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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Spannung in Madrid  

Goering  - Methoden in Spanien  ?

Nach einer Reuter- Meldung aus Madrid  habe die Polizei dort alle Maßnahmen zur Un= terdrückung der für gestern Abend erwarteten revolutionären Aktion getroffen, zu der die So zialisten bereits seit längerer Zeit in großem Maß stabe gerüstet hätten.

Donnerstag, 20. September 1934_________

Streik in USA   wächst

Ab Montag weitere 100.000 Mann im Ausstand

Als sie vier Demonstranten verhaftete, versuchte die Wenge diese zu befreien, was jedoch miß glückte. Es wurde die National garde

( Washington  .) Der Vollzugsrat der amerikanischen   Textilarbeiter= Gewerkschaften hat den Streifausschaß ermächtigt, auch für die übrigen angeschlossenen Gewerkschaften der einberufen. Kunstscide nindustrie, der chemischen Reinung sindustrie und der Wirkwaren- In Porterville im Staate Maine   stürmten Die jüngsten Meldungen aus Madrid   lassen industrie den Generalstreif sy erklären. Der Vor- Streifposten die Umzäunung einer großen Tertil befürchten, daß die Rechtskreise dort mit allen fitende des Streikausschusses Gorman erklärte, fabrit und zertrümmerten etwa 100 Fabritsfen­Mitteln eine Handhabe suchen, um gegen die daß der Sympathicstreit am Mon= ster mit Steinwürfen. Fast gleichzeitig kam es Linte radikal vorzugehen. Am Montag brachte eine tag beginnen werde. Durch die Streifausdeh- vor einer anderen Tertilfabrit zu heftigen Zu­Madrider Zeitung, und nach ihr natürlich sämt- nung würden weitere 100.000 Arbeiter betroffen. sammenstößzen zwischen Polizeibeamten und Strei­liche Rechtsblätter, eine tolle Meldung über einen Weitere Meldungen befagen, daß immer lenden. Der Gouverneur hat mehrere Abteilungen angeblichen Plan der Marristen", an einem be- neue Textilbetriebe ſtillgelegt werden, daß aber Nationalgarde nach Porterville entsandt. Auch stimmten Tare einen revolutionären Staatsstreich in den Südstaaten angeblich nur ein Drittel der in Partenburg im Staate Süd- Karolina bombar­zu unternehmen, der mit nichts Geringerem als Textiler im Streit stehen. dierten Streifende eine Tertilfabrit mit Steinen. mit der Ermordung des Staatsprä= In Belmont( Nordkarolina) machten Ueberall ging die Polizei mit Tränengasbomben sidenten und sämtlicher Kaifich etwa 400 Streikende am Dienstag abends und Gummiknüppeln gegen die Menge vor. In nettsmitglieder anheben sollte. Danach daran, eine Fabrik mit Steinen zu bewerfen. Sic Sitlehalle im Staate New York   trieben Polizisten sollten dann die Arbeiter den ehemaligen Mini- wurden von Nationalgardisten auseinanderge- und Feuerwehrleute eine fliegende Streitfolonne, trieben, wobei einige durch Bajonettstiche die Arbeitswillige angegriffen hatte, mit Tränen­ster Large Caballero zum Führer ausrufen verletzt wurden. und ihn beauftragen, die Diktatur des gasbomben und Wasserstrahlen zurück. In Waterville  ( Staat Maine  ) kam es Proletariats zu erklären. Bei den schweren Unruhen in Nord- und zwischen den Streifenden und der Polizei zu hef- Südtarolina haben bisher Diese Meldung macht durchaus den Eindruck, tigen Zusammenstößen. Die Streifenden warfen als fäme der spanischen   Regierung eine Art Min einer Fabrik mit Steinen die Fenster ein. drider Reichsfagsbrand durchaus ge- Die Polizei verwendete gegen die Streikenden Tegen. Und die diversen Korrenspondenzbüros Gummiknüppel und Tränengas. verwundet. - so auch das Tschechoslowakische begehen den Fehler, solche Meldungen unbeschen

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zu übernehmen und zu verbreiten, ohne pflicht­gemäß auch eine andere als die durchsichtige reat­tionäre Quelle in Madrid   zu benüßen. Auf diese Weise tragen sie ihr Möglichstes dazu bei, die ohnehin unflare Lage in Spanien   noch zu ver­dunkeln.

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Redeverbote und Pressestrafen

( Madrid  .) Die Regierung verbot, in dem sie von der jüngsten Untersagung der Abhal­tung aller öffentlichen Kundgebungen und politi­schen Versammlungen Gebrauch machte, eine Volksversammlung, in welcher der ehe­malige Ministerpräsident und Füh­rer der radikalen Partei Lerrour, deren Mit­glieder fast alle Minister der gegenwärtigen Re­qierung sind, sprechen sollte.

Ueber Autrag des Staatsanwaltes wurden zwei bastische Blätter beschlagnahmt und Ser Direktor des Lintsblattes La Voz" wegen eines Artikels über die Aufdeckung von Waffen im Arbeitervolksheim zu 1000 Peseten Geldstrafe verurteilt.

Waffen

( Madrid  .) Die Polizei hat Mittwoch früh neue geheime Waffenlager in Madrid   aufgedeckt. Zwei Zivilgardisten hielten im Universitätsviertel ein Lastautomobil an, und als sie fragten, was darin enthalten sei, gaben in einem anderen Revol=

Der Erfolg der

neun Personen den Tod gefunden, zahlreiche Arbeiter und Polizeibeamte wurden

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Nr. 220

Der Freiheitskampf an der Saar  

Am 13. Jänner 1935 sollen die Bewohner des Saargebiets über ihr zukünftiges staatspoli. tisches Schicksal entscheiden. Die Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages lassen drei Möglichkeiten für diese Abstimmung zu: Die Rückgliederung des Saargebiets an Deutschland  , den Anschluß an Frankreich   oder die Aufrechter. haltung des gegenwärtigen staatsrechtlichen Zu­standes, der Verwaltung des Saargebiets unter der Kontrolle des Völkerbundes. Vor dem 30. Jänner 1933 stand die Entscheidung der Saar­bevölkerung außer jedem Zweifel. Sie hätte sich für Deutschland   ausgesprochen, denn sie ist ein Teil des deutschen   Volkes, und sie hat die Zeit der Völkerbundsregierung im Saargebiet stets nur als eine Epiſode in der Geschichte dieſes Teils des Deutschen Reiches angesehen, die sie so schnell wie möglich durch die Rückgliederung des Saar­gebiets an Deutschland   beenden wollte.

An diesem eindeutigen Bekenntnis zu Deutschland   hat sich bis heute bei der ganz über­wiegenden Mehrheit der 520.000 Abstimmungs­berechtigten nichts geändert. Wenn trotzdem der Abstimmungskampf an der Saar   zu einem europäischen   Ereignis geworden ist, wenn heute an der Saar   täglich und stündlich ein erbitterter Kampf um die Sicherung einer freien und un­abhängigen Volksabstimmung geführt wird, dann ist das ausschließlich und allein Hitlers  Wert. Das Dritte Reich, das jetzt mit einem ungeheueren Aufwand an Mitteln, mit allen Schikanen des Terrors und des Gewissenszwan­

schwedischen Sozialdemokraten ges die Entscheidung im Saargebiet für Hitler.

Größer als bel den letzten Reichstagswahlen Vormarsch auf dem flachen Land

machen.

deutschland   erzwingen will, hat nichts gemein mit dem Deutschland   der Demokratic, der Frei. heit und der Kultur, zu dem die Saarländer   zu. rückkehren wollen. An den Grenzen des Saar­gebiets beginnt heute die Welt einer Diktatur, die Recht und Gesetz mit Füßen tritt, und die Nun liegen auch die Berichte über die am srung in den Sattel hoben. Der sozialdemokra- fein anderes Ziel kennt als die staatliche Macht, vergangenen Sonntag in Schweden   bei den Land- tische Stimmenanteil auf dem flachen Wirtschaft und Kultur eines 65 Millionen- Vol­tagswahlen von den einzelnen Parteien erzielten 2ande hat diesmal 41.5 Prozent betragen, fes den reinsten Parteiinteressen dienſtvar zu Stimmzahlen vor: während der Stimmenanteil mit den großen Städten im Jahre 1932 41.7 Prozent war. Wenn man in Rechnung stellt, daß es in den großen Die Saarländer   haben die grauenvolle Städten, wie Göteborg  , Norföpping, Helsingborg  . Entwicklungsgeschichte der Hitlerdiktatur andert. Stockholm   u. a. große sozialdemokratische Mehr- halb Jahre miterlebt; aber nicht als rechtlose heiten gibt, tritt der Vormarsch der Sozialdemo- Objekte dieser Entwicklung, sondern als Men­fratie auf dem flachen Land erst richtig in Er-( schen, die noch die Freiheit der Entschließung scheinung. Da die Provinziallandtage und die über ihr zukünftiges Schicksal besitzen. Sie wis Gemeinderäte die Abgeordneten der Ersten Kam- sen heute, daß die Völferbundsverwaltung int mer wählen, werden die fonntägigen Wahlen zum Saargebiet froß aller ihrer Mängel dem Schick. Ergebnis haben, daß in Zukunft die Sozialdemo- fal vorzuziehen ist, das ihnen im Falle einer fraten in der Ersten Kammer von 150 Siben nicht weniger als 71 einnehmen werden. Sie Rückgliederung an das Reich unter der Herr­haben in acht von den 24 Provinziallandtagen die schaft Hitlers   blüht. Aus dieser Erkenntnis ist absolute Mehrheit. die Parole entstanden, die heute die Parole aller freiheitliebenden Saarländer   ist: Für Deutschland  , aber gegen Hitler  ! Keine Auslieferung des Saargebiets an die Hit­

Sozialdemokraten 682.000(+108.000) Bauernpartei.. 279.000(+ 51.000) Konservative.. 372.000(- 17.000) Volkspartei. 207.000 Linkssozialisten. 58.000(+ Mostau- Kommunisten 42.000(+ Nationalsozialisten 8.600

6.000)

23.000) 24.000)

Zum Vergleich wurde die Stimmzahl bei den letzten Landtagswahlen im Jahre 1930 genom­

men.

Der Stimmengewinn der Sozialdemokraten ist noch größer, als der bei den Reichstagswahlen im Jahre 1932, die die sozialdemokratische Regie­

bar! Gestalt, diese hilflos

Automobil befindliche Berſonen einige ebol Sever in Lebensgefahr! blidende blauen ugen, aus denen auch jest fur lerdiktatur, sondern Aufrechterhaltung des jetzi

verschüsse auf sie ab. Die Gardisten erwider­ten das Feuer und verhafteten schließlich zwei

Personen, Universitätsstudenten, die in extrem Pressebüro aus Wien   der Tod des Genossen

Cestern wurde vom Tschechoslowakischen linken Parteien organisiert sind. Bei der Durch­Sever gemeldet. Die Meldung wurde später suchung des Lastautomobils fand man vier widerrufen.( Severs Frau wurde bei den Waschinengewehre, eine Menge Gewehre, ihren Verwundungen. Sever selbst wurde in Haft Kämpfen in Ottakring   schwer verletzt und erlag

Bomben und Munition.

Keine Kürzung der Staatsbeamten- Pensionen

genommen und wurde im Gefängnis irrsinnig.) Wie ernst es mit dem Genossen Sever be­stellt ist, beweist ein uns vorliegender Privat­bericht über einen Besuch in der Psychiatrischen  Klinit, in der Sever untergebracht ist:

-WD

,, Ich habe heute den Seber geschen und habe geweint. Er ist immer noch auf der Psychiatrischen   Klinit und wird wegen eines Arm­

He leidens zur physikalischen Behandlung in die ent­

Prag. Einige Blätter brachten die Nachricht, daß eine Kürzung der Pensionen der Staats­beamten vorbereitet wird. Das Tschechoslowakische Preßbüro ist von kompetenter Stelle zu der Er­flärung ermächtigt, daß diese Nachrichten, soweit fie die Zeitungen verzeichnet haben, vollkom men erfunden sind. Ueber etivas Derarti­ges wurde an maßgebenden Stellen überhaupt nicht verhandelt und es hat auch niemand eine derartige Forderung erhoben.

sprechende Abteilung gebracht, in der auch ich be= handelt werde. Niemals hätte ich in diesem alten, gebrochenen Mann Sever erkannt. Ein anderer

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Güte sicht, dieser Haufen von Elend das gen staatsrechtlichen Zustandes, des ſt a. soll unser Sever sein? Stumm suchten sich unsere t'u 3 quo. Blide, wir tasteten einander förmlich mit den Der Kampf für diese Parole wurde zuerst Augen ab. Sprechen konnten wir nicht, ein stren- allein geführt von der Freiheitsfront an ger   Pfleger stand daneben. Aber wir haben uns der Saar, in der die Sozialdemokratische Partei  verstanden alle haben wir uns verstanden. des Saargebiets, die freien Gewerkschaften und Das war der Trost dieses trostlosen Augenblicks. die Arbeiter- Sport- und Kulturorganisationen Staunen, Schmerz, Tränen, zuſammengefuiffene zusammengeschlossen sind. Der Hauptgegner der Lippen, schlecht verhehlte. Empörung, waren zu

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schen. Wie würdelos diese Christenregierung um Freiheitsfront ist die Deutsche Front, die Sam­uns Arbeiter buhlt und von Versöhnung spricht! melorganisation aller der Verbände und Grup. Aber nur spricht, das wurde uns beim An- gen, die kein anderes Ziel kennen, als diesen letz­blid unseres lieben Sever klar. Und es ist nur ten Zipfel freien deutschen   Landes dem braunen einer von unendlich vielen, die da systematisch Terror auszuliefern. Die Deutsche Front bezieht zu Tode gequält werden. Nein, wir wollen die Mittel und Methoden ihres Stampfes aus feine Versöhnung mit diesen Unchristen wir Hitlerdeutschland. Sie lockt mit großen Verspre­wollen Ra ch c!" chungen, sie arbeitet mit enormen Geldmitteln, fie terrorisiert, sie boyfottiert, fie beschimpft jeden Andersdenkenden als Landesverräter, kurzum, Schülerin Hitlers   und Goebbels  . sie erweist sich als treue Dienerin und gelehrige

Papen in Wien  

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Patient hat ihn jedoch erkannt. Auf einmal gabs Wien  . Wie das Weltblatt" mitteilt, wird unter den Patienten ein Zischeln und Raunen, ein der deutsche   Gesandte von Papen Ende dieser Deuten auf einen alten Mann in Spitalskleidung -der Sever", ber eber" war zu Woche von seinem Urlaub nach Wien   zurückkehren hören. Ich begriff nicht gleich, es ist auch unfaß- und die Leitung seines Amtes übernehmen.

"

Hitler und seine Kumpane fürchten die Abstimmung. Sie wissen, daß ihre Aussichten vor allem nach dem 30. Juni und nach dem 25.