Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

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14. Jahrgang

Hitler   findet keinen Glauben

Paris  , 7. Auguft." Temps" schreibt in seinem Leitartikel Deutschlands Friedenswille", daß sich in den letzten Reden des Reichsführers Hitler  zahlreiche Widersprüche vorfinden. Abgesehen von

Mittwoch, 8. August 1934

Wieder Todesurteile

den Zweifeln, die seine Ansicht über die österrei Ein Wehrmann gehenkt chische Frage weden muß, seien seine Ansichten über den Weltfrieden vorläufig nicht ernst in Be= tracht zu ziehen. Der Temps", der in dieser An­sicht über die Reden des Reichsführers Hitler   mit der Mehrzahl der französischen   Blätter einer Mei­nung ist, sagt weiter, daß der deutsche   Wille zum Frieden etwas anderes sei, als die deutsche Be­reitwilligkeit zur Zusammenarbeit mit den übri gen Mächten. Vor allem werde es notwendig sein, daß der Reichsführer seinen Worten die Tat fol­gen laffe.

Ablehnung in Paris  

Frankreich   traut Hitler   nicht

in Oesterreich

Wien, 7. August. Der Militärgerichtshof in Wien   verurteilte heute nachmittags den Soldaten des österreichischen Bundesheeres Ernst Feife wegen des Verbrechens des Hochver­rats zum Tode durch den Strang. E. Feite war der Anklagefchrift zufolge der einzige aktive Soldat, der an dem nationalsozialistischen Butsch am 25. Juli teilgenommen hatte und ge= meinsam mit anderen Putschisten in das Gebäude des Bundeskanzleramtes eingedrungen war, wo er mit der Waffe in der Hand die verhafteten Beamten bewachte. Der Angeklagte, der vor­erst beim Inf. Reg. Nr. 4, den Deutschmeistern", gedient hatte und dann zum 2. Feldjäger­bataillon fam, fühlt sich unschuldig. Er machte den Versuch, zu beweisen, daß er in der Neber­zeugung, daß es sich um eine legale Attion handele, vorgegangen fei. Uebrigens habe er hloß die Befehle seiner Borgesetzten, vor allem Planettas, befolgt. Der Angeklagte gestand ein, daß die Butschiften drei Wochen dindurch die Aktion vorbereitet hatten.

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Nach der Fällung des Todesurteils über den Soldaten des österreichischen Bundesheeres Feite, hob dieser die Hand und rief Heil Hitler  !"- Sein Berteidiger brachte ein Gnaden­gefuch ein, daß jedoch abgelehnt wurde. Feite wurde um 17 Uhr 53 Minuten gehenkt.

Baris, 7. Auguft.( Savas.) Die französische  Bresse fommentiert eigentlich nicht im wahrsten Klagenfurt  , 7. August. Der Militärgerichts­Sinne des Wortes das Hitler- Interview, denn, so führt das Blatt L'Ordre" aus:... wir hof in Klagenfurt   verurteilte heute in den Mit find in der Tat genötigt, zu konstatieren, und tagsstunden den Nationalsozialiſten K. Kostelnig dies mit Bedauern, daß auch in dem Falle, wenn wegen Hochberrates zum Tode durch den Strang wir Hitler vertrauen, wir nichts in dem Inter- und seinen Mitangeklagten Josef Brunner zu view vorfinden, was uns wirklichen Trost gibt." zwölf Jahren schweren Kerkers. Beide wurden Le Jour" schreibt: Nichts von all dem, von der Anklage des Mordes freigesprochen. Sie was gesagt wurde, ist neu. In dem Text des beteiligten sich an dem nationalsozialistischen Interviews gibt es verschiedene Unbeholfenheiten, Putsch in Kärnten  , wo sie besonders an den wie zum Beiſpiel die Erklärung über die Raffen- Kämpfen am Wolfsberg   teilnahmen, in denen ein liebe zu Großbritannien  , das in teiner Weise für hoher Offizier des Bundesheeres gefallen war und den Rassismus begeistert ist. Uebrigens verpflichte mehrere Mann verwundet wurden. Der zum Tode die Art, in der sich das Reich zu ſeinen öſterrei verurteilte Kostelnig hatte ein Gnadengesuch ein­chischen Brüdern" verhält, diese Vetter ebenso- gebracht, das der Staatsanwalt und der Landes­wenig, wie die der deutschen   Mentalität fernen hauptmann von Kärnten   befürworteten. Präsident Angelsachsen, dazu, über eine Verwandtschaft Mitlas entsprach dem Gnadengesuch und änderte dieser Art begeistert zu sein. das Todesurteil in eine 15jährige schwere Kerker­strafe um.

Lord George glaubt nicht an Krieg London  , 7. Auguft.( Habas.) Lloyd George er­Härte in einem Interview mit dem Vertreter des Petit Journal" u. a.: Heute kamm Deutschland   lei­nen Krieg führen. Man fann zugeben, daß die psh­chologischen Bedingungen des Krieges heute möglich find, doch gibt es hiebei auch noch materielle Bedfn= gungen, die jedenfalls eine sehr wichtige Rolle spielen. Ich bin bereit, im eigenen Namen den Nationen zu berbürgen, daß auf die Dauer von zehn Jahren fei­nerlei Kriegsgefahr besteht.

Hakenkreuz- Denunziant

verhaftet

"

Saarbrüden, 7. Auguft. Die Polizei berbaf­tete gestern den Chauffeur der Saarbrüdener Zeitung", welcher unter der Anflage steht, mit­schuldig zu sein an der Tat des verhafteten Pro­fessors, welcher Mitglied der deutschen   Einheits­front ist. Beide werden beschuldigt, der deutschen  Regierung einen Saarbürger zur Anzeige gebracht zu haben, daß er falsche Nachrichten über die Hit­Terregierung berbreite. Der lettere wurde in, Deutschland   verhaftet.

Status quo für das Saarland  gefordert

Saarbrüden, 7. Auguft. Die heutige Bolts­ftimme" befaßt sich mit dem Beschluß der Zweiten Internationale betreffend die Saarfrage, der sich bekanntlich zugunsten der Aufrechterhaltung des ftatus quo aussprach und der Autor des Artikels, Mag Braun, tritt für diese Lösung ein, die gleich zeitig auch dem Antrag der sozialistischen   Bartei: des Saargebietes entspricht.

Mohammedaner stürmen Polizeistation

Raltutta, 7. August. Etwa 150 indische Mohammedaner, die an einem ländlichen Feft teilgenommen hatten, griffen plößlich schwer be­waffnet eine Polizeistation, die etwa 40 Rilo­meter von Kallutta entfernt liegt, an. Die fana­tische Menge stürmte das Gebäude und verlegte die drei dort anwesenden Polizeibeamten schwer. Der Grund dieses Ueberfalles ist noch nicht be­tannt.

Neun Bahnärzte gemaßregelt Wien  , 7. August. Die Generaldirektion der österreichischen Bundesbahnen hat 9 Bahnärzte, die sich während der Juliereignisse nationalfozia­listisch betätigt haben, gekündigt.

Standrecht für Steiermark  aufgehoben

Graz, 7. Auguſt. Amtlich wird mitgeteilt:

Der Sicherheitsdirektor für Steiermart hat das über Steiermart verhängte Standrecht mit 8. August aufgehoben.

6 Jahre Kerker

( ela

or Berto)

Nr. 183

Währungsexperimente

Vor einer neuen Abwertung des Dollars? Die Weltkrise der kapitalistischen   Wirtschaft hat die Währungssysteme einer ganzen Reihe von Ländern erschüttert. Entweder wurden ihre Grundlagen in das Zerstörungswerk der Krise einbezogen, oder aber sie wurden im Zuge der verschiedenartigsten Sanierungsversuche preis­gegeben. In allen Südosteuropa  - Staaten schlep­pen die Währungen die schleichende Krankheit der Entwertung mit sich herum, während in vielen anderen Staaten nach einer weitgehenden Ab­wertung Anstrengungen für eine dauernde Sta. bilisierung der Währung gemacht werden. Selbst England und die Vereinigten Staaten   von Nordamerika  , die ein fest begründetes Wäh. rungssystem besaßen, das unangreifbar schien, haben den Nimbus des Pfund Sterling   und des Dollars opfern müssen.

In den Diskussionen, die um die durch die Weltkrise aufgeworfenen oder verschärften Pro­bleme seit Jahren geführt werden, wird auch die für Putschkommandanten Auffassung vertreten, daß durch geldpolitische Maßnahmen die Wirtschaftskrise überwunden Graz, 7. Auguft. Der Militärgerichtshof in werden könne. Von dieser Auffassung waren teil­Graz verurteilte heute den 38jährigen Schneider weise die großzügigen und überraschenden Maß­Reinisch aus Deutsch- Landsberg zu 6 Jahren nahmen bestimmt, mit denen Präsident Roose­schweren Kerkers. Reiniſch war stellvertretender velt und seine Nira- Männer der schweren Krise Kommandant der nationalsozialistischen Abteilun= gen, die am Putschtage, am 25. Juli, in Lands- den Vereinigten Staaten   zu Leibe rückten Im berg den Bahnhof besetzten und einen Angriff Herbſt des vorigen Jahres wurde das bisherige gegen die Gendarmeriestation unternahmen, feststehende Wertverhältnis des Dollars zum gegen deren Gebäude mehrere Schüffe abgefeuert Gold preisgegeben und täglich neu beſtimmt. wurden. Sodann leitete er das Scharmüßel gegen Der Dollar erfuhr damit mit einem Schlage die Erekutive, auf deren Seite drei Heimwehrleute eine Abwertung, die mehr als 30 Pro­getötet und zwei schwer verwundet wurden. zent betrug und täglich nicht unerheblichen Schwankungen nach unten oder oben ausgesetzt Der Ministerrat

wird aufgefüllt

war.

Dieser schwankende Dollar gab der Wien  , 7. August. Zum Statssekretär im nationalen Wirtschaft der Vereinigten Staaten Ministerium für soziale Verwaltung wird dem nicht die erforderliche Sicherheit für die Kosten. rungs-) Getvertschaftsverbandes Staud ernannt ternationalen Wirtschaftsbeziehungen größere ..Weltblatt" zufolge der Vorsißende des( Regie: rechnungen, aber er brachte in die gesamten in­werden. Das Staatssekretariat des Ministeriums Unruhe. Präsident Roosevelt   mußte diesen für soziale Verwaltung wird die Bezeichnung füh- schwankenden Dollar Ende Januar 1934 wieder ren Staatssekretariat zum Schuße der Arbeiter= in ein festes Wertverhältnis zum Gold bringen. schaft". Die Stabilisierung erfolgte auf einem Stand,

Agrement für Papen erteilt ber etwa 60 Prozent des früheren normalen

Wien  , 7. Auguft. Im heutigen Ministerrat Standes betrug. Von dieser rund 40 Prozent wurde der Antrag auf Erteilung des Agréments betragenden Währungsabwertung sollten für den Wiederaufbau der amerikanischen   Wirtschaft für Bapen auch formell genehmigt. heilsame Wirkungen ausgehen.

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,, Armer, völlig abgerüsteter Mann bittet um eine milde Gabel"

Vor allem versprachen sich die Befürworter dieser Währungsmaßnahmen, daß sie eine teigerung der Rohstoffpreise auslösen würden. Von höheren Preisen, beson. ders für die amerikanischen   Farmprodukte, wurde eine Steigerung der Konsumkraft von vielen Millionen Farmern erhofft, die sich nach) furzer Zeit in einem allgemein steigenden Absatz industrieller Fertigprodukte umsetzen sollte. Ne­ben dieser künstlich herbeigeführten Preissteige. rung würde die Währungsabwertung gleichzei­tig noch eine andere, außerordentlich erwünschte Wirkung haben: die Schuldentlastung der Farmer. Es ist bekannt, daß die Farmer der Bereinigten Staaten durch den in den letzten Jahren eingetretenen ungeheuren Preissturz ihrer Produkte mit Schulden derart überlastet sind, daß ihre Abtragung immer fraglicher wurde. Die Abwertung des Dollars um 40 Pro­zent und die Preissteigerungen haben diese Schulden unzweifelhaft herabgemindert und in­sofern die Lage der Farmer erleichtert.

Nun sind die Vereinigten Staaten   das größte Gläubigerland der Welt, bei dem alle an. deren Staaten tief in Schulden steden. Ob Roo­ sevelt   und seine Mitarbeiter bei der Dollar­abwertung auch gehofft haben, daß die Her a b. feßung der Schulden der übrigen Welt bei Amerika   zu einer Belebung der Handelsbeziehungen führen und damit ebenfalls zur Bekämpfung der Krise beitragen werde, ist nicht sicher. Der Schuldennachlaß, der den ameri­fanischen Schuldnerländern durch die Wäh rungsmaßnahmen Roosevelts zuteil geworden