Str. 243 Mittwoch, 17. Oktober 1V34 Seite 5 Kriegswerkstatt Sachsen DreSde«. Im Bautzener   Gebiet ist eine An- tyeisung herausgekommen, nach der alle kriegs­wichtigen Betriebe Gasschutzkeller bauen müssen. In der Jeßnitzer Heide, zehn Kilome­ter von Kamenz  , wird ein neuer Flugplatz errich­tet. Die Flughalle wird unterirdisch angelegt. Das Fundament liegt 40 Meter unter der Erde. Die Phänomen-Werke in Zittau   erhöhten ihre Belegschaft von 200 auf 800 Mann. Wöchentlich werden 40 Militärkraftwagen her­gestellt. Die Aufträge sind so groß, daß die Firma ein neues Fabrikgebäude errichten muß. Die Karbidwerke in Hirschfelde arbeiten in drei Schich­ten. In früheren Jahren war um diese Zeit in Kunstdünger keine Konjunktur. Jetzt werden zwei neue Oefen aufgestellt. Jeder Waggon geht an eine andere Bahnstation. Dort werden die Fracht­briefe geändert und die Waggons erst an den rich­tigen Bestimmungsort beordert. Die Produktion der Karbidwerke wird für die Herstellung von Giftgasen benötigt. Die Textilfabrik H. C. Müller in Rosenthal bei Hirschfelde stellt Man­tel- und Uniformtuche in zwei Schich­ten her. In Seifhennersdorf   werden in der GEG Drillichanzüge und Militär­mäntel produziert. Di« weibliche Bevölkerung ist zum größten Teil in der Bekleidungsindustrie beschäftigt. Man beabsichtigt, di« erwerbslosen Frauen für die Unterstützung in den Betrieben nähen zu lassen. Drahtlose Berbindiurg Zapa«Europa  Amerika Osaka. Montag abends und Dienstag früh wurden Versuche einer drahtlosen Verbindung zlvischen'Osäka, London   und San Francisco   unter­nommen. Sie sind erfolgreich ausgefallen und die radiotelefonische Verbindung zwischen Japan  , Europa   und Amerika   wird formell im März des nächsten Jahres nach weiteren Versuchen, die in der allernächsten Zeit unternommen werden, aus­genommen werden. Ein Dreiminutengespräch wird 70 Den kosten. Dem» die Elemente Haffe  «... Manila  (Philippinnen). Manila   und Um­gebung wurden von einem Teifun heimgesucht. Zahlreiche Häuser sind eingestürzt, viele Bäume wurden entwurzelt und die Telegraphenverbin­dungen sind unterbrochen. Ein mächtiger Liegen­guß setzte die Straßen unter Wasser. Zahlreiche kleine Fischerbarken gingen auf hoher See unter. Es werden Befürchtungen gehegt, daß der Taifun zahlreiche Opfer anMenschen- leben ge fordert hat. Nähere Einzel­heiten fehlen. Em Organ mit sintflutartigem RLgen ging tzn Süden von Tunis   nieder. Sämtliche Flüsse sind aus den Ufern getreten. Teilweise ist jeder Verkehr unterbunden. Der Sachschaden soll sich auf 10 Millionen Francs belaufen. Man weiß nicht, ob auch Menschenleben zu beklagen sind. Sahnamtliche Fürsorge will, so scheint eS, den sudetendeutschen   Nazi di« Wallfahrten inS gelobte Dritte Reich möglichst erleichtern. Denn das ist wirklich eine amtliche Mitteilung, daß vom 27. Öftrer bis 1. November eine Sonder« fahrtnachBayern zum Oktoberfest gemacht wird. Preis 778 Kronen. Bequemer kann man es den Nazi nicht mehr machen. Wohl werden, an­gelockt von den zu erhoffenden Bierfreuden, auch andere die Reise mitmachen, aber den größten Reiz wird sie doch für die Nazi haben, die so auf ganz legale Art, ja sogar einer Einladung der tschechoslowakischen Bahn folgend, zu einem Besuch im Münchener   Braunen HauS fahren können. Oder will man vielleicht vorsorglicherweise gleich ein paar Detektive mitschicken, um die Reiseteil­nehmer auf anderen Wegen als den zum Bier führenden zu überwachen? Tat««- Tater Der Satz: Richt die Tat, sondern der Täter soll bestraft werden, ist einer der Grundsätze un­seres modernen Strafverfahrens. Der berühmte Strafrechtslehrer Franz v. Liszt war der erste, der strengste Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit verlangte. Er war eS auch, der die Rechtsbrecher in drei verschiedene Gruppen teilte: in die Augen­blicksverbrecher, in die sogenannten besserungs­fähigen Zustandsverbrecher und in die unverbesser­lichen oder Gewohnheitsverbrecher. Wenn auch diese Einteilung keinen Anspruch auf Vollständig­keit machen kann, und wenn im Leben sich der Mensch nur außerordentlich schwer einem be­stimmten Typus unterstellen läßt, so muß doch gesagt werden, daß diese Einteilung die besonde­ren charakteristischen Merkmale scharf herauSar- beitet. Der Augenblicksverbrecher ist keineswegs anders geartet als die übrigen Menschen. Der Grund seiner Verfehlung liegt in einer gewissen Schwäche der Hemmungen, die man zutreffend als »seelische Bremsvorrichtung" bezeichnet, und die bei ihm im kritischen Moment nicht oder nicht genügend stark funktioniert. Dabei gibt es Um­stände, durch die die Wirkungen dieser»seelischen Bremsvorrichtung" herabgesetzt werden. Allohol, hoher Affekt usw. Es ist nun sehr interessant, daß gerade die schwersten Verbrechen, die sogenannten Blutver­brechen, von solchen Menschen begangen werden. Wenn man an die vielen Mörder und Totschlä­ger denkt, so muß man sagen, daß der Großteil Ein Brand der Druckerei des PariserJour­nal" ist in den frühen Morgenstunden der Diens­tag gelöscht worden. Einer der S e tz e r konnte sich nicht mehr retten und fand den Tod durch Ersticken. Der Sachschaden, den der Brand ver­ursacht hat, soll beträchtlich sein. Die Zeitung wird nunmehr in einer befreundeten Druckerei hergestellt. Die österreichischen Nazi-Studenten. Wie djeReich-post" erfährt, ist an die Rektoren der österreichischen Hochschulen ein Erlaß des Unter­richtsministeriums ergangen, demzufolge für alle absolvierten Mittelschüler und Hochschüler, di« an der Juli-Revolte direkt oder indirekt teil­genommen haben, die Aufnahme bei der Jnskrip-i tion sowie jede andere Zulassung zur Benutzung! von Hochschuleinrichtungenen bis auf weiteres zurückgestellt wird. Schwerer Einbruch in Aussig  . Unbekannte Täter drangen in das Delikatessengeschäft des Grotz- kaufmmmeS Karl Heller in Aussig   nachts durch das Fenster ein, wobei sie daS eiserne Gitter verbogen hatten. Im Geschäfte selbst durchbrachen sie die Rück­wand der feuersicheren Kassa und die Schutzwand deS Tresors, aus dem sie sodann 1 8.0 0 0 K c in Bargeld und dort verwahrte wertvolle Sachen raubten. Nach den Dieben wurde di« Untersuchung eingeleitet. Mammutfunde. Auf der Jamal-Halbinsel  (Si- birien) iu der Nähe des Neuen Hafen» am Fluss« Parusnaja wurden im Eisboden zwei vollständig er­haltene Mammutleiber gefunden. Bereits im Bor­lahre wurden bei Kap Drobjany drei solche Leiber gefunden, mit deren Fleisch die Ostjaken eine ge­raume Zeit hindurch ihre Hunde füttern konnte». hinein In die Heie Derei sosiakstiseker flWonUUr! Volkswirtschaft und Sozialpolitik Ein Bündnis gegen die Verbraucher Sie haben sich gefunden: die kapitalistisch eingestellten Fleischer und Landwirte, zwischen denen sonst stetiger Krieg herrschte. Krieg um die Preise von Vieh. Es waren bekannte Wort­führer der Agrarier(Abg. Böhm, Direktor Haas) und andere mehr, die sich früher scharf gegen die Preisdrückerei der Fleischer wandten. Die reichen Fleischer und die armen Landwirte daS waren die offenkundigsten Gegensätze auf dem Dorfe. Nun liegen sich beide in den Armen, um ge.eint gegen die organisierten Verbrau­cher loszugehen. Wie schon anderwärts, fand auch in Tetschen   eine gemeinsame Beratung der Fleischer und Landwirte mit dem Ziele statt, den Absatz des heimischen Viehes zu fördern und den Preis zu stabilisieren. Nun sind wir Sozialdemo­kraten stets dafür eingetreten, daß eine direkte Verbindung zwischen dem Landwirt und Verbrau­cher im Wege der genossenschaftlichen Organisationen zum Wohle beider Teile hergestellt wird. In der Praxis geschieht dies ja längst bei einer Reihe von wichtigen Artikeln. Die direkte Fleischversorgung ist allerdings das schwie­rigste Problem. In der Tetschneic Versamm­lung gestand Direktor HaaS unumwunden, daß landwirtschaftliche Großschlächtereien unrentabel seien. Wohl in der Hauptsache deshalb, weil der wahre genossenschaftliche Gedanke bei den Land­wirten vielfach noch nicht lebendig genug ist! Aus diesem Grunde und weil die politische Einstellung hiebei eine große Rolle spiett(dieroten" Kon­sumvereine sind beiden Gruppen nicht genehm), suchen Bauern und Fleischer   das bisherige kri­tische Verhältnis zueinander in ein friedliches umzuwandeln. Die heimischen Landivirte sollen eine Art Absatzmonopol erhalten und die Einfuhr fremden BieheS und Fleisches ausgeschaltet wer­dens.Die Ueifchrr sollen dabei bessere Preise zahlen. Ber.-em feierlich geschlossenen Pakte ging der Tenor wieder einmal gegen die Marxisten. Sie wurden als Verfechter übertriebener Preis­herabsetzungen hingestellt, die marxistischen   Ge­meindevorsteher als Verschwender usw. Der Ver­bandssekretär der Fleischer, ein Herr Hans E y b e n, macht« besonders gegen die Konsum­vereine scharf und denunzierte sie, daß dort auch an Nichtmitglieder Fleisch, Wurst, Fett etc. ver­kauft werde. Daß diese Waren von heimischen Fleischern bezogen werden, welche dabei sehr gut fahren, weiß der Herr Eyben wohl nicht. Die in der Versammlung anwesenden Lieferanten der Konsumvereine haben auf diese Tatsache anschei­nen auch nicht aufmerksam gemacht. Die von den Landwirten betriebenen Hausschlachtungen gefie­len diesem Vertreter der Fleischerzunft ebenfalls nicht. Herr. Vizebürgermeister Thiel«-Boden­ bach   und Abg. B ö h m-EberSdorf gaben dieser Hetze gegen die organisierten Verbraucher ihren Segen. In den Gauausschuß wurden folgende Herren gewählt: Bon Seite des Fleischerverban­des Franz Muzik, Krochwitz, Arth  . Störch  , Ben­sen, Rob. Prautsch, Politz a. E., Karl Bcitlich, Böhm.-Kamnitz, und von der Landwirtschaft Ig­naz Parthen, Buschmüi le, Franz Schicht, Mar­ kersdorf  , Sekretär Josef Brosche, Rieder-Ebers­dorf, und Richter llftidolf, Hennersdorf. Die Wirkungen des Bündnisses der sich bis­her bekriegenden Fleischer und Landwirte wer­den für die Verbraucher unter Unständen bald fühlbar werden. Die Verbraucher haben alle Ur­sache, sich der Konsumvereinsbewegung anzuschlie- ßen, die gegebenenfalls auch- imstande ist, die Fleischversorgung für ihre Mitglieder selbst in die Hand zu nehmen. Die heimische Landwirtschaft und daS Flei­schergewerbe unterstützen und dafür bekämpft und vernadert zu werden, ist deSGuten" denn doch zu viel,... Blumen-Zauberdung", das Blütenwunder Blumen an allen Fenstern! Welche Freud« für den Besitzer wie für den Beschauer! 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Südosteuropäischer und südlicher wird hier gegen den angeblich nor­dischen Faschismus ausgespielt, und eS ist unschwer zu erkennen, daß dieses Blatt weniger von Abon­nenten oder gar Inseraten, sondern vn der wohl­wollenden Förderung offizieller Kreise lebt. Wenn wir richtig informiert sind, dürften insbesondere die Herren Fey und Starhemberg sich für diese Publizistik fördernd interessieren. Das alles wäre relativ unerheblich und kaum der Erwähnung wert, wenn nicht die betelligten Personen wieder einmal bewiesen, wie unbedenk­lich der Heimwehrfaschismus auch die zweifelhaf­testen Subjekte in sein« Dienste stellt» sofern sie bereit sind, sein Loblied zu singen. Sozusagen Chefredakteur" derDeutschen Zeitung" ist ein Herr Max Gruschwitz aus Breslau  , dessen po- liüsches Vorleben immerhin bemerkenswerte Viel- fältigkett aufweist. Er war im Jahre ISIS Par­teisekretär der Unabhängigen Sozialisten in der schlesischen Hauptstadt. Da Gruschwitz sich bald überzeugte, daß die Unabhängigen auch nur flaue Reformisten" seien und er überdies keine weiteren Aufsttegsmöglichkeiten bei ihnen sah, ging er alsbald nach Sinowjews bekannter Rede auf dem Hallenser Parteitag zu den Komm u n i- st e n über und brachte eS hier sogar zu einer Kandidatur zum preußischen Landtag. Richt wei­ter, denn die kommunistischen   Sttmmen waren nicht zahlreich genug, um Herrn Gruschwitz als Vertreter der bolschewistischen Theorie in das Par- I lamcnt zu entsenden. Titf enttäuscht wandte er sich von' dieser unzulänglichen Partei ab And zog sich aus der Sphäre des kommunistischen Kolletti« viSmus in die des a n a r chisti sch e n I n d i v i- dualiSmuS zurück, den er in einem von ihm herauSgegebenen Wochenblatt neben der Skandal« chronik aus besseren zahlungskräftigen Gesell« schaftSkreisen, nicht allzu aufdringlich propagierte. Mtt nicht minder kühnem Schritt fand er von dort den Weg zum FaseiSmuS, vorerst zum ttalienischen Faschismus, denn von dem deutschen wußte man noch nicht so recht, ob er oder ob er nicht. Die Faschismen pflegen in der Pflege aus­ländischer journalistischer Beziehungen großzügig zu sein. Unschwer erreichte Max Gruschwitz einen Freiflugschein in den sonnigen Süden u. ein Interview mit A. Mussolini, dem Bruder deS Duce, dem natürlich eine Unterredung mtt Benito folgen sollte. In der schlesischenHeimat aber wurde ihm ein Bein gestellt; die Vertreter der bürger« lichen Presse eälärten dem Konsul, daß jegliche Beziehung zu ihm abgebrochen würde, wenn der Wochenblatttedakteur in Italien   offiziös weiter unterstützt würde. GruschwitzeS Bewunderung für Mussolini  , die sich inSbesonderS in dem Nachweis kundtat, daß in Südttrol Deutsche   kaum vorhan­den seien, hat dessentwegen aber nicht abgenom­men. Am Borabend des Dritten Reiches   biederte er sich bei der S ch w a r z e n F r on t an, die zu Ende 1832 von der Regierung zeitweise gefördert wurde, um den Nationalsozialismus zu dämpfen. Doch die rauhen Kämpfer des Hauptmann Sten- neS bemerkten bald, mit wem sie es zu tun hatten und setzten G. mit Brachialgewalt an die Luft. Di« von ihm in die politische Ehe eingebrachte Zeitung behielten sie. Gruschwitz aber gründete sofort eine neue und war bald wieder obenauf. DaS Geheimnis seiner journalistischen Er­folge in BreSlau   bestand weniger in der nunmehr auch bei derDeutschen  . Zeitung" festzustellenden Fähigkett, drei bis vier Seiten über sich selbst zu schreiben, sondern in der Angst honetter Bürger, es könne eines Tages in der gruschwitzschenTri« büne" mit viel Details, ohne Namen, aber doch für jeden erkennbar, irgend ein kleiner Skandal, ein Seitensprung oder irgend eine möglicherweise auch erfundene Geschichte zu lesen sein. Niemals faßbar für den Staatsanwalt, der sich übrigens an die sechs gleichartigen Skandalblätter Breslaus  nie heranwagte, florierte dieses Geschäft immer­hin so, daß G. ein ganz angenehmes Leben zu führen verstand. Nur einmal wäre es beinahe schief gegangen, als nämlich eine derartige Unter­handlung den ebenfalls in Wien  emigrierten" und anscheinend auch an derDeutschen Zeitung" tätigen Advokaten Dr. Gotthilf vor die Ehren« gerichtSbarkeit der deutschen Rechtsanwälte brachte, wo er wegen unstandesgemäßer Handlungsweise zur höchst zulässigen Strafe vor der Ausstoßung aus dem Rechtsanwaltsstande verurteilt wurde. Nur die zarte Rücksicht, die man in juristischen Kreisen«inander entgrgenbringt,- bewahrten ihn und dest' dtrztftigen SchriftleitersAitt Wh-HfE- hembergischenDeutschen Zeitung" vor einer An­klage wegen Erpressüng. Auch Herr Gotthilf hat übrigens eine marxistischeBergangenheit,aus jener Zeit, da sich ein Parteibuch zu rentieren schien. Man konnte damals als Sozialdemokrat beispiels­weise Justitiar beim Staatskommissar für Schle­ sien   werden oder in späteren Jahren die Prozesse derRoten Hilfe" übernehmen. Rach dem nationalsozialistischen Umstürze gaben die beiden Wahrer guter Sitten im schlesi­schen Bürgertum Fersengeld; Herr Gotthilf wohl ' ans rassischen Gründen, Gruschwitz, weil die Nazi» ihm angesichts seiner beweglichen politischen Lauf­bahn nicht über den Weg trauten. Mit dem rich- tigen Jnstingt, daß das austtofaschist. Milieu die Möglichkeit bieten werde, neuerdings publizistisch tätig zu sein, wandten sie sich nach Wien  . Sie hatten sich nicht getäuscht. Wo ein Lip» powitz und ein Sandor Weisz als Journalisten ge­schätzt wurden, konnte man auch den Skandalblatt- Redakteur aus Schlesien   und seinen Advokaten ge­brauchen. DieDeutsche Zeitung" verkörpert publizisttsch da» moralisch-politische Niveau dieses Regimes. zu den Augenblicksverbrechern gehört, zu Men­schen, die sonst einen einwandfreien Tharatter besitzen, aber nur im krttischen Moment die Herr­schaft über sich selbst verloren haben. Einer von ihnen, ein gewisser Max R., kann gewissermaßen als Schulbeispiel bezeichnet werden. Er war Ober­leutnant und hat als solcher eine Frau aus sehr vermögendem Hause geheiratet. Durch den Um­sturz wurde er aus seiner Laufbahn gerissen. Die Frau verlor ihr ganzes Vermögen. Er selbst brachte sich al» Vertreter fort. Die geänderten Verhältnisse bewirtten eine Entftemdung der bei­den Eheteile; e» kam z« Mihhelligkeiten und schließlich zur Scheidung. Der Mann ftmnte aber trotzdem von der Frau nicht loskommen. Es gab neuerlich heftige Szenen und im Laufe einer sol­chen Mete er die Frau durch einen Revolver­schuh. Obwohl er also das schwerste Verbrechen begangen hat, das unser Strafgesetz überhaupt kennt, kann man ihn doch nicht als Verbrecher im gewöhnlichen Sinne des Wortes bezeichnen. Er hatte sich bis zu dem Augenblick, wo da» Ent­setzliche geschah, auch nicht die geringste Verfeh­lung zuschulden kommen lassen. Er wurde damals von den Geschworenen, die SinneSverwirrung an­nahmen, freigesprochen. Und obwohl seither schon Jahre verstrichen sind und es dem Mann kei­neswegs gut geht, schlägt er sich doch auf anstän­dige und ehrliche Weise durch, und es liegt auch nicht daS geringste gegen ihn vor. ES haben eben damals die Hemmungen nicht genügend stark funktioniert, und so geschah die entsetzliche Tat. Er ist der TYPUS eines echten Augenblicks- oder Gelegenheitsverbrechers. Die zweite Gruppe sind die sogenannten besserungsfähigen Zustandsverbrecher, Deren Charakter ist bereits angekränkelt. Sie weisen schon eine gewisse Neigung auf, immer und immer wieder strafbare Handlungen zu begehen. Es sind dies schwache und haltlose Charaktere, die zwar immer Besserung geloben, aber keiner Versuchung widerstehen können; und da daS Leben für jeden Menschen Versuchungen mannigfaltiger Art bringt, immer wieder rückfällig werden. Zu dieser Gruppe gehören auch die sogenannten Psychopaten, die moralisch Minderwettigen. Und gerade diese Leute sind eS, die die Gerichte immer und immer wieder beschäftigen. Die dritte Gruppe sind die unverbesserlichen oder Gewohnheitsverbrecher. ES soll gleich hervor« gehoben werden, daß deren Zahl besonders bei uns sehr gering ist. Der Berufsverbrecher verhält sich gegen Abstrafungen unempfindlich. Die Strafe ist daS Berufsrisiko, daS er mit in Kauf nehmen muß. Er hat sich das Verbrechen gewissermaßen al» Beruf ausersehen und denkt gar nicht mehr daran, sich auf ehrliche und anständige Weise fort­zubringen. Im Gegenteil; er sieht mit einer ge­wissen Ueberhebung auf die Leute herab, die tag­aus, tagein schuften, um nur den nöttgen Lebens­unterhalt verdienen zu können. Die Berufsverbre­cher sind Leute, die fast mehr als die Hälfte ihres Lebens im Kerker verbracht haben, die nach ihrer Entlassung immer wieder rückfällig werden, bis sie infolge des fortgeschrittenen Alters nicht mehr die entsprechende Kraft besitzen, di« für Begehung schwerer Verbrechen notwendig ist... A. T.