Sette 2 Mittwoch, 17- Tli-oer 1934 Nr. 243 Mr laßt den Annen schuldig werden..? SdNHles Vorgehen gegen den wilden Bergbau Untätigkeit gegen den Hunger Erfolg der französischen  Konsolldlerungsanlelhe Paris  . Die Zeichnung der inneren Konsoli­dierungsanleihe des Staatsschatzes wird Ende der Woche geschlossen werden. Die Anleihe hat einen sehr großen Erfolg. Bisher ergaben die Zeichnun­gen den Betrag von 8.760 Millionen Franken. Oder sollte in der Form einer antimarxistischen Rede ein versteckter Angriff gegen die tschechische Volkspartei geführt werden? Natürlich meldet sich der christliche Partei­führer zu den Antimarxisten. Der traurige Ruhm der Starhemberg und Schuschnigg   scheint ihn nicht schlafen und sogar vergessen zu lassen, daß in den reichsdeutschen Konzentrationslagern katholische Politiker neben Marxisten sitzen. Frei nach Goebbels   ruft Mayr-Harting aus:»D e r MarxiSmuSisttot. Eslebeder So­zialismus." Was ihn aber nicht hindert, einige Minuten später zu sagen:»W i r sind sozial, abernichtsozialistisch." Wo­für will er also den Sozialismus leben lassen? Für die nächste Abschlachtung im Zeichen eines christlichen Henkerregimes? Vorläufig übt sich der abgetakelte Bürger­blockminister nur in sozialer Demagogie. Heuch­lerisch beklagt er die»rücksichtslose Kürzung der Arbeitslosenunterstützung",»die Verschlechterung der Sozialversicherung". Welche Verschlechterung meint er denn da? Jene, die von den deutschen Christlich sozialen zur Zeit des Bürgerblocks mit- beschloffen und durchgeführt wurde? Oder meint er damit um bei der Sozialversicherung zu blei­ben die gerade in Gang befindlich« Renten­aufbesserung für 160.000 Sozialversicherungs­rentner? Was die Arbeitslosen-Unterstützung an­betrifft, ist die Unterstützungsfrist nach dem Gen­ter System heute noch doppelt bis drei­fach so lang und der StaatSbeitrag doppelt so hoch wie während seiner eigenen Ministerschaft. Mayr-Harting versteht eS gut, beißende Selbst­kritik zu üben. Dr. C z e ch hat einmal gesagt, im Verhält­nis zu dem, was in der Regierungszeit der deut­schen Christlichsozialen geleistet wurde, seien die deutschen sozialdemokratischen Regierungsleistun­gen ein Himalaya  . Mayr-Harting macht aus die­ser Leistung einen»bescheidenen Maul­wurfshaufe n". WennS auf fremde Kosten geht, kennt er sogar Bescheidenheit... Diese Demagogie scheint aber einem jugend­lichen Sprecher des Parteitages, Schubert, denn doch zu arg geworden zu sein. Bei der Be­handlung deS Jugendproblems fand er die passende Form, um seine Meinung über di« Leistungen Dr. C z e ch S und indivekt über die Tiraden Mayr-HartingS zu sagen, indem er er­klärte: »Es ist ein Widersinn, auf der«inen Seite die demokratische Erziehung der Schuljugend zu för­dern und auf der anderen Seite die bereits vor­handenen Ansätze positiver Mitarbeit der politisch mündigen Jugend beider Böller auf sozialem Gebiete, di« unter Mi­nister Tzech so verheißungsvoll be­gonnen tont d e. wiederum abreißen zu lassen." Dieser Hieb saß nicht schlecht. Unter der Ministerschaft Dr. CzechS gab es einen verhei­ßungsvollen Beginn. Vorher, unter Mayr-Harting, und das scheint auch die Meinung eines jungen christlichsozialen Politikers zu sein nicht einmal eine» Maul« wnrfshaufenl Wir haben schon einmal auf die Verwal­tungskunst der nordwestböhmischen Bürokratie hin­gewiesen» die mit den rabiatesten Methoden den wilden Bergbau bekämpft, aber den Menschen nicht sagt, wovon sie leben sollen. Nunmehr hat die Tepliher Bezirksbehörde in einem von der Freiheit" bereits veröffentlichten Erlaß neuerlich das Verbot deS wilden Bergbaues aus­gegeben und sozusagen begründet. ES heißt in dem Erlaß: Als Begleiterscheinung der Wirtschaftskrise und Auswirkung der langandauernden Arbeits­losigkeit entwickelte sich in den Kohlengebieten unbefugter Bergbaubetrieb auf den aufgelaffenen Gruben, genannt»Wilder Bergbau". Sein jetziger Umfang und die Art der Durchführung schädigt nicht nuräußerftfühlbardieEigen, tums-ünd Benutzungsrechte der privaten Besitzer von Gr-uben, Grubenmatzen und dazugehörige Grundstücke,... Die Bezirksbehörde Teplitz-Schönau   scheint aber doch zu empfinden, daß die Eigentums- und Benützungsrechte der Kohlenbarone in dieser Zeit keinsehrwirksamessozia- l«S Argument sind, und stellt daher fest, daß der wilde Bergbau nicht nur diese gefährdet. Sondern er gefährdet auch bedeutend daS öffent­liche Interesse und die öffentliche Sicher­ heit  (LebenSgefährdungderwil- denBerghäuer, deren Mitarbei­ter und der rechtmätzig in der Nachbarschaft der wilden Schächte arbeitenden Bergleute legaler Schächte, Gefährdung der Sicherheit der Gebäude und Kommunikationen durch Unterfahrung und Unterbauung u. dgl.) Ein rührendes Interesse, das man unter anderen Verhältnissen geradezu als human be­zeichnen könnte. Merkwürdig nur, daß den Büro­kraten solche Gedanken nie kommen, wenn sie wirklich einer hungernden Kreatur helfen könnten, sondern stet» dann, wenn sie einen» um ihm das Lebe« zu retten» zum Hungertode verurteilen! Die Bezirksbehörde aber macht auch noch darauf auf­merksam, daß der Kohlenhandel und durch Steuer­hinterziehung die Staatsfinanzen geschädigt wer­den. Nun, beiden wird nicht aufgehol-fen werden, wenn man den wilden Bergbau und den wilden Kohlenhandel unterdrückt. Denn wie wir schon einmal geschrieben haben: die armen Leute, die als Abnehmer der ArbeitSlosen-Kohle in Frage kamen, werden nun keineswegs die teuere und richtig versteuerte Kohle kaufen,^sondern sie werbest ebütt ss r i e r e n. Genau sS wie'es rin Irrtum der Wirtschaftspolitiker ist zu meinen, daß durch die Einschränkung der Margarine-Erzeu­gung der Butterkonsum, oder durch das Verbot de» PilzesammelnS der Fleischverbrauch steigen könnte. Geige» kann hei all dieser Derwaltungskunst und resoluten Wirtschaftspolitik nur«ine» der Hunger. Mit dem Hunger aber alle jene sozialen und kul­turellen, politischen und polizeilichen Probleme, die nun einmal auf dem Nährboden der Krise ge­deihen und deren Mtualität un» die Neuigkeiten jede» Tage» bestätigen! Der Erlaß der Tepliher Bezirksbehörde schließt: Schließlich macht die Bezirksbehörde darauf aufmerksam, daß die Erfolglosigkeitder Geld- oder Ersatzarreststrafe dazu zwingt, daß den beim wilden Bergbau oder beim ungesetzlichen Kohlenhandel betretenen Tätern neben der Kohle auch alle Er­zeugung s-, Förderungs- und Zu­fuhrbehelfe(Gezähe, Rollbäume, Hand­wagen». dgl.) werden abgenommen werde». Man hat bisher nicht gehört, daß die Be­hörden gegenkapitalistischeSteuer« Hinterziehung so energisch vorgegangen wäre. Den armen Teufeln die Wägelchen und ihre Seile zu nehmen, das ist wahrhaftig keine Kunst und wird den Staat und die Gesellschaft nicht reicher machen. Wenn wir aber fordern woll­Wie wirtschaftet der Landeskulturrat? Patteipolitischer Mißbrauch der Mittel Das Finanzministerium hat für die durch die Mißernte betroffenen Gebiete einen außeror­dentlichen Hilfrbeitrag bereitgestellt, welcher eine Sonderdotation der Elementarfonds der Landes« kulturräte darstellt. In Böhmen   beträgt der Zu­schuß ungefähr 70 Millionen Kronen. Bei der Durchführung der Unterstützungsaktion haben sich in einzelnen Bezirken sonderbare Vorgänge ab­gespielt. welche Genosse H a l a in der Landes­vertretung zur Kenntnis brachte. I» Weletsch im Bezirke Podersam hat das landwirtschaftliche Kasino verlautbart, daß die An­meldungen zur Notaushilfe lediglich beim Kasino an» zumeldrn find. Und so nebenbei wurde ettlätt, daß nur Mitglieder des Bundes der Landwitte Anspruch auf Notaushilfe hätten. Die Herren vom Kasino mutzten durch die Bezirksbehörde belehrt werden. In der Gemeinde Rudig mutzte erst Beschwerde ge­gen den landbündlerischen Vorsteher eingebracht werden, weil er die Kundmachung über die Anmel­dung zur Notstandsunterstützung nicht ottSüblich ver» lautbatt hatte. In der Gemeinde Hettine bei Teplitz   wurde» nur bei ihre» Mitgliedern SchadenSerhebungea angestellt. In der Gemeinde BrunnerSdorf bei Kaa» den sind die Mitglieder des Bundes der Landwitte von Hau  » zu Hau  » gegangen und haben Bestellun­gen auf Mais entgegengenommen, wobei fie erklärten, daß ihnen bissiger Mai» von rer Regkettrfiz z»r Birfügung gestellt'wird, / und zwar n»r für di« Mitglieder des Bunde» der Landwitte. Den Mitgliedern des Kleinbauern-VerbandeS wurde erklätt, daß sie von der Zuteilung ausgeschlossen seien. ES mußte vom Abgeordneten L e i b l inter­veniert werden, damit auch die Kleinlandwirte zu den Gemeinde- und BezirkSkommiffionen hinzugezo­gen werden. Zu einer Weisung des Landeskulturrates, die sich mit der Durchführung der Notstandsaktion be­faßt, nahm Genosse H a l a ebenfalls kritisch Stel­lung.' Ein Passus dieser Weisung lautet:Unter­stützt können werden: 1. Landwitte, 2. Nichtland- witte, soferne sie grundsteuerpflichtig, wirtschaftlich schwach und einer besonderen Hilfe bedüstig sind." ten, daß man wucherischen Bankiers, gewissenlosen Wirtschaftsfüh­rern, Schiebern und Preistreibern ihre Autos auf der Straße wegpfänden, ihnen die K l u b s e s s e l unter den Hintern wegziehen, ihnen die Uhren und Brillanten kur­zerhand abnehmen sollte, dann würde die ganze Oeffentlichkett, die das sehr fadenscheinige Argu­ment von der Berechtigung deS Raube» an den Hungernden ruhig hinnimmt, über die Verletzung de» heiligen Eigentumsrechtes aufschreien l Nein so löst man die soziale Frage, so löst man die Krisenprobleme nicht. Mehr Brot, mehr Lebensmittelkarten in das Bergbaugebiet» vor allem aber Arbett für dir verzweifelnden Menschen, denen man nichts als zu verhungern erlaubt, das wäre ein Beweis von Berwaltungskunst. WaS jetzt geschieht, beweist nur, daß die Büro­kraten i la Amtshauptmann Wehrhahn nicht auS- gestorben sind, von dem die Mutter Wulfsen   sagt: Da seh' ich durch mein Hühnerauge mehr als der durch sein Glasooge... WaS geschieht mit den tausenden von Kleinpäch­ter«, di« keine« eigenen Besitz habe« und daher nicht gründ steuerpflichtig find? Sie wollen wohl leer ausgehen? Gerade diese Schichte der ländlichen Bevöllerung trifft doch die Mißernte am hätteften. Es muß also eine Revi­sion der Richtlinien verlangt werden in dem Sinne, daß auch diese Kreise in die Aktion miteinbezogen werden. Line überflüssige Anfrage an Hacker  Der»Mlady Denkov", das Organ der tsche­chisch-agrarischen Jugend in dem der Landbund- Jugendführer Hacker noch vor nicht allzulanger Zett versichett hatte, daß die deutsche Landjugend dem Anschluß an Deutschland   endgültig entsagt habe und die Tschechoslowakei   schon bis in alle Konsequenzen als ihr Vaterland ansehe, hat an­gesichts der Henleinbegeisterung Hackers und der Verhaftung seiner Mitarbeiter Schmidt und Winkler an Hacker   neuerdings einen offenen Brief gerichtet, in dem es heißt: Da es uns nicht gleichgültig ist, wa» in den Reihen der jungen Generatton geschieht, an deren Spitze Sie stehen, ob sie nämlich agrarisch oder hakenkreuzlerisch ist, aktivistisch oder staatsfeind­lich^ und Ihre frühere Ettlärung Sie moralisch wie polittsch verpflichtet, fordern wir Sie auf, der jungen tschechoslowakischen Generation, vornehm­lich der agrarischen, eine offene Aufklärung zu geben." Wir können den tschechischen Agrariern schon 'Heute verraten/was für eine Antwort sie bekom­men werden: selbstverständlich eine zu 100 Pro­zent loyale und staatstreu«. Wenn der Herr Hen­lein bei jeder Gelegenheit vor Loyalüät Lberfließt» warum spllte es sein gelehriger Schüler Hacker  nicht auch treffen? Aber zwischen Reden und Han­deln dürfte da wohl doch ein verdammter Unter­schied sein, den schon die Spatzen von den Dächern pfeifen und den nun auch die tschechischen Agrarier schon langsam begreifen sollten! Böhmische Landrsvettrettmg. Der Landes­präsident eröffnete die Dienstagsitzung mit einem Nachruf für den verstorbenen Präsidenten P 0 in- c a r t. Die Landesvertretung setzte hierauf die Spezialdebatte über das Landesbudget fort. 28 BRUNO ADLER  : FÄMPF um POLNA  ll^k= BIN TATSACHENROMAN Copyright UM by Mlehal Mach» VerUl. Pr»r XIX I Die Phrase vom»bluüeeren Leichnam von Polna  " sei«in Unststn und eine Lüge, die Verdächttgung de» Kantor» Kurzweil verleumdettsch. Die Bettchterstattung dieses Blattes diene ausschließlich der Hetze. Im Falle eines Verbrechens die Wahrheit zu erforschen, dazu sei das Gericht berufen, nicht aber eine Zei­tung, deren Herausgeber und Redakteure wegen Bestechung, Betrug usw. vorbestraft sind. Ein Hetzblatt habe nicht die Aufgabe, dem Ilnter- suchungSrichter die heikle Mission der Wahrheits­findung abzunehmen; selbst dann nicht, stwnn sich «in Journalist der Gemeindefunktionäre als Hilfsorgane bedient. In diesen Tagen wandett auf der Tttester Reichsstraße, wenige Kilometer von Wien  , ein schlecht gekleideter, fremdartig auSsehender Mann mit schwarzem Bart, ein Bündel in der Hand, auf dem Rücken einen kleinen Ranzen mit einem Kochtopf darüber. ES ist ein Franzose«amen» Rousseau  , Bahnarbeiter. War beim Bau der sibirischen Eisenbahn tätig und kommt von Un­ garn  , um weiter gegen Westen zu ziehen. Ec trifft einen Haufen Schullinder. Die Kinder star­ren den Mann an, ihre Phantasie verknüpft sein fremdartiges Aeutzere und die Schüssel auf seinem Rücken, zu der doch sicherlich auch ein Messer ge­hört, mit mancherlei Gehöttem. Sie rufen:Der Jud, da» ist der Jud, er will uns abschlachten!" Steine fliegen hinter dem Mann her. Ein paar Buben rennen nach der Ziegelei in der Nähe und schreien atemlos:Schnell! Der Jud ist da, der unser Blut haben will! Am Rücken hat er die Schüssel!" Die Ziegelarbeiter laufen gleich auf die Straße, fallen über den Franzosen her und schlagen mit Fäusten, Stöcken, Ochsenziemern, Scheibhandeln und was sonst zur Hand ist auf ihn ein, reißen ihn zu Boden, als er davonläuft, tre­ten ihn mtt Füßen und lassen den Ohnmächttgen blutend liegen, nachdem fie ihm die Schüssel zer- trümmett haben. Später wird er ins Mödlinger  Spital gebracht, mit ein paar zerbrochenen Rip­pen und schweren Verletzungen am Kopf. Wenn er Glück hat, wird er nach ein paar Wochen im­stande sein, seinen Weg fortzusetzen. Die Arbeiter werden angezeigt und sagen vor Gettcht auf die Frage, ob sie denn wirklich den Kindern geglaubt hätten, übereinstimmend auS: Gewiß, das hätten sie schon ost gehört und in der Zeitung gelesen, daß die Juden Kinder schlachten. Die Kinder erllären. eS von den Er­wachsenen gehört zu haben. Der Staatsanwalt läßt äl» mildernden Umstand gelten, daß die An­geklagten in einem Irrwahn handelten, der bös­willig genährt und verbreitet werde. Es würde den wirklichen Verhältnissen nicht entsprechen, wenn gerade diese von einer gewissenlosen Hetze Verblendeten ihre Schuld allzu hart büßen müß­ten, während die Urheber und Verbreiter des Irr­wahn» von der Justiz nicht getroffen werden könnten. Der Vetteidiger schließt sich dieser An­sicht an: Wenn man sieht, wie im Landtag und in anderen Körperschaften, wie in Wott und Bild zu Raub und Mord gegen die Juden aufgefordert wird, ohne daß dagegen Einspruch erhoben werde, wenn man sieht, daß die katilinarischen Existen­zen, welche die Hetze geschäftsmäßig betreiben, zu Namen, Ansehen und vermögen gelangt sind, und daß nicht» geschieht, was diesem Treiben Ein­halt gebietet, dann darf man sich fteilich nicht wundern, daß so beschämende Erscheinungen zu Tage treten wie in diesem Falle... Ungehindert setzen die Journale ihr einträg­liches Gewerbe sott; sie beschimpfen die Justiz- I behörden und den UntersuchungSttchter, der ihnen nicht willfährig genug ist, und ohne Bedenken üben sie den nach dem Wortlaut de» Preßgesetze» strafbaren,dem Ausspruch des Gerichtes vor­greifenden Einfluß auf die öffentliche Meinung" aus. Bestraft hingegen wird der Verfasser eine? ArttkelS, der zu äußern wagt,daß gegen HilS- ner nicht der Schatten eines Beweises erbracht werden könne, und daß sich die ganze Anflage auf dem Gebiet der Hypothese bewege." Die liberale Presse bewahrt im allgemeinen vornehme Zurück­haltung. Sie ist ängstlich bedacht, nach keiner Seite anzustoßen, und da sie da» Geschäft nun einmal den Gegnern überlassen muß, behandelt fie den peinlichen Fall mit überlegenem Schweigen. Im. Böhmischen Landtag in Prag   erregt ein junger Abgeordneter, der Advokat Dr. Karl Bara, Aufsehen mit einer Rede, in welcher er den Ritualmord als wissenschaftlich bewiesen hinstellt. Man ist nicht erstaunt, etwas später zu hören, daß der Bürgermeister von Polna   über Intervention Berganis den Advokaten Baxa   veranlaßt hat, in dem bevorstehenden Prozeß die Vertretung der Mutter Hruza'als der Pttvatbeteiligten zu über­nehmen. Dr.Baxa hat nunmehr die Möglichkeit, in die Akten Einsicht zu nehmen und gegebenenfalls gegen andere verdächtige Personen Subsidiar­anklage zu erheben. Wege der Wphrheitsncher Nach der nur halb gelungenen Sache Kurz­weil muß Schwer doppelt« Anstrengungen machen. Sein Blatt braucht für die Klage, die der Kantor von Jenikau angestrengt hat, unbedingt einen Wahrheitsbeweis. Zu den Kämpfern für die gute Sache gehört auch der Schuhmacher Sic, bei dem der lleine Moritz Hilsner in der Lehre war, bevor die Fa­milie abgeschoben wurde. Mit dem Jungen wird sich doch etwas anfangen lassen, wenn man ihn richtig anpackt! Der Schuster und der Bericht­erstatter fahren also nach Groß-Meseritsch  , und weil der eine nur tschechisch, der andere nur deutsch versteht, nehmen sie den Fabrikanten Novotny aus Polna   mit, der den Dolmetsch machen soll. Die Kosten der Expedttion trägt da» Rechtskomitee. In Meseritsch lassen sich Schwer und Novotny in einem Restaurant nieder, während Sic e» so ein­richtet, daß er dem Jungen zufällig auf der Straße begegnet. Freundlich, wie»Jtzig" es noch nicht erlebt hat, spricht ihn der frühere Lehrherr an, unterhält sich mit ihm von der Ueberschtvemmung, die sich jüngst ereignete, sieht sich auch di" Woh­nung der Hilsners an, die durch das Hochwasser stark gelitten hat, und nimmt ihn schließlich in das Restaurant mit. Jtzig bekommt Kuchen und einen Viertelliter Wein. Die Herren sind außerordent­lich liebenswürdig, haben hundett Dinge zu fra- gen, dazwischen drängen sie in ihn, zu essen und zu trinken. Viel ist auS dem Bengel nicht her- auSzubekommen, also kriegt er noch ein Biettel vorgesetzt, und schließlich ein drttte». So ist er in seinem Leben noch nicht ttakttert worden. Der ungewohnte Wein steigt chm zu Kopf, er redet viel und alles durcheinader, aber das, was man von ihm hören will, daß nämlich Kurzweil in der Nacht vor dem Mord bei HilSnerS gewesen ist, das will er um keinen Preis zugeben. Er ist schon völlig betrunken und weiß nicht, was er sagt, aber noch immer leugnet er Stein und Bein, den Kan­tor überhaupt zu kennen. Auch sonst ist nichts Brauchbares von ihm zu erfahren» und die drei fahren wenig befriedigt nach Polna zurück. Ein Artikel, der kurz darauf im»Deutschen Bolksblatt" erscheint, weiß von der Beichte des Jtzig Interessantes zu berichten. Den Wein stürzte dec Junge mit jüdischer Gier herunter; nach dem zweiten Viertel wurde er gesprächig; nach dem dritten GlaS aber»legte er ein Ge­ständnis ab, daß den Hörern die Haare zu Berg« standen... ^Fortsetzung folgt.