Sette 2
Freitag, 21. September 1834
Nr. 221
Der Fall Prlnce (Paris  .) Dir Afsärc Prince steht noch im­mer im Vordergrund des Interesse». Einen Rekord journalistischer Bereitschast stellte Donnerstag das ?lbendblattParis Soir" auf, das den ganzen Text 180 Maschinenseiten des Polizeirap­portes Guillaumes über die Untersuchung des rätselhaften Todes Prinees wörtlich veröffentlichte und nicht nur den übrigen französischen   Blättern, sondern auch den Agenturen und sogar der par­lamentarischen UntersuchungSkommisiion, die bis­her die Kopien der Texte für ihre Mitglieder noch nicht beendet hat, zuvorlam. Zahlreiche Blätter der Linken und der Rech­ten sind der Ansicht, daß der Fall Prinee zu poli­tischen Zwecken mißbraucht wird.
deutungsvollen Schritt zur Bildung eines katho- lischen Blocks. Bald aber zeigte eS sich, daß die schwungvolle und begeistert aufgenommene Fest, rede Hiinkas einen bitteren Rest übrig gelassen batte. Man lam da erst darauf, daß das Haupt- Hindernis einer Einigung, die Forderung Hlin. las nach Autonomie der Slowakei  , über deren Wie" er sich bisher eigentlich noch niemals klar geäußert hat, weiter bestehe. Von einer Verzicht­leistung auf diese Fordcrun war weder in seiner Festrede etwas zu hören, noch konnte man eine solche aus den späteren Aeußerungen der Presse der slowakischen Volkspartei ableiten. Dagegen ist noch in deutlicher Erinnerung, daß Herr Hlinka   vor etlichen Jahren sich sogar den bür- gcrlilb-nationalen Sudetendeutschen   anbicderte und vor solchem Publikum in Böhmen   für die slowakische wie auch die sudetendeutsche Selbswer- waltung eintrat. Die Slowakei   für die Slowa­ken das stellt er sich vorläufig so vor, daß die tschechische Volkspartei ihre Organisationen in der Slowakei   zugunsten seiner Partei auflöse und ihm allein das Feld überlasse. Die Partei des Ministers Sramek hat vor Jahren schon in der Slowakei   sich einen Flügel unter der Führung MikuraS angegliedert, der gegenüber den die Politik Hlinkas befolgenden slowakischen Kleri- kalen für das zentralistische Programm der Par- tei SramekS eintritt. Es besteht der Eindruck, daß es Hlinka  darum zu tun ist, diese Konkurrenz loSzuwcrden, um so der alleinige Repräsentant des katholisch gesinnten Teiles der slowakischen Bevölkerung zu werden und daß er nach der bekannten Art Henleins sich tarnt und Loyalitätsbutter auf das den Tschechen dargereichte Brot dick ausstreicht, um dabei leine eigenen Parteizwecke zu fördern. Da Herr Eramek nicht daran denkt, diesen Ver- zicht Hlinka   zum Opfer zu bringen, kann man annehmen, daß die tschechisch-slowakische Streit- axt noch keineswegs begraben ist und die Hoff­nungen jener, denen schon der Mund wässerte, es werde jetzt derantimarxistische" Kampf wir- kungsvoller geführt oder auch die Deutschen   von der Mitregierung im Staate verdrängt werden können, müssen vorläufig zurückgeschraubt wer­den. Daß solche Hoffnungen aber im Zusam- menhange mit dem Gedanken der Schaffung eines katholischen Blocks überhaupt entstehen konnten, erweist, was unter diesem Wort ver- standen wird und welchen Zwecken er zu dienen hätte. Was wohl im Auge zu behalten sein wird.
Vie Schuhmachermeister und Balte Zwei Zuschriften Zum Kampf darum, ob das Reparieren »on Schuhen nur von kleinen Meistern durchge­führt werden soll oder ob auch Fabriksbetriebe vor allem Bata Reparaturwerkstätten er­richten können, erhielten wir zwei Zuschriften. Die erste, eine längere Darstellung, stainmt vom Verband der Gewerbetreibenden un^Kaufleute mit demSitze in Aussig  (Sekretariat Saaz), die zweite ist uns vom Reichsverband der deutschen Schuhmacher­genossenschaften in der 2. S. R. (Sitz Rumburg  ) eingesandt worden. In der ersten Zuschrift heißt es u a.: Die Volksabstimmung ist ein in der Tsche« choslowakei vorgesehener politischer Akt, der bis­her noch nicht angewendet wurde und die Wirt­schaft hat mit der Politikbekanntlich" nichts zu tun. Wenn aber die Millionengewinne der Baka« A.-G. auch nur teilweise bedroht sind, dann wird der Verkaufsapparat rasch zu einem politischen Propaganda-dlpparat umgeluandelt und mit einer Betriebsamkeit, die eines Goebbels würdig wäre, und mit einem Pathos, hinter dem di«. Profit- intereffen schlecht verhüllt sind, wird Lärm ge­schlagen:Protestierti" Getreu ihrem Grundsatz Dienst am Kunden" wendet sich die Bata-A.«G. nun an die Kunden und bittet um Gegendienste ihrerseits. Und die llrsache des ganzen LärmS: die unerfreuliche" Tatsache, daß neben der Baka- A.-G. mit ihren Millionengewinnen noch vielleicht 80.000 Schuster existieren, die Hungereinkommen haben und denen auch noch diese Hungercinnah- men genommen werden sollen. Um diesen 80.000 Menschen, die von der übermächtigen Kapitals­kraft der Bata-A.-G. bedroht sind, die sich vor allem auf Kosten ihrer Kunden keine solche Pro­paganda und Reklame leisten können, em wenn auch sehr, sehr bescheidenes Dasein zu sichern, plant die Regierung die Herausgabe eine» Ge­setzes. da» den Betrieb von sogenannten Fabriks­reparaturwerkstätten untersagt. Dagegen werden also Petitionen überreicht und sollen Millionen Unterschriften gesammelt werden. Dabei will das Schuhmachergewerbe Bakas Erzeugungstätigkeit, auf die er sich beruft, gar nicht einschränken, sondern verlangt lediglich, daß die Annahme und Ausführung von Schuhrepara­turen durch die Industrie unterbleibe. Und das mit Recht: die Entwicklung der Großindustrie gerade im Schuhgewerbe hat es mit sich gebracht, daß das Schuhmachergewerbe, einige Spezial­arbeiter ausgenommen, auf Reparaturen ange­wiesen ist. Auch diesen Erwerbszweig will die Industrie dein Schuhmachergewerbe in immer Wei, teren Umfange abnehmen. In sozialpolitischer Hinsicht bestehen gewal­tige Einwendungen gegen die Werkstätten der Firma Baka. Selbst für die Gewerbevi Hörden dürste kein Geheimnis sein, daß die achtjiündige Arbeitszeit in diesen Werkstätten nicht eingehalten wird, also gerade in der heutigen Zeit der schwer­sten Wirtschaftskrise durch diese Ueberarbeit den Handwerkern Arbeit und Brot entzogen lvird. In gewerberechtlicher Beziehung ist der Standpunkt der Firma Bata unhaltbar, wenn sich auch die Firma Bata darauf beruft, daß es noch nie da war, daß demjenigen, der Schuhe erzeugt, die Reparatur von Schuhen verboten wird". Die Fassung des 8 88a der Gewerbeord­nung zeigt deutlich, daß Bata Unrecht hat: In ­
habern von Handelsgewerben ist die Entgegen­nahme von Schuh- und Kleiderrrparature» ver­boten. Dasselbe gilt auch für die Verkaufsstellen der Großbetriebe, denn auch der Betrieb einer der­artigen Verkaufsstelle ist eigentlich ein Handels­gewerbe und da» Gesetz will diesem legalen Zu­stand nur eine korrekte Interpretation geben. Baka beruft sich darauf, daß in den Repara­turwerkstätten 20.000 Menschen beschäftigt wer­den. ES würde uns interesiieren, wieso er zu die­ser Zahl kommt. Wenn viel, dürften in den Bata- Betrieben ettva 1500 Personen mit Reparaturen beschäftigt sein, in den Hilfsindustrien etwa wei­tere 1500, insgesamt also 8000 Personen. Da diese letzteren 1500 Personen auch dann beschäf­tigt sein werden, wenn statt Bata die Schuhmacher das Leder beziehen, handelt e» sich um 1500 Per­sonen. Dagegen stehen die Interessen von zehn­tausenden Schuhmachern, die einen berechtigten Anspruch darauf haben, auch in diesem Staate zu leben und nicht zu verhungern und mit Fug und Recht verlangen können, daß der ohnedies schmale Gelvinn au» der Reparatur von Schuhen nicht dem Millionenunternehmen Bata», sondern ihnen zu­gute kommt. In der zweiten Zuschrift wird u. a. gesagt: Nach jahrelangem Kampfe, den da», dem Abgrund naheliegende Schuhmachergewerbe führt, erwägt die Regierung ein Verbot, daß Niederlagen von Schuhfabriken keine Reparaturwerkstätten mehr betreiben dürfen. Durch diese Maßnahme soll da» dem Tode geweihte Schuhmacherhandwert vor dem Untergang gerettet werden. Die Firma Bata läuft nun Sturm gegen diese geplante, ver­nünftige Maßnahme und bietet alle ihr zu Gebote stehenden Machtmittel auf. um gegen un» Stim­mung zu machen und die Verivirklichung der Ge­setzesvorlage in letzter Stunde, wie schon so oft, zu verhindern. Als Hauptargument wird eine be­vorstehende Verteuerung der Reparaturen ange­führt, falls Bata diesen Kampf verliert. Wir widerlegen diese Beschuldigung und erklären, daß wir jederzeit, bei Verwendung der gleichen Mate­rialien imstande sind, zu gleichen Preisen Repa­raturen zu liefern. Al» zweite» Argument gegen un», bringt Baka seine Sorge um die zu gewär­tigenden Arbeitslosen in» Treffen, wa» gleichfalls nicht zutrifft. Bei besserer Beschäftigung ist eS un» möglich, alle arbeitslosen Schuhmachergehil» fen dec Arbeit zuzuführen und ihnen ein Menschen. lvürdigeS Dasein zu sichern, da wir fast alle Ar­beiten mit der Hand, ohne maschinelle Hilfe durch­führen. Wir dürfen wohl annehmen, daß die ge­samte Arbeiterschaft davon überzeugt ist, daß wir proletarischen Gewerbetreibenden den schwersten Existenzkampf führen, wo das Recht auf unserer Seite ist und bitten alle Arbeiter und Arbeiterin­nen um ihre Unterstützung im Abwehrtamps gegen das Großkapital. Für du Asylrecht In der Tschechoslowakei  DasNärodni osvobozcnt", da» Blatt der Legionäre, setzt sich seit einiger Zeit nachdrücklich für die Wahrung des Asylrechtes in der Tschecho­ slowakei   ein und tritt dagegen auf, daß von un­tergeordneten Organen da» Asylrecht politischer Emigranten in letzter Zeit verletzt worden sei. Da» Blatt führt verschiedene Fälle der Verletzung de» Asylrechts an: Der reichsdeutsche Emigrant E. K. trat von Brünn   zu Fuß die Reise nach Sowjet« ruhland an. Die Liga' für Menschenrechte stellte ihm einen kleinen Betrag zur Verfügung. In Kaschau   wurde der Emigrant verhaftet und, ob« ivohl er einen von der Brünner Polizeidirektion
Der Außenminister der Sowjetunion  , Litwinow  , ist der Vertreter der USSR.im Völkerbund   und wird wahrscheinlich zum Ratspräsidenten gewählt werden.
ausgestellten JnterimSpaß besaß, au» der Tsche­ choslowakei   auSgewiesen und nach zehntägiger Hast a>: die polnische Grenze gestellt. Dort wurde er neuerlich verhaftet und in die Tschechoslowakei  zurückgeschickt. An der tschechoslowakischen Grenze wiederholte sich dasselbe Spiel.. E. K. wurde neuerlich aus Polen   abgeschoben, an die tschecho­slowakische Grenze überstellt und hier wegen ver­botener Rückkehr zu drei Wochen Arrests verurteilt. Jetzt hat er um gnadenweise Erteilung der Auf« enthaltsbelvilligung angesucht. Der ungarische Emigrant Dr. B. H. wurde aus Wien   ausgewie­sen und kam ohne Patz nach Pretzburg. Hier wurde er verhaftet, weil er ohne Patz die Grenze überschritten hatte und an die ungarische Grenze abgeschoben. Die österreichischen Emigranten A. F. und E. S. kamen nach Rapotin in Mähren   und suchten bei der Gendarmeriestation um Aufent­haltsbewilligung an. Sie wiesen sich mit einem Heimatschein aus. Beide wurden festgenommen und befinden sich seither in Haft. Der öster­reichische Emigrant R. W. wurde in Olmütz   ver­haftet und in Haft belasten, weil er keine Doku­mente hatte. In Leitmeritz   wurde der ehema­lige reichsdeutsche Abgeordnete P. in Haft genom­men, weil er sich mit einem falschen Patz auswie». Seine Frau wurde an die deutsche   Grenze abge­schoben. Im Gerichtsgefängnis der gleichen Stadt befinden sich die reichsdeutschen Emigranten H. M. und K. S., denen gedroht wird, datz sie nach Verbühung der Strafe nach Deutschland   ausgc- wiesen werden. Gegen diese Verteidigung des Asylrechtes durch das Legionärsorgan hat sich nun derBen« tov" gewandt und dasNär. Osv." von gestern beschäftigt sich deshalb nochmals mit den Ucber- griffen einzelner Behörden gegenüber den Emi­granten. Die Ansichten über' die Emigration, die da» agrarische Blatt vorträgt, sind nach Ansicht desNär. Osv." nicht demokratisch. Bon jeman­dem zu behaupten, er könnte bei uns Spionage betreiben, ist gegen alle demokratischen Auffassun­gen von den Menschenrechten. Wenn die Emigran­ten sich tatsächlich gegen die Gesetze der Republik  vergehen, ist es selbstverständlich, datz sie aus­gewiesen werden. Aber man darf politische Flücht­linge nicht auSlveisen, weil sie keinen Patz haben. Da» ist unmenschlich und verlverflich.
1 BRUNO ADLER  :
li^= UN TATSACNINROMAN
Copyright 18 1 by Michal Kacha Verlag. Prag   XIX| 17. Sttli 1808 Auf dem flachen Rücken einer der Anhöhen, die in welligem Zug die Länder Böhmen und Mähren   mehr miteinander verbinden als von­einander abgrcnzen, schläft das alte Städiche» Jglan in der Sonnnersonne. Noch weitläusiger als sonst ist der Marktplatz an diesem stillen Sonntagnachinittag. Kein Mensch ist zu sehen. Vor den Gasthöfen stehen ein paar ländliche Ge­spanne. Klatschend kämpfen die Pferdeschweife gegen die Fliegen. Altersgrau und vornehm ver­schlossen sichern die Fassaden der Bürgerhäuser die Ruhe sonntäglicher Siesta. Das Arbeitsvolk der Stadt und der Um­gebung die Leute aus den Tuchwerken von Löw Beer, aus den Wirkwaren  -, Schuh- und Lederfabriken feiert zur selben Zeit sein Som­merfest. lleberall im Land haben die Sozi, wie man die Anhänger der Sozialdemokratischen Partei halb spöttisch, halb ängstlich nennt, diesen 17. Juli deS Jahres 1808 zu ihrem Festtag ge­mach!, und überall verläuft er ähulich. Geschlof­fen sind die Männer, Frauen und Kinder aus der Stadt und den nahen Dörfern in den Wetter- Höfler Wald marschiert, mit roten Nelken ge­schmückt, rote Fahnen vor ihnen her; auch da­einfache Waldgasthaus ist rot dekoriert, Bänder mit Aufschriften Heraus mit dem allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht! Fort mit dem 8 14! Hoch die Solidarität des inter­nationalen Proletariats! find zwischen hoh. Tragstangen gespannt. E» sieht nicht Übel au»;
die grüne Lichtung im roten Schmuck und der blaue Himmel drüber. Ein Genosse hat in unbeholfenen Worten die Teilnehmer und den Festredner, einen Doktor aus Brünn  , der nächsten Großstadt, begrüßt,' die Arbeitersänger haben ein Kampflied vorgetragen, dann hat man den Platz freigemacht, damit der Arbeiterturnverein und die Radfahrer ihr» Künste zeigen konnten, und nachher zog alles zu ein paar dürftigen Bretterhäuschen.Japanisch  » Wurfbude" heißt eine»,Panoptikum" und Glückshafen" die anderen, und ein Ringelspiel 'wartete auf die Kinder. ES gab eine Pause, in der man Lotterielose kaufte, die Buden besichtigte, die Kinder Karussell fahren ließ und Bier oder Sodawasser trank, und dann begann die Festrede. Der Redner steht hinter einem primitiven, mit rotem Stoff bespannten Pult auf einer Bodenerhöhung. Um ihn gruppieren sich die Zu­hörer im FeiertagSgelvand, die Frauen in lebhaf­ten Farben. Man ist hier inmitten einer deutschen  Sprachinsel, die eingesessen« Bevölkerung ist rein deutsch  , aber das Jndustrieproletariat enthält viele»«gezogene Tschechen und mährische Slowa­ken. Während die bürgerlichen Städter JglauS jedes tschechische Wort als verrat am angestamm­ten Volkstum verpönen, scheint die Arbeiterschaft das Sprachenproblem zu ignorieren. Fast jede» hier ist mit der zweiten Sprache einigermatzen vertraut, und der Doktor aus Brünn   überseht nicht darum manche Worte in» Tschechische  , um von allen verstanden, zu werden, sondern um da­mit anzudeuten, datz eS für ihn Und seine Partei keinen Unterschied zwischen Deutschen   und Tsche­ chen   gibt. Er spricht von der politischen Lage. Dieses Oesterreich, sagte er, hat nur zum Schein eine Verfassung. So oft sie den Macht­habern unbequem wird, hebt man sie mit dem 8 14 auf, und so wird der alte Absolutismus  wieder hergestellt. Die alte österreichische Regie- rungSlunst, aber auch die tradionelle bürgerlich«
Politik, beide charakterlos und nur auf die Unter­drückung der aufstrebenden Arbeiterklasse gerich­tet, haben Bankrott gemacht und den Staat an den Abgrund getrieben. Die nationalen Bourgeoisien machen Scha- chergeschäfte und heißen da» Politik. Statt da» Selbstbrwutztsein der Einzelvölter. da» mit dem kulturellen Aufstieg wächst, zu befriedigen, miß­brauchen sie es, um die Nationen gegeneinander aufzuwiegeln. Damit verschulden sie die schauer­lichen Ausbrüche des Chauvinismus, die in Böh­ men  , Mähren   und Galizien  «n der Tagesordnung sind. Nationale Volkstage führen zu Exzessen, Ministerkrifen zu Plünderung«», friedliche Feste zu Schießereien und Brandlegungen. So Hetzen die feudalen Mächte Volk wider Volk, und di» Vertreter de» Kapital» und der Kirche säen Zwie­tracht und Hatz zwischen Rassen und Konfessionen. Laßt euch nicht dumm machen, Genossen, ruft der Redner au». Laßt euch nicht gegen eure Klaffen­genossen anderer Nationalität aufhetzen! Die nationale Hehsuppe. Genossen, laßt nur ruhig jene auölöffeln, die sie eingebrockt haben. Ihr habt e» nicht nüitg, euch daran den Magen zu verderben und für die Folgen zu bützen, während die Köche au» den Finstern auf euch herunter­spucken und sich ein» lachen, weil die Massen noch jo blöd sind und auf jeden Köder anbeitzen. Und um die wahre Gesinnung der Parteien zu entlarven, liest er au» ihren Zeitungen vor. Triumphierend meldet die deutschradikaleOst­deutsche Rundschau", datz die sozialdemokratischen Kandidaten bei den GehilfenanSschntzwahlen in Brünn   gegen die vereinigte Liste der Deutsch­nationalen und der Jungtschechen unterlegen sind. Dieselben völkischen Führer, die sonst nur von derminderwertigen tschechischen Nation", von demschmutzigen jungtschechischen Gesindel" sprechen, schrecken vor keiner Ehrlosigkeit, vor kei­nem verrat zurück, wenn e» gegen die Klasse der Werktätigen geht. Nicht besser sind die Christlich  - '.'zialen. Alle ihre volküfrenndlichen Versprechun­gen sind vergessen, seit sie in Wien   und in Nte-
derösterreich an der Krippe sitzen. Wa» ist das für ein Christentum, da» e» mit den Reichen und Großen hält? Nicht besser kann der Redner sich seinen Zuhörern verständlich machen, als, indem er ihnen erzählt, wie ihr geistlicher Oberhirte, der Olmtther Erzbischof Kohn, sein Christentum auf­faßt: wie er es verstanden hat, von der verkrach­ten Chropiner Zuckerfabrik sein Geld auf Heller und Pfennig zurückzubekommen, wodurch tausend kleine Bauern um ihren Jahresverdienst betro­gen wurden; wie er sein Dienstpersonal auS- beutet und schindet, soa daß sich schon der dritte da» Leben genommen hat; und wie er erst kürz­lich wieder sechSunddreißig arme Frauen wegen Holzdiebstahl» anklagen und verurteilen ließ, weil sie in den unermeßlichen Wäldern deS Erz­bistum» wertloses Reisig aufgelesen haben... Wa» bedeutet es aber, daß jetzt wieder ein­mal von allen diesen Parteien, den Latifundien« besitzern, den Deutschradikalen und den Thrist- lichsozialen, das Volk gegen die Juden aufgehetzt wird? Jeder aufgeklärte Arbeiter verstehi, was die Kapitalisten damit bezwecken: sie wollen die Juden zum Blitzableiter für die soziale Empörung der Massen machen. Sie wollen die Aufmerksamkeit von der agrarischen, feudalen und kirchlichen Ausbeutung auf die jüdische ab« lenken. Richt etwa gegen die jüdischen Großindu­striellen und Grotzkapitalisten, nicht gegen die Barone Rothschild und Guttmann geht eS dabei, di« stehen ja selber den Thristlichsozialen näher al» etwa den Proletariern ihres eigenen Glau­bensbekenntnisses; sondern gegen die kleinen jüdischen Gewerbetreibenden geht es, ihnen wird da» ganze Unglück in die Schuhe geschoben, da­mit die wahren Unheilstifter ungeschoren bleiben. Kein klaffenbewußter Arbeiter wird sich davon den Kopf verdrehen'lassen, er Weitz: sein Feind ist der Ausbeuter, ob er christlich oder jüdisch ist, und sein Freund der entrechtete, auSgebeutet« Genoss«, welcher Raffe er auch angehöre».. (Fortsetzung folgt.)