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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XH., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFONI 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Sonntag, 16. September 1934

Aufnahme endlich

Rußland   nimmt alle

Bedingungen an

4:19)

gesichert

"

( Paris  .) Der Genfer   Berichterstatter des Petit Parifien" meldet, daß zwischen den Sv­wjetdelegierten und den Vertretern der Hauptmächte über die Aufnahme Sowjetrußlands in den Völkerbund das Einvernehmen hergestellt sei. Der Präsident des Völkerbundrates Doktor Beneš und das Mitglied der französischen   Delegation Massigli trafen wie bereits gemeldet, Freitag nachmittags mit Litwinow   in Meffery zusammen und einigten sich mit ihm über den Aufnahmetext. Sowjetrußland verpflichtet sich ausdrücklich, sich allen Bc= dingungen des Völkerbund   vertrages zu unterwerfen. Um 22½ Uhr trat bei Minister Dr. Beneš   eine Beratung der Vertreter der Großmächte, des Vorsitzenden der politischen Kommiffion Madariaga   und des Vertreters des Präsidenten des Völkerbundes zusammen. Bei der Beratung, die sich bis über Mitternacht hinzog, wurde der Einladungs­text definitiv vereinbart und Samstag wurde mit den Unterschriften des Dokuments begon= nen, mit dem Rußland   in den Wölferbund eingeladen werden wird. Die Zweidrittelmehrheit ist voll gesichert, da 34 Staaten bereits zugestimmt haben, so daß man erwartet, daß Mon­tag längstens Dienstag die Sowjetdelegation in Genf   eintrifft. In diesem Falle würde Mini­ster Barthou   Mittwoch nach Paris   reisen, aber noch Ende der nächsten Woche nach Genf   gu= rückkehren, um sich mit der österreichischen Frage zu befaffen.

Noch Samstag abends berief Dr. Beneš den Völkerbundsrat zu einer geheimen Sitzung zusammen, in der dann mit zehn Stimmen bei Enthaltung Argentiniens  , Portugals   und Panamas  , die 3uteilung eines ständigen Ratssites für Sowjetruß­land befchloffen wurde.

Wahlerfolg

( einschließlich 5 Heller Bortol

Nr. 217

Lügennebel

Bei den allgemeinen um Österreich Schuschnigg  

, Mussolini  und die Unabhängigkeit

der australischen Arbeiterpartei ( Melbourne  .) Bei den allgemeinen Wahlen in das australische Föderalparlament erhielt die Vereinigte australische Partei, deren Führer Ministerpräsident Lion ist, bisher blo 28 Mandate. In dem aufgelösten Parlament hatte sic 38 Mandate von insgesamt 75. Auch Ein Teil der Presse war hocherstaunt dar­wenn ihr noch die 8 Mandate zufallen würden, über, daß der Bundeskanzler Kurt von Schusch­über die noch nicht entschieden ist, würde sie nigg in Genf   keine Anklagerede gehalten nicht die absolute Majorität haben. Man nimmt und sein angeblich so reichhaltiges Material gegen an, daß eine Koalitionsregierung der vereinigten die Umtriebe Deutschlands   dem Völkerbund nicht australischen Partei mit der agrarischen Partei vorgelegt hat. Wir waren davon nicht im gering­gebildet werden wird. Im aufgelösten Parlament sten überrascht und wir glauben auch zu wissen, waren 38 Mitglieder der vereinigten australi- warum Herr Schuschnigg den Urhebern, Finan schen Partei, 16 Agrarier, 19 Arbeiter ziers, Waffenlieferanten und Dirigenten des abgeordnete und 2 Wilde. Das neue Juliputsches nicht zu nahegetreten ist und in einer Barlament wird bloß 74 Abgeordnete statt 75 einzigen Wendung auf die Waffen- und Muni­zählen. Außer 28 Mitgliedern der vereinigten tionslieferungen zu sprechen tam, wobei er sich be­australischen Partei wurden bisher 14 Agrarier eilte, in Bausch und Bogen auch den Feberauf­und 24 Arbeiterabgeordnete ge- stand einzubeziehen, die Erhebung des Schutzbun wählt.

Pilsudskis Säbelhieb

Beifall in Berlin  !

des gegen die Fey- Dollfuß- Dittatur mit dem fünstlich inszenierten Naziputsch in eine Linie zu rücken und eine gehässige Anklage gegen die Kleine Entente   einzuflechten. Wenn nämlich Herr Schuschnigg die Hintergründe des 25. Juli auf­Die französische Preise beschäftigte sich Sams- decken wollte, so könnte er nicht umhin, der Welt, tag ausführlich mit dem Vorgehen Polens  , das die es längst ahnt und einmal wissen wird, e in is in Frankreich  , wo man auf die Einhaltung ver- ges über die Rolle seiner Poliz briefter Verträge nicht erst seit Versailles  , aber sei, seiner engsten Mitarbeiter und vor feit Versailles   selbstverständlich besonders peinlich allem des Generalstaat stommiſ= bedacht ist, sehr übel aufgenommen wurde. Jaffärsfür Sicherheitswesen, Majors alle Theresienritters Emil Fe y zu Viel

Die historischen Urkunden

An das Volkskommissariat für Aeußeres in zu werden, indem es in ihm eine ihr wür Mostau wurde von Genf   aus folgendes Tele- dige Stellung einnimmt und sich verpflichtet, die gramm gerichtet: internationalen Verbindlichkei

Die unterzeichneten Delegierten auf der 15. ten und Entſcheidungen einzuhalten, welche die bist Better fritifieren Balen scharf, find berries undſteffen umb feiten Stollen Lengäben. Bick

Bölkerbundsversammlung:

Mitgliedstaaen im Sinne des Art. 1 des Völker­der Südafrikanischen Union, Albaniens  , bundpattes verpflichten. Die Sowjetregierung hai  Australiens  , Österreichs  , Englands, Bulgariens  , mit Genugtuung befunden, daß die Frage der Kanadas  , Chiles  , Chinas  , Spaniens  , Estlands  , Ergänzung des Pattes in dem Sinne, daß er mit Abessiniens, Frankreichs  , Griechenlands  , Hai  - dem Briand  - Kellogg- Patt harmonijiert werde und tis, Ungarns  , Indiens  , des Graf, Italiens  , daß ein internationaler Krieg vollkommen bejci Lettlands  , Litauens  , Meritos, Neu- Seelands, tigt werde, vom Völkerbund in Erwägung gezogen Persiens  , Polens  , Rumäniens, der Türkei  , Uru- worden ist. Da die Artikel zwölf und dreizehn guays, Jugoslawiens   und der Tschechoslowakei des Pattes der Staaten den Weg offen lassen, laden, indem sie in Erwägung ziehen, daß die Konflikte durch ein Arbitrage- u. Gerichtsverfahren Mission der Aufrechterhaltung und Organisierung zu erledigen, erachtet es die Sowjetregierung als des Friedens, die eine wesentliche Aufgabe des notwendig, deutlich zu erklären, daß ihrer An­Völkerbundes darstellt, die Zusammenarbeit aller ſicht nach solche Methoden auf Konflikte betreffend Staaten erfordert, die Sowjetunion   cin, Fragen, die vor dem Eintritt Rußlands   in den in den Völkerbund einzutreten und ihm ihre Völkerbund entstanden sind, nicht geltend gemacht wertvolle Mitarbeit zu widmen. Dieses Telegramm werden sollten. wurde dem Vorfüßenden der Völkerbundsversamm= Die Sowjetregierung erlaubt sich, die Hoff­lung befanntgegeben. Es folgen die Unterschriften. nung auszusprechen, daß diese Erklärung von Minister Dr. Bene, der die Genfer Vor- allen Staaten des Völkerbundes im Geiste auf­verhandlungen mit der Sowjetunion   führte, rich richtigen Willens zur internationalen Zuſammen tete an den Volkskommissär Litwinow   folgendes arbeit und zur Sicherung des Friedens für alle Staaten angenommen werden wird.

Schreiben:

..Herr Volkskommissär, ich habe die Ehre, Ihnen die Abschrift des Telegrammes zu senden, durch das die Mächte, deren Delegierte das Tele- Fascistische Tendenzen der NIRA gramm unterzeichnet haben, die Sowjetunion   zum Eintritt in den Völkerbund eingeladen haben. Das crwähnte Telegramm wurde nach Moskau   an das Boltskommissariat für Aeußeres gerichtet. Wollen Sie, Herr Volkskommissär den Ausdruck meiner Sochachtung entgegennehmen. Eduard Beneš  .

Die Regierung der Sowjetunion   antwortete auf das Telegramm der dreißig Delegationen auf der Völkerbundsversammlung:

..Die Sowjetregierung erhielt die von der Mehrzahl der Völkerbundmitglieder unterzeichnete Einladung, in der sie unter Hervorhebung, daß die Organisierung des Friedens, cine Mission des Bölterbundes ist, und daß diese Mission die uni­berjale Zusammenarbeit aller Staaten erfordert Rußland   einladen, in den Völkerbund einzu treten und ihm seine Mitarbeit zu widmen. Die Sowjetregierung erhielt ferner die Mitteilung der Regierungen Dänemarks  , Finnlands  , Nortvegens und Schwedens   über ihre wohlwollende Stellung­nahme zum Eintritt der Sowjetunion   in den Völ­terbund. Die Sowjetregierung machte aus der Or­ganisierung und der Festigung des Friedens die Hauptaufgabe ihrer Außenpoli­tit und schenkte stets den Anregungen der inter­nationalen Zusammenarbeit im Interesse des Friedens Gehör; in der Ansicht, daß diese Einla­dung, die von der großen Mehrheit der Völker­bundsmitglieder kommt, einen tatsächlichen Frie­denswunsch des Völkerbundes und dessen Aner­fennung der Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit SSSR   darstellt, wünscht dicSowjet­regierung die Einladung zu beantworten und Mitglied des Völlerbundes

In manchen Blättern wird Minister Be& persönlich angegriffen und als unfähiger Diplo­mat bezeichnet. Nur die fascistischen Blätter mahnen die Regierung, die Freundschaft Polens  nicht wegen Rußlands   preiszugeben.

rungen Englands, Frankreichs   und Italiens   zum rungen Englands, Frankreichs   und Italiens   zum heimlicher Hausgenosse, gehört Emil Fey   noch Ausdruck kam und sprechen vereinzelt die Hoff- immer dem Kabinett an und es scheint, daß eben nung aus, Polen   werde von seiner Drohung Ab- das, was zu seiner Ausschiffung aus der Regie­stand nehmen. rung führen sollte, seine größte Stärke ist. Weil gegen ihn soviel belastendes Material vorliegt, daß in jedem Rechtsstaat die Vorunterſuchung eingeleitet und wegen Flucht, Kolliffions- und neuer Putschgefahr die Untersuchungshaft ver­hängt werden würde, weil das nicht nur in Wien  , Die Berliner   amtliche Korre- sondern auch in Berlinbekannt ist, fann fpondenz des Außenamtes nimmt zu dem man dem gey, aber auch dem Goebbels nichts tun. Schritt Polens   bei fällig Stellung: er fei er- Das Kabinett Schuschnigg   ist klärlich und berechtigt. Volen habe einen noch mehr als es das Kabinett Dollfuß   war, der kräftigen Schlag gegen den Völkerbund gefürt Gefangene seiner nationalso und ihm aufs neue deffen Ohnmacht und Un- zialistischen Gegner und jeder Kredit, den man ihm gewähren wird, ist zugleich ein Es ist sehr bezeichnend, daß man sich in Kredit an die Nazi, die einer Regierung Berlin   nicht einen Augenblick lang um die na= gegenüber, in der Fey sitzt, die mit Rintelen tionalen Minderheiten bekümmert, Schweige- Geschäfte macht, die kleine Butschisten sondern sie gern opfert, wenn nur Polen   dafür hängen, große entwischen läßt, alle Trümpfe in die Politik Sitlers gegen den Völkerbund und der Hand halten. Nur die Beseitigung der Heim­gegen Rußland unterstützt.

fähigkeit" bescheinigt.

Johnson droht den Streikenden

400.000 Arbeiter im Ausstand

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Neue Zusammenstöße Der amerikanische   Riefenstreit hat jett ungefähr 400.000 Textilarbeiter erfaßt. Es fol­len neu eingreifen 3000 Wollfortierer und mit einer begrenzten Aftion dic Transport= arbeiter, die von der Textilgewerkschaft ersucht werden, die Einfuhr von Baumwolle in die Staaten zu verhindern.

Die Unternehmer mobilisieren gemeinsam mit den Gouverneuren immer neue Bataillone der gelben Nationalgarde. Im allgemeinen war der Samstag ruhiger, aber in einzelnen Staaten fam es neuerlich zu blutigen Zusammenstößen. In Co­nord( Nord Carolina  ) griffen die Gelben mit Tränengas und Bajonett an. Auch in Mary­ land   und Georgia   kam es zu blutigen Zwischenfällen.

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Der Leiter der NIRA, General Johnson hat die erste offizielle Rundgebung im Streitin überaus scharfer und völlig einseitiger Weise gegen den Streit ausgesprochen, den er als politischen Kampf bezeichnet. Man habe in der Textilindustric zuerst den Code cint­geführt und nun rebellieren sic. Johnson vergißt allerdings, daß die Unternehmer der Süd­staaten den Code nicht einhalten und daß gerade deshalb gestreift wird!

Das bedeutsamste Moment in Johnsons Kundgebung ist seine Ankündigung, daß er eine Reorganisation der Arbeiterschaft auf der Grundlage von Industrie= Gewerkschaften"-es tönnen nur Korporationen nach italienischem Muster gemeint sein durchführen werde. Er wandte sich heftig gegen die Gewerkschaften englischen Stils und polemisierte auch gegen die Zusammensehung der Gewerkschaften. Sie feien im Schlepp­tau des Sozialistenführers Norman Thomas  .

Johnsons Drohung beweist, daß die NIRA ernstlich mit dem Gedanken spielt, dic Arbeiter in 3 wangskorporation en einzugliedern. Bezeichnend ist, daß Präsident Roosevelt   seine Zeit damit verbringt, von einer Jacht aus, cinen Segelrekord zu ver­folgen. Während der Präsident dem Vergnügen lebt, macht das Land seine schwerste soziale Krise durch.

Wie in später Abendstunde gemeldet wird, fordern die Gewerkschaften den Rücktritt Johnsons, den fic des Wortbruchs und völliger staatsmännischer Unfähig­teit bezichtigen.

wehrdiktatur könnte eine innerpolitische Stabilität in Oesterreich   begründen, bei der man den Staat als kreditwürdig ansehen könnte. Das ahnt Schuschnigg   ja auch und darum hatte er in Genf  die Stirn, das Vorhandensein eines Dittatur regimes in Oesterreich   eins fach abzuleugnen. Und was uns staunen macht, ist eben nicht die Tatsache, daß Schusch­ nigg   feine Anflagerede gegen Hitler   hielt, denn wir wissen, warum er es unterließ, sondern die bedauerliche Tatsache, daß ein Forum von Diplos maten sich von Herrn Schuschnigg erzählen läßt, daß die österreichische Dittatur keine Diktatur sci.

Die innerpolitische Situation Oesterreichs  wird von der Regierung Schuschnigg   und ihren Propagandastellen mit einem 2ügennebel umgeben, aber das Ausland wagt leider nicht, diesen Nebel zu durchstoßen. Da es den meisten Staaten angenehm wäre, wenn das, was Schusch­ nigg   erzählte, wirklich wahr wäre, deshalb glaus ben sie es. Weil die Wahrheit, die ganz wo anders liegt als bei Schuschnigg  , unangenehm, unbequem und außerhalb der trügerischen Konzeption ist, die für die Desterreich- Politit des Völkerbundes maßgebend bleibt, deshalb tvagt man es nicht, diese Wahrheit aufzudecken. Die sozialistische Presse ist heute die einzige Stimme, die über Desterreich ohne Vorurteil schreibt. Sic tut es in Paris   und Brüssel nicht anders als hier und in London  . Wir können vielleicht nichts daran ändern, daß sich der Völferbund in der österreis chischen Frage bewußt oder unwissentlich ins Garn locken läßt, aber wir müssen die Wahrheit schon deshalb aussprechen, weil wir nicht mitschul dig an den Katastrophen werden wollen, die im Gefolge dieser Politik unausbleiblich sind. Italien   schlägt in Genf   das ist die andere Seite der Medaille, die Schuschnigg   prä­sentiert cinen Patt über die Unaba

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