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DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

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1

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14. Jahrgang

Freitag, 27. Juli 1934

Kämpfe in Steiermark  

Italienische Truppen einmarschbereit

Nr. 173

Nach dem Putsch

Die Führer

Massenverhaftungen von Sozialdemokraten- Mussolini droht Deutschland   diefer von der Stugel eines der nationaljoziali.

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Wien  , 26. Juli. Die Amtliche Nachrichtenstelle versucht den Eindruck zu eriveden, daß in Desterreich Ruhe herrscht. In Steiermark   wird jedoch erbittert gekämpft und es ist untlar, ob dort nur Nationalsozialisten an dem Aufstand beteiligt find. Die Kämpfe in der Steiermark   haben anscheinend sogar größeren Umfang als im Feber. Es ist unwahr­scheinlich, daß die Maßnahmen gegen die Nationalsozialisten das Land befrieden werden. Zwar werden Massenverhaftungen vorgenommen, doch krachen in den verschiedensten öster­reichischen Orten noch immer Böller und Bomben. Vor allem aber ist nicht abzusehen, welche Folgen die neuerlichen brutalen Unterdrückungsmaßnahmen gegen die sozialistische Arbeiterschaft haben werden. Im ganzen Lande werden die Arbeiter und ihre früheren Ver­tranensmänner verhaftet. So hat man auch den früheren Bundeskanzler Dr. Renner, der aus der Haft entlassen worden war, wieder in den Kerker geworfen. Die Ruhe der Arbeiterschaft kann nicht als ein Zeichen ihrer Schwäche gewertet werden. Es ist cher die Ruhe vor einem neuen Sturm. Die Regierung will das System Dollfus fortjeßen. Das bedeutet, daß es in Desterreich keine Ruhe geben wird und daß die Ereignisse der lehten Stunden nur der Auftakt zu neuen Erschütterungen sein werden. Sie können für ganz Europa   von unabschbaren Folgen sein.

Nur Waffenstillstand

:

in Steiermark  !

Nach Dollfuß- Rintelen! Er ist nicht wie stischen Meuterer niedergestreckt worden, er hat

Hein freies Geleit! ſelbſt ſeinem Leben ein Ende gemacht und dies

im Gefängnis. Warum seine Verhaftung er. Die Nacht ist in Wien   ruhig verlaufen. Die folgte, darüber ist offiziell noch nichts verlaut­öffentlichen Gebäude werden streng bewacht, Bo- bart worden. Daß die Nazis bei der Besetzung lizei mit aufgepflanztem Bajonett, Heimwehren des Gebäudes der Ravag den Radioansager zu und Sturmscharen ziehen in starten Patrouillen

durch die Stadt. Das Telephon ist wieder freige- verkünden gezwungen haben, Dollfuß   habe dem­geben. An den Straßenecken wurde die Kund- missioniert und Rintelen habe die Regierungs­machung über die Verhängung des Standrechtes geschäfte übernommen, kann unmöglich die Ur. angeschlagen. sache gewesen sein. Man verhaftet doch nicht einen Gesandten des eigenen Staates bloß des. halb, weil sein Name mißbraucht wurde und es müssen schon schwerwiegendere Gründe gewesen

Die Butschiften, die das Bundeskanzleramt besetzt hatten und denen man zur Rettung des

teneren Lebens des Herrn Fey freien Abzug nad Deutschland zugesichert hatte, befinden sich in der Gesamtzahl von 144 noch unter strenger Bewa­chung in einer Polizeikaserne.

Italienische Truppen

am Brenner

Die Regierung hat sich in einer Nachtsikung nämlich nachträglich auf den Standpunkt gestellt, daß durch die Ermordung Dr. Dollfus eine neue Situation entstanden sei und daß dic Aufrührer der standesgerichtlichen Bestrafung zu= zuführen feien und den freien Abzug nicht erhal= Paris  , 26. Juli. Wie aus Rom   berichtet ten dürfen. Die Regierung hatte zwar ursprüng- wird, wurden zwecks Verstärkung der italicni­lich durch den Minister Neustädter- Stürmer   den schen Militärgarnisonen an der Brenner und freien Abzug der Aufrührer und ihre Ueberstellung an der Kärtnerischen Grenze vier Divisionen be­an die Grenze versprochen, aber in der Annahme, stimmt, das sind mindestens 32.000 Mann; ihre

das feiner der gefangengehaltenen Minister getötet

wurde. Erst später(?) habe man in Erfahrung Reserven dürften jedoch viel größer sein. Dic Zahlreiche Brücken gesprengt- Ein Kriegsbericht der Heimwehr gebracht, daß Dr. Dollfuß nicht nur verwundet Zahl der Flugzeuge ist bisher noch nicht bekannt. fondern meuchlings ermordet worden sei. Diese Bewegung der italienischen Armee wird Aus diesem Grunde wurden die Aufrührer damit erklärt, daß Italien   auf alle Eventuali­insgesamt verhaftet. Die am Morde des Bundes- täten vorbereitet sein wolle, denn es wolle cine fanzlers Beteiligten werden abgeurteilt werden. fremde Einmischung in die inneren Angelegen­Eine Entscheidung der Regierung, wenn das Ber­vor. Man erwartet, daß die Regierung eine ein heiten Oesterreichs   nicht dulden. fahren gegen sie beginnen soll, liegt noch nicht gehende Untersuchung der Ursachen und Beweg­gründe des Aufstandes einleiten wird.

Reuter meldet, daß nach den lehten Berichten aus Wien   in Steiermart noch teineswegs Ruhe herrscht, doch sei zwischen den Regierungstruppen und den Aufständischen bis morgen vormittags ein Waffenstillstand unter der Bedingung abgeschloffen worden, daß die Aufständischen ihre Waffen herausgeben.(!) In Steiermark   find im ganzen 28 Mitglieder des Heimatschutes gefallen.

Bisher noch nicht bestätigte Meldungen aus Wien   befagen, daß in Steiermart zahlreiche Brücken in die Luft gefprengt wurden.

Die Preſſeſtelle des Bundesführers der öster-[ ministerium, wo er interniert war. Selbstschwerbewaffnete Männer. Ihr Führer trat in der reichischen Heimwehr meldet in den Abendstunden: mord versucht. Er schoß sich mit einem Revol­Die Säuberungsattion in Steiermark   hat ver, dessen Hertunst rätselhaft bleibt, in die Herz­heute große Fortschritte gemacht. Der Pyhrnpaß gegend und brachte sich eine lebensgefährliche Ver­mußte von den Nationalsozialiſten geräumt wer- wundung bei. Er wurde in bewußtlosem Zustande den. Starte Heimatschußgruppen haben die sofort auf die Klinik des Professors Ranch ge= Strecke Aussee- Jrdning gesäubert. Die natio- bracht. Heute vormittags wurde an ihm eine nalsozialistische Position im Selztal ist im Ab- Bluttransfusion vorgenommen. Er erivahte eine bröckeln begriffen. In Judenburg   wurden meh- Zeitlang aus seiner Bewußtlosigkeit und die Aerzte rere hundert Gewehre erbeutet. Der Grenzschuß hegten doch die Hoffnung, ihn am Leben erhalten machte hier zahlreiche Gefangene. In Untersteier

zu können.

herrscht nur noch in Halbenrain Gefechts- In dem Raum, in dem Rintelen den Selbst­tätigteit. Die Weststeiermart ist frei. Eine Stö rung im Eisenbahnverkehr in Obersteier wurde mord begangen hatte, fand man einen Zettel, auf dem in laum leserlicher Schrift die Worte stan­den: Ich bin unschuldig!".

bereits behoben.

Rintelen lebt!

Heute fand im Bundeskanzleramte eine int Breffekonferenz ftatt, in der ber außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister Ludwig *. a. erklärte, daß die Nachricht von dem Tode Rintelens auf einem Irrtum beruhe. Rintelen be­findet sich, obwohl sein Zustand ernst ist, noch am Leben. Der Minister besprach dann eingehend die Attion der Exekutive in Steiermart und erklärte, daß diese Attion zwischen Donawit und Aussee  noch andauere. Die Stadt Liezen   wurde besetzt, ebenso die Selztalstrecke. Alle Gendarmerieſtatio­nen die von den Aufſtändiſchen geſtern befeht wurden, sind bereits befreit. Die Exekutive zählt bisher 15 Tote. Der Minister nahm fodann in scharfer Weise gegen die Berichterstattung der reichsbeutschen Blätter, befonders der..Börsenzei­ tung  " Stellung.

Gesandter Dr. Nintelen, der frühere Lan­deshauptmann von Steiermart, der von den Butschisten im Rundfunt als der fünftige Bundes­fangler angekündigt worden war und dessen Ver­baftung wir bereits gestern furz gemeldei haben, hat im Laufe der Nacht im Landesverteidigungs­

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in Jugoslawien   wohl eine Art Gnade widerfahren laſſen wollen,

Belgrad  , 26. Juli.  ( Avala.). Heute etwa ge­gen die Mittagsstunde überschritten zirka hundert Mann, die aus Radkersburg   in Desterreich famen, den Murfluß, der die Grenze gegen Jugoslawien  bildet. Alle wurden in der Gemeinde Gornija Rad­gona fonfiniert.

sein, die zu dieser ungewöhnlichen Maßnahme Bei den Verhafteten handelt es sich um 144 einem hohen Staatsfunktionär gegenüber führ ten, wofür auch der Umstand spricht, daß ihm Uniform eines Majors auf, obwohl er nur ein offenbar der Revolver, den er gegen sich richtete, ehemaliger Gefreiter ist; der zweite Sprecher der Meuterer war ein ehemaliger zugsführer, trug sozusagen von Amts wegen zugeſtedt wurde. aber die Uniform eines Hauptmanne 3. Logisch weiter gedacht folgt daraus, daß Rin­telen etwas zur Last gelegt wurde, was nur der Naziflüchtlinge Tod zu fühnen imstande ist und man hat ihm indem man ihn den Soldatentod" sterben ließ. Ein anderer Schluß ist schwer vorstellbar als der, daß wichtige Beweise dafür vorliegen, Rinfelen habe bei dem Wiener   Naziputſch ſeine Hand im Spiele gehabt. Wenn nun aber Rintelen hinter dem Naziputsch gestanden ist, wie konnt ihm Dollfuß   einen der wichtigsten Gesandtenposten, in Rom  , von wo der österreichische Fascismus sowohl Weisheit wie Waffen zur Beseitigung der Demokratic bezogen hat, übertragen? Wo bleibt da das Prinzip der Führeraus. lese, von dem man hört, daß es allein unter einer autoritären Staatsführung gedeihe? Der fascistischen Ideologie zufolge kann die Demo­tratie, die Kontrolle der Staatsführung durch das Volk nur hemmend auf die Weisheit und Weitsicht des Führers" wirken, der für alle denkt und unfehlbare Entschlüsse faßt!

Gebäude des Bundeskanzleramtes auf dem Ballhausplatz in Wien  während der Belagerung

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Hat schon durch die erwiesene Kurzfiantig. feit, mit der der autoritäre Staatslenker bei der Besetzung eines der wichtigsten Staatsämter vorgegangen ist, das fascistische Führerdogma einen schweren Schlag erlitten, so hat der Putsch. tag noch) an einem andern Beispiel die Hohlheit und Verlogenheit des fascistischen Prinzips der Führerauswahl in der krassesten Weise enthüllt. Wer in den blutigen Febertagen den Major Fey, Maria- Theresien- Ritter und zur Zeit noch immer Sicherheitsminister von Desterreich im Radio sprechen gehört hat, der mußte den Ein­druck empfangen, hier rede ein Mann, der jeden