Tr. 181

Die Konzentrationslager

Samstag, 30. Juni 1934

Kemna und Börgermoor  

In Börgermoor Hellmanns Martyrlum

Colle 5

Da ereignete sich etwas Seltsames. Ich be handelte einen armen Teufel, einen Schuster, der im Kriege verschüttet gewesen war und einen Nervenschod erlitten hatte. Von seiner Krankheit war ihm eine unbezwingliche Reizbarkeit zurück­geblieben, unter der seine arme Frau viel zu leis den hatte. Es gab furchtbare häusliche Szenen, das Geschrei des Mannes erfüllte die ganze Straße. War der Zornesausbruch vorbei, so war er der beste Mensch von der Welt und tat seiner Frau alles zuliebe, um sie zu versöhnen. Als ich ihn einmal aufsuchen wollte, traf ich, einige Blocks entfernt, Langton. Er schloß sich mir an. Uns dem Hause nähernd, wo der Schuster wohnte, ver nahmen wir seine wütende Stimme: Ich schlag dich fot!" Langton wurde Teichenblas, dann schoß ihm das Blut in die Wangen. ,, Ein Mord  ", flüsterte er.

Befehl der ausführte. Sie ließ nicht cher nach einem großen, mit einem Todesurteil ens Ruhe, bis sie das efelhafte Schauspiel vollendet denden Prozeß auf die Welt gekommen war. hatte und beide jüdischen Gefangenen mit Mien- Bom Jahre 23 bis 24 gab es in unserem schentot beschmiert waren. Diftritt teinen einzigen großen Prozeß. Langton Einige Tage später erhielt der frante Seilalterte sichtlich, war fast zum Greis geworden, ob mann den Befehl, einen schweren Baumstamm wohl er erst dreiundfünfzig Jahre zählte. ( P. G.) Ein Arbeiter, der als politischer Ge­fangener in Untersuchungshaft saß, erfuhr von auf die Schulter zu nehmen und durch einen einem Mitgefangenen allerlei über Wlißhandlungen jumpfigen Graben zu schaffen. Er fant immer im Konzentrationslager Kemna   bei Wuppertal  . tiefer ein uno rief schließlich: Helft mir doch!" Er teilte diese Erzählungen seines Mitgefange Die Bachmannschaft hielt uns davon ab mit der nen brieflich einem politischen Freund im Saar­Am 19. Jänner 1934 wurde ich in das Drohung: Wer hilft, wird erschossen!" Erst als gebiet mit. Zivar glaubte er sich als Absender mit Konzentrationslager Börgermoor   überführt. Seilmann bis über die Schultern eingefunfen aller möglichen Vorsicht getarnt zu haben, aber ein In diesem Lager waren schon seit längerer Zeit war, und der Schlamm sich seinem Gesicht näherte Zufall ließ die Polizei, die in den Bejiz des Brie Ernst eilmann und Friedrich Ebert un durften wir ihm helfen. Solche Prozeduren wur­fes fam, doch erkennen, wer der Schreiber war. tergebracht. Die SA- Leute machten uns gleich den mit Heilmann immer vorgenommen. wenn Nun wurde er von neuem verhaftet und wurde darauf aufmerksam, daß sie uns Heilmann vor: neue Gefangene eingeliefert wurden. Er wurde selbst in das Stonzentrationslager Semna   bei führen würden. Man stellte eine Hundehütte auf, häufig in der sogenannten Vortragsbarade ge Wuppertal   eingeliefert. Er war dort vom 24. Ot tober 1933 bis zum 10. Jänner 1984 und von Holte Heilmann, der einen sehr zerrütteten Ein- schlagen, und die Mißhandlungen waren ihm an­diesem Tage bis zum 11. April 1934 im Kon- drud machte, aus der Barade 1, die als Lazarett zumerken, wenn er herausfam. Seilmann war zentrationslager Börgermoor bei Papenburg  . Das diente und jagte ihn wie einen Hund zur Hunde- seelisch gebrochen. Aber er war ein guter Same­ist dasselbe Lager, in dem auch einige sozialdemo hitte. Dort wurde er an eine Kette gelegt. Ein rad, wie alle bezeugen, die mit ihm im Lazareti fratische Führer, so Ernst ei Imann und SA- Mann stellte sich mit schußbereitem Gewehr lagen. Häufig befam er Lebensmittel, Zigaretten Friedrich Ebert   monatelang gefangen waren. vor ihm auf und fragte höhnisch:" Heilmann, wie und auch Geld, und er hat stets brüderlich mit Dieser Arbeiter schilderte der Deutschen   macht die Zweite Internationale?" Heilmann seinen ärmeren Mitgefangenen geteilt. Freiheit" mit Angabe von Namen und Daten feine bellte wie ein Hund. Der SA- Mann, der mit Als eine Rotterdamer   Zeitung später über Erlebnisse. Er bereit, Edhilderung einzutreten.- Die Schilderungen finder fertigen Starre noch immer bor bin manns shandlungen berger berumt, und schußfertigen dem Heilmanns berichiete, lief der ein treffender Kommentar zum Kulturdeutſchtum rend:" Scht, was für eine feige Streatur. Heilsuchte nach Zeugen, die den Zeitungsbericht wider mann wurde dann von der SA an der Seite wie legen sollten. Es wurden noch fünf Gefangene ein Hund über den ganzen Plaz geführt und fam ermittelt, die mit Heilmann zufammen eingelie dann wieder ins Lazarett.  fert worden waren. Die Leute befundeten, daß der Zeitungsbericht wahrheitsgemäß sei. Was mit diesen Gefangenen geschehen ist, weiß ich nicht.

der Henleinleute.

In Kemna

Als der Polizeibeamte mich in te mna am 24. Ottober 1933 cinlieferte, fagte er gleich dem ersten SA- Posten: Ich bringe euch da etwas ganz Feines!" Da er mir vorher eingeschärft hatte, ich müsse vor jedem SA- Mann stramm stehen, grüßte ich diesen SA- Posten durch stramme Haltung. Der aber schnauzte mich sofort an: Du rotes Schwein, du wagst auch noch vor mir stramm zu stehen? Nimm die Knochen auseinan­der!" Und schon erhielt ich einen Faustschlag ins Gesicht. Den Namen des Wachtpostens ermittelte ich später. Er heißt Wolf.

Beim zweiten Wachtposten vermied ich nun,

Am nächsten Tag wurde er uns mee einem anderen jüdischen Gefangenen vorgeführt. Das war an der sogenannten 4711- Stolonne( Latri­nen- kolonne). Die SA Leute verlangten von dem einen Juden, er möge Kot aus der Latrine herausholen und es Heilmann ins Gesicht schmie ren. Er verweigerte das. Dann schrie con SA Mann den jüdischen Mitgefangenen an: Also, weil du zu feig bijt, wird dich Heilmann befchimie ren. Heilmann, der einen frankhaften Eindruck machte, wurde solange bedroht, bis er wirklich den schlagen.

schichte des Echuſters. Es fiel mir auf, daß er fid Ich beruhigte ihn und erzählic ihm die Ge­den Namen und die Adresse notierte. Dann vers ließ er mich.

Ehva eine Woche später suchte mich der Schuster auf.

,, Doftor", sagte er erregt ,,, in unserer Stadt gibt es einen Mann, der entweder ein Verbrecher oder ein Verrüdter ift. Jeden Abend lauert er mir auf und versucht mich zu überreden, meine Frau zu töten."

eine stramme Saltung anzunehmen. Sofort fuhr Die sieben Galgen des enn feine harten blauen Augen die Frau des achten, wenn fein harten blauen Augen die Frau jeits den Tianne aufzulauern, der ihn au cinem die Knochen zuſammennehmen?" Und gleich jeste Diſtriktsſtaatsanwalts folgten.

er mich an: Du dreckiges Schwein, willst du nicht

es wieder Schläge.

Wiederholt wurde versucht, den alten Parici­haß zwischen Sozialdemokraten und Kommu nisten anzustacheln. So wurde einmal Friedrich Ebert   aufgefordert, tommunistischen Gefangenen Ich hielt diese Worte für die Einbildung in die Fresse" zu schlagen. Er weigerte sich eines Syſteriters, aber der Schuster ließ von sei­tapfer und erklärte, daß auch jeder kommunistischener Behauptung nicht ab. Der Mann behauptete, Gefangene sein Kamerad sei. Ebenso weigerten daß die Frau des Schusters diesen betrüge, ihn sich kommunistische Arbeiter Friedrich Ebert   zu hasse, ihn ermorden werde, falls er ihr nicht zu­vorfomme. Ich fürchte mich", schloß der Schuster. ,, Sic wiffen ja, wie es um mich besteht." Ich versprach dem Patienten, nun meiner­Mord verführen wollte. Als sie etwa ein Jahr verheiratet waren, gab..Er kommt immer in unsere Straße, wenn Bon Hermania zur Mühlen. es in unserer Stadt einen großen Mordprozeß. es bereits zu dämmern beginnt. Hat den Kragen Die Gelangenen werden bestohlen Ein Dodarbeiter hatte seine Geliebte ermordet. hoch aufgeschlagen, den but tief in die Stirn ge­Die hier folgende Geschichte hat mir ein Der riesige, breitschultrige, vor Kraft strosende drückt", berichtete der Schuster. Im Burcau wurde ich von dem Obersturm amerikanischer Freund erzählt: Mann stand in der Anflagebant wie das Leben führer Hilgers und dem Oberscharführer Die fleine Stadt E. hat wenig Interessan Ich wartete zwei Abende vergeblich im selbst. Langton, schmal, hager, mit graublaffem dunklen Hausgang; am dritten Abend fam ein Weichert empfangen: Taschen leer machen!" tes aufzuweisen; das schönste Gebäude ist das hieß es. Ich hatte 18 Mart gespart, um meiner Klubhaus der Elts, das zweitſchönste die Irren- glichen, wie ein weienloser Schatten. Aber in den Gang erschienen mir bekannt. Gesicht und toten Augen, wirfte, mit ihm ver: Mann hastig des Weges. Die Gestalt und der Frau etwas zum Geburtstag zu faufen. Esanstalt, an der mein Freund Blowſer Chef Schatten tam um so mehr Leben, je länger er den wurde mir abgenommen und ich befam es niemals arzt ist. wieder. Man fragte mich: Was haft du ge= macht?" Ich antwortete, daß ich einen Brief ins Saargebiet geschrieben hätte." Worüber?" Ich gab wahrheitsgemäß zur Antwort, was ich aus Grund der Erzählungen des Untersuchungsgefan genen ins Saargebiet geschrieben hatte. Aha, Greuelmärchen! Das sollst du schver büzen!" Mißhandlungen

In der Wachtstube wurde noch einmal ge= fragt, was ich gemacht hätte. Ich sagte die Wahr­heit. Da schrie mich plößlich der Scharführer Hochfelder an:" Du hast den Ueberfall auf mich geleitet." Der Mann war mir aber ganz unbekannt. Er hat es gewiß nur behauptet, um cinen Anlaß zu Mißhandlungen zu haben. Sofort fiel er denn auch über mich her und schlug mich dermaßen ins Gesicht, daß sich mehrere Zähne lockerten. Als ich zur Tür hinaus­ging, wurde ich ins Kreuz getreten. Draußen be­fahl mir der Scharführer Hinge: Stell dich an die Wand!" Der Scharführer Hochfelder schlug mich wieder ins Gesicht. Ich wurde nun in einen Raum unter die Treppe geworfen, wo schon vier Mann lagen. Dort wurde ich weiter mishandelt. Das Verhör

Ich besuchte Blowser während der Ferien und wir schlenderten an einem schönen Sommer­abend geniächlich durch die breiten, etwas öden Straßen.

Aus einem prächtigen Park traten sieben junge Mädchen heraus. Ich blieb stehen, vergaß völlig meine guten Manieren, starrte unverhohlen schamlos die jungen Mädchen an. Das älteste mochte zwanzig, das jüngste sechs Jahre zählen, und eines war schöner als das andere.

Blowser lüftete den Hut; die sieben Mädchen grüßten.

..Mach mich doch mit ihnen befannt", bat ich und wollte auch schon den Freund auf die andere Seite der Straße ziehen.

Er aber riß mich mit einem Rud zurüd, und ich jah zu meinem Erstaunen, daß Widerwille, Efel, ja fast Grauen seine Züge verzerrten.

..Was ist dir?", fragte ich verständnislos. Er eilte stumm mit großen Schritten weiter. ,, Wer waren die schönen Mädchen?" crfun­digte ich mich.

Töchter eines meiner Patienten. Weißt du, wie sie in der Stadt genannt werden? Die sieben Galgen des Distrittsstaatsanwalts." Galgen?"

Ich sah ihn verblüfft an. Die sieben

..Ja. Der Volksmund hat noch Sinn für Poefic. Die sieben elektrischen Todesstühle nlänge schlechter." Ich verstehe dich nicht."

,, Es ist eine seltsame Geschichte. Aber du

ſammelit ja kurioja; ich will sie dir erzählen." Und während wir, die Stadt verlassend, durch die erntereifen Felder schritten, erzählte mir Blowser folgende Geschichte:

Angeklagten betrachtete. Und als er, nach einer zweistündigen glänzenden Rede, das Todesurteil forderte, glühten seine Wangen, und in seinen Augen leuchtete neues Leben.

Die Geschworenen zogen sich zur Beratung zurück. Langton Inicie abermals zusammen; nur eine unheimlichen Augen hingen starr an der Tür des Beratungszimmers, als wollten sie das Holz

durchbohren.

Die Geschworenen famen zurüd: jic hatten alle für das Todesurteil gestimmt.

Ich sah zu Langion hinüber. Er stand hoch geredt da und starrte in den Saal wie einer, der eine Vision schaut. Noch heute sehe ich die irre Berzückung auf seinem Gesicht. Damals schauderte ich zurück, ohne zu wissen, warum. Später er fuhr ich den Grund: in dem Augenblick, da dieser junge starte Mensch zum Tode verurteilt wurde, fühlte das abgenügte Menschenwrat in sich neues Leben, das geschlechtslose Geschöpft ward sich mit jäher Freude seines Geschlechtes bewußt.

Neun Monate später wurde Mary Langton geboren, das älteste der schönen Mädchen, die dir so gut gefallen.

Der Schujter gab mir einen Rippenſtsß: ,, Das ist er", und trat auf die Straße.

,, Nun", fragte der Mann statt jeder Be­grüßung, haben Sie die Bestie noch nicht er schlagen?"

Diese Stimme! Ich sprang vor, schlug dem Manne den Hut vom Stopf, leuchtete mit der Taschenlaterne in sein Gesicht: es war der Di­striftsstaatsanwalt Langton.

Die Sache wäre vertuscht worden, hätte die Frau des Schusters den Mund halten können. Doch tat jie es nicht, und nun tauchten allerlei verdächtige Kerle auf. Menschen der Unterwelt. die aussagten, daß in verrufenen Spelunten, in Diebsfncipen und zuhälterhöhlen ein Mann zu erscheinen pflege, der den einen oder den andern zu einem Word zu überreden fuche. Die meisten hatten ihn für einen Lochspitzel gehalten und der Sache teine besondere Bedeutung beigemessen, wußten sie doch alle genau, wie politische Prozesse inszeniert werden.

Beim Prozez tobic Langton wie ein Rasen­der, verfluchte die verdammte Humanitätsduselei, die feine Todesurteile mehr zulassen will, das Rauschgift verbietet, geiferte gegen die Aufklärung Du ahnit nun wohl bereits, weshalb die der Masse, die aus dumpfen Tieren Menschen Mädchen den häßlichen Namen Die sieben Gal- macht. ,, Wir, die Herren", ertlärie er,..haben das gen des Destriftsstaatsanwaltes" tragen. Das Todesurteil über einen Menschen, tann man Recht, zu leben, in jeder Beziehung zu leben. Und sich ein schauerlicheres Aphrodisiakum verstellen? wenn unsere müden Nerven nur durch den Tod der gemeinen Masse belebt werden können, so muß Langton wurde wegen seiner Unbarmherzig- die Masse even sterben. Mit welchem Recht befizt feit befannt; allmählich fiel es auch auf, daß er ein gemeiner Proletarier Sträfte, die mir, dem nur starte, gesunde, junge Menschen mit unerbitt Stulturmenschen, dem Herrn, verweigert wurden?" lichem Grimm verfolgte; gegen alte Leute und Schwächlinge bezeugte er eine erstaunliche

Nachsicht.

Zunächst wurde eine Prozedur vorgenommen, die wohl alle Neueingelieferten haben durchmachen müssen. Fünf SA- Leute hielten mich fest. Die an deren schlugen mit Gummitnüppeln, Ochsenzie­mern und Gummischläuchen mit Blei auf mich ein. Beteiligt waren u. a. die SA  - Männer Blä jing, Weichert, Hochfelder, Hinße, Heine und Wolf. Der Lagerkommandant, Obersturmführer Das erstemal verriet er sich mir gegenüber Der Staatsantvalt Langton tvar in seiner Silgers, fommandierte. Ich wurde auf einen Jugend ein großer Lebemann gewesen. Mit drei- furz vor Ausbruch des Krieges. Wir trafen ein­Tisch ausgestreckt und Hilgers dirigierte die Miß- unddreißig Jahren beschloß er, ein chrbares bür- ander auf der Straße und mir fielen seine ein= handlungen durch Zeichen mit der Hand. Je nach gerliches Leben zu führen. Er heiratete ein wun- gefallenen Wangen, seine erloschenen Augen auf. dem wurde zugeschlagen oder aufgehört. Man berschönes junges Mädchen, das ihm den Ent- Ich fragte ihn, ob er frant sei. Er starrte mich wollte von mir bestimmte Namen wissen. Als ich schluß, ein fugendhafter Gatte zu sein, leicht hätte mißmutig an. mich weigerte, wurde ich zum zweiten Male auf machen müssen. Aber anscheinend war dem nicht den Tisch geworfen und die Mißhandlungen wie- so. Schon in den ersten Tagen nach der Hochzeit derholten sich. An vier Abenden wurde ich so ge- lief Langton mit einem halb verbosten, halb ver­prügelt. zweifelten Gesicht herum, und auch die junge Frau war nicht besonders heiter.

Zum Abschluß wurde man in einen Waren­aufzug gestoßen und in den Keller hinabgefahren. Dann fragte man von oben: Hast du Durst?" Es war gleich ob man ja sagte oder nein oder gar nichts. Von oben wurden ein paar Eimer Waffer heruntergeschüttet. Mein Körper war nach den Mißhandlungen eine einzige Wunde.

Nach vier Tagen wurde ich in einen Raum gebracht, der für 18 Mann bestimmt war. Darin lagen auf Stroh 52 Mann. Ich blieb hier 14 Tage. Dann fam ich in den Saal 2. Die Miß­handlungen hörten nun auf. Nur nachts gab es noch ab und zu Stöße mit dem Gewehrkolben von der Wache.

..Die Zeiten sind schlecht", sagte er düster. Ich war erstaunt; unsere fleine Stadt ent= wickelte sich gut, die Geschäfte blühten.

Er wurde selbstverständlich für verrückt er­flärt. Ob er tatsächlich im medizinischen Sinne wahnsinnig war, als er in die Irrenanstalt ein geliefert wurde, oder ob er nur die Prinzipien und die Einstellung seiner Kaste bis zur letzten Konse­quenz durchgeführt hatte, das weiß ich nicht. Wenn wir den Reden etlicher Universitätspro­fessoren oder Mitglieder der Handelstammern, oder Angehörigen des Ku- Klux- Klan oder ähn licher Organisationen lauschen, so erscheint mir die letzte Annahme als die richtigere.

Jezt ist er von einer Art religiösem Wahn­..Schlecht?" fragte ich verständnislos. sinn befallen. Er zieht sich splitternadt aus, be­ Ja  , schlecht. Seit zwei Jahren" er betrachtet seufzend seinen abgemagerten, häßlichen. tonte schwer jedes Wort seit zwei Jahren fein Körper und betet dabei oft stundenlang:..Lieber einziges Todesurteil." Gott  , gib ein Todesurteil! Ein Todesurteil, lic­Und als ich ihn noch immer verwirrt an= ber Gott  !" blidie, fügte er hinzu: Ich gehe daran zu Wir waren inzwischen umgekehrt und wieder grunde." in die Stadt zurückgelangt. Und abermals er

Langton suchte der Reihe nach alle Aerzte der Stadt auf, und bald fonnten diese, wenn auf ihn die Rede tam, ein leises Lächeln nicht unter­drücken. Dieses leise Lächeln wurde. alsbald auch auf den Zügen der Apotheker sichtbar, sobald sie den Distrittsstaatsanwalt fommen sahen. Und was Der Krieg und die darauf folgenden Jahre blickten wir gegenüber auf dem Bürgersteig die das ärgste war: einige scharfsichtige Frauen be- des weißen Terrors belebten ihn von neuem. Er sieben schönen Mädchen. haupteten, das gleiche mitleidig spöttische Lächeln wurde fait jung, war heiter, liebenswürdig, ge= Doch verlangte es mich jetzt nicht mehr da auch auf dem Gesicht der ſchönen Frau Langton ſprächig. Ich machte mir seit langem Gedanken nach), jie tennenzulernen. Ich sah nun nicht die gesehen zu haben, wenn sie ihren Gatten anblickte. über ihn; als vor sechs Jahren die fleine Enid schlanken biegsamen Glieder, die rosigen Wangen, Uebrigens hatte die arme Frau tein leichtes geboren wurde, zucie mir etwas durch den Kopf, die leuchtenden Augen; ich sah in dem Schatten Leben; Langton war eifersüchtig wie ein Tiger etwas Unfaßbares, Erschreckendes. Ich forschte der hereinbrechenden Nacht sieven schwarze Gal­und hielt sie wie eine Haremsdame. Es war ein in meinen Erinnerungen und entdeckte, daß jedes gen, die starr und unbarmherzig die schauerlichen unerquickliches Schauspiel, den Mann zu beob= seiner Kinder etwa ein Jahr oder zehn Monate Arme ausstreckten.