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Sunuwemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076.

14. Jahrgang

HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

Neue Hinrichtung in Leoben

Graz, 22. August. Vor dem Militärgericht

in Leoben wurde heute nachmittags nach drei­tägiger Dauer der Prozeß gegen die sieben Ange­klagten aus dem oberen Ennstal, die an der Juli­revolte teilgenommen haben, abgeschloffen. Alle Angeklagten wurden nach der Anklage, die auf Hochverrat lautete, schuldig erkannt.

Gegen den Angeklagten Erlbacher hatte der Staatsanwalt die Anklage auf das Verbrechen des Mord es an einem Heimwehrführer ausgedehnt. Auch in diesem Punkte wurde Erlbacher schuldig befunden und zum Tode durch den Strang ver­urteilt. Das Urteil wurde um 17 Uhr 15 verkün= det, die Hinrichtung nach Ablehnung des Gnaden­gesuches nach drei Stunden vollzogen.

Der Angeklagte Ri, der Führer der auf­rührerischen Abteilung und Initiator des Unter­nehmens, wurde zu lebenslänglichem Kerter ver­urteilt, die übrigen Angeklagten erhielten Kerfer­strasen von 10 bis 15 Jahren.

Sieben neue ungarische Regimenter

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Enthüllungen eines Pariser Blattes Paris , 22. Auguft. Der Paris Soir" bringt einen ausführlichen Bericht feines mittel. europäischen Korrespondenten Sicard, der der gc= heimen Rüstung Ungarns gewidmet ist.

Donnerstag, 23. August 1934

Einzelpreis 70 Heller

einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 196

Arbeitszeitverkürzung Der Sinn von Florenz

bei Lohnerhöhung

in der amerikanischen Baumwollindustrie Initiative Amerikas in Genf ?

Washington, 22. August. Die NIRA hat mit Zustimmung des Präsidenten Roosevelt im Rahmen des Baumwollwaren- Code cine Herabsetzung der Arbeitszeit in der Baumwollindustrie von 40 auf 36 Stunden sowie eine 10prozentige Lohnerhöhung be­willigt.

Angesichts des drohenden Textilarbeiterstreiks kommt diesem Schritt eine besondere Be­bentung zu.

Nach einer Reutermeldung aus Washington vermutet man, daß einer der Gründe, warum die Vereinigten Staaten dem Internationalen Arbeitsamt beigetreten sind, das Be­streben war, die Prinzipien der amerikanischen NRA über die ganze Welt zu ver breiten. Man nimmt ferner an, daß die amerikanische Delegation, die nach Genf geschickt werden wird, in diesen Bestrebungen eine entscheidende Rolle zu spielen haben wird.

Man hofft, daß es gelingen wird, auch ander c Nationen zu bewegen, dem Beispiele der Vereinigten Staaten zu folgen und die Arbeitszeit herabzusehen.

Schuschnigg anders als Dollfuß?

Mussolinis und Schuschniggs Entrevue in Florenz hat, wie vorauszusehen war, wenig Ueberraschendes gebracht. In der Stellung Desterreichs zu Italien hat sich nach dem Tode Dollfuß ' nichts geändert, das von Dollfus; be. gründete Vasallenverhältnis besteht unvermin­dert fort. Jedoch ein gewisser neuer Ton, der in den Kommentaren zur Florenzer Entrevue auf­flingt, darf nicht überhört werden. Sowohl in der italienischen wie auch der österreichischen Re­gierungspresse ist auffällig oft erwähnt, daß in der Frage Österreichs alle Mächte einig seien, daß; insbesondere Frankreich und England sich ganz den italienischen Standpunkt zu eigen gemacht haben und daß man auf die Mitarbeit der Klei­ nen Entente im Donauraum durch die Erweite­rung der römischen Protokolle über das Dreieck Italien - Ungarn - Desterreich hinaus rechne. Gleich­zeitig hat auch Bundeskanzler Schuschnigg in einem Interview, das er dem Berichterstatter des

Petit Journal" gegeben hat, erklärt, daß eine Restauration der Habsburger nicht in Betracht käme, daß auch die Frage der Restauration nicht aufgetaucht sei und seiner Freundschaftsreise nach Italien weitere Bespre­chungen mit Frankreich , Ungarn und der Klei­ nen Entente folgen werden. Nun war schon sei­nerzeit beim Abschluß der römischen Protokolle davon die Rede, daß jedermann zur Mitarbeit höflichst aufgefordert werde und man gegen einen Beitritt der Mächte der Kleinen Entente , vor allem der Tschechoslowakei nichts einzuwenden habe. Damals war das aber nur eine leere Phrase, die in der Folge auch von niemandem anders aufgefaßt worden ist. Heute scheint die 2. Die Existenz einer sehr starken(???) Sache doch etwas anders zu sein und es besteht Mehrheit in Desterreich mit entgegenge tein Zweifel, daß man eine Stüßung der römi­setter Tendenz, die bereit ist, im Kampfe schen Protokolle durch die Kleine Entente , also mit dieser umstürzischen Minderheit alle auch durch Frankreich , als wünschenswert ansieht. Opfer zu bringen, Woher stammt nun diese so außerordentlich 3. Die Abkommen der westeuropäischen deutlich dokumentierte Freundschaftsbereitschaft Großmächte zur Wahrung der Unabhängigkeit Mussolinis? Die Antwort fällt nicht schwer. Das Desterreichs. man in Italien und damit auch in Desterreich)

Angebliche Zurückhaltung gegenüber Mussolini und Fühlungnahme mit Paris

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Der Berichterstatter führt aus, daß Ungarn systematisch die Bestimmungen des Friedensver= trages von Trianon verletzte und unter dem Deck: ausführlich mit der Zusammenkunft Muſſolini­Die gesamte europäische Presse beschäftigt sich! mantel von Verstärkungen der Kräfte des Polizei- Schuschnigg. Allerdings sind die Schlüsse und Ver­oder Zolldienstes seine Armee erneuere. So wur- mutungen, die sich an die Zusammenkunft knüpfen, den in der letzten Zeit sieben neue Regije nach dem Lande ziemlich verschieden. menter unter dem Vorwande der Bekämpfung In Pariser politischen Kreisen wird der des Grenzschmuggels gefchaffen, ganz zu schweigen anschließende Besuch Schuschniggs an der franzö von dem ohnehin verstärkten Stande der Gendar- sischen Riviera günstig aufgenommen und die meric. Der Berichterstatter macht auf den militä- Möglichkeit angedeutet, daß Schuschnigg bald a uch rischen Charakter der Organisation der Erwachen nach Paris kommen werde, wohin Barthou Das Wiener Neuigkeitswelt heute die Gunst der Weſtmächte erwerben möchte, den Ungarn und namentlich auf die Luft seinerzeit dessen Vorgänger Dollfuß eingeladen blatt", das bekanntlich dem Bundeskanzler hängt vor allem mit der ungünstigen finanziel rüstung aufmerkſam. Ungarn habe eine mit habe. Man nimmt an, daß diese Einladung ſich nahesteht, unterstreicht wieder, es sei ungewöhnlen Lage Oesterreichs zuſammen. Muſſolini kann modernen Jagd- und Bombenflugzeugen ausge- auch auf Schuschnigg beziehen wird, der für lich auffällig, daß das amtliche Kommuniquce zwar Schuschnigg seinen starken Arm" leihen, rüstete Luftflotte und verfüge über zahlreiche aus eine solche Einladung auch tatsäch ausdrücklich feststelle, daß zu der Unabhängigkeit was er aber nicht kann, das ist, ihm aus seinen gebildete Fliegeroffiziere. lich ein Interesse zeige. und Integrität auch die vollkommene innere durch die ungeheure finanzielle Beanspruchung Nach französischer Auffassung, wie sie das Autonomic Desterreichs gehöre. Mussolini ver- der Bürgerkriegsmonate entstandenen Nöten Tschechoslowatische Presbüro in einer Meldung bürge sich für die Eigengesetzlichkeit des öſterrei aus Paris wiedergibt, habe Schuschnigg in sei- chischen Staatslebens." nen Unterredungen mit Mussolini eine gewisse Zurückhaltung an den Tag gelegt, dic auf die Pariser Reisepläne des Kanzlers zurück- als Stütze des autoritären Regimes zuführen seien. Der Berichterstatter des Paris Soir" schreibt sogar von einem Miserfolg beiterblattes Daily Herald hervorgeho­Von Londoner Pressestimmen sei die des Ar­Mussolinis. Der österreichische Kanzler habe sich ben, der schreibt, in Florenz sei etwas geschaffen in keinerlei Weise gegenüber Italien ver- worden, was große Aehnlichkeit mit einem ita­pflichtet und habe sich für die Zukunft freie lienischen Protektorat über Dester­Hand behalten. Mussolini habe bei Schusch- reich habe. nigg feinen so ideell verwandten Zustand und auch teine ähnlichen Dispositionen beobachtet, wie bei Bundeskanzler Dr. Dollfuß und in lek­ter Zeit bei Starhemberg .

Rußland beruft sibirische Reservisten ein

London , 22. August. Aus Ostsibirien wird gemeldet, daß die dortigen Sowjetbehörden die Reservisten zum Militärdienst einberufen. In hiesigen Kreisen wird die Lage im Fernen Often trotzdem noch nicht als unmittelbar gefahrdro­hend bezeichnet, da vor allem beide Gegner fich noch nicht genug gerüstet fühlen.

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Muffolini halte sich aber keineswegs für geschlagen und werde gewiß bemüht sein, Paris und London von der Nützlichkeit und Not­wendigkeit seiner Politik zu überzeugen.

Nach den Informationen des Berichter­statters des Paris Soir" foll demnächst auch Brag ersucht werden, in diese Kombination einzutreten, und dieses neue Interessennet würde dann sicherlich nach und nach die politi­fchen Streitigkeiten einschränken.

Angesichts der Behauptungen aus japani­scher Quelle, daß die immer mehr um sich grei­fende Unsicherheit auf der Ostchinabahn auf russi­schen Einfluß zurückzuführen sei, der so weit gehe, selbst ganze japanische Munitionszüge in die Luft sprengen zu lassen, ist eine Weldung der Telegra phenagentur der Sowjetunion aus Chaba­ rowsk von Interesse, wornach die Verwaltung der Ostchinabahn, um dem Kommando der man dschurischen Schußtruppen entgegenzukommen, be­reits am 10. August drei spezielle Halbpanzerzüge formiert habe, die für den Verkehr in den von Eisenbahnanschlägen in der Ostlinie der Bahn be­troffenen Bezirken bestimmt sind und stets mit fahrbereiten Lokomotiven versorgt waren. Diese Die italienische Presse unterstreicht die un­Panzerzüge wurden jedoch während dieser Zeit verkennbare Spizze gegen die Einmischung Hitler­lein einzigesmal von den mandschurischen Schuß- deutschlands in die österreichischen Verhältnisse. truppen weder als Zugssicherung noch zum Kampf die offizielle Nachrichtenagentur Stefani faßt gegen die chungusischen Räuberbanden verwendet. als Resultat der italienischen Presseinformationen Diese Tatsache wirft, wie der ruffische Bes folgende drei Punkte zusammen: richt feststellt, ein gewisses Licht auf die Frage, wer in Wirklichkeit die Schuld an der Nichtergrei fung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Zugs­entgleisungen auf der Oftlinie der Oitchinesischen Eisenbahn trägt.

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1. Die Existenz einer agreffiven politischen Minderheit in Dester­reich, die bestrebt ist, das gegenwärtige Regime zu stürzen und mit Hilfe des Auslandes den Anschluß vorzubereiten,

Italienisches Militär

helfen. Die Konvertierung der Genfer Anleihe, die für Desterreich von überragender Bedeutung ist, bereitet der österreichischen Regierung einige Sorgen. Und immer noch), wenn in Desterreich Finanzverhandlungen vor der Türe standen, hat ausgesprengt. So auch diesmal. Für die innere man Versöhnungsgerüchte nach allen Seiten hin Politik werden liebliche Versöhnungsschalmeien geblasen, die von Amnestie und ähnlichem ſingen, für die Außenpolitik Freundschaftsreisen" nach allen Himmelsrichtungen vorbereitet. Bis die finanzielle Sicherung Desterreichs wieder einmal vollzogen ist, wird man schon wieder andere Dinge zu hören bekommen.

Italien verpflichtet sich, nicht nur Dester­reich gegen einen Angriff von außen her bei­zustehen, sondern auch alle Mittel anzuwenden, um den Sturz der jchigen Diftatur in Dester­reich mit friedlichen Mitteln oder mit Gewalt Das ist die eine Seite der Sache. Die andere zu verhindern. Falls die Regierung Schusch aber ist, daß man trotz aller Beteuerungen von nigg von einer solchen Gefahr bedroht werde, seiten Mussolinis, man sei in Frankreich noch dann verpflichte sich Italien , zu ihrer Unter- niemals mit ihm so zufrieden gewesen wie jetzt, ſtützung die italienischen Truppen über die nach wie vor, sowohl in den Ländern der Kleinen Grenze zu schicken. Um den Schein zu wahren, Entente, wie aber auch in Frankreich selbst, der würden diefe Truppen offiziell unter österrei=

chischen Befehl gestellt werden. Es verlautet, Desterreichpolitik Mussolinis nur mit dem aller­daß diese Vereinbarung in einem formell un- größten Mißtrauen gegenübersteht. Es ist sehr terschriebenen Pakt enthalten sei. Die österrei- übel vermerkt worden, daß sich Mussolini wäh­chische Regierung werde mit einem Wort im rend der Julitage in Desterreich mit der Beset­Innern wie nach außen hin völlig abhängig zung der Grenzen und der Mobilisierung seiner von der italienischen Unterstützung sein. Sie Nordarmee gar so becilt hat und man hegt vor werde zu einer Vafallen- Regierung, de- allem in Jugoslawien sehr ernste Besorgnisse für ren Innen- und Außenpolitik von Rom fon- einen fünftigen Parallelfall. In den Wochen

trolliert werde.

Wohl mit Recht verstimmt ist über das Flo­rentiner Stommuniquee aber Berlin , das noch mals bestätigt erhielt, daß Mussolini jede deutsche Einmischung in die inneren österreichischen Ver­hältnisse auf das schärfste zurückweist.

nach dem 25. Juli war der Draht zwischen Pa­ ris , Belgrad und Prag nicht ruhig geblieben. Man ist sich in Paris und in den Ländern der Kleinen Entente durchaus bewußt, welche unge­heure Gefahr für den Frieden das völlige Aus­liefern der Donauraumpolitik an Mussolini be.