Nr. 175
Die Arbeiter
in Alarmbereitschaft
Die Arbeiterschaft in Defterreich hält sich, wie unser Sonderberichterstatter meldet, auf die Barole des Zentralkomitees im Hintergrund, um die Aktionen der beiden fascistischen Gruppen gegeneinander nicht zu stören.
Das fozialdemokratische Zentralkomitee hat die Weifung herausgegeben, fich in Alarm. bereitschaft zu halten und, soweit noch Waffen vorhanden sind, diefe bereit zu halten, da es möglich ist, daß Situationen eintreten, die ein, aktives Eingreifen der Arbeiterschaft erfordern.
Nur die Kommunisten haben noch während der Aktion der Nazi ein vollkommen finnloses Flugblatt herausgegeben, in dem sie zum Generalftreit und zum bewaffneten Aufstand auffor= bern. Dieses Flugblatt hat nirgends ben ge= ringsten Erfolg gehabt, da die Arbeiterschaft der Meinung ist, daß eine Aktion in diesem Augenblid nur den Nationalsozialisten genügt hätte.
Alpine- Chef verhaftet
Freitag wurde der Generaldirektor der Alpine- Montan- Gesellschaft Apold in Haft ge
nommen.
Die Berhaftung ist darauf zurückzuführen, daß die Alpine für den Aufstand in der Steier mark die Waffen aus jenen Lagern zur Berfügung gestellt hat, die feinerzeit von der Regierung für die Heimwehr angelegt wurden.
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Unter den Berhafteten befindet sich auch Prof. Hugelmann, der frühere christlich soziale Abgeordnete und Borfisende des Bundesrates, der später zu den Nationalsozialisten überging. Verhaftet wurde ferner der Präsident des Desterreichisch deutschen Volksbundes Dr. Neubacher.
Der chemische Krieg
Neue Enthüllungen Steeds.
Sonntag, 29. Juli 1934
Die ursprüngliche Information, wonach Herr für ungenügend
Sette 8
Jafs:
Was wird aus Österreicht
von Bapen im Namen der deutschen Regierung an ben Trauerfeierlichkeiten anläßlich der Betset- Nom,, 28. Juli. Die heutigen römischen zung des Ranzlers Dollfuß teilnehmen follte, Blätter betonen durchwegs, daß, wenn in Berlin Wenzel haben sich als unrichtig erwiesen. Bon Bapen diplomatische Demarchen unternommen werden wird das Deutsche Reich bei dem Begräbnis nicht follten, Italien nicht baran teilnehmen werbe, vertreten. weil eine wirt famere Attion notwendig fei, Im Berlag der Nordböhmischen DrudDas österreichische Rabinett hat entschieben, als ein biplomatisches Einschreiten. Allgemein und Berlagsanstalt Gärtner& Co., das Herr von Bayen als deutscher Gesandter wird behauptet, daß Italien durch seine Meldung Bodenbach , soeben erschienen. Zu beſtel= annehmbar fei, doch wurde trosdem gestern über militärische Borbereitungen angedeutet habe, len durch die Zentralstelle für Bilabends im Kabinettsrat die Frage diskutiert, obwie man vorgehen müsse. es nicht gut wäre, Deutschland gewiffe Be bingungen zu stellen, bevor Herr von Bayen definitiv das Agrément erteilt würde. Hierüber ist es bisher noch zu keiner Entscheidung gekommen und Herr von Bapen weilt daher vorläufig weiter in Berlin .
Keine Kompromisse
Bizetangler Starhemberg sprach Freitag nachts im Rundfunt. Er antwortete n. a. auf den Brief des Reichslanglers Hitler an Papen folgendes:
Ich erkläre im Namen der Regierung und
entsprechend dem Bermächtniß unseres toten Führers, daß wir mit den Nationalsozialisten
Offervatore Romano", das offizielle Organ des Vatikan , beschäftigt sich wiederum in einem aus der Feder seines Chefredakteurs stammenden Leitartikel mit den Ereignissen in Wien . In dem Artikel, der sich sehr scharfgegen die Na= tionalsozialisten wendet, heißt es 1. a.: " Die Barbarei der Nationalsozialisten übersteigt alle erdenklichen Grenzen und muß in der öffentlichen Meinung allgemeine Verurteilung hervorrufen."
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Rintelen
wurde ermordet?
Bon einer Bersönlichkeit, die Rintelen außerordentlich nahesteht, erfährt unser Wiener Berichterstatter, daß gar kein Zweifel darüber bestehe, daß Rintelen nicht Selbstmord begangen hat, sondern er fchoffen worden ist.
Rintelen war bekanntlich vom Chefredakteur Funder der Reichspost" in das Heeres - aber an beiden Armen gelähmt geblieben ministerium vorgeführt worden und wurde dort unter Bewachung von drei hohen HeimwehroffiIm Laufe des Freitag wurde die Leiche des zieren gehalten. In diese Zimmer tam eh, wo= niemals das geringstekompro Bundeskanzlers von Professor Arzt und dem Chef- bei es, wie Draußenstehende hörten, eine sehr mi machen werden. Die Freiheit und Unab- arzt des Theresianums Dr. Cesta untersucht. Das heftige und laute Auseinander= hängigkeit Desterreichs wird niemand beeinträch- Ergebnis der Untersuchung war die Feſtſtellunge ung zwischen Fey und Rintelen gab. Rintigen. Wir kennen nach wie vor unsere deutsche fen, unbedingt tödlich war. Hätten die Mörder daß keiner der beiden Schüsse, die Dollfuß tra- telen verließ das Zimmer und sofort dar= Sendung und werden fie auch durchführen. Die einen Arzt zugelassen, wäre der schwerverletzte mer hinein konnte, lag auf dem Tisch ein Zettel, auf fielen Schüsse. Als man in das ZimArt und Weise aber, wie wir das tun werden, Bundeskanzler zu retten gewesen. Allerdings wä- auf dem mit versagender Schrift aufgeschrieben laffen wir uns von niemandem vorschreiben. ren die beiden Arme gelähmt geblieben. war: Ich bin unschuldig..." Die Der Tod des Bundeskanzlers ist in erster beiden leßten Buchstaben fonnte Rintelen offenWir brauchen uns dabei auch nicht beraten und Reihe durch Verblutung eingetreten. beeinfluffen laffen. bar nicht mehr schreiben.
Nur 2 Offiziere und 15 Mann getötet?
Wenn auch heute der Bersuch gemacht wird, Paris , 28. Juli. Ein ganze Reihe von Blätdie Berantwortung für die Ereignisse von getern veröffentlicht die Antwort des englischen wiffen Stellen außerhalb Desterreichs abzuwälzen, Staatssekretär Karwinsty teilte Samstag Journalisten Steed auf die Kommentare, die in so hindert uns das nicht, mit aller abends in ciner Rundfunkansprache mit, daß der der Presse zu seinen bekannten sensationellen Ent- Streng gegen die Beteiligten Aufstand als zusammengebrochen küllungen der deutschen Vorbereitungen für den vorzugehen. Wir haben in der letzten Zeit gelten fönne. Die Verluste des Bundesheeres bechemischen und bakteriologischen Krieg gemacht genug mitgemacht, um mit Mißtrauen siffern sich nach amtlichen Angaben auf zwei wurden. Steed veröffentlicht neue Dokumente und Referviertheit gewiffen Erscheinun- Offiziere und 15 Mann, die getötet wurden, und vier Offiziere und 20 Mann Schwerverleßte. zur Tätigkeit des bekannten Dr. Hugo Stolgen entgegenzutreten und nicht alles ruhig hinzenberg, des Hamburger Chemikers, dessen zunehmen. Wir wollen abwarten, ob sewiffen Name im Zusammenhang mit der geheimnisvollen Phosgen- Explosion vom 20. Mai 1928 genannt
wurde.
Steed macht auf das Batent aufmerksam, das in Deutschland unter der Bezeichnung Wie fann man aus großer Höhe künstlichen Regen im Kampf gegen Ungeziefer erzeugen" eingetragen wurde, und verweist darauf, daß diese Erfindung den Gegenstand des Studiums eines höheren reichsdeutschen Offiziers unter der Bezeichnung „ heftigste Gifte" war. Steed weist die Krititen zurück, die bei seiner ersten Enthüllung laut wurden, und macht insbesondere auf schr interessante Details über das perit - Gas aufmerksam, die ihm ein französischer Gelehrter mitgeteilt bat.
Englische Hilfe
für die Opfer des Austrofascismus
London , 28. Juli. 4800 Opfern des Austrofascismus hat die organisierte britische Arbeiterschaft Hilfe gebracht, indem sie für ihre Ver teidigung vor Gericht und für rechts= freundlichen Beistand schon in der Haft sorgte. Dies wird durch einen Gesamtbericht des gemeinsamen Rates der politischen und gewert schaftlichen Organisation dargetan, der focben der Leitung der freien Gewerkschaften( Trade Unions) zur Kenntnis gebracht worden ist. Besonderer Dant wurde dem Genossen Elwyn Jones ausgesprochen, der sich um diese Aktion sehr verdient gemacht hat. Er hat auch die großbritannische Regicrung bestimmt, für eine menschliche Behandlung der nach dem Feberkampf Verhafteten einzutreten. Der oberste Gewerkschaftsrat beschloß, eine Ab= ordnung zum österreichischen Ge= sandten zu entsenden, um gegen die neue Verfolgungsserie Protest zu erheben.
Erklärungen auch die Taten folgen werden. Wir werden in dieser kritischen Zeit nicht auf Bersprechungen und Phrafen hineinfallen.
Auch die Reichspoft" tommentiert an leitender Stelle den Brief Hitlers an Bapen. Unter dem Titel„ Keine faulen Kompromiffe" erklärt das Blatt u. a.:
Der Gewährsmann, der Rintelen sehr gut fennt, und auch über seine Pläne unterrichtet ist, erklärt, daß dieser sogenannte Abschiedsbrief in Wahrheit ein lezter Versuch des erschossenen Nintelen war, zu dokumentieren, daß er unschul big ermordet wurde. Das Aussehen dieses Zettels verrät, daß er bereits mit dem leßten Bewußtsein nach dem tödlichen Schuß geschrieben
wurde.
Die österreichische Regierung erflärte gestern und heute, daß Rintelen noch lebt. Leute seiner Umgebung behaupten aber, daß man lediglich den Eindrud eriveden wolle, man bemühe sich, Baris, 28. Juli. Der Anwärter auf den durch Operationen und Bluttransfusionen, Rins österreichischen Thron Otto Habsburg , des- ielen am Leben zu erhalten, um dann die Legitifen Rüdfehr nach Wien heute gemeldet wurde, mation zu haben, daß man alles zur Erbefindet sich nach einer Information des Sonder- haltung seines Lebens getan habe. berichterstatters des Paris Spir" aus Brüssel Wie weit diese Darstellung des Gewährszur Zeit in Belgien und hat wegen der fürzlichen mannes tatsächlich auf Richtigkeit beruht, läßt sich Ereignisse in Wien seinen geplanten Besuch in im Augenblick nicht beurteilen. Tatsache ist, daß Desterreich, den er Ende Juli abstatten wollte, sie die allgemeine Meinung in Wien wiedergibt. beri choben. Das Begräbnis
Hunderte aut jugoslawisches Gebiet geilüchtet
Das österreichische Bolt wird in den nächsten Wochen sehr aufmerksam darauf horchen, ob die Abrüstung des Hasses und des Terrors re st I os erfolgte. Die Mission des neuen Vertreters Deutschlands in Wien wird eine ehrenvolle und erfolgreiche sein, wenn sie auf diesen Boraussebun- Die österreichischen Hakenkreuzler, bedrängt gen fußt, und wenn Papen wirklicher Gesandter durch den Vormarsch der Regierungstruppen, eines befreundeten beutschen Reiches in flüchten maffenweiſe liber die jugofía: Bien sein wird, sonst nichts. Es gibt feine Kommische Grenze. Bisher haben mehrere Hunpromisse in der Vertretung der Unabhängigkeit bert bewaffneter Nationalsozialisten die Grenze und Freiheit Defterreichs.
Starhemberg will die Wahrheit sagen...
Vizelanzler Starhemberg hat heute eine Kundmachung erlaffen, in der ermitteilt, daß der Oeffentlichkeit bereits in allernächster Zeit das Ergebnis der Untersuchung der Ereignisse vom 25. Juli genau mitgeteilt werden würde. Die Bevölkerung wird aufgefordert, sich durch unverantwortliche Gerüchte nicht verwirren zu laſſen.
Papens Ernennung
Die Ernennung von Papens zum deutschen Gesandten in Wien findet in Rom teine Zuftimmung; fie wird mit der Errichtung eines deutschen Obertommiffariats für
Von der Mutter zum Mord Defterreich verglichen, wobei die deutsche Gesandtangestiftet
Brag, 28. Juli. Die Untersuchung des Mordes an der Musiklehrerin Malátova hat eine fenfationelle Wendung genommen. Der verhaftete sechzehnjährige Mörder hat gestanden, daß er von seiner Mutter zu der Tat ange: stiftet worden war. Die Frau wurde am Samstag bon Detektiven der Prager Polizei in Ždár verhaftet, wo sie zur Sommerfrische war. Es ist dies die 36jährige geschiedene Beamtin Marie Lulch aus Brag VII.
Die Berhaftete geftand, den Jungen zum Mord berleitet zu haben, um aus ihrer finanziels len Rot herauszutommen; fte hatte dem Jungen auch einen genauen Mordplan ausgearbeitet. Sie will den Gedanken hiezu aus einem Detektiv: roman entnommen haben.
fchaft in Wien eine Art Zweigstelle oder Unterfektion der Berliner Regierung sein soll.
Auch die heutigen Pariser Nachmittagsblät ter beschäftigen sich immer noch sehr kritisch mit ber Ernennung Papens und führen, geſtüßt auf schen und italienischen Pressestimmen, an, die Verurteilung dieses Vorgehens in den englis Diese Ernennung eine Beruhigung der internationalen Verhältnisse herbeiführen tönne. Guardian "
daß
Der Londoner Manchester widmet der Ernennung Papens große Aufmerk samteit und erblickt in dieser Tatsache gleichfalls einen neuen Beweis für die Schuld Deutschlands . Das Blatt stellt fest, daß diese Ernennung in Tompetenten Streisen Londons tein Vertrauen erwvedt, da es ein Beweis ist, daß das Verhältnis Deutschlands zu Oesterreich sich keineswegs geändert hat.
überschritten und die Waffen abgegeben.
Die Flüchtlinge werden zunächst für eine gewiffe Zeit in onzentrationslagern unweit der Grenze interniert und sodann in das Innere des Landes verschickt werden.
Diejenigen, die sich weigerten, die Waffen abzugeben, wurden von der Grenzwache unver= züglich mit Gewalt entwaffnet.
Sämtliche nationalsozialistischen Flüchtlinge aus Desterreich wurden unter starfer Bewachung indas Innere des Landes gebracht, insbesondere in die Städte Belovar, Varasdin und Požega, wo sie bis zum Eintreffen weiterer Befehle interniert werden. Die Flüchtlinge sind zum größten Teile bereits waffenlos auf jugoslawisches Gebiet gelangt, doch haben die jugoslawischen Behörden bei ihnen trotzdem bisher 200 Militärgewehre, ein Maschinengewehr und 20 Revolver beschlagnahmt.
Leoben in der Steiermark. der Schauplatz blutiger Kämpfe zwischen der Exekutive und den nationalsozialisti.
schen Aufständischen.
des Kanzlers
Wien , 28. Juli. Das Leichenbegängnis des Bundeskanzlers Dr. Dollfus nahm heute bei schö nem Wetter im Voltssaal des Wiener Rathauses programmäßig um 14.30 Uhr feinen Anfang An der Wahre versammelten sich die Familienmitglieder des verblichenen Kanzlers, der Bundespräsident Miklas , die Mitglieder der Regierung mit Starhemberg an der Spize, das nahezu vollständige diplomatische Korps( auch der tschecho= flowatische Gesandte Fierlinger war mit dem Personal beider Vertretungsämter anwesend), weiters die ausländischen Gäste, die Generalität etc.
Kurz nach 14.30 Uhr begannen die kirchlichen Zeremonien. Nach einem Trauerchoral ergriff Bundespräsident Miklas das Wort zur Trauerrede, in der er die Bedeutung des gefchehenen Verbrechens als eines an ganz Dester reich begangenen fluchwürdigen Verbrechens hervorhob. Hierauf sprachen Vizekanzler Star hemberg , Bürgermeister Schmiß und der Landeshauptmann von Niederösterreich Dr. Reither namens der österreichischen Bauernschaft. Nach diesen Trauerkundgebungen setzte sich der Zeichenzug in Bewegung, der von Abteilungen des Bundesheeres und den militärischen Formationen des Bundeskanzlers eröffnet wurde. Hinter 13 Autos mit Kränzen schritt die Geistlichkeit. Hierauf folgte der Sarg, der zu beiden Seiten von Offizieren und Studenten flantiert war. Dann fam die von Mitlas und Starhemberg geführte Witwe, die Minister, die Landeshauptleute, das diplomatische Korps etc.
Als der Trauerzug die Stephanstirche erreichte, gab Kardinal Dr. Innißer der Trauer der tatholischen Kirche über den Tod ihres großen Sohnes Ausdruck.
Nach der tirchlichen Einsegnung setzte sich der Trauerzug über den Kärntnerring und die Rings straße auf den Siezinger Friedhof in Bewegung.
Militärgericht
tritt zusammen
Rach den legten Meldungen ist damit zu rechnen, daß bereits am Sonntag oder Montag früh das Militärgericht zusammentritt, um bie Mörber des Bundestanzlers abzuurteilen.