Nr. 228 Sonnlag, 23. September 1834 Sette 8 Theresienstadt - ein Erfolg Beendigung des Arbeitslagers— Das(Irtell der Jugendlichen Am Freitag wurde das erste staatliche Arbeitslager in Theresienstadt zu Ende geführt. Es gab ungefähr achtzig Jugendlichen durch vier Monate Obdach. Arbeit und Brot. Am 21. Mai war es eröffnet worden. Das Arbeitslager verdankt feine Entstehung der Initiative der beiden sozialdemokratischen Jugendverbände. Ihr Wunsch war eS, die Arbeitslager als eine zweckmäßige Form der ArbeitShilf« für die arbeitslose Jugend auf eine breitere Grundlage zu stellen: die große Fahl der nichtbetreuten arbeitslosen Jugend hätte dies notwendig genmcht. Dieses Streben scheiterte zunächst an verschiedenen Widerständen. Bor allem galt es, die Voreingenommenheit zu überwinden, die in fast allen BevölkcrungSkreisen gegen die Arbeitslager bestand. Diese Voreingenommenheit war auch, bei der Jugend selbst vorhanden. So wurde denn das Arbeitslager in Theresienstadt als ein V e r s u ch aufgefaßt, von besten Gelingen die Fortführung und der Ausbau der Arbeitshilfe in der Form der Arbeitslager entscheidend abhängcn. TaS Ergebnis dieses Versuchs ermuntert alle Beteiligten zur Ausgestaltung der Aktion; ihrer Verbreiterung steht die seht beginnende schlechte Witterung entgegen, die auch die Ursache für den vorläufigen Abschluß des Theresienstädter Lagers war. Die Insassen des Arbeitslagers in Theresien stadt hatten an dem Bau eines Straßenstückes mit- zubelfen, das zur Umgehung des FestniigöneländeS und zur glatten Abwicklung des Verkehrs auf der Straße Teplitz-Schönau — Prag notwendig geworden war. Die wöchentliche Arbeitszeit der Jungen war 85 Stunden, in den lebten Wochen arbeiteten sie auf eigenes Verlangen 80 Stunden. Die Entlohnung erfolgte zu den ortsüblichen Sähen. Nach Abzug des wöchentlichen Taschengeldes von 14 Kc, der Lerpflcgungs- und Verwaltungskosten, ebenso der Kosten für di« Investitionen und Bekleidung ergab sich ein bedeutender Reinertrag. Seine Aufteilung erfolgte nach der Zahl der Ar beitsstunden; die Jugendlichen, die vom Anfang bis zum Schluß im Lager waren, bekamen 528.20 Kä ausbezahlt. Die Lagerinsassen waren bei der Unfall« und Sozialversicherung angemeldet. Die Arbeit hatte das Ministerium für öffentliche Arbeiten verschafft. Das erfreuliche finanzielle Ergebnis de- Lagers ist auf die kollektive Wirtschaft zurückzuführen, der glänzende, moralische Erfolg auf die Selbstverwaltung und freitvillige Disziplin der Lagerange- hörlgen. Die militärische Lagerleitung konnte sich auf eine lose Aufsicht beschränken. Deutsche und Tschechen verkehrten miteinander in vorbildlicher Kameradschaft, viele lernten zum ersten Male Angehörige der anderen Nation näher kennen, einige erweiterten ihre Sprachkcnntniste. An der S ch l u ß f e i e r nahmen teil: alle Lagcrangehörigen, der Minister für soziale Fürsorge, Genosse Dr. Meißner, der Lagerleiter, Stabskapitän B o u i c, Oberrot Dr. N ov ä k und Jng. Jaros, beide vom Ministerium kür soziale Fürsorge, einige Vertreter der Jugendverbände, darunter die Genossen Kern und N e u w i r t h für den Sozialistischen Jugendverband und der Genosse Raus für die tschechische sozialdemokratische Jugend. Als Genosse Dr. Meißner zum Lager kam, dankte StabSlapitän Bouse zunächst den Lagermitgliedern besonders aber dem Lagerältesten, unserem Genossen N e u j i l, dessen vorbildliche Arbeit von dem Vertrauen und der Liebe seiner Kameraden getragen wurde. Nach der Begrüßung des Ministers schloß der Lagerleiter seine Ansprache mit einem„Hoch" auf den Präsidenten und die Republik , in das die Versammelten begeistert einstimmtcn. Dann sprachen für die Lagermitglicdcr die Genossen N e u j i l(deutsch ) und Zabransky (tschechisch): „Im Namen der deutschen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft übernehme ich gerne die Aufgabe, Ihnen, Herr Minister, für das große Verständnis zu danken, welches S>« durch die Einrichtung dieses Probelagers der arbeitslosen Jugend bewiesen haben. Gleichzeitig d„nken wir auch dem Stabskapitän Bouse als Leiter des Lagers und dem Rechnungskorporal Srrelka für ihre Bemühungen. Wir arbeitslosen Jungen erkennen den Wert dieser Einrichtung an, obwohl wir wissen, daß sie für die große Anzahl der arbeitslosen Jugendlichen nicht ausreickä. Wir hoffen jedoch, daß die Erfahrungen aus dieser Aktion im nächsten Jahr zu wei teren Maßnahmen führen werden und mehr Juaendlichen ArbeitSmöglichkeit geboten werden wird Wir quittieren auch mit Freude, daü das Ministerium für soziale Fürsorge 15 Prozent Jugendliche in die Arbeiten auS dcrproduk t i v e n Arbeitslosenfürsorge eins»- reiht hat. Das bedeutet bei den dort beschäftigten 60.000 Arbeitern Beschäftigung für 8000 Jugendliche. t Die Heim ft,ä j, t en ak t i.o n, weiche für den kommenden Winter vorbereitet wird und gll das, was bisher getan wurdx, überzeugt uns von dem festen Willen des Herrn Minister« für soziale Fürsorge, der arbeitslosen Jugend zu helfen. Für diese Bemühungen sind wir der R- gierung und dem Minister für soziale Fürsorge dankbar. Wir sind jung und wolle» arbeiten. Wir sehen der Zukunft mit Vertrauen entgegen, denn um die Einreihung in den regelrechten Arbeitsprozeß wollen wir uns auch selbst bemühen. Wir kehren in unsere Heiinatsorte zurück und rufen der ganzen Oeffcntlichteit un', den Mitgliedern der Regierung diesen letzten Grrß auS dem Arbeitslager zu:Begeßt uni nicht l seiner Ide» Lager« zu danken, deren Kameradschaftlichkeit und Disziplin die guten Ergebniffe bewirk» i ten. Unsere Arbeitsgemeinschaft ist nicht nur ein finanzieller, sonder» vor allem ei« moralischer Erfolg und lehrt alle Jugendlichen, das) rS dar. i auf ankommt, mit Zuversicht bei der Gestaltung der Zukunft zu helfen. Genosse Dr. Meißner faßte in Antwort die Resultate des ersten Vcrsuchslagcr«, zusammen: Wir sind unS dessen bemüht, daß die Einrichtung der Arbeitslager oas Problem der Arbeitslosigkeit unserer Jugendlichen nicht löse» kann. Wir begannen mit großer Vorsicht und Zurückhaltung. Dir ausländische» Beispiele wurden unö zur Abschreckung vorgehalte». Aber unsere Arbeitsgemeinschaft, deren Einrichtung der Initiative unserer Jugrndvrrbände zu danken ist, haben rin ganz anderes Ziel verfolgt. Sie gründeten sich auf die absolute Freiwilligkeit ihrer Mitglieder. Jede« Mitglied konnte die Arbeitsgemeinschaft zu jeder Zeit verlassen. Ein weiteres Prinzip war die vollkommene Selb st Verwaltung der Jugend. Der Staat hat Euch wohl geholfen, aber Ihr habt im Wesen alles selbst gemacht. Was Ihr selbst über dir Ber- waltung des Lagervermögens beschlossen habt, ist geschehen. ES«ar für Miete der Jugendlichen, dir auS verschiedenen Gegenden kamen und verschieden« Eharaktereigrnschaftrn haben, anfangs nicht lricht, sich in daS Kollrktiv einzufügrn. Ihr habt jedoch alle freiwillige Disziplin: geübt und so die Arbeitsgemeinschaft mit einem guten Geist erfüllt. Ihr hobt selbst gesagt, daß Ihr zufrieden seid und daS hat mich besonders gefreut. Mir flößt diese Freude viel Vertrauen für die weitere Arbeit rin. Die Militärverwaltung ist uns bei der Einrichtung dr» Lager» sehr behilflich gewesen. Wir danke» ihre« Repräsentanten. Besondere Verdienste um da» gute Gelingen diese» versuchSlagerS hat stch Herr Stabskapitän' Baute erworben, ebenso die Herren Oierrat Dr. R o v ä k und Jng. I a r o t. ES ist aber auch allen Mitgliedern Nach dem gemeinsamen Gesang der StaatS- hymncn meldete der Lagerleiter dem Minister die Auflösung des Lagers. Damit war die offizielle Schlußfeicr beendet. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft nahmen nun voneinander Abschied. Mit kurzen Worten dankte der Lagerältestc Genosse N e u Z i l im Namen der deutschen Gruppe den tschechischen Kameraden, ebenso herzlich antwortete für die tschechische Gruppe Genosse Za- b r a n s k ij. Deutsche und Tschechen haben monatelang gemeinsam gearbeitet, ohne daß eS zur geringsten Trübung ihrer Freundschaft gekommen wäre. Einer hatte vom anderen gelernt und in ihm den Kameraden und Freund erkannt. So waren die Rufe„Freiheit!" und„Zdarl" die Bekräftigung eines Bundes, zu welchem die Arbeitsgemeinschaft alle ihre Mitglieder vereinigt hat. Die Fahrtausweise werden ausgestellt, die Jugendlichen nehmen Abschied vom Lagerleiter Stäbskapitän Bouse, dann marschierten die Angehörigen der beiden sozialistischen Jugendver- bändc, eine rote Sturmfahne an der Spitze und ihre Marschlicder singend durch die Stadt zum Bahnhof. Gemeinderäte im Bratenrock» die Schulfinder mit Lampion». Man wartete in dem kühlen Abend eine Feit, die Kinder zum großen Teil barfuß und frierend. Um 8 Uhr wird gemeldet, daß der Minister erst um V Uhr kommen könne. Man wartet weiter. Kurz nach neun- erscheint der Minister, begrüßt mit einem Händedruck den Bürgermeister und begibt sich in den Saal der Restauration zu den Journalisten. Die frierenden Kinder haben ihn kaum gesehen, die Bürger sind enttäuscht. ES wäre Ausgabe der offiziellen Faktoren, die bei sollen Anlässen die Minister in nicht geringer Fahl umgeben, betreuen und— wie man glauben sollte — beraten, daß sie solche unangenehme Vorfälle vermeiden. Natürlich kann der Minister da» nicht persönlich arrangieren, aber seine Ratgeber können eS. Ein paar Worte an die Bewohner von ZruL, einen Kessel heißen Tee für die frierenden Kinder der Häusler und Arbeiter— und die Demokratie wäre den Leuten in freundlichem Licht ersöbiencn. Statt dessen mußten sie frierend, enttäuscht und verärgert von dannen ziehen.' Minister im Manöverfeld Freitag nachmittags hatte auch— ganz inoffiziell— der Senatspräsident, Genosse Dr. Soukup, Zruä besucht und sich mit einer Reihe Bürgern über die Nöte des so idyllischen, aber recht armen Ländchens an der oberen Sazava unterhalten. Samstag befanden sich zahlreiche Minister im Manöverterrain. Spione Im Laufe der Manöver wurden bisher drei Leute wegen DpionageverdachtcS verhaftet. Es scheint sichumhitlerdeutscheSpäherzü handeln. Nenleln und der Bund der Landwirte Urteil eine» tschechischen BlatteS: Ein Zustand, der nicht lange mehr zu«tragen ist. In der Zeitschrift„Novä Svoboda" vonr 21. September, findet sich ein Artikel über Henlein und den Bund der Landwirte, in welchem unS folgende Ausführungen bemerkenswert erscheinen: Das gute Verhältnis, welches der Bund der Landwirte zu Henlein haben will, kann man nicht nur damit erklären, daß er eine neue politische Fraktion unter seinen Einfluß bringen will, von der man nicht weiß, welche Rolle sie spielen wird. Das gute Verhältnis des Bundes der Landwirte zu Henlein ergibt sich aus den Sympathien zu den Gedanken: welche Henlein, wenn auch unklar, zum Ausdruck bringt. D er' SB u n b d e i Landwirte macht eine innere Krise durch. Der Flügel, der gegen Kkepek und Spina eingestellt ist, wächst... Der Bund der Landwirte ist zumTeil von einer faseistischenJdeologie a n g c- st e ck t und das ist der Grund, warum der Bund der Landwirte die Rolle des Schützers Henleins übernimmt. ES genügt zu erinnern, daß noch unlängst die Saazer„Heimat", das Organ des Bundes der Landwirte, in einem Ton schrieb, der sich vom Ton der hakcnkreuzlcrischen Presse nicht unterschied. Im Bund der Landwirte gibt eS eine Menge Leute, welche gern oppositionelle radikale Politik treiben möchten und die Gesellschaft des jungen Konrad Henlein wäre ihnen nicht unlieb. Aber auch da könnte der Bund der Landwirte aus seiner jüngsten Vergangenheit lernen. Er hatte schon einen solchen Radikalen in seinen Reihen, es war dies Josef Mayer. Lange machte Mayer seine nationale Politik auf eigene Faust; die Partei hat dadurch allerdings gelitten und so kam e» zum Ausschluß Josef Mayers aus dem Bund der Landwirte. Dabei zeigte sich, daß hinter diesem„cnfant terrible" niemand stand. Er hat sich seinen Landbund geschaffen, aber der Landbund hatte keine Anhänger. Es zeigte sich, daß der Bund der Landwirte Einfluß und Gewicht Mayers überschätzt hatte. Schätzt heute der Bund der Landlvirte Henlein richtig ein? Ter Fall Henlein ist heute insofern ernst, als sich hinter Henlein eine deutsche Regierungspartei, die deutschen Agrarier stellen. Verschiedene glatte Worte Henleins können nicht verbergen, daß seine Heimatfront eine faseisti» s ch e Organisatio n zst. Hält der Bund der Landwirte seine schützende Hand über Henlein, übernimmt er auch die Verantwortung Wer dessen politische Linie, Das ist ein Zustand, der nicht lange aufrechterhalten werden kann. M a n k a n n nicht in derRegierung sitzen und zugleich Protektor einer Bew.e« gung sein, welche in ihrem Wesen f a s c i st i s ch i st... Wir lesen ständig in der Presse, daß der Fall Henlein an der Schwelle der politischen Herbstarbeiten geklärt werdest muß. Man muß sich an den Bund der Landwirte wenden, welcher für Henlein die politische Garantie Wernommen hat. Die 14. Tagung der Landesvertrrtung für da» Land Böhmen wird am Dienstag, den v. Oktober d. I., um 15 Uhr eröffnet werden und nach Bedarf auch in den folgenden Tagen immer ab » Uhr stattfinden. Zur Verhandlung wird das Landesbudget für das Jähr 1035 gelangen. Am Donnerstag, den 11. Oktober, um 15 Uhr werden sich die Mitglieder der Landesvertretung an der Eröffnung des neuen pomologischen LandeS- institutes in Bechynö beteiligen. Segen die Erhöhung des Schulgeldes an Mittelschulen wendet sich in entschiedener Weise das„Prävo Lidu". Cs teilt"mit, daß ein Antrag vorliege, wonach das Schulgeld der Mittelschulen von bisher 200 Kö halbjährig auf 800 Kö erhöht werden und gleichzeitig die Anzahl der vom Schulgeld Befreiten mit höchstens'25 Prozent festgesetzt werden soll.„Wenn dieser Antrag Wirtlichkeit würde, bedeutete dies, daß die Mittelschulen auf ihre Tore die Aufschrift qnschlagen würden:„Armen ist der Eintritt verboten", es würde dies einen sozialen numeruS clausus bedeuten, denn die Anzahl der armen und mittellosen Schüler an Mittelschulen überschreitet weit 25 Prozent— auch nach amtlichen Angaben gibt es jetzt 70 Prozent Schüler von Mittelschulen, die arm und mittellos find... Die Demokratie bedeutet außer anderen halbvergcssencn Forderungen auch den freien Zutritt zur Bildung. Wenn nun der Antrag KrömakS verwirklicht würde, würde dies bedeuten, daß das alte Oesterreich-Ungarn ist dieser Hinsicht demokratsscher war, als wir sein tvürde», denn unter Oesterreich gab eS keine Bestimmung, wodurch die Anzahl der Schüler, die von Schulgeld befreit sind, beschränkt wurde... Es ist dies der klare Versuch, aus der Mittelschule eine Klassenschule zu machen, denn die Hälfte der Schüler würde aus den Mittelschulen hinausge- jagt werden, weil sie das Schulgeld nicht zustande brächte." Zum Schluß bemerkt das Blatt, daß dies keine Ersparnis bedeuten würde, weil dann die Bürgerschulen überfüllt würden.■ Die politische Situation Das Schwergewicht der politischen und ministeriellen Beratungen der abgelaufenen Woche lag naturgemäß auf den Vorberettun- gendesBudgets. In diesem Zusammenhänge wurden vor allem die Grundlagen, auf welchen der Voranschlag aufgcbaut werden soll, in einer allgemeinen Aussprache erörtert. Danach lvurde der Finanzminister beauftragt, mit jedem einzelnen Ressort sein Kapitel zu verhandeln und abzuschließen. Grundsätzlich ergab die allgemeine Stellungnahme, daß im ganzen und großen das Niveau deSheurigenBocan- s ch l a g e s als Basis genommen werden soll, die nicht überschritten werden würde. Doch wird sich in dem einen oder dem andern Titel eine Aenderung ergeben, indem neue Gesetze, wie die sozialpolitischen, eine Erhöhung nach sich ziehen. Auf der Ausgabenseite wird mit einem Betrag von 7,0 Milliarden gerechnet und eS wird für geivisse neue Einnahinen gesorgt werden müssen. ES wird in diesem Zusammenhang die Einführung einer Militärtaxe erwogen und von den sozialistischen Ministern wurde die Frage einer Unternehmerabgabe aufgeworfen, deren Ertrag der produktiven. Arbeitslosenfürsorge zufliehen würde. Die Verhandlungen deS Finanzministers mit den einzelnen Ressorts werden voraussichtlich bis Montag oder Dienstag dauern, worauf der Ministerrat— da eine vollkommene Verständigung nicht wahrscheinlich ist— definitiv über die Höhe des ganzen Voranschlages und gleichzeitig die Höhe jedes einzelnen Budgctkapitcls entscheiden wird. Sobald diese und auch die im Verlaufe der Verhandlungen der einzelnen Ministerien mit dem Finanzminister etwa vorgcbrachten Fragen geklärt sein werden— was gegen Ende der Woche der Fall sein dürfte— wird daS Finanzministerium die technischen Vorarbeiten treffen, damit daS Budget dem Parlament vorgclegt werden kann. Das Abgeordnetenhaus wird den Voranschlag im zweiten Drittel des Oktobers erhalten. Bon sozialistischer Seite wird anläßlich der Budgelvorbereitnngen daS Problem der Arbeitsbeschaffung und der Bereitstellung der hiefür notwendigen Mittel aufgerollt. Ebenso wird auf die Sicherung der Arbeitslosenfürsorge gedrängt, für deren Ausgestaltung in der Form der bereits eingeleileten Brotzuvußcn und, nach einem Plan, mit dem sich das Ministerium für soziale Fürsorge beschäftigt, einer Äartoffelaktion gesorgt werden soll. Die Versuche der Bildung politischer Blocks dauern weiter an. Auf der einen Seite ist es die nationale Front, die zu einem Abkommen gelangen will, ans der andern Seite der katholische Block, dessen Aussichten jedoch zieinlich geringe sind. Offen ist die Frage, ob die Gewcr- bepartei in irgendeiner Form Anschluß an die Rc- giernngSkoalition oder an die oppositionelle nationale Front, welche sich um sie beniüht, suchen lvird. Die Koalition selbst wurde weder durch Konflikte noch durch Zerwürfnisse gestört. Sie befaßt sich mit dem Wirtschaftsplan, der eine ganze Reihe Handels-, finanz- und währungspolitischer Probleme umfaßt. Im Gange ist die Ausgestaltung handelspolitischer Verträge z»m Zwecke der Wiederanknüpfung von wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Ausland. Man befaßt sich mit der Frage der Herbeiführung einer größeren Kreditmobilisierung, uni Rkittel nicht nur für den öffentlichen Dienst und die Investitionen, sondern auch für die Ankurbelung der Privatwirlichaft flüssig zu machen. In agrarischen Kreisen erwartet man für die Landwirtschaft eine Entschul« d u n g s a k t i o n, die aber, wenn diese Frage aufgerollt wird, sofort auch das Problem der Verschuldung anderer wirtschaftlicher Gruppen in den Vordergrund schieben tvürde. Außenpolitisch ist als Folge des Eintritts Rußlands in den Völkerbund ein Schritt nach vorwärts zn verzeichnen. Es ist der allgeineine Eindruck, daß nicht nur Frankreich , sondern auch die Tschechoslowakei und Außenminister Dr. Benes alles dazu getan haben. Für die Tschecho slowakei wird sich dies auch wirtschaftspolitisch gut auswirken, weil im Augenblick einer Belebung. der Wirtschaft die Erschließung neuer Absatzmöglichkeiten eine außerordentliche Wichtigkeit hat. Sehr erfreulich ist, ddß über das Befinden des Präsidenten der Republik wirklich Günstiges berichtet werden kann. Tatsächlich ist in den letzten Tagen der Gesundheitszustand des Präsidenten ein wesentlich besserer, so daß auch hier eine Beruhigung eingetreten ist. Die Vertretung der Tschechoslowakei im BerwaltungSrate des Internationalen Arbeitsamtes. Die Tschechoftowakei erhielt für die Periode 1934/37 eine Vertretung im VerwaltungSrat 4>es Internationalen Arbeitsamtes. Als Delegierter wurde der Abgeordnete und erste Minister für soziale Fürsorge Genosse Dr. Leo Winter ernannt, dessen Tätigkeit auf sozialem Gebiete auch in internationalen Kreisen bekannt und geschäht ist. Unsere Regierung wird dadurch einen außerordentlichen Einfluß auf die Tätigkeit deS Internationalen Arbeitsamtes erlangen. Es muß darin aber auch der Ausdruck der Anerkennung für die Tätigkeit gesehen werden, welche die Tschechoslowakische Republik bei der Lösung sozialer Fragen geleistet hat.
Ausgabe
14 (23.9.1934) 223
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten