Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Mittwoch, 17. Oktober 1934

Wahlsieg der norwegischen Arbeiterpartei

Oslo  . Am Montag fanden in ganz Norwegen   Gemeindewahlen statt, an denen alle politischen Parteien, die Konservativen unter anderen Bezeichnungen, z. B. als bürgerliche Einheitsgruppe, teilnahmen.

Noch liegen endgültige Berichte nicht vor. Nach den bisher eingelaufenen Meldungen hat die Arbeiterpartei einen bedeutenden Gewinn erzielt, in der Hauptstadt wird sie möglicherweise die absolute Mehrheit bekommen.

Die norwegische Arbeiterpartei ist eine streng marristische Partei. Der ,, sterbende Mar­xismus" hat ein sehr merkbares Lebenszeichen gegeben. Er erobert mehr und mehr eines der nordischesten Völker.

Bei den Gemeindewahlen im Jahre 1931 erhielt die Arbeiterpartei auf dem Lande 35.5 Prozent, in den Städten 40.17 Prozent der Stimmen. Im Vorjahre erzielte die Par­tei bei den Parlamentswahlen bekanntlich einen sehr großen Erfolg. Man sah den Ge­meindewahlen mit großer Spannung entgegen: fie mußten zeigen, wie sich seit den Parla­mentswahlen die Arbeiterpartei in der Bevölkerung behauptet hatte. Selbstverständlich hoff­ten die Bürgerparteien, die Sozialisten zurückzudrängen. Sie haben sich getäuscht.

Für 230 Millionen öffentliche Arbeiten

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den, die der Minister schrittweise zu verwirklichen beabsichtigt.

Einzelpreis 70 Heffer

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 243

Ein Verärgerter spricht...

Mayr- Harting gegen Sramek

Bei allen staatlichen Aufträgen soll die vierzigstündige Arbeitswoche strengstens eingehalten werden. Die Arbeitgeber bzw. die öffentlichen Bauführer sollen berpflichtet werden, um so viel mehr Arbeitskräfte neu einzustellen, als dem Werte des Staatsauf­" Nichts leichter für einen Vertreter der trages bzw. der bewilligten Subvention entspricht. Opposition, als der Regierung und Mehrheit ein Diese Arbeiter sollen eventuell in Wechselschichten langes... Sündenregister vorzuhalten beschäftigt werden. Die näheren Einzelheiten Also begann Mayr- Harting sein politisches find mit dem Betriebsausschuß bztv. den Ver- Referat auf dem christlichsozialen Landesparteitag trauensmännern der Arbeiter zu bereinbaren. in Tetschen  . Er hat dann aber doch der Aufgabe Bei allen öffentlichen Arbeiten sind vor allem leichteren Teil gewählt. Denn seine Rede ist er­Arbeitslose zu beschäftigen, insbesondere solche, füllt von oberflächlichstem oppositionellen Ge­welche Unterstützung beziehen. Bei der Auswahl raunze. Nichts, garnichts hat die gegenwärtige ist auf die Dauer der Arbeitslosigkeit, die Ver- Regierung dem christlichsozialen Erminister recht mögens- und Familienverhältnisse Rücksicht zu gemacht, denn sie leidet an einem Geburtsfehler. nehmen. Auch hier sind 15 Prozent Jugendliche den ihr Herr Mahr- Harting nie verzeihen wird, einzustellen. Die Aufnahme der Arbeiter darf nämlich daran, daß für ihn, trok verzweifelter nur durch die öffentliche oder gewerkschaftliche Ar- Anstrengung und Anbiederung, kein Ministersessel beitsvermittlung erfolgen. Maschinelle Einrich- mehr frei blieb. tungen, durch welche Arbeitskräfte überflüssig werden, sollen nicht verivendet werden. Es darf nur inländisches Material verwendet werden.

Nun spielt Herr Mayr- Harting die ge­fränkte Leberwurst. Er, der deutsche Bürgerblock­minister, beklagt sich über den systematischen Abbau der Demokratie", über die Verschärfung des Schutzgesetzes, über die Ernennungen in den Gemeinden. Ohne zwingende Not, nur aus anti­die Einhaltung der kollektivvertraglichen Be- demokratischer Gesinnung heraus hat er seinerzeit stimmungen Verwaltungsreform und Ge=

Die Kontrolle über die Einhaltung dieser Vorschriften, sowie auch über die Zahlung der bertraglichen Löhne und

werden.

soll nicht nur von den Organen der Gewerbe- meinde finanzgesetz beschlossen, in Be­inspektion, sondern auch von den Organen der zirken und Ländern das System der Ernen­technischen Bauaufsicht durchgeführt werden.nungen eingeführt. Heute wagt es Mayr- Har­Uebertretungen sollen streng, im Wiederholungs- ting, ohne schamrot zu werden und ohne um den falle mit Strafen bis zu 50 Prozent des Liefeletten Rest seines politischen Kredits besorgt zu rungspreises oder der Subvention geahndet sein, sich zum Ankläger wider die Notwehrmaß­nahmen aufzuspielen, welche in der Abwehr des Der Minister erklärte auch, daß er einen fascistischen Terrorismus ergriffen werden muß­Ausbau der Gewerbeinspektion, insbesondere auch Gemeinde- Autonomie geschmälert worden ist, ten! Daß Bürgermeister abgesetzt wurden, daß die durch Heranziehung von Arbeiter- Inspektoren, daran ist nach der Meinung eines deutsch  - chriſt= plant. Zu diesem Zwecke wurde die einschlägige lichen Parteiführers nicht die Bankrotteurpolitik Budgetpost erhöht. Staatsvoranschlag für das kommende Jahr die Sozialdemokraten zum Vorwurf zu machen. Herr der Krebs und Jung schuldig, das erkühnt ei Der Minister teilte ferner mit, daß in dem sich wider besseres Wissen den deutschen Uebernahme der Staatsgarantie für Darlehen zur Mayr- Harting hat sich mit dieser Argumentation Durchführung gemeinnüßiger Arbeiten bis zum auf das geistige und moralische Niveau jedes Betrage von 50 Millionen vorgesehen ist. Dußendschwäßers der Heimatfront begeben. Zu den Beschwerden über das Ueberstunden­Besonderes Gewicht scheint Herr Mayr- Har­

Arbeitsbeschaffungsprogramm des Fürsorgeministeriums Heran­ziehung der schon länger Arbeitslosen- Beschäftigung der Jugend­Beschäftigung der Jugend­lichen 40stündige Arbeitswoche bei staatlichen Aufträgen Montag sprach eine Abordnung der beiden Ben Anzahl von Arbeitslosen Arbeitsgelegenheit sozialdemokratischen Parteien und der gemein- geboten werden. samen Landeszentrale der freien Gewerkschaften Aehnliche Maßnahmen sind auch bei den von beim Fürsorgeminister Genossen Dr. Meißner der staatlichen Eisenbahnverwaltung, vom Mini­vor, um ihm die Wünsche der Arbeiterschaft auf sterium für nationale Verteidigung, vom Land­ben Gebiete der Arbeitsbeschaffung wirtschaftsministerium und anderen Zentral­und Arbeitslosen fürsorge vorzutra- behörden durchzuführenden Arbeiten geplant. In jenen Gemeinden und Bezirken, welche gen. Die Mitglieder der Abordnung setzten dem Minister die durch die langandauernde Massen- auch die Möglichkeit der Darlehensaufnahme nicht arbeitslosigkeit geschaffene Situation auseinander ausnüßen können, will der Minister im Einver­und beschäftigten sich insbesondere mit der Not- nehmen mit dem Ministerium des Innern dahin wendigkeit, wirken, daß durch Mitwirkung der verwesen erklärte der Minister, daß er die Erlassung für die Finanzierung gemeinnüßiger Arbeiten mögen den Bürger Notstandsarbei trenger Vorschriften in dieser Richtung vorbe nicht ernst genommen zu werden. Er wettert über

dem

Sorge zu tragen, da die Selbstverwaltungsförper nicht mehr in der Lage sind, die Mittel hiefür auf­zubringen. Sie verwiesen ferner auf die Schädi­gung der Arbeitslosen durch die trotz der Arbeits­Icsigkeit andauernde Ueberstundenarbeit und brach­ten eine Reihe von Wünschen hinsichtlich der Durchführung öffentlicher Arbeiten und der Kon­trolle der Arbeiterschutzmaßnahmen überhaupt vor.

Der Minister erklärte der Abordnung, daß er sich mit allen diesen Problemen bereits eingehend beschäftigt und ein Programm ausgearbeitet habe, das er sodann entwickelte.

Wir geben den wesentlichen Inhalt der Dar­legungen des Genossen Meißner im nachstehenden wieder:

Um den Gemeinden und Bezirken, welche die notwendigen Eigenmittel nicht aufbringen können, die Durchführung von Notstandsarbeiten zu er möglichen, hat die Regierung auf Anregung des Ministers für soziale Fürsorge beschlossen, einen Betrag von 45 Millionen bereitzustellen, aus welchem

den Bezirken und Gemeinden Darlehen für ge­meinnüßige Arbeiten

gewährt werden sollen. Auf diese Weise können Arbeiten mit einem Gesamtaufwand von 230

Millionen durchgeführt werden.

ten durchgeführt werden, zu welchen das Mini­sterium für soziale Fürsorge aus dem Titel der produktiven Arbeitslosenfürsorge beitragen wird.

Der Minister teilte ferner mit, daß er eine Enquete der Arbeitnehmer und Arbeitgeber über

die Möglichkeit der Belebung der Baubewegung abgehalten habe, in welcher die Wünsche legisla­tiber und administrativer Natur vorgetragen wur­

reitet.

Die Arbeiteröffentlichkeit wird dieses Pro­gramm des Fürsorgeministers sicherlich mit großer Genugtuung zur Kenntnis nehmen.

ting darauf zu legen, als Wirtschaftspolitiker

das Defizit im öffentlichen Haushalt. Er ist gegen die Ersparungspolitik, aber auch gegen neue Steuern. Wie will er das Defizit überwinden? Beileibe nicht durch Kreditoperationen. Die De­Die Sozialdemokratie und die freien Gewerk- valvation der Währung war auch schlecht. Also schaften werden für die Verwirklichung dieser was will Herr Mayr- Harting eigentlich? Ja, die Maßnahmen, deren Durchführung zweifellos Militärlasten haben es ihm angetan! Zur Zeit wefentlich zur Milderung der Arbeitslosigkeit des Bürgerblocks hatte der brave Mann gegen den beitragen kann, alle ihre Kräfte einsetzen.

Auch Malny- Kralj gesteht

Gemeinsame Abreise der Verschworenen von Budapest  

Paris  . Silvester M a I n y, der am Mon­tag in Melun   verhaftet worden war, gab beim Verhör an, daß er Mio Kralj heiße und am 17. September 1908 in Koprovice in Ingofla­wien geboren wurde.

Das Verhör dauerte die ganze Nacht an. Schließlich gestand Kralj ein, daß er an der Ver­schwörung gegen König Alexander beteiligt war. Er sei mit dem Mörder Kelemen- Georgijew in Marseille   beisammen gewesen und habe den Be­fchl erhalten, an feine Stelle zu tre­

Rüstungsfonds und gegen die Dienstzeitverlänge rung nichts einzuwenden. In einem Augenblicke aber, da Hitlerdeutschland bis an die Zähne auf­rüstet, Ungarn   ein Eldorado für Terroristen und Desterreich ein Aufmarschgebiet für Mussolini   ge­worden ist, geht Mayr- Harting unter die Pazi­fiften. Der Tschechoslowakei   gibt er so nebenbei einen guten Rat: sie möge den römischen 26. September in Zürich   mit Suf- Kelemen- Protokollen beitreten und sich damit Georgijew und dem von der Schweizer   Polizei unter die Patronanz Mussolinis und des Vatikans fieberhaft gesuchten Hauptdelegierten Pavelics, begeben. Kraemer Kvaternik, trafen. Von In Oesterreich   und Ungarn  , beide Zürich   fuhren sie alle nach Lausanne  , wo sie unter gut christlicher Herrschaft, bemerkt man sich im Hotel als Ungarn   eintrugen. Von Lau­fanne begaben sie sich mit tschechoslowakischen Päffen in zwei Gruppen über Evian, bezw. Thonon   nach Frankreich  . Am 28. September trafen sie in dem nach Paris   fahrenden Zuge neuerlich zusammen.

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allerdings von dem neuen Wohlstand, begründer wenig. Ein Blick auf die jammervollen wirtschaft­durch italienische Präferenzen, noch verteufelt lichen und sozialen Verhältnisse dieser christiani­fierter Nachbarländer hätte dem christlichsozialen Erminister die Deplaciertheit seines oppositionel­Was das Marseiller   Attentat anbelangt, be- len Geredes wenigstens ahnen lassen müssen. ten, falls Kelemen im letzten Augenblick daran hauptet Krolj, daß er vor dem Attentat in Ge- Neben der Wirtschaft der gut christlichen Diktato­

Dazu sollen vor allem die Arbeitslosen heraat- verhindert sein sollte, das Attentat auszuführen. sellschaft Kelemens war und daß er im letzten ren in Desterreich und Ungarn   können sich die Lei­Kralj hat auch eingestanden, daß die drei Augenblid gezögert habe, das Attentat aus stungen unseres demokratischen Regimes aber Gepäckstücke mit Waffen, Kleidern und Papieren Furcht, er könnte Unschuldige töten", durchzu- fchon auf allen Gebieten sehen lassen! Wen will ihm

gezogen werden, die besonders lange unter der Arbeitslosigkeit leiden.

Arbeitslosen sollen der arbeits. Terroristen, die in der Garderobe des Lausan habe, er werde ihn erschlagen. Er habe Hitlers  ? Nein. Die gehaßte rotgrüne Koalition in 15 Prozent der so eingestellten der an dem Marjeiller Verbrechen beteiligten führen. Er habe auch Kelemen überreden wollen, Mayr- Harting treffen, wenn er über den Nieder­Bei Durchführung größerer Arbeiten in Bezirken tag von der Geheimpolizei geöffnet wurden, ihm dem Augenblid, da Kelemen das Attentat vers geistige Beschränktheit seiner Zuhörer spekulieren,

mit geringer Arbeitslosigkeit sollen Arbeiter gehören. aus den von der Arbeitslosigieit

Spätere Berichte besagen, daß das Geständ

besonders schwer betroffenen Be- nis Mann- Stralis fich in vollem Umfange mit den sirken herangezogen werden, und zwar ent- Geständnissen Benes- Rajtič und Novák- Pospisils weder in der Form freiwilliger Arbeitslager oder deckt, auf Grund behördlicher Zuweisung. Durch ab­wechselnde Beschäftigung soll einer möglichst gro

daß sie nämlich Budapest   mit ungari schen Pässen verließen und sich am

übte, nicht mit diesem gewesen zu sein. wenn er von einer rot- grünen Koalition spricht. Auf Grund des Geständnisses Malnys ent- Dieser Koalition gehört auch die tschechische Bru

deckte die Polizei in dem Hotel in Aix, in dem die Verschwörer schliefen, in einem Strohjad einen

Revolver und zwei Bomben. Die gefundenen Bom ben waren den bei dem Mörder Kelemen vorge­denen Bomben ganz ähnlich.

derpartei der deutschen Christlichsozialen an. Sie trägt für die Laten und Unterlassungen der Az­gicrung zumindestens soviel Verantwortung wie die deutschen Sozialdemokraten. Warum hält sich Mayr- Harting nicht an Kollegen Šram ef?