Teile 2
Samstag, 13. Oktober 1934
Nr. 240
wollten und denen der Anlaß gerade recht kam. Oesterreich-Ungarn   suchte seit langem einen Vor­wand. um mit Serbien  abzurechnen". Der Thronfolger starb vielen Herren am Wiener Hofe sehr gelegen. Sie waren einen Mann los, den sie fürchteten und haßten, und hatten zugleich In sei­nem Tode den Vorwand für ihr kriegerisches Abenteuer(dem er selbst bei Lebzeiten, wie ent­gegen einer weitverbreiteten Legende festgestellt werden muß, durchaus abgeneigt war). Auf der anders» Seite gab es in Petersburg   eine Kriegs­partei, die den Krieg mit den Mittelmächten um jeden Preis wollte und die vielleicht von dem Attentat gewußt hat. Sie griff nicht minder gie­rig nach dem Anlaß von Sarajewo   als die Diplo­maten vom Wiener   Ballhausplatz. Heute kann dieser Willen zum Kriege höch­stens auf einer Seite bestehen. Europa   fragt, wer hinter den Mördern steht, wer sie entsandt, gedungen, bewaffnet hat. Gewisse Spuren sind kgum zu verkennen und sie führen in jene Länder, in denen der politische Mord nach dem Kriege ein Bestandteil der Staatsräson geworden ist. Wenn man dort wirklich von dem Mordplan gewußt, wenn man ihn gefördert hat, so würde das aller­dings bedeuten, daß dort auch Kräfte wirksam sind, d'ie den Krieg wollen. Aber die betroffenen Län­der denken diesmal nicht daran, eine blutige Untat in' Strömen Blutes auszulöschen, über den Kreis der einzelnen Schuldigen hinaus Völker und Staa­ten Zur Rechenschaft zu ziehen und mit Rache zu bedrohen. Weder Frankreich   noch Jugoslawien   wollen einen Krieg. Die Behörden und Regierungen führen die Untersuchung so vorsichtig, daß die Leidenschaf­ten nicht unnötig aufgepritscht, nicht wilde Ge­rüchte genährt und kriegerische Spannungen pro­voziert werden. Die Ursachen des'KriegsfieberS, das an ge­wissen Shmptomen erkennbar und als vorhanden festzustellen ist, sind also zum guten Teil sehr äußerlicher Art. Es. besteht keine Ursache, sich ein- schüchtertt zu lassen und einer Panik zu erliegen. Wenn dieDölkernichtwollen, werdendieRegierungenkeinen Krieg führen können. Es liegt bei uns allen, ob der Frieden erhalten bleibt. Seien wir uns der Kraft nur bewußt, die wir selbst dar­stellen!- Tie demokratischen Staaten wolle» keinen Krieg, die Di k t a t o rett müssen mit dem Risiko der Revolution rechnen, die sie wie den Tod fürchten. Dieses Risiko zu steigern, ist die Aufgabe internationaler demokratischer und sozialistischer Politik, an der wir alle mitarbeiten können.
USA  -Gewerkschaften halten den Boykott deutscher   Waren aufrecht San Franzisko. Auf dem Kongreß der ame­ rikanischen   Arbeiterföderation wurde nach Anhö­ren der Berichte über die Situarlon im heutigen Deutschland   beschlossen, deutsche Waren weiterhin zu boykottieren, da die deutschen   Gewerkschaftler und Juden noch immer unterdrückt werden. Die Entscheidung über die Fortsetzung des Boykotts wurde nach der Erklärung des Vorsit­zenden der amerikanischen   Arveiterföderation Green gefällt, der erklärte, daß die Boykott­bewegung solange andauern werde, als die Ty­rannei der deutschen   Regierung anhalte.
Lum das Land Böhmen darf die Not der Jugend nldit Ober sehen!
Ein Mangel des böhmischen Landesvoran­schlages ist es, daß auf die Not der arbeitslosen Jugend viel zu wenig Rücksicht genommen wurde. Genosse K r e j c i wandte sich in seiner Budget­rede entschieden gegen diese Unterlassung und verlangte, daß auch vom Lande aus versucht werde, der Jugend zu helfen. Er verwies dabei auf die Aktionen, welche der Staat und einzelne Gemeinden und Bezirke bereits begonnen haben: Unsere Jugend lebt in gräßlicher Not. Alle wissen, daß die Umwälzungen in einigen Staate« davon herrühren, daß die Jugend nicht mehr so, wie eS einmal war, rechtzeitig ihre Bestimmung, mitzuarbeiten, erfüllen kann. Wenn die jungen Men­schen aus der Schule kommen, müssen sie jahrelang dahinleben, ohne Aussicht, Arbeit zu bekommen und ohne die Möglichkeit, sich selbst zu versorgen. Da sind zum Beispiel die Glasarbeitergebiete in Nord­ böhmen   und Westböhmen. Dort ist die Not seit Jahren besonders groß. Wer sich dort in jahrelanger Ausbildung für seinen Beruf vorbereitet hat, in die­sem Beruf vielfach Künstler geworden ist, hat jetzt keine Möglichkeit, Arbeit zu finden. So wie diesen, geht es den jungen Arbeitern im ganzen Industrie­gebiet! Und das Schrecklichste ist, daß man ihnen nicht einmal die 10--Ernährungskarte gibt, daß sie ohne Unterstützung bleiben und geradezu gedrängt werden, Phantomen nachzujagen, die niemals Segen bringen können. Wir müssen uns auch an dieser Stell« damit beschäftigen, wie wir dieser Jugend helfen können. Gewiß hat das Land Böhmen nicht die wirt­schaftliche Kraft, alle üblen Erscheinungen dieser Zeit zu beseitigen und allen Arbeit und Brot zu
geben. Aber die Tatsache, daß im Voranschlag gar nicht versucht wird, der Jugend direkt zu helfen, ist Anlaß zur Aufmerksamkeit. Es ist vor kurzer Zeit in Theresien­ stadt   ein Arbeitslager beendigt worden, von dem sowohl die deutsche als auch die tschechische Presse berichtet hat, daß es einen neuen Weg weist, mit dem man den jungen Menschen zu Hilfe kommen könnte. Ich sehe nicht ein, warum nicht auch das Land Böhmen   zumindest den Versuch machen könnte, solche Arbeitslager einznrichte«. Junge Menschen stellen ja leine allzu großen Ansprüche. Was sie wollen, ist Arbeit und Brot. Da müßte doch auch das Land Böhmen dieses Problem aufgreifen und zumindest versuchen, etwas ähnliches zu machen. Eine Reihe von Selbstverwaltungskörpern haben in dieser Be­ziehung sehr viel getan. Auch das Land Böhmen muß energisch da­für sorgen, daß den jungen Menschen Gelegen­heit zu ordmtlicher Betätigung gegebm werde. Wir sehen zehntausende, die überhaupt nicht beschäftigt werden, weder körperlich noch geistig, die hüngern und dann iruf Abwege gedrängt wer­den, die nicht nur für sie selbst Gefahr bringen, sondern letzten Endes auch für alle ändern. Des­halb unser Appell auch an diese Körperschaft, die Ziffern des Voranschlags lebendig werden zu lassen, sie zu einer sozialen Tat zu gestalten, soweit es im Rahmen der Möglichkeit liegt. Und Möglichkeiten sind im Lande Böhmen   gegeben.
Um die produktive Arbeitslosenfürsorge Beratungen des Sparausschusses mit dem Fürsorgeminister Prag  . Der Ausschuß der parlamentarischen Spar« und Kontrollkommission befaßte sich am Freitag in Anwesenheit des Ministers für soziale Fürsorge Dr. Meißner mit den Fragen der produktiven Arbeitslosenfür- sorge im Hinblick darauf, tute in der Zeit er­höhter Arbeitslosigkeit Arbeit zu beschaf­fen sei, namentlich* für die manuelle Arbeiter­schaft, wie die Bautätigkeit zu beleben und der Selb   st Verwaltung zu helfen sei, damst sie die bereits vollkommen vorbereiteten Arbeiten durchführen könne, für welche allerdings der vor­geschriebene Beitrag der SekbswerwaltuNgKkörper fehlt. Behandelt wurde auch die Frage der Unter­stützung bestimmter Ziveige der privaten Unter­nehmertätigkeit, die allgemein-nützlichen Charak­ter haben. Minister Dr. Meißner legte seine Bemühun­gen um die Beschaffung von Arbeit im allgemeinen dar und erklärte dann im besonderen die Re­organisation des administra­tiven Verfahrens des Mini st e- riumsfür soziale Fürsorge, die zu dem Zwecke durchgeführt wurde, damit die not­wendigen Bauformalitäten in kürzester Zeit er­ledigt würden. Schließlich beschloß die Kommission, die Re­gierung zu ersuchen, daß der Entwurf betreffend
die Sanierung der Bruderladen vom Standpunkte der Erzielung von Erspar­nissen für die Staatskasse beschleunigt behandelt werde.
Wir warnen.. A-Zet" über die Henlein-Bewegung A-Zet" seht seine Artikelserie über dir SHF fort. Tie Informationen läßt das Blatt durch einen eigenen Berichterstatter in Nordböhmen   sam­meln. In dem Bericht aus Warnsdorf sind Böhm.- Leipa werden die Methoden geschildert, welche die SHF in den Fabriken anwendet: Von einigen Seiten hören wir, daß Fabrikan­ten für die Arbeiter auch Mitgliedsbeiträge zahlen. In erster Linie bemüht sich die SHF, die Meister zu gewinnen, um durch ihren Einfluß auf die Arbeiter einwirken zu können. Eine äußere Tätigkeit.ent­wickelt sie-fast'gär Nicht und beschränkt-sich haupt­sächlich auf Agitation und innere Arbeit. Sie hält aber nur vertrauliche Sitzungen ab, so daß ihre Tätigkeit absolut unkontrollierbar ist. In die Sit­zungen werden nur' Mitglieder und Sympathisierende geladen, während unverläßliche nicht zugelassen wer­den. Darum kümmern sich starke Ordnergruppen, sämtliche Turner, welche auch hier für die SHF SA-Dienste machen." In demDer SHF kam man nicht glauben I" betitelten Absatz heißt es: Es hat sich nichts außer der Firma geändert und es wurde eine neue Funktionär- Garnitur vorgeschoben, die geschickter und vorsichti­ger ist als die Funktionäre der Hakenkreuzler und der Deutschnationalen waren. Nein, der SHF kann man nicht glauben und sie bemüht sich auch gar nicht,
Vertrauen zu gewinnen. Wir warnen, solange Zeit 2/ enn die SHF ist etwas ganz anderes, als Konrad Henlein   behauptet." Abgeordneter Krosnar verhaftet Set einer geheimen kommunistischen   Bera­tung in Mährisch-Ostra« ^"brisch-Ostrau.(Tschechoslowakisches Prctz- t'wx.Donnerstag stellte die Ostrauer Polizei wst, daß m einer Privatwohnung in Mährisch- aVx nC^ e^ e We Sitzung kommu- «o c 8r Funktionäre stattfinde. In me Wohnung entsandte Sicherheitswache in Zivil bter Personen an, von denen drei an- geyaiten und der Polizeidirektion zur weiteren Untersuchung vorgeführt wurden. Der Vierte war der bekannte kommunistische Abgeordnete August .* m e" t. Bei den Angehaltenen wurde eine ^etvesvtsttation vorgenommen, wobei belastendes k°L^ichlastnahmt wurde, aus dem hervor­geht, daß in der geheimen Sitzung Aktionen be- sprachen wurden, die auf einen U m st u r z im ts chechoslowakischen Staate abzielten. Etner der Angehaltenen, legitimierte sich mit t^ 1C a>»®£ i ma^ e n, lautend auf den Namen Jo- fes Prikryl aus Brünn  , später gab er aber beim Verhör an, in Wirklichkeit Josef K r o s n a r zu heißen und Abgeordneter der Nationalversamm­lung zu sein. Gegen Krosnab wurde Heuer im Juli vom Kreisstrafgericht in Prag   ein Steckbrief wegen des Verbrechens nach Paragraph 2 des Republitschutz- gesetzes erlassen. Prikryl-Krosnar, besten Iden­tität noch festgestellt wird, wird mit den anderen beiden Verhafteten dem Kreisgericht in Mährisch- Ostrau   eingeliefert werden.
In der böhmischen Landesvertretung wurde Freitag die Generaldebatte über das Budget nach dem Schlußwort des Finanzreferenten Dr. Ku- b i st a beendet. Ohne Debatte wurden hieraus die KapitelLandesvertretung" undLandeswirt­schaft und Landeseigentum" erledigt, worauf die Beratung über die Kapitel.Landwirtschaft" und Oeffentliche Arbeiten" begann, zu welchen Ge­nosse H a I a sprach. Die nächste Sitzung findet Dienstag statt. Der KB löst sich auf. Das Amtsblatt ent­hält die Mitteilung von der Selbstauslösung des Kameradschafts-Bundes. Anscheinend hat H e n» lein in diesem Punkte dem Drängen seiner Opposition nachgegeben. Die Clique, die den BK beherrscht hat, führt jetzt allerdings die SHF und ivird trotz Auflösung des Vereines ihre segensreiche Tätigkeit fortsetzen.
20 BRUNO ADLER  :
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Prag XIX
Auch Hilsners Bruder, der fünfzehnjährige Moritz, den sie Jtzig nennen, ein nicht gerade auf­geweckter Junge, wird in diesen Tagen verhört. Das Gericht macht auf ihn einen überwältigen- dcn Eindruck, und er strengt sich mächtig an, jede Frage ausführlich und nach Wunsch zu be­antworten. Viel weiß er freilich nicht zu sagen. Am' wichtigsten ist seine Bekundung, daß Polda zwar keinen hellen Anzug besitze, wie man ihn seit langem bei ihm sucht, aber eine graue Hose sei da; möglicherweise liege sie in dem Koffer, der beim Synägogendiener Grott in Groß-Meseritsch  untergestellt sei. Sofort veranlaßt Dr. Baudysch den dortigen Richter Schenk, diese Spur aufzu­nehmen. Die Hausdurchsuchung bei Grott und der alten Hilsner ist. ergebnislos. Aber als der Be­amte nach den Hosen fragt, meint die Mutter, sie fänden sich vielleicht bei den Sachen, die in der Allen Schule", der ausgedienten Synagoge auf­bewahrt seien. Der Richter geht mit seinem Schrei­ber durch Seitengäßchen, damit die Juden ihn nicht kommen sehen und vorher etwas verstecken, in den baufälligen Tempel. Einer begleitet die Hilsner zu dem Beschließer, um die Schlüssel zu holen. Man sperrt auf, die Frau zeigt auf einen schwarzen Holzkoffer, hier,, unter andern alten Kleidern liegt die graue Hose. Aber es ist keine andre als die, welche Klenovec und Sedlak schon in Polna   in der Hand hatten, sagt die Hilsner. Dieselbe Hose, die ihr vor drei Jahreft die Mutter des Fabrikanten Hitschmann in Nachod   geschenkt hatte, und die der Polda dann aufgetragen hat. Den Richter interessiert» die zwei rostbraunen
Flecke auf dem Hosenboden. Sie sind so groß wie ein Kreuzerstück und sehen verdächtig nach Blut aus. Der Fund erregt ungeheures Aussehen. Schon steht eS fest, daß die Hose blutbefleckt ist. Roch aufregender wirll es, daß dieses wichtige Corpus delicti in einer Synagoge versteckt war. Zwar hat der Bruder des Verhafteten den ersten Hinweis auf das Beweisstück gegeben, zwar hat seine Mutter es selbst der Kommission ausgefolgt; aber die Zeitungen ergehen sich in mysteriösen Betrachtungen über das Geheimnis des alten Got­teshauses. Zwar hat Frau Vomela an dem Mann, der sie am Waldrand behelligte, einen ganzen grauen Anzug und der Pfarrer Vläek einen grauen Ueberzieher gesehen, zwar bestreitet der Maler Muzikar, der Hilsner an jenem Nach­mittag in seiner gewöhnlichen Hose gesehen hat, daß es diese war; über die Ueberzeugung bricht sich Bahn, daß durch den Fund die Identität Hils­ners mit dem Mörder so viel wie erwiesen ist. Nicht nur das Bezirksgericht und das Kreis- gericht betreiben die Untersuchung. Die private Behörde, die der Wiener   Berichterstatter Schwer mit dem Bürgermeister Sadfl und einigen Gesin­nungsgenossen oganisiert hat, bereitet den Prozeß auf eigene Faust vor. Der geistige Vater dieses Komitees ist Vergani. Er, der sich nachsagen lassen muß, Gemeindegelder defraudiert, Pauschalien verpraßt und Bestechungsgelder genommen zu ha­ben, will ,tdem evhöhteren Interesse daran, daß die volle Wahrheit zutage komme", auf solche Weise dienen. Zeugen werden ausfindig gemacht und einvernommen; KommuniqueeS werden aus­gegeben, die Presse wird informiert, die parlamen- tarsschen Vertreter werden mobil gemacht. Schwer ist unermüdlich. Heute berichtet er, in der Hfls- nerschen Wohnung seien, in einem Kanal ver­steckt, Frauenkleider gefunden worden; die ver­sammelte Menge habe in ihnen die Kleider der Ermordeten erkannt. Morgen weiß er, daß Poldi
so nennt ihn die gesamte Ritualmordpreffe stets eine Menge Geld gehabt habe, genug, daß er, die Mutter, der Bruder und die Tante davon leben konnten. Verdient hat er nichts, die Juden unterstützten ihn. Wofür? Hatte er einen Anspruch auf solche Summen? Der Leser weiß Bescheid. Es ist der Blutsold. Umsonst wird keiner den Mädchen im dunklen Wald auflauern, sie ab­schlachten und ihnen das Blut abzapfen. Ms die Sache Hilsner durch den Zwischenfall mit dem Kürschner Janda einen unerwünsch­ten Verlauf zu nehmen droht, macht Ernst Schnei­der im niederösterreichischen Landtag Krach. Nicht geneigt, die Beschlagnahme desDeutschen Volksblatts" hingehen zu lassen, will er den kon­fiszierten Artikel in einer Interpellation zur Ver­lesung bringen, damit seine Verbreitung durch Nachdruck ermöglicht werde. Baron Gudenus, der Landmarschall, verhindert die Verlesung mit der Ausrede, er habe keine Zeit gehabt, die Inter­pellation zur Kenntnis zu nehmen. Ein Höllen- spektakel bricht los. Schneider tobt:Alle Juden sind Mörder I" und läßt sich durch drei Ordnungs­rufe nicht stören. Vergani, Gregorig, Bielohlawek  , Strobach, Prinz Liechtenstein  , der Abt Scheicher stimmen ein. Der Landmarschall muß die Sitzung unterbrechen. Unter ungeheurem Lärm leert sich langsam der Saal.
Ununterbrochen gehen die Vernehmungen weiter. Hilsners Genossen, die ein vages Gerücht mit dem Verbrechen in Verbindung bringen will, weisen ihr Mibi nach; bei Selinger scheint etwas nicht zu stimmen. Ihn nennen alle, die ihn ken­nen, einen Gauner, der zu jeder Untat fähig sei. Aber der Richter unterläßt es, sich den Burschen näher anzusehen, und ebenslNvenig befaßt er sich mit dessen Kumpan Leixner  , der sich allerlei Äuße­rungen hat entschlüpfen lassen, die auf die Kennt­nis dunkler Zusammenhänge hindeuten. Das Kut­tenberger Gericht ladt nochmals die Borstehers ­
frau Vomela vor und konfrontiert sie mit Hils­ner, dem man den abgeschälten Stock des Mör­ders in die Hand gibt und sich mit ihm zu bewe­gen aufträgt. Sie sieht ihn an, überlegt, schwankt: Die Gestalt würde passen, die Bewegungen mit dem Körper auch, aber schwören kann ich nicht, daß es derselbe Mensch ist." Sie hat an dem Mann im Walde nur die häßlichen dunklen Augen wahrgenommen» und an den Augen allein kann man einen Menschen nicht erkennen. Ein paar Tage später läßt der Richter sie noch einmal kom­men und fragt sie auf den Kopf zu, ob sic sich nicht um eine präzise Antwort nur aus Angst drücke, weil sie sich vielleicht Feinde machen würde. Ich weiß von diesem Gerede, das ist lauter leeres Zeug. Ich habe keine Angst. Ich bin mir bewußt, wie wichtig das ist, und wenn ich könnte, würde ich eine bestimmte Aussage machen und sie beschwören." Und wiederum erllärt sie, mit voller Bestimmtheit in Hilsner jenen Menschen nicht wie­der zu erkennen. Eine andere Aussage Enne sie nicht auf ihr Gewissen nehmen. Auch Frau Hruza, die Mutter, muß noch­mals Rede stehen: Ob zwischen ihrem Sohn und der Agnes wirllich keine Feindschaft bestanden, ob Jcchann die Schwester nicht schlecht behandelt habe. Niemals, erklärt sie, es sei auch kein Grund dafür vorhanden gewesen. Dagegen habe sich die Toch­ter im März einmal beschwert, daß ein Jude ihr nachgesehen habe, den Namen dieses Juden habt sie damals zwar genannt, die Mutter hat ih» aber total/vergessen. Dessen entsinnt sie fick doch ganz genau, daß Agnes gesagt habe, der Jut« sei ein ausgelernter Schuster,' er arbeite nichts, und sie möchte nur wissen, wovon er eigentlich lebe. (Fortsetzung folgt.)