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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFOM- 53027. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

14. Jahrgang

Donnerstag, 11. Oktober 1934

Peter Kelemen­

ein mazedonischer Komitatschi?

Immer noch Unklarheit über den toten Urheber der Tragödie von Marseille

Während das Havas- Büro noch Dienstag Zwei Mitschuldige

verschwunden?

Vorsitzende der französischen Kammer, Bouis son, Platz genommen. In den folgenden Wagen fuhren der jugoslawische Gesandte in Paris Spalajtovič und die Staatsminister. Her rtot und Tardieu, sowie französische und jugoslawische militärische Würdenträger.

Der jugoslawische Kreuzer Dubrov

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Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5. Heller Porto)

Nr. 238

Der sudetendeutsche Moses

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Alles ist schon dagewesen. Bor rund drei­tausend Jahren versammelte Moses das jüdische Bolt zu einer ,, Massenkundgebung" auf dem Berge Sinai und gab ihm dort seine Geseßestafeln. Uter Bliz und Donner soll Moses sein ,, Pro­gramm" verkündet haben und die Vermutung, das dieser Theaterdonner vom lieben Gott selbst bei­gesteuert worden sei, hat zur Verbreitung der Moses 'schen Offenbarungen nicht wenig beigetra­nachts eine Meldung ausgegeben hatte, aus der gen. Findige Reflameagenten der Heimatfront geschlossen werden mußte, daß der gelynchte Mar­hätten sich obwohl sie sonst jüdische Vorbilder seiller Attentäter, Peter Kelemen, ob­ablehnen gerne an dieses biblische Beispiel ge­zwar schwer verletzt, noch lebe, wurde gestern be= Die Polizei in Aix en Provence hat feft­halten. Diesmal sollte der Berg Sinai in die Nähe kannt, daß er, nachdem man ihn aus den Händen gestellt, daß der Urheber des Attentates Ke I e- von Gablonz verlegt werden. Henlein- Moses der wütenden Menge befreit hatte, nur noch men zwei Nächte in einem Hotel in Aix en wollte dort sein auserwähltes Volk für nächsten schwache Lebenszeichen von sich gab. Er wurde Provence in Gesellschaft zweier nik" näherte sich dem Kai, und der Sarg, der mit Sonntag zusammenrufen und die Gesetzestafeln von der Polizei in das Gebäude der Sicherheits- Männer verbracht hat. Einer dieser Männer Bändern in den jugoslawischen und französische.: der judetendeutschen Politik enthüllen. Mit Blitz polizei gebracht, wo er von Polizeiärzten unter- trug sich als Silvester Chalny(?) Farben geschmückt war, wurde auf den Katafalt und Donner gegen die bösen Marxisten. Für fucht wurde. Schon nach kurzer Zeit starb er antich e choslowakischer Staatsgehoben. Eine Militärabteilung erwies die lekte Lautverstärkung hätte schon der reichsdeutsche den Verlegungen. Er war u. a. auch von meh- angehöriger, Kaufmann, auf dem Wege nach Ehrenbezeigung und hierauf trugen sechs jugo- Rundfunk gesorgt. reren Schüssen und Säbelhieben getroffen worden. Paris befindlich, ein. Der zweite trug fich slawische und sechs französische Offiziere den Sarg Dieser schöne Propagandaplan muß nun un Man fand bei dem Toten überraschender als Egon Kramer, geboren im Jahre 1910 auj das jugoslawische Kriegsschiff unter den Klän- verwirklicht bleiben. weise einen in Fiume, ebenfalls Kaufmann, auf der Reise gen der jugoslawischen Hymne und der Marseil- Gablonz und die für Sonntag ebenfalls angesetz­Die Henlein- Parade in nach Paris, ein. Beide sind seit Dienstag abends| laise. verschwunden. Die Nachforschungen der Polizei Um 16 Uhr trat der Kreuzer Dubrovnik" ten sozialistischen Rundgebungen sind gestern un­sind keine Freunde von tersagt worden. Wir die Rückfahrt nach Split an, auf der er von zwei behördlichen Verboten, aber in diesem Falle war französischen Kreuzern begleitet wird. Auf einem die Befürchtung, daß es zu Zwischenfällen kom­dieser Streuzer fährt der französische Minister men fönnte, nicht ganz unbegründet. Denn die der Kriegsmarine Pietri mit, der zusammen Arbeiterschaft des sergebirges leidet seit Jah­mit dem Kriegsminister Marschall Peta in die ren so fürchterlich unter der Krise, daß sie die französische Regierung bei dem Begräbnisse des Draufgabe von fascistischen Provokationen schlecht tönigs vertreten wird. Bis in die jugoslawischen Draufgabe von fascistischen Provokationen schlecht Gewässer wird eine Division französischer Torpe­bertragen kann. dobootzerstörer die Ehrenbegleitung bilden.

tschechoslowakischen Paẞ

der vom tschechoslowakischen Konsulat in Agram am 30. Mai 1934 unter Nr. 79 ausgestellt und von den jugoslawischen Behörden vidiert worden war. Den Angaben im Paß nach sollte er sogar in Prag heimatszuständig sein. Die sofort ein­geleitete Untersuchung ergab zweifellos, daß

der Paß gefälscht

nach ihnen waren bisher ergebnislos.

Paris. Die Pariser Polizei hat festgestellt, daß die neuen Kleider Kelemens in den ersten Oktobertagen im Großkaufhaus La Belle Jar­dinière" gekauft und an die Adresse Kelemens in ein Hotel geschickt wurden, dessen Besitzer nun in der Photographie des Mörders einen seiner ehemaligen Mieter erkannte. Er erklärte, daß ist. Der Paß trägt die Unterschrift des Konsulats: Stelemen am 30. September mit zwei Gefährten beamten Dr. Brtnik, der aber schon seit Ende Jän- im Hotel eintraf, aber nur mit einem von ihnen ner 1934 nicht mehr in Agram, sondern in der Brager Zentrale Dienst machte. Das Paßbüchel mit dort wohnte. Die Anmeldungsscheine füllte für sie Der Nummer 185.744 wurde niemals dem General- der dritte Kamerad aus. Den ersten Schein füllte fonsulat in Agram, sondern einer ganz anderen er auf den Namen Sud aus. Suck scheint mit tschechoslowakischen Vertretungsbehörde zugeteilt. Kelemen identisch zu sein. Der zweite Anmel Die Nummer 479 ist zwar beim Agramer Konsulat, dungsschein lautete auf den Namen VI a= doch betrifft sie den Paß eines wirklichen tschecho slowakischen Staatsangehörigen, der inzwischen in Prag durch die Polizeibehörden idenfiziert wurde. Nach dem falschen Baß hat der Attentäter am 26. September die jugoslawische Grenze bei Marburg überschritten und ist über Oesterreich und die Schweiz nach Frankreich gefahren, wo am 28. September die Grenze überschritt. Die Polizei forscht nun nach, wo er sich seither aufgehalten hat. Der Tote trug neue Kleider und neue Schuhe, die in einem großen Pariser Kaufhaus gekauft wurden.

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Die Untersuchung der Leiche führte zu einer interessanten Entdeckung.. Am linken Arm hatte

Kelemen

eine Tätowierung

dislav Beneš. Der dritte der Männer wohnte nicht im gleichen Hotel, doch stellte di Polizei seinen Aufenthalt in einem anderen Hotel unter dem Namen Nitomir fest. Nikomir war der Polizei als verdächtiger Jugoslawe be­zeichnet worden und die Polizei wurde ersucht, ihr während des Aufenthaltes des Königs Alerandes in Paris zu beobachten. Es wurde festgestellt, daß Nikomir im vorigen Jahre in Marseille zu vier Monaten Gefängnis verurteilt worden war. Alexanders Heimfahrt

Marseille. Die sterblichen Ueberreste König Alexanders wurden gestern einbalsamiert und im Beisein der Königin Marie eingesargt. Der Sarg die eine Krone von 5 bis 6 Zentimeter Durch wurde sodann vor die Präfettur getragen, wo eine messer darstellt und von einem Totenkopfe mit militärische Abteilung die Ehrenbezeigung leistete. zwei gekreuzten Knochen umgeben war und außer- Hierauf wurde der Sarg auf den Leichenwagen dem einige Buchstabenabkürzungen aufwies. Es gehoben, der sich auf dem gleichen Wege, den tags handelt sich bei den Buchstabenabkürzungen um vorher der Königszug genommen hatte, über dem die Worte: Freiheit oder Tod". Ein iugoslawi- Platz der Belgier zum Hafen bewegte. In dem scher Journalist erklärte, daß diese Tätowierungen ersten Wagen hinter dem Sarge hatten der Prä­das Zeichen der mazedonischen Komitatschi

sei. Der Revolver, mit dem Petrov Kelemen den Anschlag verübt hat, ist ein 20schüssiger automa­tischer Revolver neuester Konstruktion. In einer Tasche des Rockes des Mörders fand man außer­dem mehrere Patronenstreifen, so daß er übe

ungefähr 100 Schuß Munition verfügte.

Entgegen den privaten Berichten, die von zwei oder mehr Genossen Kelemens sprechen, eglaubt das französische Ministerium des Innern, daß der Mörder allein war. Minister des| Innern Sarraut äußerte sich Journalisten gegen über in diesem Sinne. Er bestätigte, daß die ganze Szene durch Zufall ge film t wurde und daß sie noch heute der Marseiller|

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Polizei vorgeführt werden wird.

Ein Rätsel bleibt es aber, wo und wie sich der Mörder, der vor einigen Tagen in Frankreich eingetroffen war und kaum französisch sprach. einen Revolver ganz neuen Typs verschaffen| konnte. Der Mörder disponierte wahrscheinlich

über einen größeren Geldbetrag.

Der Bruder Kelemens verhaftet

Belgrad, 10. Oktober .( Havas.) Der| Bruder des Attentäters, der Belgrader Dentist Kelemen, wurde verhaftet.

den Vorbereitungen für das Nationalbegräbnis In Belgrad wurde ein Sonderausschuß mit des Königs betraut.

Noch zwei Tote

Worum ging es in Gablonz? Henlein wollte chert, sein lang vermißtes Programm entwickeln. dort, so wird uns von seinen Trabanten versi­Eine löbliche Absicht, verbunden mit weniger löb= lichen Nebenabsichten. Die außerordentliche Gnade, daß Herr Henlein nach einjähriger politischer Führerbetätigung der Oeffentlichkeit endlich sagt, Die Zahl der Todesopfer des Anschlages in was er will, sollte von der demokratischen Regie­Marseille beläuft sich bisher auf vier. Außer dem rung unseres Staates mit der Bewilligung einer Sönig Alexander und Außenminister Barthou ist amtliche Kundgebung der Heimatfront aus den fascistischen Parade erkauft werden. Eine partei­im Laufe der Nacht der städtische Wachlezten Tagen sagte darüber sehr aufschlußreich: mann Gally, der von dem Mörder durch zwei Revolverschüsse getroffen wurde, seinen Verlet­zungen erlegen. Er war Vater dreier Kinder. Als biertes Opfer ist am Mittwoch eine Frau, die bei dem Attentat verletzt worden war, ihren Ver­legungen erlegen. Die Nachrichten über den Tod. des Generals George 3, des Admirals Berthelot, bzw. des Hofmarschalls Dimitrivić haben sich nicht bewahrheitet. Der Zustand des verwundeten Generals Berthelot nach einer Operation war allerdings sehr ernst, doch befin­det er sich bereits a use rLebensgefahr.

Außer ihm wurden noch drei Zu­fch a uer, darunter ein Kinooperateur, vier Frauen und ein vierzehnjähriger Junge so ver­legt, daß sie ins Krankenhaus gebracht werden mußten. Zwei weitere Verletzte, darunter ein Bo­lizeiinspektor, befinden sich in häuslicher Pflege. Die Mehrzahl von ihnen wurde bei der unmittel­fident der französischen Republik Lebrun, der bar nach dem Attentat entstandenen Panik ver= jugoslawische Außenminister Jevtič und der letzt.

Henlein- Kundgebung

in Gablonz verboten

Verbot auch der sozialistischen Versammlung

Die SHF hatte für den 7. und 14. Oktober zwei große Kundgebungen vorbereitet. Die erste sollte in Karlsbad, die zweite in Gablon 3 stattfinden. Die Karlsbader Kundge­bung wurde zusammen mit der von den Sozialdemokraten angesagten Gegenversammlung verboten. Henlein verkündete daraufhin, daß er den Gablonzer Aufmarsch zur Bekannt­gabe seines Programms benügen werde.

Die nordböhmischen Arbeiter, die den eigentlichen Sinn des Henleinaufmarsches genan so erkannt hatten wie die westböhmischen, haben ebenfalls eine Gegenkundgebung an­gesetzt, um der Deffentlichkeit zu zeigen, daß außer den gleichgeschalteten Anhängern der nach politischer Totalität strebenden Henleinfront noch starke demokratische Kräfte im fude­tendentschen Gebiete vorhanden sind.

Nun hat die örtliche Polizeibehörde auch die Gablonzer Kundgebung der SHF und die Gegenkundgebung der Arbeiter( es hatten die deutschen und tschechischen Sozialdemokraten und die tschechischen Nationalsozialisten gemeinsam zur Gegenversammlung aufgerufen) unter Hinweis auf die angebliche Gefährdung der Ruhe und Ordnung verboten.

,, Es geht nicht an, daß man monate­lang an der Politik der Sudetendeutschen Hei­matfront das Fehlen eines klaren Programms" bemängelt und es dann zuläßt, daß die Ver= kündung dieses Programms vom politischen Gegner durch die Einschränkung der Versammlungsfreiheit verhindert wird. Es geht nicht an, Konrad Henlein beständig und un­begründeterweise mangelnden Einfluß auf seine Anhänger vorzuwerfen, es ihm aber gleichzeitig unmöglich zu machen, sich von Angesicht zu Angesicht mit seinen Anhängern aus­zusprechen. Es geht nicht an, das Fehlen eines politischen Programms der SHF als eine Gefahr für die Sicherheit des Staates und der Demokratie zu bezeichnen, gleichzeitig aber die Verkündung des Programms mit dem Argument der Ruhe und Ordnungsstörung zu vereiteln."

So müssen sich alle Demokraten nun mil ben bitteren Konsequenzen des Verbotes abfin­den, die da die Pressestelle der Heimatfront vor­ausblickend geschildert hat. Henlein wird aus Trut sein Programm verschweigen, solange ihm nicht einer der Berge unserer Grenzhöhen als Rednertribüne zur Verfügung gestellt wird. Denn er ist ein Demokrat von ganz besonderer Art. Es fällt ihm nicht ein, das Programm seiner Bewe­gung unter demokratischer Kontrolle zu erarbeiten. es zuerst den Mitgliedern zur Stellungnahme vor­zulegen und es von gewählten Funktionären ver­bindlich beschließen zu lassen. Dieser demokrati­sche Vorgang würde aller Voraussicht nach die Stimmungen und Strömungen offenbaren, die in seiner Partei lebendig sind. Davon darf aber die Deffentlichkeit nichts erfahren. Henlein will seine Mitarbeiter mit der Mitverantwortung für das Programm nicht belasten. Der Führer" braucht eine bunt zusammengewürfelte Volksver= sammlung als Folie, er fann feinen Einwand, teine Kritit seiner Ansichten vertragen. Die gei­stige Leere und innere Zwiespältigkeit seiner Be­wegung müssen durch organisiertes Heilgebrüll berdeckt werden. Gerade diese Form der Pro­grammgebung, die in keiner halbwegs demokra­tischen Partei denkbar wäre, enthüllt das urfasci­tische Wesen der Heimatfront.