Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XH., FOCHOVA 62. TELEFON 5387. ADMINISTRATION TELEPON 53076.

14. Jahrgang

HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

Der Demokratenhut als Tarnkappe

Dienstag, 7. August 1934

Einzelpreis 70 Hotter

( einschließlich 5 Heller Porto)

diA

Nr. 182

Hitler kapituliert vor Europa  

Hitler   will keinen Anschluß, keine Kolonien und keine Revision?

Die Welt, die sich das Staunen bereits ab­gewöhnt hat, empfing gestern aus dem Munde Hitlers  , die immerhin verblüffende Mitteilung, daß Herr Hitler   ein Musterdemokrat ist. Der Führer" gab dem Korrespondenten der eng­ lischen   Zeitung Daily Mail" ein Interview, in dem er klipp und klar erklärte, daß Deutschland  teinen Krieg wolle, auf die Solonien, die Revision und den Anschluß ver­zichte und, um das Maß an Bravheit voll­zumachen, überhaupt ein and besserer Demokraten" sei, als so manche andere Nation..

Aber diese Demastierung kommit zu plötz- des Verrates an seinen Anhängern ,, würdigen", Frankreich   eine große Luftflotte baute.

"

li, als daß man von Europa   erwarten dürfte, aber sie wird weiter auf der Hut sein, solange daß es sie ungeprüft zur Kenntnis nimmt. Man als Begleitmusik zu Hitlers Friedensworten die erinnert sich noch zu gut jener Stellen aus Hit Eisenhämmer der geheimen Rüstungsfabriken lers Mein Kampf  ", in denen Frankreich   als im Rheinland   dröhnen und die militärischen Erbfeind, in denen der Kampf um die Revision, Kommandoworte in den deutschen   Kasernen für um die Wiedergabe der Kolonien, um den An- Ertüchtigung der Jugend" schnarren. Herr schluß Desterreichs als unverrückbares Endziel Sitler unterschätzt das berechtigte Mißtrauen, hingestellt wird, aber man erinnert sich auch das die Welt seinen Enuntiationen entgegen ebensogut jener Stelle, an der die Lüge als bringt, wenn er meint, daß er nun nach dem erlaubtes und willkommenes politisches Kampf- ideologischen Zusammenbruch seiner Blutherr­mittel gepriesen wird. Und wenn just am glei- fchaft sich retten könne, indem er den Demokra­chen Tage, an dem Hitler dieses Interview gab, tenhut als Tarnkappe verwendet. Entweder der erste Mitarbeiter des Reichswehrministers glaubt Hitler   was er sagt: dann hat das dritte Blomberg  , General von Reichenau, einem Reich seine mörderische Rolle ausgespielt, dann französischen Journalisten erklärt, Deutschland   hat es nach diesem Eingeständnis seines völligen trebe eine Annäherung, ja ein Bündnis mit Versagens a b 3 utreten und einem zivili­Frankreich an, dann wird Europa   allzuleicht fierten, menschenwürdigen Staatswesen Platz zu stuzzig und entsinnt sich, daß die Erfindung des machen oder Hitler   lügt, um die Welt in " getarnten" Kampfes von eben jenem Hitler trügerische Sicherheit zu wiegen: dann weiß sie, tammt, der jetzt in die Friedensschalmei bläft. was fic von den Friedensglocken, die jetzt im Die Welt wird Hitlers   neueste Wendung als Do- Reichskanzlerpalais angeschlagen werden, zu fument innerpolitischen Zusammenbruches und halten hat.

-

Ein Interview Hitlers  

sollten sie über deutſche Maßnahmen der Selbst­liegt außerhalb unserer Berechnung. Unsere Schritte, verteidigung erregt sein? Großbitannien wie wir fic tun, sind bestimmt, der Tatsache gerecht zu werden, daß wir auf dem Kontinent von einem find, die eines Tages Forderungen an uns stelien Ring von mächtigen Feinden umgeben könnten, die wir nicht annehmen können. Es ist nicht das Ausmaß der Rüstungen, das die Gefahr eines Krieges schafft, sondern die Ungleichheit der Rüstungen. Sie ermutigt die stärkeren Nationen chrgeizige Pläne zu hegen die die schwächere Nation nicht dulden kann.

Verzicht auf Oesterreich

wir werden Oesterreich   nicht angreifen, aber wir tönnen die Oesterreicher nicht verhindern, zu der fuchen, ihre frühere Verbindung mit Deutschland  wieder herzustellen. Diese Staaten sind nur durch eine Linie getrennt und beiderseits dieser Linie leben Völler derselben Raffe.

Hitler   antiwortete bezüglich Desterre ch.

Wenn das Deutsche   Nachrichtenbüro. das es ja wissen muß, den Wortlaut dieses mert. würdigen Interviews nicht selbst ausgesendet hätte, könnte man versucht sein, es für eine Mh. ſtifikation zu halten, oder doch jeden Augen­blick darauf zu warten, daß Hitler   sich auf Grund dieser Aeußerung wegen Berates nationaler Belange" selbst verhaften läßt. Um die ganze Crbärmlichkeit und innere Verlogenheit dieses Regimes zu erkennen, muß man sich einen Augenblick lang vorstellen, wie Herr Hitler   und scine braunen Bataillone" reagiert hätten, wenn Walther Nathenau, oder Reichskanzler Hermann Müller  , vor aller Deffentlichkeit auf die Revision, die Kolonien und den Anschluß Verzicht geleistet hätten. Um weit geringerer staatsnotwendiger Konzessionen halber ist Ra­ thenau   von Hitlers Mörderbanden zu Tode ge­hezt und schließlich getillt worden. wurde Strese­ mann   und Hermann Müller   und das ganze System" Jahr für Jahr unterwühlt, bespien und in den Kot gezerrt. Niemals hat sich der Nationalsozialismus so schäbig demaskiert, als in dem Augenblick, da er sich die Maske der friedfertigen Demokraten" anpassen möchte. Dem aufmerksamen Beobachter war es ja schon längst klar, daß die Politik der braunen Maul. helden von dem Augenblick an, da sie an der Macht und damit an der Verantwortung waren, schlimmen Folgen eines Krieges besser als irgend- land. Die Engländer können ihre Flotte verdop- Die anschließenden Worte Hitlers   galten der

"

die Politik des Verrates an all den Belangen" war, deren Austrommelung fie an die Macht ge­bracht hatte. Mit der Preisgabe der Deutschen  in Südtirol   hat dieses Regime sein Amt an­getreten, mit dem Verzicht auf Danzig   sette es fort, mit dem Verzicht auf die zu saueren österreichischen Trauben will es sich nun im fchwankenden Sattel halten. Den Deutschen  außerhalb des Reiches könnte es allmählich klar werden, in wie sicherer Hut ihre nationalen Velange" sich bei Herrn Hitler   befinden.

"

Hitler   gab dem Berliner   Vertreter der Londoner   Daily Mail" ein Interview, welches ein vollkommenes Eingeständnis des Zusammenbruches der deutschen   Politit seit Hitlers Macht­ antritt   bedeutet. Das amtliche Deutsche   Nachrichten- Bureau gibt darüber folgenden Bericht aus:

-

außer in Notwehr" Verzicht auf Kolonien

Wurden die Hakenkreuzmorde nicht auch als Notwehr bezeichnet?

Der Korrespondent warf ein, England haue

Die Frage des Anschlusses ist nicht ein Pro­blem des heutigen Tages. Die österreichische Unabhängigkeit liegt außerhalb icder Dis­fuffion und niemand stellt sic in Frage. Wir wiffen alle, daß dieses Ziel gegenwärtig un­erreichbar ist, denn der Widerstand des übri­gen Europa   würde zu groß sein. Der Demokrat vom 30. Juni Der Korrespondent erwähnte die ungeheuere Macht, die jetzt in Hitlers   Händen vereinigt sei. Hitler   erwiderte: In jedem Jahre unterbreite ich meine Machtbefugnisse bei irgendeiner Gelegenheit dem deutschen   Volke. Dieses hat die Möglichkeit, sie zu bestätigen oder zu verweigern. Wir wil= den Deutschen   sind beffere Demotra ten als andere Nationen. Frage: Behalten Sie das vereinigte Amt des Staatsoberhauptes und Kanzler auf Lebenszeit? Hitler  : Es wird dauern, bis eine nationale Abstimmung der jetzigen Regierung ihre Grundlage entzieht.

Sentimentale Worte an England and

Ende zu

in­

vernehmen mit Großbritannien   hingearbeitet und machen. Er sagte, er habe auf ein besseres

tue es noch immer. 3wei germanische Nationen

Reichswehr   wirbt um Frankreich  

Auf die Zwischenfrage des Korrespondenten: Nicht einmal Kolonien? crividerte der Führer mit erhobener Stimme: Ich würde nicht das Leben eines einzigen Deutschen   opfern, um Die erste Frage des Korrespondenten bezog irgendeine Kolonie der Welt zu erlangen. Wir sich auf die allgemeinen Rüstungen und die inter  - wissen, daß die vormals deutschen Kolonien in nationalen Spannungen. Hitler   erwiderte: So- Afrifa ein fostbarer Lurus, sogar für England, weit es an Deutschland   liegt, wird es teinen sind. Die Vermehrung der britischen   Luftflotte neuen Krieg geben. Deutschland   kennt die erregt nicht die geringste Erbitterung in Deutsch­ein anderes Land. Es ist die Ueberzeugung der peln und vervierfachen, sie können sie auf jede be= nationalsozialistischen Bewegung, daß Krieg nie- liebige Stärke bringen. Es geht uns nichts an, da mandem Nußen bringt und nur Ruin zur Folge wir nicht beabsichtigen, sie anzugreifen. haben kann. Uns würde ein Strieg feinen Gewinn bringen. 1918 war für uns eine Lehre und eine Flugzeuge, weil es glaube, daß Deutschland   eine ſollten durch die bloße Kraft des natürlichen In­Warnung. Wir glauben, daß die Probleme des große Luftflotte baue, so wie es vor dem Weltkrieg ſtinktes Freunde sein. Die nationalsozialistische eine große Striegsflotte baute. Hitler   erwiderte: Bewegung würde einen Krieg gegen England als heutigen Deutschland   nicht durch Krieg geregelt Die Engländer haben sich nicht bedroht gefühlt, als ein Verbrechen gegen die Raffe anschen. werden können. Seine dem übrigen Europa  gegenübergestellten Forderungen schließen keine Gefahr eines solchen Unglückes in sich. Wir ver­langen nur, daß unsere jebigen Gren= zen aufrecht erhalten bleiben sollen. Paris  , 6. August.( Savas.) Der erste Mit-& rant reich voraus und sollte die Einlei Wenn spätere Geschichtsschreiber sich ein. Wir werden bestimmt niemals wieder fämpfen, mal nach dem Tage fragen werden, an dem der außer in Notwehr. Ich habe den Franzosen vie- arbeiter des deutschen   Reichswehrminiſters Gene- tung zu derselben bilden. Falls es zu derselben derholt versichert, daß es nach Regelung der Saar- ral von Blomberg   und Leiter des Büros für nicht kommt, werden sich binnen kurzem neue tech deutsche   Fascismus ideologiſch zuſammengebro- frage feine territorialen Schwierigkeiten geven Nationalverteidigung, General v. Reichenau  , nische Schwierigkeiten ergeben und es wird sich die chen ist, werden sie vielleicht auf jenen Tag zu wird, während ich an unserer Ostgrenze unsere gewährte dem Korrespondenten des Petit Jour- Notwendigkeit herausstellen, dieser Konvention tückgreifen müssen, an dem Hitler dieses Inter  - friedfertigen Absichten durch Abschluß eines Pat- nal" eine Unterredung, in welcher er u. a. die eine neue Form zu geben, denn der andauernde view gegeben hat, auf jenen Tag, an dem Hitler tes   mit Polen   belviesen habe. Mr. Baldwin hat volle Loyalität gegenüber dem Reichskanzler Hit- Fortschritt in den Rüstungen erfordert eine Ver­vor der Welt zugeben mußte, daß er an Stelle gesagt, die defensive Grenze Großbritanniens   liege ler betonte. Er erklärte: Die Armee bewun einbarung, welche von Zeit zu Zeit revidiert wer= des Systems" die Hölle des dritten Reiches, fünftig am Rhein  . Vielleicht wird ein franzöſi- dert Hitler   wegen seines persönlichen Mutes und den müßte. Falls diese Konvention nicht den be­seinen Terror, seine Massenmorde, seine Men- scher Staatsmann noch weiter gehen und sagen, unterschreibt in vollem Umfange ſeine vor einiginn einer neuen Politik bilden wird, schenmartern, seine Konzentrationslager gesetzt daß Frankreich   an der Oder verteidigt werden gen Tagen gehaltene Rede, in welcher er erflärte: ständig neue Schwierigkeiten zwischen den beiden hat, um schließlich bei den Staatsmännern die. muß, oder Rußland   wird vielleicht behaupten," Die Reichswehr   kann sich auf mich verlassen, so Ländern bestehen. Das einzige Land, weiches ses Syſtems" in die Schule zu gehen; um von seine nationale Verteidigungslinie erftrede sich wie auch ich mich auf sie verlasse." Der General Frankreich die Sicherheit gewährleisten kannt, ist denen, die er morden und begeifern ließ, ſtaats- dieser Lage schiverlich einen Vorwurf daraus eine vollständige.." Wir stehen alle hinter unserem Deutschland  . Wir sind Nachbarn und haben beide denen, die er morden und begeifern ließ, staats- längs der Donau  . Man kann Deutschland   bei erklärte weiter: Unsere Treue zum Regime ist Frankreich   die Sicherheit gewährleisten kann, ist männische Notwendigkeiten zu lernen. Von machen, wenn es nationalen Schutz innerhalb sei- Kanzler. Es ist absolut falsch, wenn davon ge- cine glänzende militärische Tradition. Wir veide dem versprochenen Brachtbau des befreiten ner Grenzen fucht. Zu Ihnen, als einem Eng- sprochen wird, daß wir für irgendeine reaktionäre vereint müßten niemanden fürchten. Die franzö­britten Reiches" bleibt nun, da nach der sozia länder, sage ich, wenn England uns nicht angreift, Regierung sind." In Angelegenheit der Abfische Presse, die dem Albdruck der Sicherheit listischen" auch noch die nationale" Ideologie verden wir niemals einen Streit mit England r ist ungstonvention erklärte der Genie- unterliegt, interessiert sich leider außer dieser berraten ist, nichts übrig als das finnlos blutige haben, sei es am Rhein   oder anderstvo. 2 ir ral: Für meine Person seßt der Begriff Gleich Frage im besonderen nicht für irgendein spezielles Wirral: Gerüst der Barbarenherrschaft. wollen nichts von England. berechtigung" eine Annäherung an Problem betreffs dieser oder jener Angelegenheit."

"

werden