«r. 1-97 Freita«, 24 August 1934 .«eitz-5 Vom Flugwesen in Sowjetrutzland Wer hat das Meteor gesehen- Die Stefänik» PdlkSstemwarte in Prag «Pctkin erhielt einige Mitteilungen über die Beobachtung eines großen Meteors am Montag, de» 20. August, um 19.80 Uhr. In Prag wurde dieses Meteor am nordwestlichen Himmelssektor beobachtet und war daher im Erzgebirge sehr.gut sichtbar. DaS Meteor leuchtete im hellblauen Licht und seine Lichtspur war noch einige Minuten nach dem Vorbeiflug sichtbar. Die Sternwarte ersucht die Beobachter, ihr gefälligst Mitteilungen über Einzelheiten(Flugrichtung und die Höhe der Erscheinung in Graden über dem Horizont) zukom- men zu lasten. Ermäßigte Eiseniahn-HalSjahreSkarten. Der Bund der Vertreter und Reisenden, Fachgruppe im Vlgeiminen Angestellten-Berband,• Reichcnberg, Lurnerstraße 27, verweist darauf, daß für organisiert« Geschäftsreisende und Vertreter die ermäßigten Eisenbahn-Halbjahreskarten mit Geltung ab 1. Oktober ausgegeben werden und bei Besorgung durch die Organisation ein Sondernachlaß von fünf Prozent bewilligt wird. Al- neue Begünstigung steht den Besitzern von Eisenbahn-Jahres- und Halb- jahrc-karten eine-Sprozentige Fahrpreisermäßigung auf den StaatS-AutobuSlinien innerhalb des Direk- tionSbereicheS der Eisenbahn-Jahres- oder Halb- jahreSkarten zu. Nähere Auskünfte über die Preise und Bedingungen erteilt derBundderVertre« ter und Reisenden, Fachgruppe im Allgemeinen Angestellten-Verba» d» Reichenberg, Tu rn er st raße 2 7. In den Pulverwrrkrn der Herkulds-Powder- Lompagny(New Dersey), in denen rauchloses Pulver hergestellt wird, ereignete sich aus noch nicht bekannter Ursache eine Explosion. Ein Arbeiter fand den Tod, vier erlitten schwere Brandwunden, viele wurden leicht verletzt. Das infolge der Explosion zum Ausbruch gekommene Feuer bedrohte zeitweilig ein nahegelegenes Dynamitlager. Dublin ohne Zeitungen. Die streikenden Drucker und Setzer der irischen Hauptstadt Dublin haben das von den Verlegern gemachte Angebot einer Lohnerhöhung von 4 Schilling 6 Pence pro Woche abge- lehnt. Dublin bleibt also bis auf weiteres ohne Zeitungen. Matrosm-Lufstände. Wie»Daily Expreß " aus Port Darwin in Nordaustralien meldet, sind auf dem kleinen Kreuzer„Moresby ", der im Vermessungsdienst verwendet wird, mehrere Fälle von Gehorsamsverweigerung vorgekommen. Dem Blatte zufolge begannen die Zwischenfälle damit, daß ein Unteroffizier-von einen Matrosen tätlich angegriffen lourdc. Der Matrose wurde darauf in Fesseln gelegt, die Besatzung ergriff jedoch für ihn Partei. Sie schloß sich in der Mannschaftsmesse ein und weigerte sich, den Raum zu verlassen, bevor dem Verhafteten die Fesseln abgenommen seien. Da«'äuslralisSie'Marine- amt hat nunmehr dem Fahrzeug'»MoreSU""' Befehl «geben, nach Fremantle zu gehen, wo das Schiff sich dem Kreuzergeschwader unter Befehl de» Kontre« Admirals Ford anschließen soll. Hiedurch soll die Möglichkeit geschaffen werden, nötigenfalls ein Kriegsgericht abzuhalten, denn in den australischen Gewässern befinden sich nicht genügend Seeoffiziere, um ein solches zufammenznstellen.— Auf einem vor Cartagena vor Anker liegenden spani schen Kriegsschiff wurde eine„kommunistische" Perschwörung entdeckt, die auch auf anderen-Krieg-- schissen vorbereitet war. und am IS. September loS« schlagen sollte. Zahlreiche Matrosen und auch einige Lstiziere wurden verhaftet. WaS kostet ein Telephongespräch mit Para- lpiay? Auf Grund einer Einvernehmens mit der veut- schen Postverwaltung wird mit Geltung vom 20. August 1VS4 der Telephonverkehr zwischen der Tsche« choslowakci und Paraguay über Berlin eingeführt. Für diesen Verkehr sind in der Tschechoslowakischen Republik alle Orte, in Paraguay einstweilen nur die Sprechstellen und Teilnehmerstationen des Lokalnetzes in Affuncion zugelassen. Die Gespräche können in der Zeit von 18 bis 20 Uhr mitteleuropäischer Zeit geführt werden. Die Gebühr für ein Dreimtnuten« gespräch beträgt KL N81.28. Die Anmeldegebühr I« 110.—. f Das Fallschirmabspringen in der Sowjetunion Seit dem Jahre 1033 ist der Fallschirmabsprung in der Sowjetunion nicht bloß ein Spezialfach, das zur Ausbildung des Fliegers gehört, sondern auch eine Sportart, die sich bei der Sowjeijugend großer Beliebtheit erfreut. In Moskau wurde sogar eine Ho ch s ch u l e zur Ausbildung von Fallschirmpiloten errichtet. Zirkel für Liebhaber des Fallschirmabsprunges wurden fast in allen Gegenden der Sowjetunion gegründet. Sowjetspezialisten haben eine verbesserte Fallschirmkonstruktion geschaffen. Der älteste Fallschirmkonstrukteur der Sowjetunion ist der Erfinder Kotelnikow. Schon im Jahre 1012 baute er seinen ersten selbsttätigen Fallschirm für Luftschiffe. Nach dem Bürgerkriege konstruierte Koiel« nikow einen selbständigen Fallschirm für Flugzeuge. Zu den hervorragendsten Konstrukteuren der Sow>et- union gehören ferner B l a g i n und Gr o ch o w« skij. Letzterer baute binnen kurzer Zeit eine ganz« Serie verschiedenartiger Fallschirme für den Abwurf von Postsäcken und Frachten und für den Absprung von Menschen. Er erbaute auch einen speziellen Turm für das Training angehender Fallschirmpiloten. In den Jahren 1032/34 haben sowjetrussische Fallschirmpiloten mehrere Weltrekorde aufgestellt. Am 17. Juli d. I. sprang der Fallschirmpilot Jewdokimow aus einer Höhe von 8100 Meter av und öffnete den Fallschirm erst in 200 Meter über dem Erdboden, 7000 Meter legte er somit in freiem Fall in 142 Sekunden zurück. Am 0. August d. I. stellte die sowjetrussische Fallschirmvilotin Buschujewa im Fallschirmabsprung mit späterem Oeffnen de» Fallschirmes einen Weltrekords Ur Frauen auf- Sie sprang aus 2000 Meter Höhe ab und öffnete den Fallschirm erst 400 Meter Über dem Erdboden. Am 10. August sprang Buschuiewa abermals, und zwar diesmal aus einer Höhe von 2800 Metern ab und öffnete den Fallschirm erst in 800 Meter Höhe über dem Erdboden. Der Fallschirmpilot K a j t a n o w hat bereits 100 Fallschirm- absvr iing« ausgeführt, und zwar unter den verschiedensten Witterungsverhältnissen. Mehrere AbZettungen im Kaffeehaus Als Zeitungsmann, den das»Erwachen des österreichischen Menschen" aus seinem Wirkungskreise und aus seinem Heim Vertrieb, kam ich nach Prag . WaS tut der Wiener auch in Prag ? Er verbringt die unfreiwilligen Mußestunden im Kaffeehaus. Zeitunglesen in einem Prager Kaffeehaus in diesem Gommer des Mißvergnügens ist für den österreichischen Sozialisten ein Erlebnis von allcr- größtem Eindruck. Besonders dann, wesin seit deny letzten Tag üü"„Cafö Senträl" nürwenige Wochen vergangen sind.' Wollte man vor dem etwas gewaltsamen »Erwachen Oesterreichs" ein ungefähres Bild des politischen Geschehens erhalten, dann mußte man schon so ziemlich alle großen Wiener Blätter durchgehen. Wir vom Bau bekamen ja die„Arbeiter- Zeitung " noch druckfeucht in aller Frühe. Zum Frühstück kamen also in der Reihenfolge rosa— schwarz—braun. Zunächst der„Tag", dann das „Extrablatt",„Tagblatt",„Presse", dann die „Reichspost" dran. Nach diesem„Tageblatt für das christliche Volk" war einem so schwarz zumute geworden, daß man unwillkürlich zu den braunen„Nachrichten" und der„Döh" greifen muhte— und dann wieder aufatmend nach der „Arbeiter-Zeitung " langte. Man hatte ja über die gesamte Wiener Presse seine eigenen Ansichten, mußte aber zugeben, daß sie im großen und ganzen„gut gemacht" war, und wenn man sie durchgelesen hatte, wußte man so ziemlich, wie die Untertanen Dollfuß ' dachten und fühlten. sprünge führte Kajtanow in Gasmaske, im feuersicheren Anzug und bei verschiedenen Stellungen de« Flugzeuge« in der Luft aus. Auch Fallschirm ab sprüngein» Wasser haben fowjetrussische Fallschirmpiloten Wiederholt mit Erfolg ausgeführt. Ruffische« Segelflugwesen In der Sowjetunion gibt es über 28.000 Segelflieger. Das fowjetrussische Segelflugwesen wird von der Osoaviachim geleitet, die m Kok tebel und Moskau Hochschulen für Segelflug errichtet hat. In diesem Jahre stellten die sowjctrussischen Segelflieger mehrere neue Rekorde auf. Verbreitet ist in Sowjetrußland da« Segelfliegen im Schlepptau eine« Motorflugzeuges. So vollführte das Flugzeug „P—5" mit drei Segelflugzeugen im Schlepptau den berühmten Flug Moskau —Koktebel ; die 1270 Kilo- meter lange Strecke wurde in acht Stun- den 40 Minuten zurückaeleat. Die Besatzung dieses„fliegenden Zuges" stellte damit einen neuen Weltrekord für den Gruppenflug auf. Zum erstenmal in der Welt ist e» dem Aeroklub in Samara gelungen. mit einem fliegenden Motorflugzeug mittel« eine« Schlepptaues ein S ege l f l u g« zeug von der Erde aufzunebmen. In diesem Sommer stellten sowjetrussische Segelflieger auch einige Rekorde im Dauerflug auf. So hielt sich der junge sowietrussische Segelflieger Simanow 85 Stunden 11 Minuten in der Lust. Unter den sowjetrussischen Segelflugzeug-Konstrukteuren zeichnet sich besonder- Gribowskij au-. Alljährlich findet in Koktebel (Krim )«in Unionstreffen der Segelflieger statt. Auf dem vorjährigen Treffen wurden sieben neue Weltrekorde und fiinf Unionsrekorde aufgestellt. Das diesjährige Unionstreffen findet am 1. September statt. Es sind hiezu zehn neue Rekord- Segelfiugzeuge aus Moskau und acht neuartige Segelflugzeuge, darunter zwei„schwanzlose", aus der Ukraine angemeldet. Der Zentralrat der Osoaviachim bat zu dem Treffen 15 Seaelfiugzeuge verschiedenster Konstruktion heranSgebracht. darunter ein Schwin- aensegelflugzeug Tscheranowstija. da« für Experimen- talzweckc bestimmt ist. DaS war so bis zum vorjährigen März. Dollfuß ließ der Ruhm seiner fascistischen Nachbarn keine Ruhe. Einen dritten, den„Austro- fasciSmnS", mußte Starhemberg erst zurechtleimen. So weit war man 1933 noch nicht. Was war naheliegender, als die hehren Vorbilder einstweilen treulich zu kopieren? Wir erinnern uns ja noch so gut der vier« bis fünfmaligen Konfiskation in der Woche, wir haben das Kolportage- Berbot und die„verschärfte Borlagepflicht" noch nicht vergessen— und werden sie nicht vergessen. Immerhin, auch nach dem Verbote der Nazi wagte man sich an die„Arbeiter-Zeitung, " noch nicht so recht heran? Ermuntert vom Hvchklerüs, der seine Zeit schon vorausfühlte, wollte man un» durch solche Schikanen umbringen. Unsere Auflageziffer bewies den Gegnern, wie sehr sie auf dem Holzwege waren. So unbezwinglich unsere Genossen waren, wenn e- galt, Opfer an Geld, Zeit und Arbeitskraft zu bringen— den Haubitzen Feys, den Maschinengewehren der Starhemberg-Trabanten mußten wir— für jetzt— weichen. Vierzig Jahre Aufbau unserer Zeitung sanken— für jetzt— in Trümmer. WaS Hitler immerhin Monate an Zeit und ein bißchen geistige Anstrengung gekostet, war in Wien ein Werk von zwei Tagen. Noch donnerten in Ottakring und Floridsdorf die Kanonen, noch waren die Wunden der Kämpfer nicht verbunden, als auch schon die„Linkspresse" auf dem Boden lag. Wir mußten ins Landesgericht, die„Rosaroten" kapitulierten. Will man wissen, wie eS heute um die gleichgeschalteten Wiener Zeitungen steht, dann mache man ein kleines Experiment: Man höre am Abend am Radioapparat die Tiraden des Wiener Göbbels IGEtENKET btl aflan Anlässen der Arbeiter! tlrsorgel und lese dann am nächsten Tage das, was sich einst, vor wenigen Monaten noch, die„freiest« Presse Europas " nannte... Zeitungslesen in Pragl Wie unbeschwert fliegen die Gedanken von hier in hie Welt-. Ich erfahre nun wirklich, was in der Welt- vorgeht. — Wie erkennt man hier schaudernd, welchen geistigen Bleikammern man in Lundenburg den Rücken kehrte! In meiner Freude über die Demokratie und die Gedankenfreiheit in diesem letzten Bollwerk der Demokratie in Mitteleuropa drängt es mich, den hiesigen Genossen zuzurufen, sich dieses kostbaren Besitzes ganz bewußt zu werden und ,ihn zu nützen auch für unsl Vergeßt nicht, daß ihr es seid, die unseren eingekerkertcn und verfolgten Genossen im Reiche der Schuschnigg-Fey-Starhemberg den Glauben an die Zukunft erhalten müssen! Denkt daran, welche Kraft dort notlvendig ist, unsere- Ueberzeu« gung rein zu bewahren. Wisset, daß in Oester reich heute eine geschmuggelte Nummer Eurer Presse als kostbare Reliquie nur ganz Treuen und Zuverlässigen anvertraut werden kann. Denkt daran, daß diese au« jedem Worte, den alten Kampfgeist neu kräftigen, und werdet nicht müde, so viel und so oft wie nur möglich unseren Genossen zu sagen, daß nach der Zeit des Galgens und des Kerkers unsere Zeit kommen wird, kommen muß. St. F.’ Bautätigkeit im ersten Halbjahr 1934 Nach den dem Statistischen Staatsamte aus 87 größeren Städten zugegangenen Berichten wurden während des ersten Halbjahres 1934 in diesen Städten 776 Umänderungsbanken beendet, d. i. um 186 Bauten weniger als in der gleichen Zeit des Vorjahres, und 932 Neubauten kollau- diert. Gegenüber dem ersten Halbjahr 1933,' in dem 1479 Neubauten beendet wurden, bedeutet dies einen Rückgang um 37 Prozent. Der Zugang an Wohnungen infolge dieser Bauten ist sogar um die Hälfte geringer als im Vorjahre(im Vorjahre 6626, heuer 2749 Wohnungen). Abtragungsbewilligungen wurden für die gleich« Zahl von Gebäuden(68) wie im Vorjahre erteilt. Die im ersten Halbjahre 1934 beendeten Baaten'ckenNzeichnep eher das Ende der vergangenen, als den Anfang der neüän^Säison. Jedoch nicht einmal in den Angaben über die Zahl der Baubewilligungen, die im ersten Halbjahr' 1984 erteilt wurden, zeigen sich günstigere Aussichten der Bautätigkeit als im Vorjahre. Die Zahl der Neubauten, die in der zweiten Hälfte des Vorjahres bewilligt und größtenteils heuer durch« geführt wurde», war um 28 Prozent kleiner als im Jahre 1932 und auch die Zahl der Baubewilligungen für Neubauten aus dem ersten Halbjahr 1984 ist noch um etwas niedriger als im Vorjahre(im Vorjahre 2091, heuer 1941). Ein Lichtpunkt in dieser Bilanz bleibt einerseits eine gewisse Zunahme im Ausmaße der projektierten Neubauten(in 86 Städten mit Ausnahme von Prag , im Vorjahre 1413.4, heuer 1687.6 Tau« send Quadratmeter verbaute Fläche, die eine Aussicht auf einen größeren Verbrauch von Baumaterialien gibt und andererseits die Zahl dpr Baubewilligungen für Um-, Zu« und Aufbauten, die offensichtlich unter dem Einfluß der zu erwär« tenden Steuernachlässe um 16 Prozent gestiegen ist(von 1681 für das erste Halbjahr 1933 aus 1837 im Jahre 1934). Polnisches Gefängnis Es war alles in allem ein schönes, modernes Gefängnis, in das uns der polnische Polizist an einem regnerischen Julitage einlieferte. Wir hatten uns nun fast zwei Monate wandernd in Polen aufgehalten und knapp vor der Grenze hatte man uns nun doch erwischt. Im Protokoll hatte der Polizeibeamte eingefügt: „Illegaler Aufenthalt und wahrscheinlich illegale politische Betätigung." Ich spreche genug politisch, um das lesen zu können. Und-der Herr Richter verdonnerte uns zu zwei Wochen Arrest. „Wenn Ihnen das nicht gefallen sollte, können Sie appellieren!" Ich beteuerte, daß es mir sehr gefällt, denn ich kenne die„Schnelligkeit" de» Berufungssenates in politischen Angelegenheiten zur Genüge von Oesterreich her. Der Richter, der die Ironie aus meinen Worten nicht herauShürte, ließ uns abführen. An der Gefängnispforte stand ein ebenso arroganter, wie dicker Portier,, mit einer riesigen Medaille an der wattierten Heldenbrust., Fast alle Portiere an diesen und ähnlichen Anstalten sind dick und arrogant und haben wahrscheinlich auch deswegen die großen, glänzenden Medaillen. Ich grüßte „Dzien dobrh" und mein Freund, der polnisch überhaupt nicht und deutsch nur in seinem Heimatdialekt sprach, murmelte etwas wie„Habe die Ehre."—„Können Sie nicht grüßen" brüllte ihn der Portier an. Run wagte mein Freund noch zu sagen, er könne nicht polnisch, worauf der freundlich« Torwart um ein Register stärker loSbrüllte: „Dann grüßen Sie deutsch. Sie Idiot, ich kann zehn Sprachen und Sie glauben Nrit-Jhrem blöden Dialekt hier frech sein zu können!" Run wär der Dialekt gewiß nicht„blöder" als irgendein polnischer Dialekt und«mein Freund nicht frecher als ein Waisenknabe.- Aber wer könnte eS wagen, einem dicken- Gefängnisportier-zu widersprechen? Er warf uns noch einen wütenden Blick zu und wir würden in die gelle geführt. Man hatte unS alles weggenommen bis auf ein-paar Zigaretten und- ein Fünf-Zlotystück, welches ich im Schuh verborgen hatte, weil ich-wußte, daß man für Geld in allen Gefängnissen alles haben kann. UnserGastspiel in der Zelle aber hätten wir uns doch anders vorgestellt. Ein Krimineller, ein-internationaler Taschendieb, der noch-drei Jahre abzusitzen hat, führt« da» Kommando in der Zelle, in welcher sonst" noch ein Grenzläufer und Keine Schmuggler einquartiert sind. Jeder Neuankommende hat Zigaretten ; oder mitgebrachten Proviant sofort an den Zellenkommandanten abzugeben, der es. halbiert und die ^Hälfte davon eventuell— dem Neuling zurückgibt. Wer die» nicht tut, dessen Strafzeit wird zu'einer Hölle. Keine« der polnischen Justizbeamten kümmert,sich.um die interne» Angelegenheiten der Zelle. Unumschränkter Herr ist dieser Kriminelle, der alle» haßt, was nur vierzehn Tage oder drei Wochen zu sitzen braucht, mit der sadistisch verbogenen Grausamkeit eines schon lange Jahre der Freiheit Beraubten. Er beansprucht eine volle Hälfte der Zelle für sich und in die andere Hälfte müssen sich die vierzehn, manchmal auch achtzehn (anderen Häftlinge teilen. Obwohl diese Zimmergrenze, unsichtbar ist, nur gedacht, wagt eS keiner von den„Bauern", wie sw der Zimmerkoman- der nennt, sie zu übertreten. Er fliegt unfehlbar auf die„Plebejer-Seite", wenn er es wagt, an d«n Tisch oder die Brotstellen heranzutreten. Nur einer-war dort, ein„Fachkollege" des Koman» der», der es sich leisten konnte, sich während de» Tage»' hinzulegen oder zu lesen. Ein armer vol« nischer Tippler,.der auch wegen Grenzübtrtritt saß, nahm in Unkenntnis der Sachlage ein Buch vöm, Brotstellen herunter, in der. Meinung, die Bücheii seien, für alle Gefangenen da. Eine fürchterliche Ohrfeige vom Komander-beförderte den armen Teufel wieder zu uns herüber, wo ex auf -eine Bank taumelte.„Ich will dich lehren, ohne Exlaubnis ein Buch zu nehmen!" grinste der Komander.„Kommst du und sagst du: prosim, Pan KoMmander, ein Buch möcht' ich haben, dann bekommst du ein Buch. Vielleicht bekommst du eS dann oder vielleicht auch nicht."— Dann kam er auf mich zu. Ich sagte ihm, ich könne nicht polnisch. „Na, wird Sie.halten Ordnung auf Zelle, dann Sie habt e» gut, sonst"— er sah nach dem geschlagenen Burschen hin.— Mein„Dienst" bestand darin, zweimal des Tages den Klösettkübel auszuleeren, während mein Freund den Spück- napf zu reinigen hatte. Ich dachte: 28mal den Kübel raus, den Kübel rein, dann bin ich frei! Sin anderer hatte den Fußboden zu fegen. Das war Strafarbeit, harte Strafarbeit. Nur immer einen Zentimeter weit durfte der Kehricht geschoben werden, und aus jeder Bodenfuge mußte der Staub mit einer alten Zahnbürste geholt werden. Wehe dem, der di« Sache zu leicht nahm! Er kam den ganzen Tag nicht von den Knien hoch. War er nach seiner Meinung fertig, dann zündete der Komander" einen Fetzen Papier an und zer streute die Asche auf dem Boden, find der arme Teufel, der die„Bodentour" hatte, mußte von vorne beginnen. Ilm sich an intelligenteren Leuten sein Mütchen zu kühlen, wurde das bekannte „Schinkenschlagen" gespielt. Man steckt den Kops in den Schoß eines sitzenden Häftlings, meisten» des„Fachgenossen" des KomanderS, und die anderen müssen zuschlagen. Bis der Geschlagene den Schläger errät. Ist ein Neuer gekommen, dann schlägt nur der„Komander". Und wie! Schwer saust seine riesige Hand auf den armen Hinterteil des Gebückten. Ich habe starke Männer unter seinem Hiebe zusamnicnsinken sehen. Den ganzen Tag ist man in Angst vor irgendeinem Perversen Einfall des Zellendespoten. Den einen läßt er unter den Tisch kriechen, wo er dann zehn Minuten wie ein Hund bellen muß. Den anderen läßt er mit dem Klosettkübel in der Zelle herumlaufen und er muß dabei fortwährend „Lody " rufen. Es ist häßlich und erniedrigend, alte Männer so tyrannisiert zu sehen von diesem Menschen, der längst reif für eine Irrenanstalt wär«... Wir hatten es doch einigermaßen besser. Denn„Ausländer und meine Kollegen Taschendieb hat gut bei mir, nur dies verfluchte„Bauer"— damit meinte er alle die kleinen Schmuggler und 'Grenzläufer,„die mußt robot"., Aber auch diese vierzehn Tage gingen vorüber und mit einem unendiich wohligen Gefühl überschritten wir die Brücke, die' zugleich die tschechoslowakisch-polnische Grenze' bildet. Ganz leise sprach ich das Wort„Freiheit" vor mich hin, und ich glaube, daß ich kaum je vorher seinen Sinn > so zu würdigen wußte.
Ausgabe
14 (24.8.1934) 197
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