Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI
IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRG- XI.,. ROCHOWA 62. TELEFON: 53017. ADMINISTRATION TESEPO- 53026. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
14. Jahrgang
Der erste Ministerrat
Budget noch nicht verhandelt
( Prag .) Montag hat der erste Ministerrat nach den Ferien getagt, der sich jedoch nur mit dem Aufarbeiten der über die Ferien aufgestapelten Aften, nicht aber mit politischen Dingen befaßte. Auch die Frage des Budgets wurde heute noch nicht angeschnitten. Es heißt in dem amtlichen Kommuniquee, daß die Aufstellung des Budgetentipurses in den nächsten Tagen in Angriff genommen und in Beratungen der wirtschaftlichen und politischen Minister geeignete und notwendige wirtschaftliche Maß= nahmen durchberaten werden sollen.
Zugestimmt wurde der Fortsetung der Ernährungs- und Milchattion für Arbeitslose und die hiezu notwendigen Mittel bewilligt.
Außerdem wurde eine Reihe von Abkommen mit ausländischen Staaten genehmigt. Zum Vertrag mit Desterreich über die Regelung der alten Kronenverbindlichkeiten namentlich in bezug auf die Erleichterung aus Einlagebüchern wurde die Durchführungsverordnung genehmigt.
Sechs Todesopfer
des Madrider Proteststreiks
( Madrid .) Der vierundzwanzigstündige Streif in Madrid ist beendet, doch besteht die Befürchtung, daß der Streit noch in einigen Gewerbezweigen fortgefeht werden wird. Die Gefamtzahl der getöteten Personen beträgt fechs. Berlegt wurden 18 Personen, davon vier schwer.
Dienstag, 11. September 1934
Dr. Beneš vor dem Völkerbundplenum
( Gen f.) Montag vormittags hielt das den Völkerbund gelangen. Die Verbindungen, die Bölkerbundplenum seine Eröffnungsfikung ab, in der Völkerbund zwischen den Nationen angeknüpft der Dr. Benes als Ratsvorsitzender den Vor- habe, könnten nicht wieder zerschlagen werden fit führte. Nach der Wahl des schwedischen Außenministers Sandler- eines Sozialdemokra= tenübernahm diefer den Vorsitz im Plenum.
Dr. Beneš hielt eine vom Plenum mit gro= er Aufmerksamkeit angehörte Eröffnungsrede, in der er eine eingehende Analyse der Schwierig= teiten gab, die der Bölkerbund noch zu überwinben haben wird.
Die Welt gehe durch eine so schwere Krise, daß jie nur mit den größten historischen Krisen, die jemals die Menschheit betroffen haben, verglichen werden könne.
Heute herrscht eine Krise des Dentens, eine mo= ralische Krise, cinc Krise des Glaubens, eine Weltwirtschaftskrise, eine Krise der politischen und sozialen Regime, eine tiefe Krise der internationalen Beziehungen, weiters Kriegsgefahr, verschiedene Revolutionen, allgemeine Unruhe und Unsicherheit dabor, was morgen sein wird. Und schon eine so ungünstige Atmosphäre selbst führt die Mehrheit der Menschen zu einem noch größeren Peffi= mismus, als zu welchem die tatsächlichen Verhältniffe des heutigen Völkerbundes berechtigen.
Zu den unleugbaren Passiven des Völlerbun= des gehört das fürzliche Verlassen Genfs durch atvei Großmächte, die ständige Mitglieder im Rate maren, Japan und Deutschland . Es liegt am Völlerbund, folche Stöße auszuhalten.
Er muß das Vertraueninsein eigenes Shidal haben und die Abwesen
Proteststrelk der belgischen eit eines oder des anderen großen Mitgliedstaates Bergarbeiter
( Brüffel). Die außerordentliche Kongreßversammlung der Bergarbeiter beschloß einmütig, zum Zeichen des Protestes gegen die Lohnherabsegung ab Montag den allgemeinen Streit zu beginnen.
Reichswehr ,, angriff" in Nürnberg
Der imaginäre ,, Feind" geschlagen
( Nürnberg .) Der letzte Tug des Reichsparteitages der NSDAP . war der Reichs= wehr vorbehalten. Vor dem Reichswehrminister General von Blomberg und dem Reichskanzler Hitler fanden militärische Vorführungen statt, denen eine Viertelmillion Zuschauer beiwohnte. Auf der Ehrentribüne sah man u. a. die Reichsminister, die Staatssekretäre und fast alle höheren Partei-, S.- und SS.- Führer.
Ueber die Vorführungen schreibt das DNB.: „ Wenn auch die räumlichen Ausmaße eine dem Ernstfall entsprechende Situation nicht aulicßen, so erweckte das Kampfbild doch einen klassischen Ein
druck der Schlachtentwicklung vom leichten Schar müßel bis zum wirklichen Großkampf.". Natürlich wurde lezten Endes die feindliche Artillerie zum Schweigen gebracht" und der Feind verließ fluchtartig das zerschossene und brennende Gehöft. Aber er wagte noch einen lezten Borstoß mit seinen Tantwagen, denen nun die eigenen Minen oder auch das wohlgezielte Feuer der unmittelbar hinter der angegriffenen Artillerie aufgefahrenen leichten Artillerie zum Verhängnis wurde. Unter Hurra war die so heiß umtämpfte Stellung genommen."
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( London .) Die Times" berichtet aus Tofio, daß der Haushaltsvoranschlag des Kriegsministeriums mit seinen 626 Millionen Yen all
Ich weiß, erklärte Dr. Beneš, daß man mancherort manchmal befürchtet, daß ein Krieg ausbrechen wird, daß man glaubt, daß der Krieg bereits über unseren Häupten schwebt. Wenn ich aber alles prüfe, so bin ich der Ansicht, daß ch auch weiterhin wahrscheinlich ist, daß der Krieg heute teine unabwend= bare Schicksalhaftigkeit ist, daß die verantwortlichen Staatsmänner und Führer der heutigen Welt mehr denn je die gegcineten Mittel zur Verhinderung des Krieges in ihren Hän ben haben, daß es mehr denn je notwendig ist, in die Welt zu schreien, daß die Verantwortung für einen Krieg den verantwortlichen Staatsmännern der betreffenden Länder zufällt und daß man den Mut haben müffe, dies lant zu sagen und unbarmherzig auf diese Verantwortlichkeit binzutveifen.
Ich weiß ebenso, daß wir uns in einer Epoche innerer politischer, wirtschaftlicher und sozialer Zerrüttung in einer bedeutenden Zahl von Staaten befinden, daß diese Epoche aller Wahrscheinlichkeit nach fich noch lange hinziehen wird und daß infolgedeffen wahrscheinlich die ganze heutige Generation dazu verurteilt ist, einem langen, traurigen und schmerzlichen Kampfe um eine langfame und allmähliche Rekonstruktion des heutigen wirtschaftlichen, fozialen und politischen Lebens der Welt zuschen.
Die Menschheit sei aber schon einigemale durch muß für den Völkerbund mir die Bedeutung haben, ähnliche Erfarungen hindurchgegangen. Der Etappe daß er im geeigneten Augenblick Vorbereitungen der Niedergedrücktheit und der Erschöpfung folgte trifft, damit von neuem die Zusammenarbeit im psychologischen Augenblick ein langsamer, aber mit den verlorenen Söhnen aufgeschmerzhafter Vormarsch zu allmählicher Normalisierun. Diese Periode könne man nommen werden kann. Zu den Passiven des Völkerbundes ist auch der diesmal, was die politische Lage und die Entwidlung gegenwärtige Stand der Angelegenheiten im Fer- des Völkerbundes betreffe, in den nächsten nen Osten zu zählen. Jahren erreichen, wenn wir fest entschlossen seien, dem Kriege entschlossen mit den für die heutige tritische und belegte Zeit geeigneten Mitteln auszuweichen, wenn wir bereit sind, mit allen Mitteln alle positiven und konstruktiven Kräfte zu unterstüßen, die wir um uns herum schen.
Wenn die Tätigkeit des Böllerbundes keine vollen Erfolge gebracht hat, und zwar wegen der Berhältnisse, die in einzelnen Teilen der Welt herrschen, wenn außerdem diese Fälle für die Gen fer Institution die schwerste Prüfung waren, befteht ein Zweifel, daß auch diese Fälle bewiesen
haben, daß wer immer in der Zukunft an folchen Ständiger Ratssitz
Ereignissen in anderen Gebieten, z. B. in Europa e schuld sein wird, entweder für sich notwendigerweifebirette Sant. tionen zahlreicher Mitgliederstaaten des Völkerbundes herbeizuführen oder eine nie.
gesichert
( Genf .) In der Montags- Abendfihung derschmetternde Berantwor. des Nates wurde schließlich nach einem Meinungstung für das volltom mene austausch der einzelnen Delegationen Rußland Berschwinden be8 It ein ständiger Sitz im Bölferbundsrat acfichert.
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#ubes und für die Entfeffe Dieser Beschluß bleibt allerdings vorläufig ein lung einer beifpiellofen allge- Brovisorium, weil vorher erst die effektive Aufmeinen Ratastrophe übernehmen wird, nahme Sowjetrußlands als Völkerbundsmitglied in welcher er felbft vernichtet werden könnte. Diese erfolgen muß. Doch ist damit die einzige SchwieSicherheit bebentet für uns keinen geringfügigen rigkeit befeitigt worden, die sich zur Aufnahme Erfolg. Es ist dies eine Warnung und eine War. Rußlands in den Weg stellte, denn die Zweidrittelnung hat unter den heutigen Umständen unermeß- mehrheit für Rußland ist bereits gesichert. liche Wichtigkeit.
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Nr. 212
Die neue Aera des Völkerbundes
Da nunmehr auch der Widerstand Polens
gegen die Aufnahme der Sowjetunion in den Völferbund, beziehungsweise Polens Abneigung, den Russen einen ständigen Ratssiß zu bewilligen, be seitigt sind, liegt die Bahn für die neue Politik des Völkerbundes frei. Möge es mehr als ein Symbol sein, daß der Vollversammlung, die Ruß lands Aufnahme beschließen wird, der schwedische Sozialdemokrat Richard Sandler präsidieren wird!
Minister Dr. Beneš, der in der Eröff= nungssitung den Vorsiz führte, hat in einer fummarischen Bilanzrede die Bedeutung des Völkerbundes in der Politik der Nachkriegszeit und seine Aufgaben in den kommenden Jahren umrissen. Dr. Beneš gab offen zu, daß der Völkerbund große Passiven aufzuweisen hat, zu denen in erster Linie der Austritt Deutschlands und Ja pans , zu denen in weiterer Folge die Konflitte in Südamerika und Ostasien gehören. Diesen Pasjiven steht als bedeutendstes Aktivum dic Aufnahme der Sowjetunion gegen über, sowie eine unverkennbare Annäherung der Vereinigten Staaten von Nordamerika an die Politit von Genf . Ueber Rußland und seine Mitarbeit sagte Dr. Beneš, daß ohne sie eine Ordnung der Verhältnisse in Europa und in der ganzen Welt nicht denkbar seien. Sehr offen sprach Beneš auch über die Kriegsgefahr und die zerstörenden Kräfte, die heute verschiedenerorten am Werke sind. Er wandte sich gegen den fata= listischen Glauben, daß der Krieg als unausweichliches Verhängnis über uns schwebe und niemand imstande sei, ihn zu verhindern. Er drohte den Friedensstörern, die aus dem Versagen des Völterbundes in Asien und Amerika ſchließen wollten, daß er auch in Europa wehrlos fei, mit Santtionen für den Fall, daß sie ihre Absicht verwirklichen würden. Er unterstrich die Notwendig= keit, die Verantwortung der Schuldigen beizeiten festzustellen und betonte, daß der Völkerbund die Mittel in der Hand have, den Krieg zu verhindern.
Mit einem Optimismus, der begrüßt werden muß, weil er nicht etwa einer oberfläch lichen Betrachtung der Dinge entspringt, sondern in voller Einschätzung der Gefahren die Kräfte der Erneuerung aufruft, erklärte Dr. Beneš:" Unser Schicksal liegt in unserer Hand. Wenn wir es wünschen, so haben wir die Mittel zur Beseitigung der heutigen Krise, zur Rettung des Fries dens, zur Zurückdrängung aller zersetzenden Kräfte, die den Frieden stören könnten und mollten".
Der Optimismus Dr. Benes' findet seine Begründung in der Umwandlung des Völkerbund es aus einem System einander widerstreitender Staaten und Staatenbünde, in eine Allianz von Staaten und Völkern, deren Interessen in den wichtigsten Fragen gleichgerichtet sind. Die Arbeitsunfähigkeit des Völkerbundes hatte ihre Ursache vor allem darin, daß im VölStaatengruppen vereinigt waren, die man nic auf einen Nenner bringen konnte. Mit dem Sturz der deutschen Demokratic war die Hoffnung geschivunMorgen wird darüber Beschluß gefaßt werden, durch einen deutsch - französischen Generals ausgleich den Völkerbund lebensfähig zu machen. Der freiwillige Abgang Hitlers aus dem Bund erschien als Schwächung, war aber in Wahrheit cine Stärkung, denn sie machte aus dem kleineren Bund doch das Instrument einer ganz bestimmten europäischen Politit. Diese Tendenz wird verstärkt durch den Eintritt Rußlands . Sie würde noch mehr verstärkt werden, wenn sich auch die USA anschließen und ein Gegengewicht gegen Englands Neigungen zu Ertratouren mit Deutschland oder Japan schaffen würden.
Wenn er Attiva und Passiva vergleiche, so den, in welcher Form Nußland nach Genf ein tönne er au teinen niederdrüdenden Schlüffen für geladen werden soll.
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Lieber zwelseitige Verträge ohne militärische Hilfeleistungspflicht Berlin . Die deutsche Reichsregierung hat| Verhältnisses Deutschlands zum Bölferbund maßben beteiligten Regierungen eine ablehnende Ant- gebend. Deutschland tönne auch in militärischer wort hinsichtlich des Ostpaktes zukommen lassen. Hinsicht teine Verpflichtungen auf sich nehmen, In einer offiziellen Darstellung wird vor die es in alle im Osten möglichen Konfliktsfälle Die heute im Völkerbund vereinigten Mächte allem auf die Verpflichtung der Baktteilnehmer hineinziehen und zum wahrscheinlichen Kriegs- haben zum weitaus überwiegenden Teil das ge= aur automatischen gegenseitigen militärischen schauplaß machen würden. Für die vorgesehe- meinsame Interesse, den Fries Unterstüßung im Kriegsfalle hingewiesen; das nen Sondergarantien Frankreichs und Rußlands den zu erhalten und sich den Aufgaben zugemein überrascht habe, da die Höchstziffer, die in ganze System sete die Zugend in gewissen liege fein reales politisches Bedürfnis vor. der zuwenden, die ihnen durch die wirtschaftliche und soziale Krise im Innern ihrer Länder gestellt sind. 560 Millionen Yen betragen hat. Der Voran- Fragen auch zu einer bestimmten Haltung im Die deutsche Regierung gebe anderen Me- Wichtiger ist, daß diese Mächte, daß Frankreich und schlag übertrifft den des laufenden Finanzjahres Völkerbund voraus. thoden der Friedenssicherung den Vorzug, vor Rußland - solange England ihnen nicht in den um 177 Millionen Yen. Beamte des Kriegsmini Deutschland sehe grundsäßlich keine Möglich allem zweiseitigen Verträgen, wenn sie auch mehr- Rücken fällt aber auch start genug sind, stériums sollen erklärt haben, die Ausgaben für feit, einem solchen internationalen Vertrags- feitige nicht völlig ablehne. Es müßte der Schwer- ihre Politit bis zum Risiko einer bewaffneten die Verteidigung von Mandschukuo hätten wegen system beizutreten, solange seine Gleichberechti- punkt dabei aber nicht auf die automatische militä- Auseinandersetzung zu verteidigen. Der bloße der ungeregelten Beziehungen zu Sowjetrußland gung auf, dem Gebiete der Rüstungen von gewissen rische Unterstüßungspflicht im Kriegsfalle, son- Willen zum Frieden würde Hitler nicht bändigen. nicht in dem erwarteten Umfange herabgesezt Mächten in Zweifel gezogen würde; dieser Ge- dern auf die Nichtangriffsverpflichtung gelegt Er muß, um" Pazifist" zu bleiben, schon den Einsichtspuntt sei auch für die Frage des fünftigen| werden. brud haben, daß hinter Genf die Militärmacht
werden können.