kleinen Entente am Montag, Dienstag und Mittwoch tagen. Nach Beendigung der Arbeiten werden alle drei Außenminister den Pressevertretern über die Ergebnisse der Bukarester Arbeiten des Ständigen Rates Erklärungen abgeben. Die Gesandten aller drei Länder aus den drei Hauptstädten der Das Attentat wurde in dem Augenblide verKleinen Ententestaaten werden in Bukarest anſultat. Die Polizei hat zwar bis in die späten übt, als sich in dem Klublokale des Regierungswesend sein. Der französische Außenminister Louis Bar- Abendstunden einige verdächtige Männer verhaf- blocks in der Fotfalgaffe Ministerpräsident Koz= thout wird in Bularest am 20. Juni eintreffen. tet, doch stellte sich heraus, daß die Verhafteten lowski und mehrere polnische Woiwoden zu Bemit dem Attentate in keiner Verbindung standen. Ihm zu Ehren wird das rumänische Parlament Nach den Angaben des polizeilichen Kommuniam Donnerstag eine feierliche Sibung quees gehört der Attentäter aller Wahrscheinlich abhalten, die gleichzeitig auch zur Ehrung der beiden Außenminister Dr. Jeftic und Dr. Beneš leit nach Intelligenzkreisen an. stattfindet.
Kein Streik
in der Stahlindustrie
ratungen zusammengefunden hatten. Pieradi wurde von den Kugeln des Attentäters gerade in dem Momente erreicht, als er an die Tür des Lokals des Regierungsblocks trat und die Klingel zog. Der Tod des Ministers erfolgte auf dem Was die politischen Hintergründe des Attenperation stisch, als man die in das Getates anlangt, find in Warschau verschiedene Ver- hirn eingedrungene Rugel entfernen wollte. fionen im Umlauf. Nach den Extraausgaben einiger Blätter verlautet, daß das Attentat das
Innenminister Pieracki , der im Jahre 1895 geWert der ukrainischen Nationalisten boren wurde, gehörte zu dem engsten Kreis um sei, doch fehlt es auch nicht an der Annahme, daß Marschall Pilsudsti, zu der sogenannten OberstenPittsburg( Pensylvania), 15. Ju Juni. die Attentäter sich aus den Kreisen der polni- Gruppe. Als ehemaliger Pionieroffizier erlangte Der Kongres der Vertreter der Stahlarbeiter fchen nationalsozialistischen er den Militärgrad eines Obersten im Generalstab. Parte i rekrutieren, die bekanntlich über An- Im Jahre 1928 ist er als einer der Spitzenkandiam Donnerstag ist ohne Streitbeschluß abgeordnung des Innenministeriums am gestrigen daten des Regierungsblods in den Sejm gewählt schloffen wirden. Der Streit sollte am heutigen Tag für das ganze Gebiet Polens aufgelöst worden. Seit vielen Jahren gehört er als maßgebliches Mitglied der Regierung an. Freitag beginnen.
wurde.
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Nr. 139
Die neue Pressenovelle
Welche Verwüstungen der Fascismus im geistigen Leben angerichtet hat, wird am deutlichsten aus dem heutigen Zustande der Presse flar. Während in den fascistischen Ländern öde Gleichschaltung das publizistische Leben überhaupt ausgelöscht hat, sehen wir in den demofratischen Ländern die Fascisten und ihnen treu zur Seite die Kommunisten am Werke, die Freiheit der Preffe durch schamlosen Mißbrauch zu ersticken. Nicht durch die einschränkenden Maßnahmen der Gesetzgebung und der Regierung, sondern durch das Toben einer verantwortungslosen Mente, die, statt Aufklärung und die Möglichkeit der selbständigen Meinungsbildung zu verbreiten, durch Ausnütung des Sensations. hurgers, durch Aufpeitschung der niedrigsten
Leidenschaften, durch) Aufreizung zu Gewalttätig. feiten den Massenwillen zur Erhaltung der Demofratie untergraben will, ist die Preßfreiheit in Gefahr. Mit dem Rechte der Kritik, an dem jeder Demokrat unverbrüchlich festhalten muß. haben diese Bestrebungen, die ja gegen die Kritik an die unkritischen Leidenschaften appellieren, nicht das mindeſte zu tun. Darum werden wir der Demokratie nicht nur das Recht zubilligen, sondern ihr geradezu die Pflicht auferlegen mits. sen, solche Erscheinungen zu unterdrücken.
Wenn darum ein eben eingebrachter Gesezzentwurf, der das Schutzgesetz und die Preßge. fette neuerlich novelliert, an seine Spitze einen neuen Tatbestand des Schutzgesetzes stellt, der die Aufreizung gegen Staatsbürger oder Gruppen der Bevölkerung wegen ihrer demokratischen Gesinnung unter Strafe ſtellt, so werden wir die demokratische Grundtendenz des Entwurfes nicht verkennen dürfen. Es war ja die Lieblingsmethode gerade unserer getarnten Hafenfrenzler, unter widerlicher Loyalitätsheuchelei und scheinheiligen Verbeugungen vor der Demokratie auf dem Umwege über die Setze gegen die Demokraten das demokratische Bewußtsein zu untergraben. Und auch die Stříbrný Presse hat sich diese Methode reichlich zu eigen gemacht. Wir begreifen daher die Empörung dieser Herren darüber, daß die Demokraten in der Demokratie nicht schutzlos sein sollen und wir verstehen nicht minder, daß Herr Kahánek die Freiheit, die er meint, gefährdet sicht, wenn die blutrünstigen Sensationen von der ersten Seite verbannt werden und der Spekulation auf den Nervenkitel ein wenig Einhalt getan wird. Wozu wir noch beifügen möchten, daß gerade die Anhänger einer freien Serualmoral die widerliche Ausbreitung von Dingen des privatesten Lebens in der Boulevardpresse am meisten verabscheuen müssen.
Wir wollen auch gerne annehmen, daß; die Möglichkeit, gegen die antidemokratische Presse schärfer und vor allem rascher zuzugreifen, wie sie in den Bestimmungen über den Entzug der Portobegünstigungen und der Postbeförderung und über das Einstellungsverfahren zum Ausdruck kommen, wirklich nur gegen die Presse gerichtet sind, die darauf ausgeht, die demokratischen Grundlagen des Staates zu untergraben. Und wir müssen den Kommunisten, abgesehen von ihrer auswechselbaren Einstellung zur Preßfreiheit, die Tatsache vorhalten, daß das unangefochtene Erscheinen ihrer getarnten Blätter doch zu klar die Möglichkeit beweist, Zeitun gen kommunistischer Tendenz zu schreiben, ohne mit dem Gesetze in Konflikt zu kommen, als daß die Tricks mit denen die Kommunisten die tägliche Konfiskation ihrer Presse bewußt provozieren, noch auf irgend jemanden einen anderen Eindruck als den des plumpen Schwindels machen könnten. Und über die Legitimation der Fascisten, die Schüßer der Preßfreiheit zu spielen, ist erst recht kein Wort zu verlieren.
Aber neben fascistischen und kommunistischen haben wir auch ernste Stimmen, wie etwa des„ Národni Osvobozeni" oder der„ Lidové Noviny" gehört, die gegen den Entwurf schwere Bedenken äußern. In der Tat wird gewissenhaft zu prüfen sein, ob die Mittel, welche der Gesetz