Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI
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14. Jahrgang
Mittwoch, 10. Oktober 1934
Nr. 237
König Alexander von Jugoslawien und
20 Revolverschüsse eines
kroatischen Terroristen
König Alexander wurde durch zwei Schüsse schwer verlegt und starb
nachmittags im Hafen von Marseille zu einem offiziellen Staatsbesuch in um 17 Uhr 15 kurz nach seiner Ueberführung auf die Präfektur. Frankreich eintraf, nach der Begrüßung in Begleitung des französischen Der 72 jährige Außenminister Barthou erhielt einen Schuß in Außenministers Barthou im Auto durch die Straßen von Marseille die rechte Schulter. Die Aerzte nahmen sogleich eine Operation vor, fuhr, durchbrach der 35jährige Kroate Peter Kelemen aus Agram, der während der Barthou an Herzschwäche starb.
erst vor zehn Tagen nach Frankreich gekommen war, den Polizeikordon, Auch der Zustand des Generals Georges ist sehr kritisch. Außersprang auf das Trittbrett des Autos und gab etwa 20 Revolverschüsse dem wurde der Adjutant des Königs und mehrere Personen aus der ab, durch die König Alexander und Außenminister Barthou sowie Zuschauermenge sowie zwei Polizisten schwer und eine Reihe weiterer der französische General Georges getroffen wurden. Personen leichter verlegt. Der Attentäter wurde von der Menge gelyncht.
,, Das jugoslavische Kriegsschiff Dubrov nif", das von einer französischen Marineeskadre begleitet war, war mit König Alexander von Jugoslawien und seinem Gefolge an Bord furz vor 16 hr in Marseille eingetroffen. An Bord des Kreuzers begrüßte der französische Minister der Kriegsmarine Pietri den Gast. Der König begab sich sodann in Begleitung Pietris anf das Admiralsschiff und traf im Hafen ein, wo er namens des Präsidenten der Republik Frank reich und namens der französischen Regierung bon Außenminister Barthou begrüßt wurde. Der König und seine Begleitung bestiegen sodann die Wagen und fuhren in die Stadt. Als der Zug etwa um 16 Uhr 10 vor der Maiseiller Börse eintraf, wurden von einem Mann, der sich auf das Trittbrett des Wagens schwang, gegen den König etwa 20 Revolverschüsse abgegeben.
Die Folgen waren schrecklich. Sowohl der König, wie auch der mitfahrende Außenminister Barthou , der General Georges und Admiral Berthelot wurden mehrfach getroffen. Inmitten der riesigen Verwirrung und Be
stürzung, die durch die Schüsse hervorgerufen
König Alexander
wurden, bewahrte der Chauffeur des königlichen Ein Augenzeuge berichtet
Autos seine Kaltblütigkeit und setzte rasch die
Fahrt zur nahe gelegenen Präfektur fort. Der
verletzte König wurde mit größter Beschleunigung
in das Kabinett des Präfekten geschafft und sofort Aerzte herbeigerufen, doch war alle Hilfe bereits zu spät. Alexander, der durch zwei Schüsse in unmittelbare Nähe des Herzens, bzw. in den Magen getroffen worden war, starb bereits wenige MiDie Gattin des Präfekten brückte dem Verſtorbenen unter allgemeiner Bewegung der anwefenden Würdenträger die Augen zu
Der
Oberstleutnant Piollet, der den Wachtdienst zu Pferde an der Seite des Wagens, in dem der König Alexander fuhr, versah, schildert das Attentat wie folgt:
jah, vorbeieilte und
Ein politisches Attentat, das wenige seines gleichen hat, zerreißt den Theatervorhang, hinter dessen zivilisatorischem Schein sich der Abgrund des neuen Europa schamhaft verborgen hat. Bas die Wissenden längst sahen, erblickt nach solcher Tat auch der stumpfe Zuschauer des Weltgetrie bes: Chaos und Barbarei, die von einem ehedem kultivierten Erdteil Besiz ergriffen haben.
In diesem Augenblick, da die berechtigte Trauer der Betroffenen, die Empörung über den verantwortungslosen und blindwütenden Fana= tismus den Ton angeben werden, wollen wir auf den wahren Schuldigen an dieser wie an anderen Gewalttaten hinweisen. Es ist das ökonomische und soziale System mit seinen politischen und kulturel= len Folgen, an dem Europa frankt und sterben wird, wenn die Menschen nicht zur Besinnung kommen. In dieser Zeit, da Millionen ohne Schuld hungern und die Menschen nach Tausenden zählen, die ihr Leben enden müssen, wei! sie keine Arbeit und daher keinen Ausweg aus der Not finden, in dieser Zeit, da der Fascismus alle Rechtsnormen aufgehoben, den
Der Attentäter Word geheiligt, die Folter nicht nur wieder ein
erst kürzlich aus Agram eingetroffen
geführt, sondern sie auch mit der Gloriole des nationalen Heroismus umgeben hat, in die ser Zeit, da man in Verträgen den Krieg abschwört, aber in Wahrheit alle Schrecken des Massenmordes bereitstellt, in dieser Zeit, da christliche Regierungen ihre hungernden Untermerliche Obdach der Armen mit Fliegerbomben be= tanen mit Kanonen niederschießen und das jämlegen lassen in dieser Zeit, die so grauenhaft ist wie keine seit der Geburt der modernen Gesellfchaft, kann feine Gewalttat uns mehr staunen machen, fein Att des Wahnsinns den Wahn überbieten, der als Massenerscheinung umgeht.
Wie die Agence Havas meldet, wurde der Im Wagen, in dem der König fuhr, faß an Urheber des Attentates auf König Alexander Zeit. einer Seite Außenminister Barthou , ihm von Jugoslawien identifiziert. Er heißt Peter gegenüber faß General Georges. Als sich das Se le man, wurde im Jahre 1899 in Agram Auto gegenüber der Börse an der Ecke der Königin- Elifabeth- Straße befand, fab ich, wie ein geboren; sein Paß ist am 30. Mai 1934 in Mann aus der Menge heraussprang, an dem Agram ausgestellt. In dem Paß wird Kelemen Wachmann, der auf dem Gehsteig Dienst ver- als Kaufmann in Agram bezeichnet. In Franksich direkt auf das Trittbrett Tod Barthous des Autos stürzte, in dem der König fuhr. Ich reich traf Kelemen erst am 28. September d. J. diejenigen an den Fingern herzählen, die keine Außenminister Barthon wurde durch einen wollte das Pferd zum Stehen bringen, um ein über die schweizerisch - französische Grenzstation politischen Emigranten, teine organisierten polizugreifen, riß aber zu heftig am Zügel, so daß Vallorbes ein. tschen Verfolgungen kennen. Von Ost nach West, Schuß verlegt, der einen Bruch der rechten Hand ich vor das Auto tam und nicht sogleich den von Hamburg bis Athen , von Lissabon bis MosKelemen war mit zwei automatischen Bi- tau nur wenig Länder, aus denen nicht Tausende herbeiführte. Die Verlegung Barthons schien Attentäter mit dem Säbel niederschlagen konnte. ftolen bewaffnet und hatte außerdem in der und Zehntausende emigrieren mußten, in denen zunächst nicht lebensgefährlich zu sein. Die Inzwiſchen feuerte der Attentäter etwa zehn Re- Tasche volverschüsse auf die im Wagen ſizenden Per- mit welcher er König Alexander und Minister fer, Folterkammern der Gestapo , der Siguranza, Tasche eine Bombe. Die automatische Pistole, es nicht Konzentrationslager und überfüllte KerAerzte nahmen sofort eine Operation vor, um fonen ab. Ich machte mit dem Pferde kehrt und Barthou erschos, ist eine Waffe modernsten Typs der Milizia nazionale, der Heimwehr oder der das Geschoß zu entfernen und chloroformierten schlug den Attentäter mit zwei Säbelhieben nie- und stellt ein tatsächliches kleines Ma- Polizei schlechthin gäbe! Auch Belgrad hatte Barthon. Da trat plößlich ein Bluterguß ein. der, auf den gleichzeitig ber the affet, ut fchinengewehr dar. Kelemen war der Bo- feine Glavni a ca, eine Hölle der politischen mobils mehrere Revolverschüsse abgab, ohne ihn lizei nicht als verdächtige Person bekannt und, Gefangenen. Dafür, daß in dieser Hölle von den Es erwies sich eine Bluttransfusion als notwen jedoch zu treffen. Der Chauffeur ſetste dann wie es scheint, schoß bloß er allein. Havas meldet Bütteln dritter Ordnung Kroaten und Mazedos dig; bevor diese jedoch vergenommen werden rasch die Fahrt fort. weiter: Der Zustand des Königsmörders ist so nier gefoltert wurden, mußte jetzt ein König sterkonnte, starb der hochbetagte Minister an Herz-| Inzwischen fuhr der Attentäter, obwohl er ernst, daß Kelemen bis jetzt noch nicht verhört ben, der für seine Person vielleicht von den besten schwäche. Der Tod trat um 17 Uhr 40 ein. bereits am Boden lag, fort zu schießen. Zwei werden konnte. Absichten beseelt war, vielleicht wirklich nicht von ihm abgegebene Schüsse trafen zwei Boltwußte, was in seinen Kertern borging, vielleicht zisten, und durch seine weiteren Schüffe wurden Aus Agram wird gemeldet: ein guter König war. Wundert man sich, daß Aus dem Gefolge des Königs wurde ferner drei Personen leicht verletzt, darunter zwei| Die Untersuchung hat ergeben, daß seit Irrsinnige auf die Großen der Erde schießen, da der französische General Georges, der Stell- Frauen. Inzwischen eilten Polizisten und berittene 30. Mai des heurigen Jahres kein auf den Namen die Großen der Erde doch in vielen Fällen den vertreter des Bizepräsidenten des Obersten Zivilgardiſten zur Stelle und umringten sogleich Kelemen lautender Reisepaß ausgestellt wurde. Irrfinn zur Staatsräfon gemacht haben? WunKriegsrates General sand, mit schweren den Wagen des Königs, der in der Richtung zur Es scheint also, daß der Reisepaß des Königsmör- dert man sich, daß die Fanatisierten Gewalt anBerlegungen ing grankenhaus gebracht. Sein zu- Präfeftur fuhr. Die Menge stürzte sich auf den ders gefälscht war. Peter Kelemen ist der wenden, da der Fanatismus unter Millionenstand ist kritisch. Attentäter und lynchte ihn auf der Stelle.
Agramer Polizei überhaupt nicht bekannt.
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völfern gezüchtet wird wie eine unbezahlbare