Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI
IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
14. Jahrgang
Donnerstag, 27. September 1934
Einzelpreis 70 Nefter
( einschließlich 5 Heller Porto)
Nr. 226
Hinauswurf der Arbeitslosen aus der Deutschen Arbeitergewerkschaft Gablonz
behandelt
Wir haben bereits am Dienstag ausführlich Daraus geht also hervor, daß die Mitüber die Schwierigkeiten der Deutschen Arbeiter- glieder nicht zahlen wollen und daß gewertschaft mit dem Siz in Gablonz geschrieben, infolgedessen ciner Organisation, welche von der Sudeten = deutschen Heimatfront als die Einbruchsstelle in die deutsche Arbeiterbewegung der Tschechoslowakei gedacht war.
Dieser erste groß angelegte Versuch des Herrn Konrad Henlein , einen Teil der Arbeiterschaft in sein Lager hineinzuziehen, ist vollkommen mißlnngen und endet mit einem
der Verbandsapparat überhaupt nicht mehr
funktioniert.
Der Verband wollte nun mit Gewalt die Zahl der Arbeitslosen dadurch herabdrücken, daß er in dem von uns bereits zitierten Rundschreiben das Verhältnis zwischen Arbeitslosen und Nichtunterstützten auf 1: 4 herabdrücken wollte. Ist schon das cine eigenartige Methode zur Lösung der Frage der Arbeitslosigkeit, so hat auch diese Methode nicht genügt. Es wird dies in dem neuesten Rundschreiben folgendermaßen begründet:
Für die Aussteuerung der Taufenden ArbeiisTosenfälle aber wären weitere rund 10 Mill. Kč notwendig, die wieder nur auf dem Wege einer neuen Kreditbeschaffung oder durch eine entsprechende Vorschußleistung des Staates aufgebracht werden könnte. Wie bereits angeführt, ist wenigstens vorläufig mit einer Erhöhung des Kredites nicht zu rechnen.
vollkommenen Zusammenbruch. Die deutsche Arbeitergewertschaft ist nicht im stande, irgendeine Unterstügung zu bezahlen. Die in ihr organisierten Arbeiter können keine Streits führen, weil sie teine Streitunterstützung bekommen, aber was das ärgste ist, die Arbeitslosen, die jahrelang eingezahlt haben, um im Falle der Arbeitslosigkeit eine Unterstützung zu erhalten, befemmen nun teine Arbeitslosenunterstüßung. Da die staatliche Arbeitslosenunterstüßung gebunden ist an die Auszahlung der gewerkschaftlichen, be= fonumen die Arbeiter, welche der Deutschen Arbeitergewerkschaft mit dem Sibe in Gablonz ver- will also weitere Millionen nicht traut haben, a u ch keine staatliche Unterit ühung.
Wir haben in unserem ersten Artikel an Hand cines Rundschreibens der Deutschen Arbeitergewerkschaft gezeigt, daß diese Organisation ihren finanziellen Zusammenbruch selbst eingesteht. Wir sind nun in der Lage, heute ein zweites Rundschreiben der Deutschen Arbeitergewerkschaft D. A. G., Siz Gablonz a. N., mitzuteilen, das von Gablonz , 17. September 1934, datiert und an alle Mitglieder des Haupiaus schusses der Kontrollkommission und Geschäftsführer der D. A. G." gerichtet ist.
Aus diesem Rundschreiben werden zunächst die finanziellen Beziehungen zwischen der Kreditanstalt der Deutschen und der Deutschen Arbeitergewertschaft ersichtlich. Wir haben am Dienstag der Vermutung Ausdruck gegeben, daß der Kredit, den die Kreditanstalt der Deutschen der Deutschen Arbeitergewerkschaft gewährt hat, eine Million Kč beträgt. In Wirklichkeit beträgt aber die= ser Kredit drei Millionen. In dem Rundschreiben heißt es nämlich( mit allen sprachlichen Fehlern, die man bei Deutschnationalen ge= wöhnt ist):
Dank des Entgegenkommens der K. d. D., die uns bisher einen Gesamtkredit, rund 3 Mill. Kč zur Verfügung stellte, war es dem Verbande in den ersten Wochen nach der Bewilligung des Staatsbeitrages möglich feinen Verpflichtungen hinsichtlich der Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung nachzukommen.
Da nun der Kredit erschöpft ist, ist an cine weitere Auszahlung von Arbeitslosenunterstüßung nicht zu denken. Dazu kommen noch andere Gründe, die es der D. A. G. unmöglich machen, den Arbeitslosen etwas zu geben. Als diese Gründe werden in dem Rundschreiben bezeichnet:
Die bestehenden Mängelim Beitragscinzuge, die nicht nur alle aufgestellten Berechnungen zunichte machten, sondern begreiflicher
Die Kreditanstalt der Deutschen mehr zur Verfügung stellen, dasie um die bereits ausgezahlten drei Millionen Angst hat und die D. A. G. sieht sich nun zu radikalen Maßnahmen bereit. Sie sieht sich genötigt,
für die Zeit vom 17. September 1. 3. bis 30. No vember 1. J. jede Auszahlung von Arbeitslosenunterstützung einzustellen.
Aber das ist noch nicht alles. Der Kern der Lösung der Arbeitslosenfrage durch die völkische Gewerkschaft ist:
Durch unfere heutigen Darlegungen setzen wir unsere arbeitslosen Mitglieder davon in Kenntnis, daß sie in den nächsten zweieinhalb Monaten mit feiner Unterstützung zu rechnen und sich daher aus urcigenstem Interesse sofort bei der Ernährungsaktion anzumelden haben, um dann nach innerer Festigung des Verbandes in denselben wieder zurückzukehren. Eine Anmeldung in die Ernährungsaktion bedingt allerdings den vorherigen Austritt aus dem Verbande, da nur solche Arbeitslose Anspruch auf die Ernährungsaktion besitzen, die keiner gewerkschaftlichen Organisation angchören. Sobald der Verband jedoch durch Erreichung eines staatlichen Vorschuffes und eine eigene innere Festigung soweit sein wird, eine klaglose Auszahlung der Arbeitslofenunterstützung garantieren zu können, fann jederzeit der erneute Beitritt der nunmehr ausscheidenden Mitglieder wieder.er= folgen.
Die Deutsche Arbeitergewerkschaft, Sin Gablonz, schmeißt also die arbeitslosen Mitglieder einfach hinaus.
Um die Arbeitszeit
weiſe auch das klagloſe Funktionieren der gefam verkürzung
ten Verbandsapparates und darüber hinaus die regelmäßige Auszahlung der Unterstübungen in empfindlicher Weise behinderte.
Das gegenwärtige Mißverhält nizinder Gesamtzahl der Mitglie der und der Bahl der Arbeitslosen des Verbandes, das sich aus den gegebenen Verhältnissen entwickelt und zu einem unerträglichen Zustand geführt hat. Es ist auf die Dauer für iede Gewerkschaft unhaltbar, wenn so, wie es gegenwärtig in unserem Verbande der Fall, allein zur Deckung der gewerkschaftlichen Arbeitslofenunterſtüßung mehr als die gesamten Mitgliedsbeiträge notwendig sind.
Die noch in Arbeit stehenden Mitglieder tönnen allerdings weiter beim Verband bleiben und es werden deswegen alle Zahlstellen aufgefordert,
genau darauf zu achten, daß die noch in Arbeit stehenden Mitglieder dem Verbande auch weiterhin restlos die Treuc halten und daß die Abfuhr der Mitgliedsbeiträge allmonatlich in der pünktlichsten Weise erfolgt.
Die arbeitslosen Mitglieder werden aus dem Verband hinausgeworfen und die Arbeitenden können weiter zahlen, solange bis sie arbeitslos verden. Dann werden auch sie hinausgeworfen. Der Arbeiter zahlt also Gewerkschaftsbeiträge, damit er im Falle der Arbeitslosigkeit eine Unterstüßung erhält. Sobald er aber arbeitslos wird, wird er hinausgeworfen, so daß er also nie mals eine Arbeitslosenunterstützung befommt. Das Ganze aber nennt man völtische Gewerkschaftsbewegung!
Der Zusammenbruch der Deutschen Arbeiter gewertschaft, Siz Gablonz, ist aber auch eine Niederlage der Strategen, welche in der Haupt
( citung der Sudetendeutschen Seimatfront beschäftigt sind. In der Weisung Nr. 46 der Sudetendeutschen Heimatfront, die wir fatſimiliert in unserer Ausgabe vom 4. August 1934 veröffentlicht haben, die Eger, 10. Juli 1934, datiert war und an alle Kreis, Bezirksund Ortsleiter ergangen ist, heißt es:
Auf Grund dieser uns zugekommenen Nachrichten scheint der Bestand der Deutschen Arbeitergewerkschaft endgültig gesichert zu sein... Ergänzende Mitteilungen werden in Kürze folgen.
Unterschrieben war dieses Rundschreiben der S. H. J. Mit deutschem Gruß: Für die Hauptstelle der S. H. F. Dr. Köllner c. h." Die Arbeiter, die bei der Sudetendeutschen Heimatfront organisiert und Mitglieder der Deutschen Arbeiter gewertschaft sind, werden über diesen deutschen Gruß sehr erfreut sein und sind neugierig auf die ergänzenden Mitteilungen der S. H. F., die in Kürze erfolgen werden".
Der Sowjetrußlands in den Völterbund hat eine völlig veränderte Situation in der Weltpolitik und auch in der internationalen Arbeiterpolitik geschaffen. Die bisherige Plattform des kommunistischen Kampfes gegen die So= zialdemokratie ist zertrümmert, alle Begründun gen für eine weitere Spaltung der Arbeiterbewegung sind hinfällig geworden. Der Geschäftsführer der französischen Bourgeoisierepublik, Bar thou , ist heute der beste Freund Sowjetrußlands. Rußland macht Soalitionspolitik mit ausgesprochen kapitalistischen Mächten. Wie soll man da dem kommunistischen Arbeiter weiter einreden, daß ausgerechnet Fritz Adler und Vandervelde geschworene Feinde der So wjetunion sind, daß die sozialdemokratische Koalitionspolitik, die auf einer Linie mit der russischen Außenpolitik läuft, mit allen Mitteln be= fämpft werden müsse?
Die fommunistischen Führer versuchen in dieser verzweifelten Lage ein Ablenkungsmanöver. Sie machen in letzter Zeit den vielverlästerten Sozialfascisten" alle 14 Tage ein Einheitsfront- Angebot. Zuletzt haben sie uns sogar einen Angriffspakt gegen Henlein " vergeschlagen. Der Sinn unserer türzlich veröffentlichten Antwort war der, daß die Kommunisten vor allem ihre Spaltungspolitik zu revidieren haben. Die tommunistische Presse ist mit dieser Antwort begreiflicherweise unzufrieden. Das macht weiter nichts. An die Adresse der kommunistischen Arbeiter seien aber bei dieser Gelegenheit noch einige Worte gesagt.
Was versteht ihr Arbeiter unter einem„ Angriffspakt gegen Henlein"? Daß Sozialdemokra ten und Kommunisten gemeinsam gegen die Hen
Teinfront marschieren sollen. Wie stellte sich die fommunistische Parteiführung die praktische Anwendung dieses Angriffspaktes" vor? Es sollten gemeinsame Aktionen, Versammlungen, Kundgebungen, Demonstrationen veranstaltet werden. Weiter wurde uns vorgeschlagen:
Bei den gemeinsamen Attionen gegen den Henleinfascismus werden die gegenseitigen Angriffe zwischen der kommunistischen und sozialdemokratischen Partei eingest c II t und das ganze Feuer des Kampfes wird gegen den Henleinfascismus gerichtet."
selbst ein, daß die gegenseitigen Angriffe zwischen Die kommunistische Führung gesteht damit Stommunisten und Sozialdemokraten nicht im Interesse einer erfolgreichen Bekämpfung des Fascismus liegen. Nun aber fragen wir: Warum sollen diese gegenseitigen Angriffe nur alle hei= ligen Zeiten einmal unterbrochen werden, wenn gerade eine gemeinsame Versammlung gegen die Die gesamte deutsche Arbeiterschaft in Henleinfront gemacht wird? Warum sollen diese der Tschechoslowakei hat nun ein schlagen- Angriffe nicht überhaupt und gänzlich aufhören? des, unividerlegliches Beispiel erhalten, wie In der täglichen Praxis sollte also trotz des famo die Sudetendeutsche Heimatfront und wie ſen Pattangebotes der Bruderkampf weitergehen. Die fommunistischen Gewerkschaften würden weidie sogenannten völlischen Streise sich zur ter den freien Gewerkschaften die Mitglieder abNot der Arbeitslosen stellen. Sie machen treiben, die kommunistischen Gemeindevertreter den Arbeitern Versprechungen, locken sie in fönnten nach wie vor jeden sozialdemokratischen ihre Organisationen und wenn der Arbeiter arbeitslos wird, wird er aus jenen Orga- Vorsteher für die Arbeitslosennot verantwortlich nisationen, die ihm Unterstüßung zugesagt machen, kein Atusverein und keine Gesangsriege haben und die zur Leistung dieser Unterwäre auch fernerhin vor kommunistischer Zersetstüßungen statutarisch verpflichtet sind, er ungsarbeit sicher. barmungslos hinausgeworfen. Aus diesem Verhalten der Sudetendeutschen Heimat front und der Deutschen Arbeitergeiert schaft werden die Arbeiter die Lehre ziehen.
nationalen Arbeitsamtes darüber entscheiden, ob und in welcher Form das Problem der 40stündigen Arbeitszeit in das Arbeitsprogramm der nächsten Session der Arbeitskonferenz im Jahre 1935 aufgenommen werden soll.
So könnte man etwa den Gegnern imponicren und die Massen mitreißen, wenn im Werktag die Spaltung weitergeht und nur alle Vierteljahr bei Henlein - Versammlungen eine Einheitsfront vorgetäuscht wird? Wir sagen vorgetäuscht, iveil die unerläßliche Bürgschaft einer gemeinsamen Front die geistige Einheit ist. Es genügt nicht, einen sogenannten„ Angriffspakt gegen Henlein " zu verlangen? Wofür, für welche Losungen, für welche unmittelbaren Ziele wollen die Kommunisten den gemeinsamen Stampf auf( Genf .) Im Internationalen Arbeitsamt nehmen? Daß derzeit keine Stonjunktur für die in Genf fand Mittwoch vormittag die erste Sizung Der Verivaltungsrat des Internationalen Weitertreibung der Weltrevolution besteht, beweist des neuen Verwaltungsrates statt, in welchem die Arbeitsamtes prüft verschiedene Anregungen, die am besten die vorsichtige Defensivpolitik Rußchechoslowakei durch den Delegierten der Regie: auf eine praktische Lösung des Problems der Ar- lands. Wofür also gemeinsamer Kampf? Die rung Dr. Leo Winter vertreten ist. Für die beitszeittürzung abzielen. Unter diesen Anregun- Kommunisten nüffen einmal offen erklären, ob fie Arbeitgeber wurde Dr. Vaněk und für die Ar- gen steht auch die auf der letzten Arbeitskonferenz bereit sind, die demokratische Staatsform gegen beiterschaft Ne'me čet nach Genf entsandt. vertretene Idee zur Debatte, ein allgemeines die fascistischen Angriffe zu verteidigen. Ob sic Der Verwaltungsrat des Internationalen e bereinkommen über eine grund bereit sind, an dem Ausbau der politischen zur Arbeitsamtes hat zu prüfen, welche Folgen die auf fäßliche Kürzung der Arbeitszeit sozialen Demokratie mitzuwirken. Oder wollen der internationalen Arbeitskonferenz angenom- zu treffen, wobei die Geltendmachung dieser sie den Ständephrasen Henleins die Forderung Grundsäße ſu k ze s sive in den verschiedenen nach einem bolichewistischen Rätestaat entgegen= Zweigen der volkswirtschaftlichen Unternehmungen feßen? So verrückt war unseres Wissens bisher erfolgen würde. noch fein fommunistischer Redner. So verrückt
mene Resolution über die 40stün- dige Arbeitszeit haben wird. Nach die ser Resolution soll der Verwaltungsrat des Inter