Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

BRSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Auferstehung

Samstag, 22. September 1934

der österreichischen Arbeiterbewegung Eine illegale Konferenz in Niederösterreich  - Einmütige Beschlüsse Dank an die Emigration und an die Bruderparteien

Aus Wien   wird uns gemeldet: In einer niederösterreichischen Gemeinde fand dieser Tage eine von Delegierten aller Organisationszweige der früheren österreichischen Arbeiter­bewegung, Vertretern der österreichischen Emigration und des Schutzbundes beschickte Konfe­renz statt, an der sich insgesamt siebzig Genoffen und Genoffinnen beteiligten. Es war dies die erste ordentlich einberufene und befchickte Konferenz seit dem 12. Feber. Sie tagte in voller Einmütigkeit und ihre Beschlüffe legen Zeugnis von der Konsolidierung der illegalen sozialistischen   Bewegung in Desterreich ab. In einer einstimmig angenommenen Erklärung schloffen sich die vertretenen Gruppen zur Vereinigten fo= zialistischen Partei Oesterreich 8" zuſammen.

-

In dem Aufruf, der von der Konferenz beschloffen wurde, heißt es u. a.:,,Unsere Par­tei ist der einzige Erbe und Nachfolger der österreichischen Sozialdemokratie und gleichzeitig eine verjüngte revolutionäre Bewegung. Diese Bewegung steht in un­verföhnlicher Feindschaft gegen alle Formen des Fafcismus und gegen die monarchi­ftifhe Reattion. Sie fämpft- in dem vollen Bewußtsein, daß der Fascismus nur durch revolutionäre Mittel im Kampf um die gefamte Macht überwunden werden kann für die wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Arbeiterklasse, für die Erneuerung des Roalitions- und Streit rechtes und für die Freiheit der Ueberzeugung." Die nächste Ausgabe der Brünner ,, Arbei­

In der nächsten Zeit soll ein Barteitag ein­

-

berufen werden, der über ein Attinterzeitung" erscheint mit dem Untertitel:" Organ programm mm beschließen wird, in welchem die der sozialistischen Organisationen Desterreichs". Methoden des illegalen Kampfes gegen den Fa= fcismus festgelegt werden sollen. Mit aller Klar­

Die Konferenz hat den Beweis erbracht, daß die österreichische Arbeiterklasse mit ungebrochener heit wird in dem Aktionsprogramm festgestellt Straft an die Arbeit geht, um den Fascismus zu schlagen. Sie wurde mit dem Dant für die Hilfe werben, daß sich die neue Partei auf den Boden der internationalen Bruberparteien und beson­bes Klaffenkampfes stellt und zur Soziali ders der beiden sozialdemokratischen Parteien in ftischen Arbeiter Internatioder Tschechoslowakei und dem Dank an die emi­nale bekennt. grierten österreichischen Genossen geschlossen.

=

hunderte Todesopfer eines Taifuns

-

Schulkinder lebendig begraben Zehntausende Häuser zerstört Verwüstete Städte

( Toti o.) Ein von schweren Regenfälllen begleiteter Taifun raste am Freitag vormit­tags mit einer Stundengeschwindigkeit von 45 Meilen quer durch Zentral- Japan. Er nahm sei­nen Anfang bei Ofata und ging über Kioti in das Japanische Meer. Es entstand eine Spring­flut, durch die 50.000 äuser zerstört wurden. Mehrere Städte wurden verwüstet.

Der Weg, den der Taifun genommen hatte, bietet den Anblick eines Trümmerfeldes. Aus­geriffene Bäume und Telegraphenmaste und Trümmer zerstörter Häuser liegen wirr durch= cinander. In Osaka   sind zahlreiche Häuser, darunter mehr als 40 Schulen, eingestürzt. Militär wurde sofort angefordert, um sich an dem Rettungswerk zu beteiligen. Die Zahl der Toten beläuft sich bisher auf viele Hunderte. In Dfafa ist ferner ein berühmter Tempel zer­stört worden, dabei sind 15 Personen verletzt worden.

In Kiota wurden ein Amtsgebäude und mehr als zehn Schulhäuser vernichtet. Etwa 1000 Schulkinder wurden unter den Trümmern begraben, von denen etwa 500 sofort nach dem Unglück wieder befreit werden konnten. Der Eisenbahnverkehr zwischen Tokio  , Osaka   und Shimonofeti ist unterbrochen. Bei den zahlreichen 3ugsunfällen findetwa 100 Todes opfer zu beklagen. Auch der Telegraphen- und Telephonverkehr im Un­glücksgebiet ist unterbrochen.

Man ist der Ansicht, daß es sich bei dem Taifun um den schwersten handelt, der während der letzten 30 Jahre Japan   heimgesucht hat. Während die Schäden auf dem Festlande unge­heuer groß sind, sind die Verluste der Schiffahrt verhältnismäßig gering, da von einer meteo­rologischen Station rechtzeitig Warnungszeichen abgegeben werden konnten.

943 Tote, 3738 Verwundete

( Zoti o.) Nach dem letzten Bericht des japanischen Innenministeriums hat die Taifun­tatastrophe in 18 Städten des Landes insgesamt 943 Todescofer gefordert; 3738 Personen wur­ben verleht, 503 werden noch vermißt. Allein in der Präfektur Osaka   zählte man 767 Tote und 3058 Berleşte, während 488 Personen, vermißt werden. Nach einem Funkspruch aus Takamatsu  fürchtet man dort, daß dort 2300 Boote von der Insel Schitoku gesunken find.

225 Kinder tot

( fata.) Bon dem furchtbaren Taifun­unglüd, das weite Streden mitteljapans ver­wüftet hat, werden weitere erschütternde Einzel­heiten bekannt. Danach sind 47 Schulen einge= ftürzt, 225& in der wurden getötet, wäh= rend 820 mehr oder weniger schwere Ber lekungen erl erlitten und brei noch vermist werden. In 188 vollständig zerstörten und 260 start beschädigten Häufern, fand man 96 Tote und 298 Verwundete auf. 20 Häuser wurden durch die Springflut vollständig fortgeriffen.

Streik von 40.000 Seeleuten angekündigt

( New York  .) Der Verband der Seeleute fündigt für den 8. Oktober den Streit in allen Atlantikhäfen und den Häfen des Golfs von Me­gifo an. Mit Ausnahme der Eastern- und Black­Diamond Line werden alle amerikanischen   Schiffs­linien von dem Ausstand betroffen werden. Der Verband rechnet mit einem Streit von 40.000 Seeleuten.

Umbau der schwedischen Regierung?

Einzelpreis 70 Hotter

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 222

Ein verbotenes Buch

Es zeigt auf der Titelseite das Bild Adolf Hitlers  . Der Inhalt handelt von jüngster deutscher   Geschichte. Es berichtet von den Leistun gen der nationalsozialistischen Revolution, ja von ihrem entscheidenden Inhalt. Ein Buch also, das Anhänger und Gegner Hitlers   gleichermaßen interessieren muß. Und doch verboten? Von amts­wegen nicht. Keine Behörde kann daran Anstoß nehmen, weil es nur Tatsachenberichte enthält,

ohne ein Schimpfwort gegen die neudeutschen

Machthaber, ohne politischen Kommentar. Es ist im Karlsbader Verlag Graphia erschienen und ( Stockholm  .) Ministerpräsident Hansson er- trägt die Ueberschrift: Adolf Hitler  , flärte in einem Interwiev mit einem Redakteur Deine Opfer klagen an". Dann folgen des Sozialdemokraten", in der er die Gründe Ortsnamen, die im heutigen Deutschland   einen für den Sieg der Sozialisten bei den fürzlichen schrecklichen Klang haben: Sonnenburg, Hohn­Wahlen darlegte, daß die schwedische sozialdemo- stein, Papenburg  , Lichtenburg, Dachau  , Oranien­fratische Partei zivar mit den übrigen Parteien burg  . Dazu der Untertitel: Ein Appellan zusammen zu arbeiten beabsichtigte, nichtsdesto- das Gewissen der Welt." weniger erfordert nach Ansicht des Ministerprä­sidenten Hansson die gegenwärtige Lage nicht die derzeit bestehende Regierungskoalition, sondern eine Regierung, die bloß aus Vertretern einer Partei bestünde.

Russenverhaftungen

In Charbin  

( Moskau  .) Die Sowjetrussische Telegraphen­Agentur meldet aus Charbin, daß dort neue Ver­haftungen von sowjetrussischen Staatsbürgern an der Ditchinabahn vorgenommen wurden und daß bei anderen Haussuchungen stattfanden. In den letteren Tagen wurden 12 Angestellte und Arbei­ter in verschiedenen Stationen der Ostchinesischen Bahn verhaftet.

123 sozialistische Sekretäre verhaftet

Ein Buch, das in allen Kultursprachen den Weg in die Welt finden wird. Und doch werden es bei uns nur die sozialistisch orientierten Sude­ tendeutschen   und die wenigen freiheitlich gesinn. ten Eingänger unseres Volkes in die Hand be. fommen. Unser hitlerbegeistertes Bürgertum wird einfach nicht wagen, es aufzublättern. Krafteigenen Verzichts, aus Feigheit, der grauenvollen Wahrheit über das Wüten des braunen Cäsarenregimes ins Gesicht zu schauen, unter dem Druck eines bösen Gewissens, das sich mitschuldig fühlt an den begangenen Verbrechen des Nationalsozialismus werden sich unsere völ. fischen Kreise ein Lefeverbot gegenüber die­sent Buche auferlegen. Sie können, sie dürfen es nicht lesen, sonst würden sie selbst in den Spiegel ihrer moralischen Verderbtheit und ihrer mit Loyalität drapierten Henkergesinnung schauen.

Denn hier geht es im tiefsten ( Madrid  .) Havas. Die polizeilichen Durch Grunde um sittliche Entschei suchungen im Madrider   Voltshaus sind abge- dungen des Einzelnen. Die große schlossen. Heute wurden keine neuen Waffen ge- Mehrheit der Deutschen   im Reiche wird bei der funden, doch verhaftete die Polizei vier weitere weltgeschichtlichen Aburteilung des Hitlerismus Sekretäre der Gewerkschaftssyndikate. Die Ge­für sich noch den schwachen Entschuldigungsgrund samtzahl der verhafteten Sekretäre beträgt 123. anführen können, daß sie den vollen Umfang der Barbarei nicht zu überblicken vermochte, die über ein Sechzigmillionenvolk hereingebrochen ist, das einstmals in fernen Zeiten als Volk - der Dichter und Denfer bezeichnet wurde. Für ( Berlin  .) Auf Grund einer Verordnung des die Auslandsdeutschen besteht dieser Milderungs. Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und grund nicht. Sie haben bis nun, ob sie politisch Staat ist der Bund Christdeutscher Jungscharen" diesem oder jenem Lager zugehören, alle Quel­für das Gebiet des deutschen   Staates aufgelöst len der Wahrheitsfindung offen. Und jedes Be

Bund Christdeutscher Jung­scharen aufgelöst

und verboten worden.

-

tenntnis zum deutschen   Kulturkreis ist zugleich Verpflichtung zur Stellung. Schacht entläßt Generalsekretär name, aur sittlichen Entscheidung, ob dieses

( Berlin  .) Wie die Deutsche Arbeitsfront   unvorstellbare Ausmaß von Bestialität, von mitteilt, hat Reichswirtschaftsminister Dr. Schacht Ruchlosigkeit, von schurkischer Niedertracht, ja die Entlassung des Generalsekretärs des Deut- von Entmenschtheit schlechthin fürder den Namen schen Handwerks- und Gewerbekammertages, und den Ruf des deutschen   Volkes besudeln darf, Dr. Schild, angeordnet.

Vor dem Ende

des Textilarbeiterstreiks

Bereitwilligkeit zu Verhandlungen

( Washington.) Man ist hier der Ansicht, daß das Ende des Tegtilstreifes unmittel bar bevorstehe, nachdem die Streifleitung die Wiederaufnahme der Arbeit auf Grund des Be­richtes des Schlichtungsausschusses als möglich bezeidmet hat und die Unternehmer gleichfalls ihre Bereitwilligkeit zu Berhandlungen angedeutet haben. Der Schlichtungsausschuß empfiehlt in feinem Berichte, der von Roosevelt   gebilligt worden ist, die Schaffung einer unparteiischen breiföpfigen Textilarbeiterbehörde( Textile Labour Relations Board), die die Aufgabe hat, die Streitigkeiten in der Textilindustrie zu schlichten. Außerdem empfiehlt der Bericht eine Unter­suchung durch das Arbeitenministerium und die Bundeshandelskommiffion über die Frage, ob bie Textilindustrie diefelbe ober eine größere Sahl von Angestellten zu höheren Löhnen beschäf­tigen könne. Der Ausschuß hofft, daß die Textilarbeitergewerkschaft auf Grund dieser Empfeh­lungen den Tegtilstreit abbrechen werde. Gleichzeitig ersucht der Schlichtungsausschuß die Ar­beitgeber, die Ausständigen ohne Unterschieb wieder einzustellen.

ohne daß sich unter den in demokratischer Freiheit lebenden Deutschen   ein millionenhafter Aufschrei des Protests und der Verwünschung erhebt.

Es bedarf starker Nerven und eines harten Willens, dieses Buch zu Ende zu lesen. Die ganze Kriegsliteratur verblaßt bor   den Bildern des Efels und des Grauens, ausgebreitet in den Berichten Gefolterter, Ge­schändeter, Zerbrochener, die durch die Hölle der deutschen   Konzentrationslager gingen. Was sind Worte? Eine Sprache mit 80.000 Vokabeln ist zu arm, die unsagbaren Qualen auszudrücken, welche die Insassen der Konzentrationslager er­dulden müssen. Menschliches Fühlen sträubt sich) dagegen, die Wirklichkeit nachzuempfinden, die diesen Schilderungen zugrunde liegt.:

Sie sind aber nur Bruchstücke der vollen, der unfaßbaren Wahrheit. Die Verleger haben damit gerechnet, daß fie den vollendetsten Lügen. und Täuschungsapparat, aller Zeiten zum Geg­ner haben. Die Zusammenstellung des Buches verurteilt jeden Ableugnungsversuch des Berli. ner Propagandaministeriums zur Aussichtslosig­feit. Alle Anfläger, soweit sie außerhalb Deutsch­