5. Juli 1934
Beilage zum> Sozialdemokrat< Donnerstag, den 5. Juli 1934
XI
Cosinthemofrat" Str. 155
Die Textilindustrie
Gegenwartsfragen unserer Textilindustrie
Von Franz Nehwald, Reichenberg.
Die Kurve der fonjunkturellen Entwicklung der Beltwirtschaft weist nach fünfjährigem, ununterbrochenem Abstieg wieder, wenn auch sehr zögernd, aufwärts. Aus einer Reihe von Ländern wird berichtet, daß Verbrauch und Produktion Erholungstendenzen zeigen und die Arbeitslosigkeit allmählich abnimmt. Freilich bleibt die Lage der Weltwirtschaft und die wirtschaftliche Situation der großen Industrie- und Agrarstaaten noch immer gedrückt und fann von einer lleberwindung der Krise noch Iange nicht die Rede sein.
die Entwicklung in den legten Monaten wieder ruhi ger und stabiler gewesen. Der Inder der Textilproduktion in den Vereinigten Staaten ( 1928= 100) lag im März dieses Jahres mit 87.9 beträchtlich über dem Stand vom März 1938( 71.0). Gang bcsonders eindrucksvoll ist der unausgesezte Aufschwung der Textilerzeugung Japans , dessen Vors marsch in Produktion und Export immer noch andauert. Der Produktionsinder der japanischen Teg tilindustric( 1928= 100) stieg von 120.2 im März v. 3. auf 134.0 im Feber 1934. Auch in Groß britannien , dessen Textilindustrie am schwersten unter den weltwirtschaftlichen Strukturwandlungen und der Weltwirtschaftskrise gelitten hat, sind unverkenn bare Erholungsmerkmale festzustellen. Nach dem ( 1924= 100) hat die Produktion der britischen Tertilindustrie seit dem zweiten Vierteljahr 1988 cine Steigerung um 16 Prozent erfahren.
Leichte Befferung in der Welt. Inder des London& Cambridge Economic Service"
textilindustrie
beschäftigung der Arbeitslosen und der Sebung der Kauftraft der Konsumenten sehr lebhaft interessiert. Die Lage der tschechoslowa
tischen Textilinduftrie war bis Feber 1934 außerordentlich trostlos. Die ersten amei Monate dieses Jahres standen noch ganz
Baumwollwaren. Leinen und Zutcwaren Wollwaren. Seidenwaren Konfettion waren
•
im Zeichen des niederschmetternden Erportrüdganges, der die letzten fünf Jahre charakterisiert und im Vorjahr seinen Höhepunkt erreichte. Der Export,
dieser Lebensnerb unserer Textilinduftrie, schrumpfte
im Vorjahr auf einen Bruchteil der früheren Sunn men zuſammen.
1028 Kč 3.022,822.000 687,798.000 2.185,858.000
1933 Kč 500,933.000 218,109.000 421,051.000
Rüdgang gegen 1928 Kč 2.431,889.000
in%
80.45
469,684.000
68.29
1.764,807.000
80.78
702,446.000
442,074.000
62.93
508,098.000
76.78
5.616,052.000
662,107.000 7.260,526.000
Der Anteil der Textilindustric am Gesamtexport unseres Staates sant von 34.21 Prozent im Jahre 1928 auf 27.7 Prozent im Vorjahr. Dementsprechend hat sich das Aktivum unseres Tertil außenhandels vermindert. Im Jahre 1928 hat die
Tschechoslowakei für 1260 Millionen Kč mehr Tertilien aus als eingeführt; 1933 betrug der gesamte Ueberschuß nur noch 179.1 Millionen Kč.
260,372.000 154,009.000 1.644,474.000
77.35
Textilindustric tritt auf den Weltmärkten ge= ch Iossen der Stonkurrenz gegenüber. Die Expor teure vermeiden es, einander niederzufonkurrieren,
sondern benüßen jede Gelegenheit, um die gemein samen Interessen zur Geltung zu bringen. Die
Die Textilindustrie im besonderen zeigt in den verschiedenen Ländern durchaus keine gleichmäßigen Dagegen ist die Lage der Textilindustrie in den Entfendung von Handelsreisenden, die ausländische Entwicklungszüge. Es gibt Länder, wo sich im Laufe Goldblodländern noch immer unbefriedigend. Das Absatzgebiete systematisch bearbeiten, ist eine Angeder letzten zwölf Monate deutliche Merkmale eines gilt insbesondere für Holland , Polen , die Schweiz , langsamen Aufschwunges bemerkbar machen, und Frankreich und Italien . So sant der Anteil des Tegenheit der ganzen Industrie. Die einzelnen Wirts andere, wo die unerträgliche Depression andauert Exports der italienischen Textilindustrie von 38 auf Die schwere, mit längerer Dauer immer unerschaftssteige arbeiten im Export systematisd ader sogar noch Verschärfungen der Krise beobachtet 30 Prozent der gesamten Textilproduktion. Unter träglicher werdende Krise unserer Textilindustrie zusammen. Bei der Festsetzung von Frachttarifen werden können. Trotzdem sind die Voraussetzungen den Goldstandardstaaten bildete lediglich die belgische drohte sich zu Beginn des Jahres neuerlich zu ver- der Eisenbahnen und Seeschiffahrt wird auf den für eine allgemeine Erholung der Welttertilindustrie Textilindustrie zeitweise eine Ausnahme, doch macht schärfen. Die wirtschaftlichen, sozialen und ſtaats- Export Rücksicht genommen. Planmäßig bearbeitet gegenwärtig zweifellos beffer als noch vor Jah sich in den letzten Wochen auch in Belgien der Drud finanziellen Folgen eines weiteren Verfalles unserer die japaniſche Textilinduſtrie, unterſtüßt von der resfriſt. Die die Produktion lähmende und ſpeku- der Deflationspolitik wieder stärter bemertvar. Die Wirtschaft wären unabsehbar geweſen und hätten den Regierung, den japanischen Banken und Verkehrslative Manöver begünstigende Unsicherheit auf den allgemeine Situation der Weltbaunuvollindustrie als Staat und seine Wirtschaft in einem Augenblick vor geſellſchaften, die Auslandsmärkte. Gemeinsame Rohstoffmärkten für Textilien ist im Schwinden be- der größten Branche der Textilindustrie hat eine ge- die schwerste Prüfung gestellt, in welchem sich in vic- Sandelsdelegationen studieren die Absatzmöglichkeiten griffen. Nach Jahren empfindlichen Preisrüdgan wisse Erleichterung auch durch die Verminderung der len Staaten um uns bereits eine leichte Besserung für japanische Waren in verschiedenen Ländern. ges laſſen ſich wieder Geſundungserscheinungen auf Spindelzahl erfahren. Der gesamte Spindelbestand Bahn brach. Die Regierung hat der Gefahr einer Banten errichten Auslandsniederlaffungen und geden Rohstoffmärkten erkennen. Die Weltmarktpreise der Welt ist von 164.6 Millionen im Jahre 1927 weiteren Verschlechterung unserer Wirtschaftslage währen langfristige Kredite, der Staat unterſtüßt die für Baumwolle, Wolle und Flachs find geſtiegen und auf 157.6 Millionen zu Beginn des Jahres 1984 durch Angleichung des inländischen Preisniveaus an Industrie durch Schaffung von Handelsmuseen und liegen gegenwärtig über dem Niveau der gleichen Zeit gesunten. Dieser Rückgang vollzog sich hauptsächlich die Preisentwicklung auf den Weltmärkten durch die Wanderausstellungen. Gleichzeitig überwacht die Redes Vorjahres. Im vergangenen Jahr haben die auf Kosten der alten Baumwollindustrieländer, d. H. Devalvation unserer Krone vorzubeugen versucht. gierung die Qualität der japanischen ExporterzeugBreise aller Tertilfasern eine Erhöhung um durch Italiens , der Vereinigten Staaten, Deutschlands , Die ersten Ergebnisse der Devalvation waren über- niffe, die sie ständig zu verbessern sucht. Der Sieges schnittlich 22 Prozent, die Wollpreise sogar um 60 ber Schweiz , Großbritanniens und Desterraschend gut und schienen zu weiter gesteckten Hoffzug japanischer Textilien faft in der ganzen Welt Brosent erfahren. Die Zeit der großen Preisschwan- reichs, deren Spindelzahl von 107.4 Millionen nungen zu berechtigen. Insbesondere der Textil ist also vor allem das Ergebnis des systemati fungen, die die Kalkulation in den Spinnereien und auf 90.9 Millionen zurüdgegangen ist. Der induſtrie kam die Devalvation schon ganz furze Zeit schen Zusammenwirtens der japanischen Bebereien erschwerten, und der niedrigen, für viele empfindlichen Verminderung der Spindelzahl in die nach ihrer Durchführung zugute. Der Export nahm Textilindustrie und des Staates sowie der außer Robftoffgebiete unter den Produktionskosten liegen- fen Ländern steht allerdings eine starke Bermehrung im Mära d. J., im ersten Monat nach der Debalva ordentlichen Agilität der japanischen Exporteure. den Preise ist vorläufig vorüber. Der Textilhandel in den jüngeren Textilländern gegenüber. tion, beträchtlich au. Aber schon im April und Mai und die Produktionsbetriebe felbft haben in den lep ergaben fich neue Rüdschläge. Auch die im Märs ten Monaten mit Rücksicht auf die Preiserhöhungen einsehende regere Kaufluft auf dem Inlandsmarkt ist und die fefte Tendenz der Textilrohstoffmärkte ihre wieder abgeflaut. Troßdem war die Ausfuhr von Rohstofflager wieder aufgefüllt. Die Lage in den Tertilien im Mai noch immer durchwegs größer als Rohstoffländern selbst hat sich leicht gebessert und damit ist die Kauftraft der Rohstoffproduzenten für vor einem Jahr. industrielle Erzeugnisse wieder etwas gestiegen
Ziemlich bedeutend hat sich im letzten Halbjahr bon Ende Juli 1983 bis 31. Jänner 1934 der Berbrauch von Baumwolle erhöht. Er betrug vom
1. August 1932 bis 31. Jänner 1983 insgesamt 11.88 Millionen Ballen und im Halbjahr vom
1. Auguft 1983 bis 31. Jänner 1934 12.52 Mil lionen Ballen. Besonders groß ist die Verbrauchs zunahme in Japan , England und in den Vereinig ten Staaten, ziemlich unerheblich hingegen in der Tschechoslowakei , wo nur eine Erhöhung von 126.000 auf 138.000 Ballen zu verzeichnen ist. Die Lage der Weltbaumwollmärkte dürfte sich bei fortschreitender Zunahme des Verbrauches und infolge der planmäßigen Einschränkung der Anbauflächen in den Vereinigten Staaten noch weiter bessern.
Unter Berücksichtigung dieser Passivposten der Welttextilindustrie ist das gesamte Ergebnis der Entvidlung der lesten Monate jedoch noch nicht bewird durch die geschwundene Kaufkraft der Konsu friedigend. Der Wiederaufstieg der Textilindustrie menten gehenmmt. Das Einkommen der breiten Maj : sen der Verbraucher ist noch immer außerordentlich gedrüdt. Der absolute Bedarf an Tertilien ist sicher infolge der fünfjährigen Krise sehr groß. Millionen Menschen konnten im letzten Jahrfünft fast leine Anschaffungen an Kleidungsstüden und Wäsche vorneh
Die Industrie allein bermag in einer Beit im mer stärkerer Regelung des internationalen vandeïs durch zwischenstaatliche Abkommen den Stonfurrenzkampf nicht zu bestehen. Sie muß vom Staate
burch eine fluge systematische Handelspolitik unter Allerdings darf nicht vergessen werden, daß die ft übt werden. Andererseits muß die Industrie Devalvation allein nicht genügt, um unserer Textil- alle Möglichkeiten erschöpfen und ausnüßen, die industrie neue Märkte zu erschließen und verloren ihr geboten werden. In den letzten Jahren haben gegangene Abjakgebiete zurüdzuerobern. Solange sich die Absatzmöglichkeiten gewaltig verschlechtert. die handelspolitischen inder Vor dem Kriege war der Verkauf der Erzeugnisse nisse nicht wesentlich gel odert sind und unserer Textilindustrie auf dem großen zollgeschüt eine systematische handelspolitische Förderung des
Exportes unseren Waren den Weg ins Ausland ebnet, fönnen die Chancen der Devalvation nicht restlos ausgenügt werden.
nach dem Kriege, in den Jahren aufsteigender Non
ten Inlandsmarkte verhältnismäßig leicht und selbst
men. Aber dieser Bedarf wird angesichts der noch immer erschreckenden Höhe der Arbeitslosigkeit und der geringen Verdienste nicht wirksam. Auch junttur, war es nicht allzu schwierig, zu exportieren. die Neueinstellungen in einzelnen Industriezweigen beute, wo auf sehr engem Markte ein heftiger Stampf haben den Absatz von Textilien nur ungenügend be= um den Kunden tobt, muß die Industrie selbst lebt, was hauptsächlich darauf zurüdzuführen ist, äußerst beweglich und anpassungsfähig sein und in daß die Löhne überall sehr niedrig sind und kaum der Wiedergewinnung der ausländischen Märkte und für Wohnung und Ernährung hinreichen. Für NeuGerade vom Gesichtspunkt systematischer För- der Eroberung neuer Absatzgebiete durch wirksame anschaffungen von Tertilerzeugnissen bleibt entweder gar nichts oder sehr wenig übrig. Der latente Be- derung des Exportes ist es interessant, dic Bemühun- handelspolitische Maßnahmen des Staates unterstüßt werden. Das Schicksal von hunderttausenden darf wird erst wieder einmal wirksam werden und gen der japanischen Textilindustrie bei der. GewinMenschen, deren Eristen; direkt und indirekt von der dann sicher einen erhebenden Aufschwung der Textil- nung neuer Absatzgebiete, die oft sehr weit entfernt Textilindustrie abhängt, erfordert rasches an industrie zur Folge haben, wenn das Lohneinkom find, zu beobachten. Die Stärke der japanischen bein und sielbewußte Zusammenarbeit zwischen men der breiten Maſſen der Verbraucher wieder aufsteigend verlaufen wird. So ist also die Textilindu= Textilinduſtrie liegt nicht so sehr im sozialen Dum- Staat und Industrie. Was jetzt, an diesem Wendez obwohl die Löhne der Textilarbeiter selbst ping als in ihrer ausgezeichneten technischen Aus- punkt der wirtschaftlichen Entwicklung, versäumt 100.2 und im Jänner 1934 100.5. Nach einem in rüstung und vor allem in ihrer kommerziellen Be- toird, fann vielleicht niemals wieder gutgemacht heftigen Rückschlag in den Sommermonaten des Vor- am meisten von allen Löhnen gesunken sind jahres, insbesondere in den Vereinigten Staaten , ist der Beiterentwicklung ihres Absages an der Bieber weglichkeit und Anpassungsfähigkeit. Die japanische werden.
Die Produktion der Textilindustrie selbst verlief in den letzten Monaten ebenfalls hoffnungsvoller. Der Inder der Textilproduktion der Welt( ohne Rohstoffe) belief sich im Jänner 1983
( 1928= 100) auf 95.0, im Dezember 1988 auf
strie
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Textilarbeiter! Schützt Euere Lebensrechte durch Beitritt zur Union der Textilarbeiter b. G.
FÜR DAS TSCHECHOSLOWAKISCHE STAATSGEBIET
Reichenberg, Schleusengasse 12
Die Union der Textilarbeiter zählt in 95 Ortsgruppen 57.000 Mitglieder An Unterstützungen werden gewährt: Streik- und Gemaßregeltenunterstützung, Arbeitslosen-, Hinterbliebenen- und Entbindungsunterstützung sowie Unterstützung in besonderen Notfällen und Rechtsschutz in gewerblichen Streitfällen An Unterstützungen verschiedenster Art wurden seit dem Jahre 1920 durch den Verband 232 Millionen Kč ausgezahlt
An Lohnerhöhungen wurden 660 Millionen Kt erreicht Das Fachblatt, Der Textilarbelter" erscheint in einer Auflage von 50.000 Verbandsvorsitzender: Abg. Anton Roscher
Gau- u. Lokalsekretariate mit besoldeten Beamten bestehen in: Asch, Neudek , Teplitz , Rumburg , Warnsdorf, Reichenberg, Arnau, Braunau , Trautenau , Mähr.- Schönberg, Mähr.- Trübau, Römerstadt, Zwittau , Freudental und Jägerndorf Jeder Textilarbeiter gehört als Mitglied in die größte und leistungsfähigste Gewerkschaft der Textilarbeiter unseres Staates, in die Union der Textilarbeiter!
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Unterſtüßt
nur die einheimifche
Textilindustrie
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