ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xii., fochova«. telefon 53077. Administration telefon 5307«.HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR: WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG.ZENTRALORGANDER DEUTSCHEM SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEIIN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIKEinzelpreis 70 Heller(einschlieBlich 5 Halter Porto)14. JahrgangDonnerstag, 18. Oktober 1934Nr. 244VerscKiebunsdes Saar-Plebiszit?Schwierige Ueberprüfung der Wähler-'listenParis.„L e Matin" erinnert in Bespre-,chung der Unterredung zwischen Laval und Dr.<Benes daran, daß hiebei auch über die B o r-bereitungenfürdasSaar-Plebis-z i t gesprochen wurde und schreibt:Bekanntlich sind auch Gerüchte aufgetaucht,daß das Saarplebiszit wahrscheinlich von seinemursprünglichen Datum aufeinenspäterenZeitpunkt werde verschoben werden. Diesbezüglich wurde bisher noch nichtsDefinitives bekanntgegeben, sicher sei jedoch, daßdie Plebiszitkommission die Verifizierungder Wählerverzeichnisse durchführenmüßte, die sicherlich längere Zeit in Anspruch nehmen wird.Die Wirtschaftsverhandlungenmit Frankreichauf gutem Wege.Paris. Das französische Handelsministerium hat ein Communiquee veröffentlicht, in welchem es über die Unterredung des AußenministersDr. Benes mit dem Handelsminister Lamoureux berichtet und ausführt, daß sich nach die-,sem Austausch der beiderseitigen Ansichten diefranzösisch-tschechoslowakischen Handelsvertragsverhandlungen auf gutem Wege befänden und daßman eine baldige Unterzeichnung des Abkommenserwarten könne.Von informierten Stellen erfährt das Tsch.P.-B., daß die französische Regierung die Kon-zessioiren für das kommende Jahr übertragen und erweitern wolle, die sie für dasletzte Vierteljahr des Jahres 1934 dem tschechoslowakischen Handel einräumte; ausgenommenseien jedoch hiebei die Textilindustrie-Erzeugnisse.Krise in JapanMilitärdiktatur in SichtNach einem Bericht der„D ailyHerald"wird die Regierung des Admirals Okadä noch vordem Parlamentsbeginn zurücktreten, da ihr einMißtrauensvotum droht. Es wird von einer\Militärdiktatur gesprochen. Zwischen dem japa-!Nischen Botschafter und Generalissimus in Man-dschukuo Takaschi Hischikari und den Zivilbeamten!besteht ein scharfer Gegensatz wegen des Kaufpreises für die südmandschurssche Bahn. Die Zivilbeamten von Port Arthur sind bestraft worden,weil sie die Einsetzung einer Zivilregierung gefordert haben.im Leichen des KreuzesMadrid. Reisende» die aus Oviedoringetroffen sind, wo sie während der revolutionären Unruhen geweilt haben, erklären, dasseinige Viertel dieser Stadt den gleichen Anblick gewähren, wir seinerzeit daszerstörte Gebiet an der französischen F r o t. Der Schaden in Oviedo alleinwird auf mehr als 200 Millionen Peseten geschätzt.Todesurteile in SpanienSchwere Kerkerstrafen für sozialistischeJugendliche' Der Leutnant-Colonel Iuan RicardMarch, gewesener.Leiter des Sicherheitsdienstesin Katalonien, ist vom Kriegsgericht für seineTeilnahme an dem katalanischen Aufstand zumTyde verurteilt worden. Das Kriegsgericht vonSegovia hat drei Führer der sozialistischenJugendbewegung zu einigen Jahren Gefängnisverurteilt, weil sie an dem Aufstand teilgenom-men und Sprengstoffe verwahrt hatten.Spanische RevolutionWie es wirklich warKeine Demarchein BudapestBelgrad. Die Belgrader amtlichen Kreiseerklären, daß in Angelegenheit des Königsmordesbisher an eine Demarche in Budapest oder inGenf nicht einmal gedacht wurde, undheben hervor, daß vor allem die Ergebnisse derUntersuchung abgewartet werden müssen, bevoreine unmittelbare oder entfernte Berantwortlich-keit festgestellt werden könne.*Eine Reihe Pariser Blätter nimmt an, daß dieUnterredung zwischen Laval und Dr. Benes sichauch mit der Frage der Verantwortlichkeit für denMarseiller Mord beschäftigt hat. Man hofft,daß der Ständige Rat der Kleinen Entente der Angelegenheit volle und bedachte Aufmerksamkeit zuwenden werde.'„Petit Parisi en" schreibt: Jugoslawien will dietatsächlich« Wahrheit über die Verschwörung erfahren,denke jedoch nicht daran, unüberlegt eine Anklage zuerheben und so die Spannung zu erhöhen, die auf derinternationalen Atmosphäre seit dem 9. Oktober soschwer laste.„Echo de Paris" rät ebenfalls zu Ueber-legtheit, gleichzeitig aber auch zu Entschiedenheit. DasBlatt meint gleich dem„Oeuvre", daß es zweckdienlich wäre, behufs Feststellung von unbestreitbarenTatsachen die Angelegenheit dem Völkerbundrate zuunterbreiten, und zwar im Interesse des. Friedens.Seite freiselassen?Eine Prager Zeitung meldete vor kurzem,daß Karl Seitz»reigelaffeu worden sei. EineBestätigung dieser Nachricht war aber bisher nochnicht zu erhalten. Allerdings, so teilt man unsIn der Erregung Europas über das Attentat von Marseille und seine möglichen Folgen ist.zu Unrecht, das Interesse an dem Heldenkampfder spanischen Sozialisten ein wenig zurückgetreten. Es ist aber nötig, die Blicke der Arbeiterimmer wieder nach dem Schauplatz eines, heroischen Kampfes zu lenken, der gerade wegendes Heroismus, der eingesetzt wurde, nicht derletzte und entscheidende Kampf um die sozialistische Republik Spanien gewesen ist.Wir bringen im folgenden den Berichteines Augenzeugen. Das Bild, daser am Schluß seines Artikels entwirft, stimmtauch zur Stunde noch. Unter dem stärkstenDruck der Konterrevolution harren noch immerZehntausende Sozialisten Spaniens aktiv undpassiv im Widerstand aus.Am 4. Oktober war die spanische Regierungskrise gelöst, der katholisch-monarchistischeRechtsblock in das neue Kabinett ausgenommen.Damit aber begann die eigentliche, die schwersteKrise des Landes. Am Morgen noch hatte„ElSocialista"— es war seine letzte Nummer—geschrieben:„Unsere Rückzugstaktik ist zu Ende■— jetzt ist es Zeitl" Um 6 Uhr nachmittag konstituierte sich die Regierung; zwei Stunden spä-mit, ist die Richtigkeit der Meldung wahrscheinlich.Seitz ist nämlich sehr schwer krank und dirihn behandelnden Aerzte treten sogar für eineOperation ein. Die Regierung will sich durchSeitzrns Freilassung von der Verantwortung füreine etwaige Berscklimmcrung seines Zustandesfreimachen. jter schon bildeten sich die ersten Schlangen vorden Lebensmittelläden; um Mitternacht brach imganzen Lande der Generalstreik aus. Um zweiUhr früh tagte der erste Ministerrat: angesichts„eines umfassenden, einheitlich geleiteten revolutionären Aufstands". Zur selben Stunde flammten die ersten Kämpfe in Madrid auf. Noch eheder Tag graute, füllten sich die Gefängnisse, dieKrankenhäuser, die Leichenhallen.Ueber Asturien wurde der Kriegszustandverhängt. Die Provinz stand in Aufruhr. EinTruppentransport nach dem andern wurde hingejagt. Aus Madrid müßte man Guardia Eivilschicken. Aber die Formationen kamen nicht durch.Das Land war vom restlichen Spanien abgehängt.Breite Lücken klafften im Schienenstrang. Brük-ken waren gesprengt, Telephon und Telegraphdurchschnitten. Die Arbeiter hatten sich im gebirgigen Terrain verschanzt. Jeden Fußbreit Bodendeckten sie mit ihrem Leben: Ihr Boden war es— die erste spanische Räterepublik.Im Baskenland wurde die erste Arttllerieaufgefahren: vor die berühmte Waffenfabrik vonErbar, die die Arbeiter besetzt hielten. Genauesüber den erbitterten Kampf ist zur Stunde nichtzu erfahren. Rahe bei Eibar liegt M o n d r a-g r o n, mit seinen großen Metallwerken: dortwurde das'erste Revolutionstribunal gegründet-— an zwei Industriellen hat es Todesurteilevollstreckt; einer der Hingerichteten hatte auch alsPolitiker einen Namen: es war ein bekanntermonarchistischer Abgeordneter. Lückenlos stand derGeneralstreik in Katalanien. Selbst in Dörfern,mit nur 200 Einwohnern feierte alles. Im ganzenGebiet stockte der Zugsverkehr. Stunde um Stundewandte sich der Präsident der katalanischen Gene-> ralidad Companys durch den Rundfunk an die Bevölkerung: Die Regierung ist bereit, die FreiheitKatalaniens und die Demokratie— den Inhaltder Republik— zu verteidigen.... Und Stundeum Stunde stieg die Aufregung dort. Revolutionskomitees wurden gebildet. Demonstrationszüge formierten sich. Ihnen vorangetragen wurden Banner mit der Inschrift:„Wir fordern dasunabhängige revolutionäre Katalanien". Von denVolkshäusern verkündeten Transparente:„Wirdekretieren den revolutionären Generalstreik".Das war das Bild am F r e i t a g: Ueberallruhte die Arbeit; im ganzen Lande knalltenSchüsse; allerorts gab es die schwersten Kämpfe.Behörden wurden gefangen genommen; Radiostationen besetzt, Kasernen erstürmt; Schlachten geliefert. Wichtige Posten entglitten der Regierung:so gab es im Arsenal von Cartagena einen blutigen Aufstand. Der Zugsverkehr wickelte sich mehrals mühsam ab; in den nördlichen Provinzen stander völlig still. Die Waggons wurden nicht entladen. In den Städten gab es kein Brot und auchalle andern Lebensmittel verknappten sich. DiePost funktionierte kaum. Die telegraphische Verbindung hatte Lücken. Mer die Regierungschwamm vom ersten Augenblick an in einer Welledes Optimismus. Das zentrale Ra-d i o von Madrid war in ihren Besitz; es prokla-,mierte Sieg um Sieg. Zwei Rechtsblätter, dasmonarchistische„ABC" und das Jesuitenorgan„El Debate" wurden in den Polizeikommissarja-ten verkauft. Der Ministerpräsident erklärte darin,er habe mit allem gerechnet:„Die Stärke der Rebellen steht in einem so krassen Mißverhältnis zuder der Staatsverteidigung, daß jeder subversiveUmsturz scheitern muß."Samstag^frühmorgens gab es das ersteschwere Geplänkel in Madrid— um eine Kaserneder Guardia Civil im Arbeitervorort Cuatro Ca-minos. Von dieser Stunde an kcun die hiesige Garnison nicht mehr aus den Kleidern. Ueberbean-sprucht, übermüdet, überreizt,, verliert sie völligdie Nerven. Das Echo eines Pistolenschusses schonentfesselt ein langes wütendes Gewehrfeuer—am Schauplatz bleiben unglückliche Frauen, diedas Fenster schließen wollten, unbeteiligte Straßenpassanten. So.neigk sich, der Tag, das Dunkelkam und. es begann die Jagd auf Schatten. Dachschützen, begünstigt durch die flache Bauart derHäuser, tauchen auf und verschwinden. Um achtUhr abends Sturm auf die Ministerien,, die Cortes, die Telephonzentrale. Das Regierungsge-bäud. auf der Puerta del Sol hat kein ganzesDer Wahlsieg der norwegischenSie nähern sich der absoluten MehrheitSozialistenBei den Gemeindewahlen in Norwegen hat die Arbeiterpartei gegenüber ihrem Standevon 1933 neue Erfolge erzielt. Verglichen mit den Gemeinderatswahlen von 1931 ist derGewinn außerordentlich groß. Bis Montag nachts war das Ergebnis von 121 Gemeindenbekannt. In diesen 121 Gemeinden erlangte die Arbeiterpartei 1129 Mandate, was einenGewinn von 214 Mandaten bedeutet. Die bürgerlichen Parteien besetzen zusammen 1460Mandate und verlieren 230. Andere Arveitergrnppen behalten bei einem Verlust von 19Mandaten 58. Totalziffern sind aus 141 Gemeinden bekannt. In diesen 141 Gemeindenerlangte die Arbeiterpartei 86.849 Stimmen, das sind ungefähr 47 Prozent.Auffallend ist der Verlust der Bauernpartei, die nicht demBeispiel ihrer schwedischen Schwesterpartei folgte, sondern der Sozialdemokratiefeindlich gegenüber st eht. Sie geht in 67 Gemeinden von 178 Mandaten auf156 Mandate zurück. Auch die Stimmenanzahl ist gesunken. In der großen Stadt T r o m s östieg die Arbeiterpartei von 15 auf 22 Mandate.Die norwegische Arbeiterpartei hat die Wahlaktion mit großer Intensität geführt. Siehat von den modernsten Propagandamitteln Gebrauch gemacht, die sich sowohl an den Verstand als auch an das Gefühl richteten. An das Gefühl richtete sich besonders das neueSymbol, unter dem die Arbeiterpartei in die Wahlen gegangen ist: der Hammer. Man wirkteauch sehr viel mit kurzen kräftigen Parolen, die in den Köpfen der Menschen gut hängenblieben. Bei den Parlamentswahlen 1933 war die Losung„Das ganze Volk an die Arbeit".Diesmal hieß es:„Aufs neue vorwärts für Freiheit, Arbeit und Brot!" Es lief auch einaußerordentlich guter Wahlsilm und das politische Kabarett gewann eine große Bedeutung.Die Ursache der enormen Aufmerffamkett, die die sozialdemokratische Wahlagitation in derganzen Bevölkerung hervorrief, kann in erster Linie in der Tatsache gesucht werden, daß sie esverstanden, ihre Wahlzusammenkünfte z« wahren Festen zu gestalten.Oellerreidi vor neuen SdimierigkeiienKonflikt Heimwehr—Christlichsoziale verschärft sichFür den tiefgehenden Konflikt zwischen Heimwehre« und Christlichsozialen ist eineRede bezeichnend, die der alte christliche Arbeiterführer Kunschak am Sonntag in Wiengehalten hat. Er wies darauf hin, daß die Heimwehr, die bisher vorgegeben habe, keine Partei sein zu wollen, überall Vertretungen verlange uud also fakttsch dafür eintrete, daß esneben der Vaterländischen Front eine zweite im Staat mitbestimmende Bewegung gibt. Dasbedeute, daß es eigentlich schon wieder zwei Parteien gibt. Angesichts dieser Tatsache sei es notwendig, auch die christlichen Arbeiter wieder zu sammeln nnd mit ihrer Hilfe Brücken zu denanderen Arbeitern z« schlagen.Tatsächlich rüste« die Ostmärkischen Stnrmschare«, die den alten christlichsozialen Politiker» ergeben sind, mit großem Eifer gegen die Heimwehr. Aber auch die Heimwehr ist nichtmüßig und es ist in Oesterreich öffentliches Geheimnis, daß sie einen Putsch vorbereitet.Hohe Beamte, um eine Stellungnahme befragt, antworteten vor kurzem:„Nach dem Heim-wehrputsch werden wir ja weiter sehn".