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Sozialdemokrat*
Donnerstag, 18. Oktober 1834. Rr. 244
PRAGER
Schwarze Fahnen Nun hängen sie schon acht Tage lang im Oktobergrau. Ernst, in langen bauschenden Bahnen, über zwei, drei Stockwerke tief hinabreichend, wehen sie vor den Fronten. Der Regen erster kalter Tage peitscht sie, der Wind hebt sie, reißt sie hoch wie in aufbrechender Geste des Schmerzes und läßt sie langsam, in getragener Schwere wieder sinken, als streiften die finsteren Wolken selbst die Stadt. Wer von außen her in die Stadt kommt, den mahnt Schritt für Schritt auf seinem Wege das tief­hängende Schwarz: die Stadt trauert. Wie die Schatten tragischer Ereignisse umflort es die Stra­ßen. Immer dichter hängen die schwarzen Fahnen nach dem Stadtinnern zu, als würde gleichsam näher dem Herzen der Stadt die Trauer immer tiefer, schmerzvoller. Der Wenzelsplatz erscheint, wenn man eng in den Häuserfronten entlang blickt, in feier­lichem Ernst schwarz   verhängt. Und als in wolken­grauer Mittagsstunde das tagesbleiche Licht der Laternen und Lichtmasten eingeschaltet wurdet sprach das ernste Bild mit der Kraft eines elementaren Gefühls: die Stadt trauert, und mit ihr das ganze Land. Schüsse sind gefallen, die nicht nur die Opfer getroffen haben. Ihr gräßlicher Knall hallt wider in den Herzen aller, die das Attentat auch gegen ihre Gesinnung gerichtet fühlen, gegen die Gesinnung, die den Frieden, die Völkerversöhnung, die Menschlich- keit schlechthin ersehnt und erstrebt. Es waren Schüsse in die Friedensfront Europas  , und verzwei­felt fragen sich die Mitgetroffenen, ob es denn unab­wendbares Verhängnis sein müsse, d<?ß immer nur diese Front die Opfer bringen und beklagen müsse. Sie sehen erschüttert und entsetzt die Blutfpur, die von jenem Pariser Cafe du Croissant, an dessen Fen­ster Jean Jaures   ermordet wurde, durch alle Jahre und alle Länder bis in die Cannebiere von Marseille  führt. Es ist die schlechte Sache, die von Attentätern mit Revolverschüssen verfochten wird, und es spricht für die sittliche Kraft der reineren und höheren Idee, daß sie sich nicht selbst mit Blut befleckt. Umso tiefer, erschütternder, bezwingender ist di« Trauer, die hier im Lande des Bundesgenoffen, des verbrüderten Volkes einen so wahrhaft über­zeugenden Ausdruck findet. Man kennt in anderen Ländern, in Deutschland   zum Beispiel nicht diese Sitte, zum Zeichen der Trauer schwarze Fahnen zu hissen. Man flaggt dort auch in Tagen der Trauer in den bunten Farben, die man nur auf Halbmast setzt. Können jetzt etwa auf Halbmast gesetzte Haken­kreuzflaggen Trauer ausdrücken? Ein Zug an der Fahnenschnur und sie flattern wieder als kriegerisches Symbol, Zeichen für den Krieg nach innen und außen. Es erinnert an den Brauch der deutschen Militärkapellen bei militärischen Begräbnissen; Tr-uerchoräle und im TrauerschrittIch hatt' einen Kameraden"', dann aber auf dem Rückmarsch vom Friedhofstore an einen flotten Militärmarsch zu spielen, der selbst hinkenden Veteranen durch die morschen Beine zuckt. Wer, aus Deutschland   kom­mend, zum erstenmal die ernste Mamfestation dieser schwarzen Fahnen erlebt, nnnmt tief berührt den Eindruck hin: nicht nur Menschen trauern, di« Stadt selbst, dieses Gebilde aus Stein und Raum, verhüllt Has schöne Antlitz mit schwarzem Flor. Unwidersteh­lich teilt sich das mit. Es zwingt zur Anteilnahme. Und ebenso ernst stimmend wie das tragische Ereig­nis selbst ist dieser Aufdruck einer Trauer, der das warmherzige Empfindungsvermögen eines Volks rührend bekundet. Eine Dame, die dieser Tag« erst aus Dänemark  kommend in Prag   eingetroffen war, erlebte das als ihr unvergeßlich bleibenden Eindruck.- Sie wohnte an jenem Abend der Vorstellung im Nationaltheater bei. In aufgeschloffener Hingabe an Smetanas Musik, mit der ganzen Begeisterungsfähigkeit einer beglückten Musikfreundin genoß sie ihren ersten Opernabend in Prpg, als unerwartet ein Darsteller mit beschwörend erhobenen Händen an die Rampe
ZEITUNG
trat und in den Zuschauerraum hinein die Kunde vom Tode König Alexanders sprach. Die Dame ver­mag kaum zu sagen, wie erschütternd und menschlich würdevoll sie es empfunden, als in derselben Minute das Publikum spontan, im Tiefsten erschreckt und bestürzt, sich erhob und schweigend das Theater ver­ließ. Smetana  , die heitere Frohheit seines musikali­schen Genius, die aus dem Naturell feines Volkes quellende Melodik, die süße Innigkeit seiner Musik und die gleicher Unmittelbarkeit des Gefühls ent­springende spontane Kundgebung der Ergriffenheit und Trauer haben sich der Miterlebenden unvergeß­lich verbunden als Wesensausdruck eines Volkes, das sie von dieser Stunde an liebt. Und ihr erscheinen seit jenem Abend die schwarzen Trauerfahnen mehr als nur ein traditioneller Ausdruck offizieller Trauer. Sie fühlt in ihrem vom Herbstwinde ge­tragenem Wehen  , in der schwarzen Verschleierung der Stadt die Herzensregung eines Volkes, das um Freunde seines Landes trauert und nun in diesen Tagen der Trauer rührend zeigt, wie teuer ihm diese Freundschaft gewesen ist und wie treu in brüderlicher Anteilnahme es Freundschaft zu erwidern vermag. Und die Herzen wenden sich ihm zu. Manfred.
Heute keine Vergnügungen. Die Prager   Po­lizeidirektion verlautbart: Heute, an dem Tage des Begräbnisses des jugoslawischen Königs Ale­ xander I.  , dürfen im Gebiete von Groß-Prag keine Theatervorstellungen(auch keine Dilettan­tenvorstellungen), keine Vorführungen in Kinos, noch Musikveranstaltungen, ob es sich um Musik in Gasthäusern, Kaffeehäusern, Bars oder um Konzerte in Konzertsälen handelt, abgehalten wer­den. Ebenso dürfen keine Tanzvergnügungen, kein Tanzunterricht veranstaltet werden, weiters keine Radio- oder Grammophonmusik in öffentlichen Lokalen oder in Geschäften geboten werden. Diese Verfügung gilt bis Mitternacht.
Vvrlrsgc Ein Nachwort zum Philosophen­kongreß und eine sonderbare Polizeimaßnahme. Der Vortrag, den Profeffor Emanuel R ä d l, der organisatorische Leiter des Prager   Philosophen­kongreffes, in derUrania  " hielt, gründete sich auf das starke Jntereffe, das dieser Kongreß in der Oef- fentlichkeit fand und das die Veranstalter selbst über­raschte. Das Bemerkenswerte an dieser Philosophen­tagung war, daß praktische und aktuelle Problem» zum Gegenstand der Verhandlung gemächt wörven waren wodurch, wie Rädl erklärte, ein Kongreß überhaupt erst sinnvoll werden kann. Freilich gab der Redner zu, daß die gestellten Probleme nicht nm nicht gelöst, sondern größtenteils nicht einmal disku­tiert worden sind. Den Grund dafür sieht er in dem Verfall der gegenwärtigen Philosophie und in der unfruchtbaren Haltung der meisten Philosophen, die .nur solange Fachleute find, als man keine Fragen an sie stellt: und die, wie sich bei der Schlußrcsolution des Kongresses für Geistesfreiheit zeigte, gegen öftentliche Bekenntnisse größenteils Vorbehalte machen. Am imponierendsten und zweckmäßigsten fand Rädl das Auftreten derLogisten" auf dem Kon­greß, weil sie als verbündete Gruppe auftraten und für eine gemeinsame Anschauung kämpften. Im Ge­gensatz dazu stand das Verhalten der hitlerdeutschen Philosophen, die wie Rädl erzählte erst nach langem Zureden(und nachdem sie Bedingungen ge­stellt hatten) die Einladung annahmen, um dann der Debatte aus dem Wege zu gehen, weil ihnen(wie Rädl philosophisch erklärte) wahrscheinlich das De­battieren schon als allzu demokratisch erschien. Daß der gleichgeschaltete Vortrag des Herrn H e l l p a ch eine höchst unphilosophische Angelegenheit und daß auch der vielbesprochene Vortrag des Jesuitenpaters Prhywara eine Enttäuschung war, stellte Rädl bei aller Zurückhaltung unzweideutig fest. Auch die
Diskussionen über die Krise der Demokratie fand er insofern unbefriedigend, als sie zu einem französifch- italienischen Duell um die Grundsätze der französi­ schen   Revolution wurde und so den Begriff und die Formen der Demokratie nicht in vollem Umfange be­leuchtete. Immerhin habe der Kongreß mehr gehal­ten, als der Veranstalter, der eigene Fehler bereit­willigst eingestand, sich von ihm versprochen habe. Das auffällige Fehlen der Ruffen sei allerdings nicht seine Schuld gewesen denn sie seien oft und dringlich eingeladen gewesen, hätten aber offenbar aus Miß­achtung der Philosophie die weite Reise gescheut. Die Diskussion, die fich an Rädls Vortrag knüpfen sollte, wurde durch das sehr sonderbare Jn­tereffe, das die Polizei an diesem philosophischen Abend zeigte, verhindert. Sie war in Gestalt meh­rerer Beamter erschienen, die darüber wachen sollten, daß keine Debatte stattfinde. Eine angeblich grundsätz­liche Entscheidung auch für künftige Urania-Ver­anstaltungen, die der Vortragende selbst aber für einen Irrtum der Behörde hielt. Mit Rücksicht auf diesenJrxtum" fand nur eine Fragenbeaniwortung statt, die recht unergiebig verlief, weil die meisten Fragesteller auf die sprachlichen Schwierigkeiten des tschechischen(aber deutsch sprechenden) Redners wenig Rücksicht nahmen und weil Rädl selbst die Fragen nur als Anlaß benützte, um sein Bekenntnis zurpuritanischen", vom reifen Individuum getra­genen Demokratie und zu einer ganz auf die prak- tischen Lebensftagen eingestellten Philosophie zu unterstreichen.eis
F. X. Saida dergrößte Vertreter der tschechischen Kultur neben Masaryk  ", hielt im überfüllten Saale desMänes"- Vereines zwei Vorträge über moderne tschechische Poesie und Prosa, in denen er in feinet berühmten kritisch- unbarmherzigen und zugleich menschlich­warmen Art.die Entwicklung der Literatur charak­terisierte. Den deutschen Leser wird hauptsächlich das Ende seines zweiten Vortrages interessieren, in dem er festznstellen versuchte, welche Arten der Romanschriftstellerei nach dem Weltkrieg noch ihre Daseinsberechtigung haben. Seiner Ansicht nach, hat der h istor is ch-nationale Roman, wie ihn Alois I i r ä s e k schrieb, seine Existenzberechti­gung verloren, da der Selbstbestiunnungsdrang der tschechischen Nation schon geweckt wurde und das Volk seine politischen Freiheiten erlangt hat. Aehnlich geht es dem Neuromantis- m u s, besten beliebtestes Themadie unverstandene Frau"(z. B. IbsensNora") war, denn die mo­derne Gesetzgebung schuf Scheidungsgesehe, vergrö­ßerte die Freiheiten der Frau, worauf sich die Zahl der unverstandenen Frauen beträchtlich vermindert hat. Auch dem primitiven Realismus, der die Geschehniffe in gleichartiger Zeitfolge schil­derte, hat die Totenglocke geschlagen: die primitiven Realisten erklärten alle Dinge im und durch das Scheinwerferlicht der Zeit; die moderne Wissenschaft hat bewiesen, daß die Zeit selbst ein nicht durch­forschtes Land auf der Landkarte des menschlichen Wissens ist, das noch beleuchtet werden muß. Wir griffen weiters, wie oft der Erzähler nicht die Wirk­lichkeit schildert, wie er von sich selbst erzählt, seine eigene Person durch die Geschehniffe zeigt, und daß er nicht sg vor dje Lxsex kommt, wie er im alltäg­lichen Leben ist, sondern daß er frisiert und im Sonntagsanzug erscheint und nur das tut, was eine gute Kinderstube gestattet. Weiters stellt Salda fest, daß es jetzt mehr daran ankommt, welche Erkenntnisse ein Schriftsteller den Lesern vermittelt, als wie er sie vermittelt. Von der thematischen Seite betrachtet, wird jetzt nicht mehr der einzelne Mensch z. B. sein Kamps zwischen Leidenschaft und Pflicht, wie bei Flauheit, Balzac  , Tolstoi   als Thema gewählt, sondern der Mensch im Verhältnis zur Gesellschaft, der Einzelne vom Standpunkte des Kollektivs gesehen, als Funk­tion(z. B. als Bauer, als Arbeiter, als Sportler, als Revolutionär usw.). Und Profeffor F. X. Saida, derselbe unbarm­herzige Kritiker, der noch vor einiger Zeit geschrie- ben hat:Die tschechische Prosa hat bekanntlich einen schlechten Ruf, verdient jedoch einen noch schlechteren Ruf", tröstet heute:Nun, wir können noch hoffen". hh.
Verlanget überall Volkszünder
Handelskurs für arbeitslose Angestellte Die Prager   deutsche   Handelsakademie eröff­net einen Kurs in Handelsfächern für stellenlose Angestellte. Der Kurs ist kostenlos und dauert sechs Monate. Anmeldungen bei der Direktion der Anstalt, Prag   l., Masny trh, von 9 bis 13 Uhr täglich. Informationen auch beim Allgemei­nen Angestellten-Verband, Prag   ll Narodnk tr. 4/III, nachmittags täglich und Mittwoch abend und beim Einheftsverband.
Kunst und wissen Gastspiel Moissi   InGespenster* Das gestrige Gastspiel Alexander Moiffis als Oswald(im Neuen Deutschen Theater) zeigte zwar, daß die mit Klangwirkungen und Grimassen spie­lende Kunst des berühmten Schauspielers noch im­mer fesselnde Momente zu schaffen vermag, aber es zeigte noch deutlicher, daß Ibsens Schicksalsdrama als Anlaß für ein Star-Gastspiel denkbar ungeeignet ist. Denn gerade die Psychologie derGespenster  " (die in Oswalds Krankheit gipfelt) scheint uns heute überholt und was wirksam geblieben ist: der meisterhafte dramatische Aufbau und die aus den schon welk gewordenen Dialogen noch klar heraus­tönende Tendenz gegen ein längst noch nicht ver- schwundenes Muckertum und gegen die noch immer sehr lebendige Feigheit, Verlogenheit und mit Vor­urteilen gewappnete Verständnislosigkeit des Bür­gertums, das könnte nur durch ein Ensemble zur Geltung gebracht werden, das diesen Namen im Gegensatz zu dem gestern gastierenden verdient und in dem der Pastor Manders nicht- wie gestern Herr Raabe hilflos deklamiert und in dem Frau Alving wirklich den Weg zur Erkenntnis durchlebt und nicht, wie Frau Terwin-Moiffi, teils unver­ständlich bleibt und teils hochdramatische Gesten vor­führt. Mit einem Worte, wenn alle so wären wie gestern Herr Skraup als Engstrand: lebendig, cha­rakteristisch und typisch zugleich. Ueber Moiffis Wert ist nichts Neues zu sagen. Die Stimme hat nicht mehr viel von ihrem einstigen Glanz, Erschütterungen gehen von ihm(auch in der Schlußszene) nicht aus, aber ungewöhnlich und interessant ist er noch immer dort, wo er in gebro­chener Haltung, an der Grenze des Affekfterten und Pathologischen   entlang spielt.eis Prof. Josef Langer spielt heute um 18.30 lkhr in der Malteserkirche  (Prag   III) Orgelwerke von Frescobaldi, Buxtehude  , Bach(Toccata D-Moll), Max Reger  (op. 46, Fantasie über B-A-C-H), Fide­ lio Finke  (Suite für Orgel, 1930). Eintritt frei.
Ans der Partei Der Bildungsausschuß der Prager Bezirks-- organisation hält Donnerstag, den 18. Oktober, um 18 Uhr in der Redaktton desSo­zialdemokrat" eine Sitzung ab. Persönliche Einla­dungen ergehen nicht. Bezirksfrauenkomitee. Sitzung am Freitag, den 19. Oktober um halb 7 Uhr im Parteiheim. Bespre­chung des Winterprogramms. Separate Einladungen ergehen nicht.
Verdnsnadirldrten Allgemeiner Angestellten-Berband, Ortsgruppe Prag  . Donnerstag, den 18. Oktober, Ver­sammlung der Jung- Angestellten im Heim. Es spricht Koll. P l o h s überProbleme des jungen Angestellten und Werkführers". Auch alle Mit­glieder willkommen. Arheitslose finden sich in unserer Kanzlei wegen Informationen ein. Kurse, weitere Unterstützungen auch für Ausgesteuerte.
»«1» Film Urania-Kino.Kinder werben um Dein Herz". Einmalige Vorführung durch die Jugendfürsorge, anläßlich des Kinderschutz­monats, 22. Oktober, 8 Uhr. Karten im Büro der Jugendfürsorge, I., Male näm. 11. Opttker Deutsch  , Uraniakasse. 2719
Bürger Gljobsch rettet den Funfjahresplan Von F. T.   Pantelejew Pytnikow. (Schluß.) - Die Versammlung ist natürlich sofort in Aufruhr, man stürzt sich auf den unglücklichen Bürger, zerrt ihn hinter der Bank, unter die er sich verkriechen wollte, hervor: kurzum ein Riesen­skandal. Der berühmte Redner vorne versteht selbstverständlich nicht, was los ist, hält den Zwischenfall für eine Demonstration und schreit, daß alle sich wieder ihm zuwenden:Jawohl, Ge­nossen, ich weiß, daß es Schwierigkeiten gibt, hundert Schwierigkeiten, aber ihrer wird man picht Herr, indem man Opposition macht, mit Weckeruhren und Lärm- das ist unfruchtbare Opposition, Genossen! Sagen sie uns doch, Ge­nosse,. ivas sie mit ihrer Demonstration bezweckt haben?. Man stößt natürlich Affanassij Gljobsch so­fort nach sorne zum Rednerpodium.Jawohl", schreit man,rede, mach das Maul auf! Lärm machen kann jeder, sage doch, was du willst!" Aber Genossen", stammelt der unglückliche Bürger Gljobsch,hier ist ein Mißverständnis. Wieso Demonstration? Wieso denn? Wie komme ich dazu, ich bin Beamter. Nie habe ich. Genossen, einen Anstand gehabt, nie..., nur in letzter Zeit,
eine Rüge nach der anderen zum Verzwei­feln! Himmelherrgott, alles wegen der Uhr... vier Wochen haben sie gebraucht...." Affanassij Gljobsch hebt beschwörend seine Hände zu dem be­rühmten Redner empor, er will ihm begreiflich machen, um was es sich handelt, er ist verzweifelt. Vier volle Wochen, Genosse, haben sie mich war­ten lassen, die Schufte, bedenken Sie, Genosse, vier Wochen!..." Der Redner versteht selbstverständlich kein Wort von der Entlastungsrede des Bürgers Gljobsch.Ich verstehe nicht", schreit er,was Sie mir da von Ihrer Uhr erzählen, Bürger, ich weiß nicht, wer sie warten ließ, worauf und warum ich sehe nur, daß Sie ein Reaktionär sind oder ein Querulant, der den Aufbau mit aller Gewalt sabotieren will!" Der Bürger Gljobsch ist entsetzt, er sieht sich schon vor Gericht gestellt: ein Saboteur! In seiner Not fängt nun auch er an zu schreien.Wieso bin ich, Genosse, ein Reaktionär, wie können Sie das sagen? Ein Beamter bin ich, ein unglücklicher Mensch, aber wieso soll ich den Aufbau sabotieren? Diese Uhr habe ich vom Mechano-Trust geholt, vier Wochen habe ich gewartet auf die Reparatur dort, Genosse, sitzen die Saboteure! Vier Wochen, weil ein Schräubchen lose war, vielleicht zwei! So steht es, Genosse, so wird dort der Plan erfüllt! Krank bin ich davon geworden, und jetzt bin ich auch noch ein Reaktionär!" Wütend wird
der Bürger Gljobsch, seinem ganzen Aerger macht er Lust. Recht hast du!" schreit man ihm aus dem Publikum zu,gib es ihnen nur ordentlich! Ueber- all dasselbe, überall Bürokraten!" Aber nicht nur dort, Genosse, im Mcchano- Trust", ruft jetzt Affanassij Gljobsch, der in hohe Fahrt gekommen ist, dem berühmten Referenten zu,nicht nur dort ist es so, auch in den Aem- tern!... Nehmen Sie, Genosse, zum Beispiel das meine..." und hast du nicht gesehen, legt er los, kein gutes Haar läßt es an seinen Vorgesetzten. Wenn man mich schon wegschleppt als Saboteur, denkt er, dann soll auch alles heraus, nichts werd' ich ihnen schenken, und er spritzt nur so Gift und Galle. Das Publftum ist entzückt.Bravo!" ruft man, endlich einer, der sich traut, der ihnen die Wahrheit sagt! Weiter, Genosse, wefterl So ist es recht! Warten muß man vor den Schaltern, daß man krumm wird, aha, und hinten schäkern sie mit den Stenotypistinnen und lesen Zeitung, und ein Akt läuft ein halbes Jahr!" Der berühmte Redner ist wütend.Eine schöne Schweinerei muß es bei Ihnen geben, Ge­nosse", fährt er den Vorsitzenden an,hier wird man ausmisten müssen, jawohl, ausmisten! Ich beantrage selber, daß man sofort ein Komitee ein­setzt zur Ueberprüfung der hiesigen Parteiarbeit. Und Sie, Genosse," wendet er sich an Affanassij Gljobsch,werden den Vorsitz dieses Komitees
übernehmen, Sie werden die Sache schon treffen. Hier muß ja unbedingt Ordnung gemacht werden, ein Skandal!" Die Leute, natürlich, klatschen wie verrückt und der Antrag auf Einsetzung eines Ueberprü- fungskomitees wird einstimmig angenommen. Mit Feuereifer ging der Bürger Gljobsch an seine neue Arbeit. Er untersuchte und revidierte, daß es nur so krachte. In zwei Wochen flog der ganze Mechano-Trust auf, dann das Amt, in dem der jetzige Vorsitzende des Untersuchungsausschusses beschäftigt gewesen war. Eine helle Freude war es. Schließlich berief man den tüchtigen Funktio­när auf eine höhere Stelle in die Kreisstadt.   Und all diese Veränderungen hat eine ganz ge­wöhnliche Weckeruhr bewirft, fteilich eine von ftanzösischer Provenienz eine unsrige hätte wahrscheinlich im verkehrten Augenblick losge­ratscht. P.-S. Meinen Bekannten Affanassij Gljobsch habe ich kürzlich wiedergesehen. Ich hatte eine Be­schwerde und ging zu ihm. Er war sehr beschäftigt, kaum daß er Zeit hatte, mich anzuhören.Die Beschwerde, Bürger", sagte er endlich,kann ich nicht annehmen, sie fällt nicht in meine Kompetenz. Gehen Sie mft ihrer Angelegenheit zu ihrer lokalen Behörde, dort wird man untersuchen und weiterleiten. Der Jnstanzenzug darf auf keinen Fall unterbrochen werden." Schweren Her­zens nahm ich Abschied. F. T.   Pantelejew Pytnikow.
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