Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., ROCHOWA 62. TELEFON 53687. ADMINISTRATION TELEPON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Ab 15. September:

Donnerstag, 13. September 1934

Mit Hitlermethoden gegen die deutsche Gewerbepartei

So wirbt die ,, demokratische" Henleinfront

Am 19. Auguſt bai die Landpost" der Hei­marfront bescheinigt, daß sie sich auf rein demokratischem Boden aufbaut". Jeder Tag bringt inzwiſchen neue Beweise, wie diefer angeblich demokratische Aufbau beschaffen ift. Er vollzieht sich, ganz nach faſciſtiſchen Mustern, unter Einjas aller erdenklichen Bres sionsmittel. Vor uns liegt das neueste Kundschreiben der SHF, die

Weifang Nr. 51"

vom 5. September 1934. Darin lautet ein jaz wie folgt:

-

4. Werbung mit Handzettel beim Eintauf.

Mit gleicher Toft erhalten Sie eine Anzahl Handzettel, die eine besondere Art der Werbung darstellen. Wir erfuchen Sie, die Handzettel nach einem wohl überlegten Elan hauptsächlich durch unsere Kameradinnen bei Einkäufen in Gefchäften ufm. vet. teilen zu laffen. Wir sehen voraus, daß die Handzettel von unseren Kameradinnen und Kame­raden nur in deutschen Geschäften und dort nur bei wirklich nambaften Einkäufen( nicht bei Ein. fäufen um 1) verteilt werden, da fich sonst die Wirkung ins Gegenteil verkehren und lächerlich gemacht würde. Beginn der Aktion möglichst gleich. mäßig am 15. September 1934.

Diese Weisung bezieht sich auf eine bereits in örtlichem Maßstabe von der SF angewandte Methode der Kundenwerbung". Sie beſteht darin, das zuerst ein Käufer dem Geschäftsmann folgen­den Zettel auf den Ladentisch legi:

Soeben hat ein Mitglied der Sudetendeutschen Heimatfront

SHF bei Ihnen gekauft.

Beachten auch Sie unsere Bewegung!

Hinterher fommt ein Werber der Heimats front und bemüht sich, im Anschluß an das tom­merzielle auch ein politisches Geschäft abzuschließen. Der geängstigte Kaufmann oder Handwerker bangt vor dem Boykott und läßt sich lieber in die Mitgliederlisten Henleins eintragen. So wächst eine Voltsbewegung" Sie wirbt ihre Gefolgsleute nicht durch die Pro­paganda einer Weltanschauung, sondern durch Ausnüßung der wirtschaftlichen Abhängigkeit. " Vogel friß oder stirb"- lautet das echt demo­Iratische Motto der Henleinianer.

Diese Methode der politischen Vergewal­#gung soll nun ab 15. September nach einem * tohlüberlegten Plan" möglichst gleichmäßig im ganzen Lande in Schwung tommen.

Hoffentlich gibt es genügend charaktervolle Handwerker und Geschäftsleute, die den er­prefferischen Agenten der Heimatfront bie Tür weisen.

Wer sie in dieser oder jener Form durch Androhung des Boykottes zu einem politischen Gesinnungs­wechsel zwingen will, verstößt gegen das Ter rorgesez und verdient teine Schonung. Nie­mand braucht sich in einem demokratischen Staate Hitlermethoden gefallen zu lassen.

Das Geheimnis des Erfolges

-

Auf solche Erfolge" brauchen fich die Herrn Heimatfrontler nichts einzubilden. Mit Zwang tann man wohl eingeſchriebene Mitglieder gewins nen, aber keine Geſinnung. Die Zettelatlion wird -wenn sie in der anbefoblenen Form zur Durch führung gelangt- Herrn Henlein   noch manchen Bapierfoldaten einbringen. Aber selbst di: Lands poſt" wird nun kaum mehr bebaubten können, daß sie die SHF auf rein demokratischem Boden" auf­baut. Henlein   entlarvi ſich mit der Anwendung solcher Methoden selbst. Er führt vor der gesam ten Ceffentlichkeit den Beweis, daß er nicht darauf ausgeht, die Mitglieder der aufgelöken Barteien zur Demokratie zu erziehen, sondern mit einer rein faſciſtiſch aufgezogenen Agitation die demo­kratischen Karteien zu vernichten.

Es kriselt

in der Heimatfront

Henlein befiehlt..Vertrauen"

Copofitionelle Funktionäre der Heimatfront.

Einzelpreis 70- Wetter

( einschließlich& Heller Portal

Nr. 214

Weltwirtschaft

Wo steht sie?

Die Wirtschaft eines jeden fabitalistischen

welche das Gafarentum eines selbsternannten Bandes ist unzertrennlich verknüpft mit der Führerklüngels nicht vertragen können, haben uns Wirtschaft der übrigen Welt. Gewiß haben in den vollen und verbürgten Wortlaut einer er den lezten Jahren überall führende Wirtschafts­fönlichen Weisung" Konrad Henpolitiker und Wirtschafts. Sachverständige diese leins an die Mitglieder der SF mit der Sitte Tatsache zu negieren verfucht, baben die Illu um Beröffentlichung zur Verfügung gestellt. Die fion einer vollständigen Autarkie der Wirtſchaft je Dokument ist ein erfreulicher Beweis, daß die Sudetendeutschen doch beffere Demokraten sind, als oder eines entscheidenden Wirtſchaftszweiges gewiffen fascistischen Ufurvatoren lieb erscheint. ibres Landes genährt. We aber eine Regierung Henlein   wendet sich in befehlshaberischem Tone dazu überging, die abſurde Autarkie Theorie im gegen die angeblichen Werdächtigungen", welche wirtschaftlichen Reben zu praktizieren. Dert gegen seine en git en Mitarbeiter in den wurde sie sehr raich erledigt. Allerdings nicht. Reihen der Heimatfront laut geworden ohne daß sie die vielseitigen wirtſchaftlichen und find. Er vertritt gegenüber diesen Zweiflern das Handelsbeziehungen, die alle Ränder der Welt abfolutinisme Führerprinzip in miteinander verbinden, empfindlich geftört hatte. einer Form, die an die selbstherrlichen Deklama tionen der vitler und Goering   erinnert. Wer an der Allmacht des Führers zu zweifeln wagt, wird mit Hinauswurf bedroht.

Wir werden, dem Wunsche der Einfender folgend, dieses hochinteresante Dokument morgen in vollem Wortlaute veröffentlichen.

Der blutige Streik in USA  

( New York  .) Aus allen Teilen des Streitgebietes werden heftige Sufammenſtöke ge­meldet, die offensichtlich auf die Scharfmacherei der als Nationalgarde" auftretenden Unter­nehmersöldner zurückzuführen sind. Die gemeldeten schweren Zusammenstöße zwischen 4000 Streifenden und 250 Nationalgardisten in Saylesville(( Rhode Island  ) dauerten die ganze Nacht auf Mittwoch an. Zu heftigen Kämpfen kam es auch in Central Falls, wo sich die Streifenden gegen die Nationalgarde auf einem Friedhof verschanzt hatten. Seitens der Nationalgarde wurde auch dort Träneng as verwendet. Die Kämpfe spielten sich in den völlig dunklen Straßen ab und hatten eine Menge von Verletzten zur Folge. Die Hausbewohner mußten in aller Eile die von Tränengas erfüllten Häuser ver­laſſen. Es werden zwölf verlegte Nationalgardisten, auf Seite der Strei­kenden drei Schwer und zwanzig Leichtberlegte gemeldet. Die Waffen der Streikenden waren lediglich Steine, während die Nationalgarde von Schußwaffen Gebrauch machte.

Nach einem Neuterbericht wurden bei diesen Zusammenstößen auch 280 Feldartil. leristen eingefeßt, denen aber der Gebrauch der Schußwaffe strengstens untersagt war und die sich daher auf die Anwendung des Gummiknüppels beschränkten. Die Mi­liz dagegen verwendete außer Schuhwaffen und Tränengasbomben auch noch Gas bom ben, die Brechreiz verursachen.

Das Schiedsangebot des Führers der streifenden Tertilarbeiter Gorman lief Dienstag um 18 Uhr ab. Gorman erklärte daraufhin, daß der Kampf weitergehe. Der von Roosevelt eingeseste Ausschuß, der Erhebungen über die Streifursachen durch= führt, wird diese Erhebungen auch auf die Seiden- und Wellindustrie ausdehnen.

Furchtbarer Raubmord

Eisenbahnerfrau in Ihrer Wohnung mit dem Hammer erschlagen

in Bodenbach

Bodenbach, 12. September.  ( Eigen-| in den im Zimmer stehenden Schrank 6000 bericht.) Heute gegen halb 12 Uhr mittags wurde im baren Gelde, die zum Fehlen kommen. Der im Hause Nr. 31 in der Poststraße in Boden- Täter scheint ortsvertraut gewesen zu sein, da bach ein blutiges Verbrechen entdeckt. alle anderen Gegenstände im Zimmer unberührt waren.

In diesem Hause wohnte im 4. Stod die Eisenbahnerfamilie Wenzel Spirt, und zwar die beiden Eheleute und ein 14jähriger Sohn. Als Wenzel Spirt heute gegen Mittag nach Hause fam und die Tür verschlossen fand, öffnete er mit Hilfe eines Schürhatens, den er sich bei einer im Hause wohnenden Partei ausgeborgt hatte, dic Türe des Vorzimmers. Vorher hatte er bei ver schiedenen Parteien im Hause angefragt, ob fic feine Frau nicht gesehen hätten. Als er in das

Auch auf die Bedingungen und Möglichkei ten, die für die nächſte Entwicklung der Wirt­ſchaft in unſerem Rande gegeben sind, hat die Entwicklung, die fich wirtschaftlich und volitisch außerhalb unserer Staatsgrenzen vollzieht, ent­ſcheidenden Einfluß. Viele hunderttausende Men­schen in der Tschechoslowakischen Republik haben im Frühjahre mit wachsenden Hoffnungen auf die leichte Befferung der wirtschaftlichen Lage ihres Landes geblidt: sie wurden zuversichtlich und meinten, daß auch von außen her neue An­triebe kommen werden, die endlich ein Heraus. kommen aus der nun fünf Jahre andauernden Krife ermöglichen würden.

In der Tat zeigten sich im Frühjahr 1934 in der Wirtschaft einer Reihe von Ländern Auf. schwungserscheinungen, die vor allem an dem Steigen der Produktionszif. fern zu erkennen waren. Besonders stark in den Vereinigten Staaten  , in Japan  , Großbritannien  , Schweden  , Dänemark  . Auch in der Tschechoslo. watei bewegte sich in mehreren Industrie­zweigen die Produktion nach oben. Unzweifelhaft gilt dies auch für Deutschland  ; hier aber vor allem für jene Industrien. die für die Be­friedigung des gewaltigen Rüstungsbedarfs, also für die Produktion von Kriegsgerät und Kriegs­ausrüstungsgegenständen arbeiten. Diese Erbo­lung der industriellen Produktion, die zum Teil recht erheblich über den Tiefvunkt während der Krise hinausführte, hatte einen Rückgang der Arbeitslosigkeit zur Folge, der allerdings nicht so stark war, wie nach dem Ansteigen der Produk. tion hätte vermutet werden können. Es zeigte sich, besonders in den Vereinigten Staaten  , Deutsch­ land   und Großbritannien  , daß die Ratio. nalisierung auch während der Krise wei. ter betrieben worden ist, mit dem Ziel, bei einer Belebung der Produktion mit weniger menschlichen Arbeitskräften aus. kommen zu können als früher.

Wie steht es nun heute mit die. servor Monaten eingetretenen Wendung zum Besseren? Obwohl auch jetzt noch von einheitlichen Entwicklungstenden­Die Tat selber dürfte nicht an jener Stelle sen nicht gesprochen werden kann das eine erfolgt sein, an der die Leiche der Frau lag, son- läßt sich sagen: daß in den führenden dern offenbar in dem schmalen Raum auf der kapitalistischen   Ländern der anderen Seite der beiden Betten, zwischen diesen Welt der Produktionsanstieg und dem Schranke. Die Frau dürfte zuerst einen zum Stillstand gekommen ist; ja Schlag mit einem Hammer oder einem ähn in einigen, wie in den Vereinigten Staaten  , lichen Gegenstand auf den Hinterkopf erhalten Deutschland   von einem beträchtlichen haben; die Schädeldecke war durchlöchert. Durch diefen Schlag scheint fie rückwärts in das Bett Rüschlag abgelöst worden ist. Frankreich  , Wohnzimmer feiner Wohnung kam, bot sich ihm gefallen zu fein, beſſen Dede große Blutflecke das an der kurzen Konjunktur kaum Anteil ge­ein schrecklicher Anblick. Zwischen dem Bett und Höhnisch hält die letzte Nummer der Rund der Fensterwand lag mit dem Gesicht nach unten die beiden Betten hinweg zum Fenster gewollt der Krise. Seine Arbeitslosigkeit ist zurzeit ſtär­aufweist. Mit letter Kraft scheint fie dann über habt hat, erlebt einen immer stärkeren Einbruch schau" der deutschen   Gewerbepartei vor, daß sie feine nur mit Hemd und Bose bekleidete, 41 Jahre haben. Der Täter bat anscheinend dies verhindert, ker denn je seit dem Kriege. In den Agrar. einem Stampfe mit der Heimatfront nicht gewach alte Frau Elsa, mit dem Kopfe in einer groindem er ihr ein Tuch um den al 8 drehte, ländern des europäischen   Kontinents und der sen sei. Unter dem Titel: Ernstes und Heiteres Ben Blutlace tot und schon erfaltet, so daß als mutmaßliche unmittelbare Todesursache Uebersee   ist eine wesentliche Wilderung des Kri. bom Stenzl- Bund" schreibt das Blatt Henleins: daß nach Annahme des Gerichtsarztes die Tat Erstiden durch Droffelung angesehen werden muß. sendrucks nicht zu verzeichnen. Wohl hat die Miß­Unsere Organisation macht Fortschritte", spätestens um 10 Uhr vormittags geschehen sein behauptet Abg. Stenzl. Da erzählt ein Gewerbe muß. Er verständigte die Parteien im Hause, fer­ernte an Getreide und Futtermitteln zu einer treibender ein Beispiel: In Königswald ner die Gendarmerie und die Polizei, die sich so­Preiserhöhung dieser landwirtschaftlichen Pro­traten bei der Gründung der SHF- Ortsgruppe fort am Tatorte einfanden. dukte geführt, aber eine Vermehrung der Kauf­bon 36 Gewerbetreibenden 30 der S bei. Der Nach allen bisher bekannt gewordenen Tat­kraft der bäuerlichen Bevölkerungsmassen ist Borstand der Gewerbepartei in Königswald ſoll fachen handelt es sich offenbar um einen Naub kaum eingetreten, weil sie infolge der knappen sich schr einsam fühlen." mord. Nach Angaben des Spirk befanden sich Getreideernte größere Mengen nicht zum Verkauf

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Die Polizei und Gendarmerie in Gemein­schaft mit der Kriminal- Fahndungs­abteilung von Böhm.- Leipa arbeiten fieberhaft an der Aufklärung dieser mysteriösen Bluttat, die begreiflicherweise in Bodenbach gro­fes Aufsehen erregt hat.