Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Der neue Ministerrat bereitet neue Gewaltakte vor

Wien  , 12. Juli. Heute mittag trat unter dem Borsize des Bundestanzlers der erste Minister­rat der umgebildeten Regierung zusammen, dem die neuernannten Staatssekretäre Tauschitz und General Zehner bereits beiwohnten. Der Mini­sterrat befaßte sich mit den besonderen Vollmach­ten für den Generalstaatskommissär Fey zur Be­fämpfung des Terrors und der staatsfeindlichen Umtriebe der Nationalsozialisten. In erster Reihe fommen bekanntlich die Todesstrafe für den blo­zen Besitz von Sprengstoffen, weiters die Auf­hebung des Mieterschutzes für Sprengstoffatten täter und Sprengstoffbesitzer, sowie Verfügungen zur Beschleunigung des Strafverfahrens in Betracht.

Sprengstoffattentat

In Salzburg  

Wien  , 12. Juli. Gestern Abend erfolgte in Salzburg   die Sprengung eines Personentraft­wagens; der Wagen verbrannte. Außerdem wurde durch die Explosion eines Sprengkörpers im Vä­ren- Wirthaus" beträchtlicher Sachschade verur­facht. Durch die Explosion wurden 2 Personen schwer und 2 weitere leicht verletzt. 7 National­jezialisten wurden unter dem Verdachte der Täter­schaft festgenommen.

Lebenslänglich

wegen Sprengstoffvergehen

Graz, 12. Juli. Vom Hiesiegen Standgericht wurde in einem Prozeß wegen Bergehens gegen das Sprengstoffgesch der Hauptangeklagte Gse II zu lebenslänglichem schweren Sterker und die vier andern Angeklagten zu schweren Sterferstrafen in der Dauer von zehn bis zwanzig Jahren ver­urteilt.

Deutscher   Lockspitzel aus der Schweiz   ausgewiesen

Freitag, 13. Juli 1934

Grazer und Wiener   Militär

meutert gegen Heimwehren

Elezelprets 70 Womer

( einschließ

Porto)

Nr. 161

Kriegsfähig oder nicht?

Was wollte Schleicher? Von Fred War

Während noch vor einigen Wochen die Auf­

Die Hintergründe der österreichischen Regierungsumbildung faffung ziemlich allgemein war, daß Deutschland  Heeresminister und Heimwehrführer mit Piuirufen helm- friegsfähig sei, setzt sich jetzt allmählich beson geschickt Besuchsverbot für Heimwehrler in den Kasernen ders unter dem Eindruck des 30. Juni andere Meinung durch.

S

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Prag, 12. Juli. Aus absolut zuverlässiger Quelle werden uns sensationelle Einzel­heiten berichtet, welche zur Absetzung des bisherigen österreichischen Wehrministers Schön­ burg Hartenstein   und damit zur Umbildung der Regierung Dollfuß geführt haben. Auf die letzten Zusammenstöße zwischen Angehörigen der Wehrmacht und der Heimwehren in Graz sollte dieser peinliche Zwischenfall geleimt werden. Schönburg- Hartenstein   und Starhemberg   fuhren vorgestern nach Graz, um dort eine gemeinsame Parade der Gar­nison abzunehmen. Als beide vor den versammelten Wehrformationen erschienen, wurden fie mit donnernden Pfni- Rufen begrüßt. Diese Demonstration galt vor allem Starhemberg  , welcher bei den Soldaten besonders verhaft ist. Die Grazer Parade ging in einem regelrechten Tumult nuter. Daraufhin versuchte die Regierung die Wiener   Gar­nison zu mobilisieren und sie zur Unterdrückung der Grazer Menterei in die Steiermark   zu werfen. Die Wiener   Garnison   erklärte sich jedoch mit dem Grazer Militär soli­darisch und setzte ihrerseits die Menterei fort. Dic, autoritäre" Regierung muste vor diesem Widerstand den Rückzug antreten. Die Mannschaft der Wiener   Garnison   ist vor­gestern um 9 1hr abends wieder aus der Bereitschaft entlassen worden. Ans Soldatenkrei­sen wird berichtet, daß die christlichen Wehrmänner zu den schärfsten Gegnern der Heimwehren gehören. Für die Angehörigen der Heimwehr   wurde mit Rücksicht auf diese Stimmung ein Verbot des Besuches in den Kasernen erlassen.

Schlafende Wächter

Ein völliger Versager sind die hauptsächlich zum Bahnbewachungsdienst zusammengestellten Drtswehren. Die Angehörigen dieser For­mation belommen täglich 3 Schillinge, nehmen aber ihren Dienst nicht sehr genau. Die von Mili­tärabteilungen besetzten Kontrollzüge

Die Prager   Olymplade grüßt die Schutzbundmärtyrer

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Doch der kritische Beobachter, der sich nicht von den Erscheinungen der Oberfläche täuschen ließ, sondern sich bemühte, in das Wesen der Dinge einzudringen, hätte nicht erst den 30. Juni nötig gehabt, um zu begreifen, daß der Nationalsozialismus nicht die militärische Stär­fung, sondern gerade umgekehrt, die militä rische Schwäch ung Deutschlands   bedeutete. Und gerade weil er Deutschland   militärisch um Jahre zurückwversen mußte, unternahm dic Reichswehr   in der Person Schleichers den letz­ten Versuch, Hitler von der Regierung fernzu­halten, erschien am 29. Jänner Hammerstein bei Hindenburg  , um den greisen Feldmarschall zu ersuchen, mit Rücksicht auf die Wehrmacht kein Kabinett Papen   oder Hitler zu berufen." Wenn der Nationalsozialismus wirklich) jene Funktion erfüllen würde, die ihm oft zugesprochen wird. wenn er wirklich den materiellen und personellen Rüstungsbestand in dieser Weise heben würde, wie ganz allgemein angenommen wird, wäre die Opposition der militärischen Sträfte völlig unver ständlich.

Anläßlich der Begrüßungsfeier für die deut­Der Nationalsozialismus ist Aufrüstung. schen Gäste der Prager   Arbeiter- Olympiade sind Das kann man zugeben. Aber er ist Aufrüstung drei Kränze für die bekannten Opfer des christ­im Sinne der Borfriegszeit. Vom modernen haben in lehter Zeit mehrmals wichtige Brücken lichen Henter- Regimes in Deſterreich: Wa I- Krieg, von moderner wirtschaftlicher Mobil und Tunnels unbewacht vorgefunden. Es ist auch tisch, Weiſſel und Mün icre i ter machung, von den Notwendigkeiten des modernen vorgekommen, daß die Wächter dieGewehre an die gestiftet worden. Diese Kränze haben in wenigen Soldaten weiß er nicht viel oder gar nichts. Sonst Bern  , 12. Juli. Der Bundesrat verfügte Pfeiler gelehnt hatten und friedlich schlie die Ausweifung des in Zürich   verhafteten reichs- fen. Unter folchen Umständen ist es keinesfalls Tagen den Weg über die Grenze zu den Gräbern wäre er nicht gegen Schleicher gezogen, sondern deutschen   Staatsangehörigen Dr. Samter, der auf eine Stärkung des Regimes zurückzuführen, der toten Freiheitshelden gefunden. In Prag   sind mit ihm! Denn seine Politik war Rüstungspoli im Dienst der deutschen   Geheimen Staatspolizei wenn Herr Dollfuß nunmehr die ganze Exekutive bereits Bilder von den Gräbern eingetroffen, til im umfassendſten Sinne. Es sah oft überhaupt stand und sich in Zürich   an linksgerichtete Streise in feinen Händen konzentriert hat. Wenn einmal welche mit den Olympiadekränzen geschmückt sind. nicht danach aus, und doch war es so. heranmachte, um sich über die Verhältnisse unter der Gegensatz zwischen Militär und Heimwehren Auf Visitkarten, welche zu den Kränzen gelegt den Emigranten zu informieren. offen zum Ausbruch kommt, nüht dem Herrn wurden, steht geschrieben: Die III. Prager   Arbei­Dollfuß diese im tonzentrierte Exekutive cinen ter- Olympiade grüßt die toten Helden des öfter­reichischen Schutzbundes!

Pfifferling.

Samter hatte seinerzeit in Holland   eine Reihe von Personen veranlaßt, die deutschen   Devisena verordnungen zu umgehen, worauf er sie bei den Ballfahndungsstellen anzeigte. Die Denunzierten wurden auf Grund dieser Anzeigen zu mehrjähri­gen Zuchthausstrafen verurteilt. Eine gleiche Tä­tigkeit suchte Samter in der Schweiz   zu entfalten, doch wurde hier sein Vorhaben durch seine Ver­haftung bereitelt.

MonsterprozeⓇ

gegen 80 Kommunisten

Leipzig  , 12. Juli. In dem Hochverratsver­fahren gegen die 80 Kommunisten aus Annaberg  im Erzgebirge   und Umgebung hat der vierte Straf­senat des Reichsgerichtes heute das Urteil verkün det. Es deckt sich im wesentlichen mit dem vom Oberreichsanwalt gestellten Strafanträgen, wenn

gcgcnfcitigen

Der deutsche Gesandte verlässt Wien  

Aus Wien   wird gemeldet, daß der deutsche Gesandte in Wien   Dr. von Rieth plötzlich in Urlaub gegangen ist. Er wird durch einen Geschäftsträger vertreten werden. Dieser Zustand foll folange andauern, bis Desterreich den Gesandtenposten in Berlin   neu besetzt hat. Die Entfernung des deutschen   Gesandten aus Wien   ist also eine Gegenmaßnahme Deutsch­ lands   zur Abberufung des österreichischen Gesandten Dr. Tauschitz aus Berlin  .

Da hat man stets gesagt: Röhm ist der Krieg!" Man hat aufgezählt, wieviel SA   Leute SA.Leute uniformiert sind, und hat diese als Soldaten" angesehen. Nur bei wenigen fand die Auffassung Anklang, daß diese Armee militärisch fajt wert­los ist und von der Reichswehr   überhaupt nicht geschätzt wird. Von weitaus größerer Bedeutung für die Wehrkraft Deutschlands   ist, was gar nicht danach aussicht: der Sport. Man beachtet ihn weniger, weil es noch immer üblich ist, das Mili­tärische nur dann als solches anzusprechen, wenn es sich uniformiert darstellt. Doch das ist ein ric­figer Irrtum. Auf ihn ist es zurückzuführen, daß man Deutschland   militärisch falsch einschätzte. Die Auflösung der SA, die manchem überraschend fam, weil er glaubte, die Auflösung dieser Truppe sei das Ende der deutschen   Rüstung, ist nicht zuletzt auf die Wehrmacht zurückzuführen, welche in der SA ein altes, ein unbrauchbares und geschichtlich überholtes Prinzip der militäri­

die verhängten Strafen zum Teil auch etwas unsering vor den Justizen Schulung erblickte. Röhms Berfuch, feine

ter den beantragten stehen. Die Angeklagten wur den wegen Vorbereitung des Hochverrates allein oder in Tateinheit mit anderen Straftaten tole verbotener Waffenbesis, Sprengstoffbesib sowie Sprengstoffdiebstahl zu Strafen verurteilt, die sich zwischen drei Jahren sechs Monaten Zuchthaus und 6 Monaten Gefängnis bewegen. Keiner der 80 Angeklagten wurde freigesprochen.

Der Wille des Führers

ist das Recht

Berlin  , 12. Juli. Der mit der Wahrneh­mung der Geschäfte des preußischen Justizministe­riums beauftragte Reichsminister der Justiz Dot tor Gürtner hatte die Generalstaatsanwälte und Oberstaatsanwälte Preußens am Donnerstag zu einer Besprechung einberufen. Auf dieser Situng, an ber u. a. auch der Leiter des Geheimen Staats­polizeiamtes Reichsführer der SS Himmler teil: nahm, machte der preußische Ministerpräsident Goering   u. a. folgende Ausführungen:

Japan   baut 288 Flugzeuge Tolio, 12. Juli. Bie das Marineministerium mitteilt, find im Rahmen des Dreijahresplanes zur Verstärkung der Luftstreitkräfte der japani­fchen Marine Aufträge zum Bau von 288 Flug­zeugen erteilt worden, die bis 1937 fertiggestellt fein sollen. Die Kredite für den Bau dieses Luft- jetzt behoben. geschwaders sind bereits zur Verfügung gestellt worben.

Die Unsicherheit, die bis zu dem tatkräfti­gen zugreifen des Führers zeitweise bestand, ist Aufgabe der Justiz ist es, in verantwor­tungsbewußter, zielficherer Arbeit ihr Teil zur ge­

Beamten

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SA zur Wehrmacht zu machen, scheiterte ebenso wie der Versuch, ein kleinbürgerliches Wirt­schaftsideal durchzusetzen. Nichts beweist besser die Kraftlosigkeit der SA als ihr Ende, das sic - obwohl noch) bewaffnet in der bekannten fehmäßigen Festigung des Staates beizutragen. Wir kennen nicht den übertriebenen Sat, daß alles Weise hinnahm. Eine Armee von 2,500,000 Mann läßt sich von einer viel kleineren Truppe zusammenbrechen könne, wenn nur das Recht bleibt, wir sehen das Recht nicht als etwas Bri- ohne weiteres nach Hause schicken! Das ist aber märes an, sondern das Primäre ist und bleibt das zugleich auch ein Bemeis dafür, daß die reale Bolt. Und diefes Necht, das muß hier wieder her Straft einer Bewegung sich in erster Binic nicht ausgestellt werden, ist ja von uns gefchaffen und in der Zahl der Gewehre und Soldaten, ſondern dort, wo wir es vorfanden, es unserer Weltan- 1. in ihrer Qualität und 2. in ihrer zur Verfü schauung aber nicht entspricht, wird es umgeängung stehenden ökonomischen Macht ausdrückt. bert. Das Recht und der Wille des Führers find Selbſt 2,500.000 Mann sind noch nichts, wenn cins. Daraus ergibt sich also, daß Sie dieses Recht sie keine ökonomische Macht einzusetzen des Nationalsozialistischen Staates mit allem Nachbruck zu vertreten haben. Ich werde in Zu- haben. So wahr es ist, daß die deutsche Reichs. kunft keine Nachficht mehr üben gegenüber den wehr das beste naderheer der Welt ist, ebenso ienigen, die in dieser Hinsicht ihre Pflicht nicht wahr ist es, daß die SA- Truppe die schlechteste der Welt war. erfüllen.