Sitte«

Sozialdemokrat*

Mittwo», 17. Oktober 1934. Nr. S4S

PBAGB« ZHTUMG

Ei« Besuch Bei Anatole Francs Bon Ott» Friedländer Billa Said ist eine kleine, ganz stille Privat- stratze, nahe dem Bois de Boulogne . Ein unauffälliges Haus, ganz aus grünem Stein, mit hvher geschloffener Wir, die wie eine ruhig abwehrende Handbewegung Neugier vertreibt, bewohnt Anatole France . ' Eine Matrone in schwarzem Kleid, mit gut­mütigen, roten, schnell überpuderten Apfelbäckchen öffnet.' Der sorgliche Doktor wird um Rat gefragt, ehe man den Besucher meldet. } In einem kleinen Rokokosalon heißt man mich warten. Alte schöne Bilder hängen an den Wänden. Durch die Glastür grüßt eine marmorn« Büste des Dichters. Auch hier, wie in vielen Pariser Woh- npngen, spürt man, daß Frankreich im Rokoko und Empire seinen Stil fand. Einheitlichkeit herrscht rmd sichert vor Ueberraschungen des Stils, die oft allerdings auch ernste Laute neuen Lebens sind. Während die Gedanken wandern, wird fast das freundlicheBitte!" überhört. Eine schmal« Treppe hinauf zum halbvcrdunkelten Zimmer. Rahe der Tür sitzt Anatole France . Scharfen und fein­geschnittenen welken Zügen entfließt ein weißer Bart, lieber den schwarzen klugen und klaren Augen wölbt sich die hohe Stirn, um die ein leuch­tend rotes Seidentnch malerisch geschlungen ist. Patriarch und Jakobiner! Weltweise und spöttisch ist France , im Altern noch Jugend, die aus Hüllen von Spott und Skepsis leuchtet, in ihrem herrlichsten Recht: der ewigen Empörung. Empörung, die im­mer zuletzt aufbegehrt aus verwundeten Tiefen der Gläubigkeit. Der Kranke im Lehnstuhl sprach zuerst mit matter Stimme, aber er wurde lebhaft, je mehr die Rede in Fluß kam. Von dem Widersinn der Welt, am Ende eines Jndustriekrieges, gleich wie nach Feudalkriegen, Sieger und Besiegte zu erwarten, ging«r aus. Die europäischen Notwendigkeiten standen ihm vor Augen, plastisch anekdotenhaft formt er schließlich noch einmal den Gedankengang: Eine Russin hat mir eine kleine Geschichte er­zählt, mr die ich immer denken muß bei allem Hin und Her unserer Tage. Ihr fünf Jahre alter Junge stritt und schlug sich mit einem anderen Kind«. Unmöglich war es der Mutter, die beiden Kampfhähne zu trennen. Schließlich wurde sie gar dringend fortgerufen und ging ängstlich und besorgt auf einige Minuten aus dem Hans. Als sie zurück­kam, fand sie bestes Einvernehmen zwischen den beiden Wildfängen vor. Erfreut fragte sie, was so schnell den Streit geschlichtet habe. Zögernd, halb trotzig und halb beschämt kam die Antwort:Es war doch nur einOertchen" da!"Und sehen Sie," setzte mit leisem Schalk der Erzähler hinzu: Allzu ost haben wir alle in Europa doch buch m>r solchein einziges Oertchen":" Madame France gab ein freundliches Zeichen zum Abschied. Mit eindringlichem Blick, schwerem Händedruck und einem jähen Leuchten im Gesicht hob der Greis beschwörend die Linke.Bor allem ver­gessen Sie nie das ein«, daß wir gute Europäer sein müffen." Aus der Treppe kam mir die Kcaukensckstvester nach und bracht« ein Blatt Papier . Das sendet Ihnen Herr France zur Erinnerung. Ich entfaltete den Bogen und las gerührt die zitternd geschriebenen Worte:SohonS bons Europeens. Anatole France ."

Morgen kein Theater und keine Unterhaltungen Die Prager Polizeidirektion- hat für den Tag der Beisetzung König Alexander I. folgende Maßnahmen vorgesehen: Am 18. Oktober dürfen im Weichbilde von Groß-Prag weder Theatervor­stellungen, Dilettantenvorstellungen inbegriffen, noch Vorstellungen in den Kinos, noch musikalische Produktionen stattfinden(musikalische Darbietun­gen in Gast- und Schankstätten, Kaffeehausern, Weinstuben, Bartz oder Konzerte in Konzert­sälen). Das Verbot betrifft auch Unterhaltungen (Tanzunterricht inbegriffen), ferner Grammo­phonmusik und Rundfunkmusik, sei es in öffent­lichen oder in Gcschäftslokalen. Diese Maßnahme erstreckt sich auf den ganzen Tag des 18. Ottober bis 24 Uhr nachts, also auch auf Vorstellungen und Produktionen am Abend. Allen Aufsichts­organen wurde aufgetragen, die Einhaltung der Maßnahme sorgfältig zu überwachen. Ein Krebsbekämpfungs-Institut. Die tschecho­slowakische Gesellschaft zur Erforschung und Bekämp­fung bösartiger Wucherungen ist heuer an den Bau eines KrebÄbekämpfungS-Jnstitutes in Prag - B u l o v k a geschritten. Der Bau erreicht bereits die Dachgleiche. Heute findet um 11 Uhr vormit­tags eine Besichtigung des Baues durch die Mit­glieder der Gesellschaft und andere Jntereffenten statt.<-'

Kunst und Wissen Spielplan des Renen Deutschen Theaters. Mitt­woch halb 8: Gespenster , Gastspiel Moiffi, B. 1. Donnerstag: geschlossen. Freitag halb 8: Das kleine Cafk, D 2. Samstag 7: Neu- inszeniert PeerGynt, C 1. Spielplan der Kleinen Bühne. Mittwoch 9: H o ch klingt das Lied vom braven Mann. Donnerstag: geschloffen. Freitag 8: Sensa­tionsprozeß.- Samstag 8%: Hoch klingt des Lied vom braven Mann.

Der Film Das geflertte Band Wer die serienweise angeferttgten Kriminalge­schichten(zum Unterschied von den künstlerischen, die bis zu denBrüdern Karamasoff" reichen) über­haupt gelten läßt, der wird ein altes Sherlock Holmes-Abenteuer einem moderneren, aber desto geistloseren Wallace-Schmöker vorziehen. Und so wird er zufrieden sein, daß sich hier die Engländer auf ihren Kriminalklaffiker Conan Doyle besonnen und eine seiner Erzählungen verfilmt haben, in der Sher­ lock Holmes einen schurkischen:- früher in Indien an- säffigen Schloßhcrrn des Giftmordes au seiner Stief­tochter überführt, nachdem er die Inneneinrichtung jenes Schlosses einer gründlichen Besichtigung un­terzogen und den indischen Mordmethoden sein be- sonderes Studium gewidmet hat. Das Beste an die­ser Geschichte ist, daß sie sich nicht an das Schema vom unverdächtigen Täter und von den verdächtigen Unschuldigen hält, sondern im Gegenteil an der Täterschaft des Schuldigen kaum einen Zweifel läßt und nur das Problem stellt, ihm den Mord nach- zuwersen und einen zweiten zu verhindern. Im Film ging freilich von Logik und Witz des alten Sherlock Holmes viel verloren aber der Regisseur Ray­mond hat die Sache doch noch ziemlich spannend

gemacht, und der Holmes-Darsteller Maffey läßt nichts zu wünschen übrig. Interessant ist das Wie­dersehen mit dem Schauspieler L'h n H a r d i n g, der als alter Komponist in dertteuen Nymphe" erschien und der hier etwas überdeutlich- den mörderischen Stiefvater spielt.eis

Sport Spiet Körperpflege Neues aus dem Wild-Westga« In Schönbach fand Sonntag ein Fußball­spiel zwischen dem Ortsverein und Franzensbad statt, das beim Stande 4:1 für Schönbach ein ge­waltsames Ende fand. Ein Franzensbader Spieler hatte einen Zusammenstoß mit dem gegenerischen Tormann und wurde daraufhin von einem Schön­bacher Spieler insultieri. Das war das Signal für die Schönbacher Zuschauer, um in den Platz zu dringen und den Franzensbader in«ine Eck» zu treiben, wo er fürchterlich verprügelt wurde. Weiter« Franzensbader Spieler und An­hänger wollten dem Angegriffenen zu Hilf« kom­men und schützen, doch die Wut der Schönbacher rich­tete sich nun auch gegen sie und einem Franzensbader Spieler wurde dabei der Arm ausgedreht. Ein Arzt, der anwesend war, mußte fünf Fran­zensbadern wie dasPrager Montagsblatt" meldet erste Hilfe leisten. Nun wird sich damit das Gericht befaffen, da die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet wurde.

DTJ Pilsen II gegen DTJ Liben 59:45. Der Leichtathletikwettkampf beider Vereine, welcher am Sonntag in Prag -Lieben stattfand, endete mit dem Siege der Pilsener. Das Meeting wurde bei star­kem Regen durchgeführt und demzufolge gab es nur in einigen Disziplinen gute Ergebniffe. Beide Geg­ner waren.sich gleichwerttg Und der Sieg hätte ebensogut bei etwas Glück den Liebenern zufallen können. Die wichtigsten Einzelergebniffe: 100 Meter: Vhleta(P.) 11.8 Sek.; 400 Meter: Pekar (L.) 69.8 Sek.; 1500 Meter: Kral(P.) 4:57.2 Min.; Weitsprung: Holubec(P.) 6.43 Meter; Hoch­sprung: Smrcka,(L.) 1.64 Meter; Kugel: Stejskal (L.) 11.48 Meter; Speer : Neruda(P.) 42.76 Meter; Diskus: TeSitel(L.) 33.40 Meter; 4X100 Meter: Pilsen 53.7, Liben 54.2 Sek.; Olympische Stafette: Pilsen 4:30.2 Min., Liben Brustbreite. Sowjet-Fusttalltram gegen Zidenice Brünn 3:2 (2:0). Am Dienstag trugen die rusiischen Fußballer gegen den bürgerlichen Proftklub Zidenice ein Spiel aus, das sie knapp für sich entschieden. Die Brünner mußten auf Burkert und Rulc verzichten. Sowjetboxer in Brünn . Entgegen allen Mel­dungen trugen die russischen Boxer am Montag in Brünn doch das Match gegen die Bürgerlichen aus. Die Russen traten nur mit fünf Mann an, da zwei kampsrmfähig sind und siegten mit 8:2 Punkten. Die Ueberraschung bildet« diesmal die Niederlage Mi- chajlows im Halbschwergewicht, die anscheinend recht problematisch war. Die einzelnen Ergebniffe sind: Bantamgewicht: Serow gewann gegen Novak nach Punkten; Leichtgewicht: Ogurenkow schlug Kosina n. P.; Mittelgewicht: Stepanow siegte über Schmidt n. P.; Halbschwergewicht: Havelka schlug Michajlow n. P., zuerst wurde ein Unentschieden verkündet; Schwergewicht: Postnow schlug Peska in der ersten Rund« mittels Magenschlag k. o., Neuer Frauen-Weltrekord. Die polnische Leicht­athletin Walas iewicz gastiert derzeit in Japan , Bei ihrem ersten Start in Osaka lief sie Wer 2 0 0 Meter in 23.8 Sek. eine neue Weltrekordzeit, welche um drei Zehntelsekunden beffer ist als der alte Rekord.

Den Lcichtathletik-Klubkampf StaviaSparte gewannen die Slavianer mit 79:55 Punkte». LrAa (Sparta ) stellte im Gehen Wer fünf Kilometer«ft 22:02.4 Min. einen neuen Rekord auf. Den Boxländerkampf PolenTschechoslowakei der Amateure, der in Warschau stattfand, verloren die Tschechoslowaken mit 11:5 Punkten.

Ans der Partei Der Bildnngsansschuf? der Prager Bezirks­organisation hält Donnerstag, de» 18. Oktober, um 19 Uhr in der Redaktion desSo­zialdemokrat" eine Sitzung ab. Persönliche Einla­dungen ergehen nicht. Bezirksfrauenkomitee. Sitzung am Freitag, de» 19. Ottober um halb 7 Uhr im Parteiheim. Bespre­chung des Winterprogramms. Separate Einladungen ergehen nicht.

Verelnsnadirlditcn SPD Flüchtlinge, Prag . Arbeitsge­meinschaft Falsch über Bauerntum und Mit­telstand tagt Donnerstag, den 18. Ottober nach«. 5 Uhr im Parteiheim Närodni tk.Nr. 3. Stock. Arbeitsgemeinschaft Organisa­tions-Probleme, tagt im gleichen Raum ab 7 Uhr.

Literatur Nie wieder Krieg! Herausgegeben vom Internationalen Gewerk­schaftsbund, Paris 1934, 5. Auflage, 60 Seilen. Der Hauptkriegstreiber ist heut der Fase Ismus! Er hat sich bereits einiger Länder bemächtigt und seine weitere Entwicklung bedeutet offene Kriegsgefahr. Soll Krieg und Kriegsgefahr gebannt wer ­den, so gilt es, den Fascismus zu bekämpfe»:. Kampf dem Fascismus in allen Formen und in jedem Augenblick bis zum bitteren Ende ist ein Gebot des Friedens." So heißt es in der Einleitung zu der neuen, fünften Auflage der SchriftNie wieder Krieg", die vom Internationalen Gewerk­schaftsbund in Paris herausgegeben wird. Diese aufrüttelnde Kriegsanklage, die das grauenhafte Elend des Krieges in etwa 50 ganz- seittgen Photographien von Toten, Verstümmelten und von Verwüstungen aus dem letzten Kriege bringt, stellt sich in den Dienst des anttfascistischen Kampfes. Die Bilder, denen ein erläuternder Text in sechs Sprachen beigefügt ist, sind von er­schütternder Wirkung. Keine noch so beredte Be­schreibung kann die Schrecken des Krieges anq fchaulicher machen als die in diesem Buche ent­haltenen Photographien, die einzig in der Welt sind, da das reiche Material, dem sie entnommen wurden, in Deutschland der Vernichtung anheim gefallen ist. Wieder geht eine neue Auflage dieser Schrift, die in vielen hunderttausenden Exempla­ren Wer die Well verbreitet ist, hinaus, um als Warner und Mahner zu dienen, insbesondere dem Heranwachsenden Geschlecht, das die Scheußlich­keiten des Weltkrieges nicht am eigenen Leibe er­fahren hat. Mit der Verbreitung dieser Schrift befolgt man ein Gebot des Friedens und trägt zur Bekämpfung des Fascismus bei.

Bürger Gljobsch rettet den Fünfjahrespla» Von F. T . Pantelejew Pytnikow. (Es zeugt vom inneren Krastbewußi- sein Sowjetrußlanüs ebenso, wie von der Erkenntnis der heilenden Wirkung der Kritik, daß die russischen Schriftsteller ihre Satire auch gegen die Sowjet-Institutionen richten.) Interessant, liebe Freunde und Mitbürger, ist das Leben! Der Mensch, sagen wir, ist zum Beispiel in einem Amt angestellt, er schuftet dort den ganzen Tag, hat Verdrießlichkeiten mit seinen Vorgesetzten, streitet mit den Parteien herum, die auf die Bürokraten schimpfen zum Haarher- ausreißen ist es. MWe kommt nun der Mensch nach den Amtsstunden nach Hause, klebt sich aufseuf­zend in die Sofaecke aber hier ist derselbe Jam­mer: die Gattin lamentiert, die unmündigen Kin­der schreien, die Mitbewohner schlagen Krach, es riecht nach Heringen und Wanzen, trostlos ist alles, grau scheint die Zukunft, niemals wird es anders sein. Aber siehe plötzlich ändert sich alles! Das Leben reißt den Menschen vom klebri­gen Söfatvachstuch, eins zwei gerät alles um ihn in Bewegung, und derselbe Bürger/' der bisher nichts getan hat, als über die Zeiten zu jammern, sieht' sich plötzlich in das Licht der Oeffentlichkeit gestellt, er fängt an eine Rolle zu spielen,'man gibt ihm einen verantwortungsvollen Posten oder man sperrt ihn gleich ein. Was ist geschehen? Viel­leicht nur eine Kleinigkeit. In der Tramway mag der Bürger unversehens einem Fräulein auf die Zehen gestiegen sein,Pardon", sagt er,ent­schuldigen Sie, Bürgerin", und kommt so mit der Person ins Gespräch. Verführerisch hüpft unter der Bluse der runde Busen, das Luder klappert mit den Augendeckeln, und der Mensch vergißt auf der Stelle seine angetraute Gattin, die unmün­digen Kinder, Sofa, Heringe und Wanzen, ver­

liebt sich und plündert die Amtskaffe, Eins, zwei, kommt eine Revision, der Mensch zittert, wird blaß, fällt auf die Knie, er beschwört, bittet nichts hilft, man packt ihn und schleppt ihn ins Gefäng­nis.... So plötzlich kommt es Wer den Menschen und war anfänglich nur eine Kleinigkeit. Aber nicht von einem ttaurigen Kapitel des Lebens wollte ich erzählen, teure Mitbürger, son­dern von einem, das einen befriedigenden Ausgäng hat ich meine den Fall meines Bekannten Affa- nassij Gljobsch. Die große Veränderung im Leben dieses Bür­gers hat eine ganz gewöhnliche, wenn auch fran­zösische Weckeruhr bewirkt. Wie der Bürger Gljobsch in den Besitz dieser Uhr kam, weiß ich nicht. Irgendwie hatte er sie vor der Revolution bei einem Trödler gekauft oder sie auch möglicher­weise irgendwo gefunden. Jedenfalls, es war eine gute Uhr, an der nichts auszusetzen war höch­stens, daß man sie ein- oder zweimal im Tag um fünfzehn oder zwanzig Minuten zurückdrehen mußte. An solche Kleinigkeiten gewöhnt man sich aber bald und schließlich merkt man sie gar nicht mehr auf jeden Fall, der Bürger Gljobsch war mit seiner französischen Weckeruhr sehr zufrieden. Dieser Bürger ist, um es gleich zu sagen, ein Langschläfer, das Aufstehen fällt ihm schwer. Um sich nun nicht zu verspäten, stellt er jeden Wend seine Uhr neben seinem Bett auf einen blechernen Topf und ließ sich von ihr jeden Morgen aus dem Schlaf trommeln. Die Uhr tat die gewünschte Schuldigkeit niemals, daß der Bürger Gljobsch zu spät in sein Amt kam. So lange half seine fran­zösische Weckeruhr dem Bürger Gljobsch zur Pünttlichkeit, bis er sie eines Morgens, da er sie noch so im Halbschlaf abstellen wollte, mit einer unbedachten Bewegung von ihrem Postament stieß. Nun war das Malheur fertig, schon am anderen Tag kam der Bürger Affanaffij Gljobsch verspätet ins Büro und erhielt eine Rüge. Andern vielleicht hätte das nichts ausgemacht, ihn schmerzt die Rüge und so rennt er noch am

gleichen Tag mit seiner Weckeruhr in den Mechano- trust. Der Spezialist besieht die Uhr, ftagt dies und das, schraubt herum, nimmt ein Rädchen her­aus, schüttelt den Kopf, zündet sich eine Zigarette an, klopft wieder ein bißchen an der Uhr herum, hält sie ans Ohr, lauscht, und stellt schließlich ein Zettelchen aus und sagt Affanaffij Gljobsch, daß man ihm die Uhr in vierzehn Tagen repariert zu- rückgeben werde. Der Bürger Gljobsch jammert natürlich, das wäre zu lang, er brauche seine wähnt, er wird es verschlafen, zu spät ins Büro kommen und von dort am Ende noch gespritzt wer­den. Die Leute sagen aber: es geht nicht anders, dies sei ausländische Produktion, ein kompliziertes Werk, und Affanaffij Gljobsch kann abschieben. In den folgenden zwei Wochen kommt der arme Bürger bald zu spät, bald übernächtig in sein Amt, denn bald verschläft er, bald wacht er mftten in der Nacht auf und gettaut sich dann natürlich nicht mehr, sich noch für eine Weile aufs Ohr zu legen. Im Büro gerät er der Reihe nach mit allen Vorgesetzten in Konflikt. Schließlich sind aber die vierzehn Tage um und Affanaffij Gljobsch findet sich im Mechano-Trust ein. Die Uhr ist natürlich»och immer nicht in Ordnung gebracht, man gibt dem erbleichenden Bürger einen neuen Zettel: in weiteren vierzehn Tagen soll er wieder kommen. Verzweifelt ist der Arme, er fällt völlig vom Fleisch, sein Gesicht wird gelb, er kann überhaupt nicht mehr schlafen und in seinem Amte droht man ihm bereits mit der Disziplinierung. Jedoch alles geht vorbei und auch die neuerlichen vierzehn Tage des Wartens und Schreckens nehmen ein Ende und im Mechano-Trust steht Affanaffij Gljobschs Weckeruhr für ihn bereit. Blitzblank geputzt ist sie, jedes Schräubchen ist auf seinem Platz, man zieht sie vor ihrem Besitzer auf, läßt das Uhrwerk ein wenig repetieren, das Läutewerk ein bißchen ratschen, alles funktioniert. Affanaffij Gljobsch überglücklich, unterfertigt eine Quittung, zahlt, man drückt ihm das ftanzösische Prachtstück in die

Hände und er darf abziehen. Es ist ein erstklaffiger Betrieb hier. Auf dem Weg nach Hause fällt ihm plötzlich ein, daß heute eine Versammlung abgehalten wird, in der ein bekannter Redner, sprechen soll. Warum", denkt der Bürger Gljobsch,soll ich nicht dorthin gehen? Die Uhr habe ich, verschlafen werde ich also morgen bestimmt nicht, mag es doch ruhig spät werden!" Und der brave Bürger Gljobsch zieht spornstteichS in die Versammlung. In den Versammlungen ist es nicht so wie im Amt, da macht eine halbe oder dreiviertel Stunde Verspätung nichts aus. Man sitzt, man wartet, bis auch die säumigen Besucher sich ein­gefunden haben, kaut mittlerweile Sonnenblumen­kerne, spuckt die Schalen auf den Boden und singt zwischendurch dieInternationale" oderUn- sterhliche Opfer ihr sänket dahin". Ein Vergnügen ist eine solche Versammlung. Schließlich wird das Meeting eröffnet, der berühmte Redner fängt zu sprechen an, das Thema ist intereffant:Der Fünfjahrplan und die Werktätigen" oder so ähn­lich. Wie gesagt, ein Vergnügen. AfsanaffijGljobsch lehnt sich zufrieden zurück und lauscht. Die Weckeruhr hat er in die Tasche seines Winterrocks gegeben, weil es unbequem ist, sie ewig in den Händen zu halten. Quietschvergnügt ist er, weil er in aller Ruhe da sitzen darf, dem berühmten Redner zuhören kann und keine Sor­gen zu haben braucht, am morgigen Tag eine Rüge wegen Zuspätkommens auszufaffen. Direkt glück­lich ist der Bürger Gljobsch. Zärtlich faßt er die Manteltasche, streichest den kleinen Metallkörper und spielt wie ein Verliebter an den glatten, fei­nen Schräubchen herum... da Der berühmte Redner brüllt eben:Der Plan wird durchgeführt werden. Genoffen, durchgeführt mst dem ganzen Elan, deffen die Werktätigen fähig sind!" da ratscht die ausländische Produttion in der Tasche des Bürgers Gljobsch los, klirrt und raffest, daß es Gott erbarmt. (Schluß folgt.)

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