Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XH., FOCHOWA 62. TELEFON: 53077. ADMINISTRATION SELEPORT- 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Dienstag, 2. Oktober 1934

Eluzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller- Pac

Nr. 230

Abschluß der Belgrader Sudetendeutscher Landstand für Hitler

Wirtschaftskonferenz

Belgrad  . Am Montag wurde die dritte Tagung des Wirtschaftsrates der Kleinen Entente  mit einer Plenarsizung geschlossen, welche die von den fünf Kommissionen vorbereiteten Resolutio­nen vorbehaltlich deren Genehmigung seitens des Ständigen Rates annahm.

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- Dr. Hetz als Anwalt des Dritten Reichs

Was ein Kalender enthüllt Herr Dr. Robert Het ist einer der geistigen| Hingegen wird mit Genugtuung vermerkt, daß im fühl gehabt, daß Vorsicht am Plaze ist.( Auch die Führer des Sudetendeutschen Landstandes. Er hat Herbst 1933 der Völkerbund seine übliche Tagung Rundschau" hat vor kurzem auf dem Umweg bei den Landständischen Monatsheften", deren abhielt, in deren Mittelpunft der über die Besprechung der österreichischen Dinge fascistisches Wirken wir schon wiederholt schilder- deutsche   Reichspropaganda mini- endlich die Frage beantwortet, wie Henlein zu Hit­Der Wirtschaftsrat hat sich hauptsächlich mit ten, maßgebenden Einfluß und ist ein enger Mit- it e r Dr. Goebbels   stand". Nicht weniger ler stebe.) Troß dieser Vorsicht ist das Liebäugeln dem Problem des Warenaustausch es bearbeiter jenes Gustav Hader, der als von Freude bereitet dem landständischen Schreiber der des Landstand- Demokraten mit der österreichischen  schäftigt. Er hat an erster Stelle die zu ergrei- pina ernannter stellvertretender Obmann des Umstand, daß der bulgarische König im vergan- Razibewegung nicht zu verkennen: Gegen die im­fenden Maßnahmen zur Beseitigung, bezw. Mil- Bundes der Landwirte auf der Henleinkundgebung genen Jahre Hindenburg   und Hitler   besuchte. mer stärker werdende nationalsozialistische Bewe derung der Hindernisse studiert, welche den gegen in Karlsbad   die enge Verbundenheit der landstän In den Trinksprüchen wurde auf die alte Waf- gung wurden von der Regierung immer schärfere jeitigen Handel beeinträchtigen, sowie die gegen- dischen Jugend mit der Henleinbewegung zum fenbrüderschaft im Weltkriege hingewiesen. Bul  - Abwehrmaßnahmen ergriffen. Trotzdem nahm der feitigen Mittel zur Bergrößerung des Umfanges Ausdrud bringen sollte? garien steht auch heute noch auf Deutschland   3 Widerstand gegen Dollfuß   zu und fast täglich des gegenseitigen Warenaustausches. Der Sudetendeutsche Landstand hat Dr. Heh Seite und hat den Eintritt in die Kleine En- explodierten Papierböller als Zeichen des Pro­Es wurde eine aus Mitgliedern des Wirt- mit der Redaktion des Deutschen Lands tente abgelehnt." fchaftsrates zusammengesezte Kommission gebil- voltskalenders 1935" betraut. Dies det, welche die Aufgabe haben wird, die Bedin- ser Kalender liegt nun vor. Er enthüllt den Geist, gungen für eine intimere wirtschaft von dem der Sudetendeutsche Landstand erfüllt ist liche Zusammenarbeit zwischen den und macht die Freundschaft erklärlich, die zwischen drei Ländern zu präzisieren. Henlein und Hacker besteht. Betrachten wir uns die Auf den anderen Gebieten der wirtschaft- im Deutschen Landvolkstalender 1935" des Su­lichen Zusammenarbeit ist durch den Abschluß von detendeutschen Landstandes enthaltene poli­17 wichtigen llebereinkommen ein ansehnlicher tische Jahresschau! Fortschritt erzielt worden. Der Wirtschaftsrat hat ein Programm der zu ergreifenden Arbeiten fest­gelegt, deen Ergebnisse in der in Prag   am 28. Jänner 1935 zu eröffnenden nächsten Sejjion des Wirtschaftsrates werden überprüft werden.

Umbildung

Hitler   und Europa  

Da finden wir zunächst eine sozusagen all gemeine" Uebersicht, in der festgestellt wird, daß einige Staaten einen vollständigen Umbau ihrer Wirtschaft vornehmen und daß sich in diesen Staa­ten hoffnungsvolle Anjäge zur leberwindung der Wirtschaftsnot zeigen. Wer dieje Staaten" sind,

Der ,, Volksfeiertag"

testes gegen das Regime." Freilich wird dieses Verständnis für die Nazis aufgewogen durch den Haß gegen die Sozialdemokratie: Besonders hartnäckig war der Widerstand der Marristen in den städtischen Riesenwohnbauten, die durch Artil­lerie st u rmreif gemacht werden mußten. Die jozialdemokratischen Führer Bauer und Deutsch   hatten sich rechtzeitig in die Tiche= choslowakei geflüchtet."

Ständig ist dem Landstand- Demokraten be­wußt, wie sehr die dittatorisch regierten Staaten den Parteistaaten" überlegen find. So bedauert er denn, daß das von Parteien be berrichte Spanien" nicht zur Ruhe tommt. Wie sehr aber die Völker unter der Dit tatur glüdlich sind, ist in einwandfreier Weise Frantrei ch, ein für die europäische Polis durch diese Feststellung nachgewiesen: Der 1. Mai tit entscheidendes Land, wird in nicht ganz einer 1934 wurde in den Staaten sehr verschieden be- Spalte der politischen Jahresschau gewürdigt. Die gangen; während er sich in Deutschland   zu einem wesentlichste Feststellung des Landstand- Demokra­Voltsfeiertag(!) mit wuchtigen Stund- ten über Frankreich   ist, daß der franzö gebungen gestaltete, tam es in Frankreich   und fische Parlamentarismus mit Bolen zu Straßenlämpfen." Wie gut ist gegen feiner Parteienwirtschaft bea solche vischenfälle ein Hitlerregime; wenn die den tlie rantbeitszeichen

der Regierung Tatarescu tetivas später zu erfennen: es ist nur einer, Arbeiter am 1. Mai nicht glücklich sein woffen, befist".

nämlich Deutschland  . In der Besprechung der Abrüstungstonferenz bricht der Verfasser der politischen Jahresschau eine Lanze für das Dritte Reich und verzeichnet stirnrunzelnd die Bemühun­gen Frankreichs  , Rußland   in den Böl­ferbund und auf die Seite der

werden sie dazu gezwungen! Am 2. Mai des Vor­jahres hat man ihnen bekanntlich die Gewerk­schaften genommen.

Oesterreich und Frankreich  

Bukarest  . Ministerpräsident Tatarescu  hat am Montag dem König die Demiffion des Kabinetts überreicht. Der König hat die Demis­fion angenommen und Tatarescu   mit der Bil­dung der neuen Regierung betrant. Tatarescu kündigte in der letzten Sitzung des alten Kabi- Gegner Deutschlands   zu bringen".ichen Ereignisse, hat der Verfasser wohl das Ge­

netts an, daß einige Acnderungen in bestimmten Ressorts eintreten werden.

Ins Rollen gebracht wurde die Kabinetts umbildung durch die Demission des Ministers für Industrie Teodorescu, der sich schon seit einiger Zeit mit Demissionsabsichten trug und nach Eröffnung der Industrieausstellung, die eben jest in Butareit stattfindet, seine Mission als be= endet anjah. Offiziell wird sein Rücktritt mit ge­fundheitlichen Motiven begründet.

Bauer und Eintopfgericht

Man fühlt mit dem Verfasser, wie es ihm eine Wohltat ist, sich nach der Besichtigung des demokratisch- parlamentarischen Schmutzes dem Bei der Besprechung der österreichi Märchenlande Hitlers   zuzuwenden. Zur Behand

Heimwehren gegen Christlichsoziale

lung der deutschen   Angelegenheiten stehen immer­hin vier Spalten zur Verfügung. Die durchgreifenden Reformen", die dem durch die Machtübernahme Adolf Hitlers   begonnenen Um­bruch" des Deutschen Reiches folgten, find aber auch eine freundliche Betrachtung durch den Land­stand- Demokraten wert; er ist insbesondere damit einverstanden, daß es, um Sabotageatte zu verhindern", zu großen Aenderungen" in allen öffentlichen Anstalten, Körperschaften und Betrieben tam. Das habe erst den Weg zu den

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Rücktritt des spanischen   Hintergründe der Bildung des Kabinetts Schuschniggroßen Reformen freigemacht", die angeb

Kabinetts

Von den Katholiken gestürzt

Madrid.  ( Tich. B.-B.) Die spanische Re­gierung hat am Montag Nachmittag ihren Rück­tritt beschlossen.

Nach dreimonatiger Ferienvause war das Barlament unter umfassenden Sicherheitsmaß­nahmen der Polizei wieder zusammen getreten. Ministerpräsident Samper hatte sofort das| Wort genommen, um seine bisherige Politik zu rechtfertigen.Der Führer der Katholischen Volks­aftion Gil Robles  , erklärte jedoch, seine Par tei werde die Regierung nicht

mehr

unterstützen.

Nach einer kurzen Beratung teilte der Mini­sterpräsident dem Parlament den Rücktritt der Regierung mit und begab sich zum Präsidenten der Republik, der das Rücktrittsgesuch annahm. Samper gab dem Staatspräsidenten den Rat, das Parlament nicht aufzulösen, sondern aus ihm eine Mehrheitsregierung auf der Grundlage der radikalen Partei mit Einschluß der Agrarier und der Katholischen Volksaktion zu bilden. Das Parlament hat sich bis zur Lösung der

Krise vertagt.

Der antimarxistische Kurs Madrid  . Wegen Teilnahme an dem allgemei nen Streit in Madrid   und wegen Aufreizung zum Streit wurden 20 Mitglieder der sozialistischen  Jugend zu einer Geldstrafe von je 5000 Pesetas

verurteilt.

Im Zusammenhang mit der Regierungsfrise find nach einer offiziellen Darstellung die polizei-| lichen Vorsichtsmaßnahmen zur Verhinderung von marristischen Gewalttaten" außerordentlich

beritärft worden.

Wien.( Eigenbericht.) Die angebliche ,, Selbstauflösung" der christlich­fozialen Partei, die vor wenigen Tagen von der Regierung Schuschnigg   als Bertrauensvotum zum autoritären Regime ausposaunt wurde, erweist sich nun als politischer Skandal ersten Ranges, deffen Hintergründe bezeichnend für die Zustände innerhalb der Regierung sind. Wie der Wiener   Korrespondent von ,, Het Volk" von einem christlichsozialen Parteiführer, der dieser Sigung beiwohnte, erfährt, kam es dort zu erbitterten Standalszenen, da die Mehrzahl der Delegierten sich empört gegen die geplante Auflösung aussprach und offen erklärte, der Kurs der Regierung Dollfuß sei ein Unglück für Desterreich gewesen, man müfſc jederzeit mit dem Zusammenbruch dieses Experimentes rechnen und der Bestand der christlich­fozialen Partei könne in solch einem Augenblick von entscheidender Bedeutung sein.

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Als es klar wurde, daß ein Auflösungsbeschluß nicht durchzusehen sei, stand Schufch= nigg auf und gab leichenblaß vor Erregung die sensationelle Erklärung ab, er müsse auf der Auflösung unbedingt bestehen, da er diese den Heimwehren versprochen habe. Er gestand, daß am 29. Juli in den Stunden der Regierungsbildung die Situation so kritisch gewesen ist, daß die Heimwehren ihre Leute alarmiert hatten, um nötigenfalls mit Gewalt die Bildung einer Regierung unter christlichsozialer Leitung zu verhindern. Nur durch die bindende Zusage, daß die christlichsoziale Partei vor dem 1. Oktober aufgelöst werde, er Schuschnigg   also als ihr Exponent anzusehen sei, konnte Schuschnigg   die Heimwehren von ihrem Vorhaben abbringen und ihre Zustimmung zu der Bildung der Regierung gewinnen. Schuschnigg   dann noch deutlich durchblicken, daß man mit einem Heimwehrputsch rechnen müsse, wenn man jetzt das den Heimwehren gegebene Versprechen nicht einlösen wollte..

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Erst unter dem Drucke dieser Erklärung gelang es Schuschnigg  , die versammelten christ­lichsozialen Delegierten zu einem Beschluß zu veranlassen, in dem ausdrücklich nur von einer ,, Einstellung der Tätigkeit" der christlichsozialen Partei, keineswegs aber von einer Auflösung die Rede ist. Es wird im Gegenteil in dem auch amtlich publizierten Text des Beschlusses erklärt, das die Partei als katholische Organisation fortbestche. Demonstrativ wurde schon für den nächsten Tag eine Konferenz der christlichsozialen Abgeordneten einberufen. Es ist übrigens außeror­dentlich interessant, daß in der Kundgebung, die die christlichsoziale Partei anläßlich der Ein­stellung ihrer Tätigkeit erließ, als verdienstvolle Barteiführer Dr. Lueger und Dr. Seipel ge­nannt werden, während der Name Dollfuß   überhaupt nicht erwähnt wird.

Der Gewährsmann des Berichterstatters meint, daß aber trok dieses Kompromiffes, durch das anstelle der Auflösung die Einstellung der Tätigkeit der Partei beschlossen worden ist, die Spannungen innerhalb der Regierung keineswegs aus der Welt geschaffen sind. Er weist darauf hin, daß man in führenden Heimwehrkreisen immer unverblümter davon spreche, dan wegen der außenpolitischen Verhältnisse eine sofortige Rückberufung der Habsburger   sehr schwierig sei, und daß man deshalb trachten müsse für die Zwischenzeit Starhemberg zum Reichsverweser zu machen. Man sei sich aber klar darüber, daß ein solcher Plan kaum ohne Gewalt durchzusehen sei und deshalb verdichten sich die Gerüchte von einem bevorstehenden Heimwehrputsch von Tag zu Tag.

XX 1177

darauf von der Reichsregierung begon­

nen wurden. 2obend wird das von der deuts schen Bauern verfluchte Erb hofgefes er­wähnt; dem Landstand- Demofraten ist ce jogar eine große schöpferische Tai" und selbstverständlich finden auch alle anderen Maß­nahmen der Reichsregierung auf dem Gebiete der Landwirtschaft seinen Beifall. Er erwährt sogar lobend die ,, I ändiche Siedlung", die einen der größten Versager hitlerscher Wirtschaftspolitik darstellt.

Nicht unwichtig scheint es dem Landstand­Demokraten, daß der Reich stags brand­Prozeß in aller Oeffentlichkeit" verhandelt wurde( von der deutschen   Schande, die dieser Pro­zeß bezeugte, will er nichts wissen) und daß die Reichsregierung ein Winterhilfswerk und das Sintopfgericht in Szene seßte, um den iv ä h= darbenden Volksgenossen rend des Winters zu helfen." Vertrauen für Hitler

Während die ganze gesittete Welt über die von Hitler   inszenierten Wahl- und Voltsbefra gungsfomödien lacht, I o bt der Landstand- Demos frat das Bemühen Hitlers  , der Welt zu zei gen, daß hinter dem deutsch   ent Schritt( Austritt Deutschlands   aus dem Völ­terbund) das ganze Voit steht. Das .Gelingen" der elenden Wahlfomödie gibt dem Verfasser der politischen Jahresschau Anlaß, zu jubeln:

,, Diese überwältigende Vertrau enstund gebung des deutschen Volkes für Hitler beivies der Welt, daß dieses deutsche   Volk hinter Hitler   stehe. Der neue Reichstag zählt 661 Mitglieder und setzt sich natürlich ausschließ­lich aus Nationalsozialisten zusammen."

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Natürlich! Wäre es anders, hätte der Landstand Demofrat viel weniger Freude