Sosialdemokrat

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DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

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14. Jahrgang

Auch Laval plant

Romreise

Paris  . Petit Parisien" meldet, daß sich Außenminister Laval nach der außerordent­lichen Tagung des Völkerbundsrates, welcher am 13. November zusammentritt und vor allem dem Saarproblem gewidmet sein wird, nach Rom   begeben und damit die Politik seines Vor­gängers Barthou  , dessen Reise nach Rom   für den 3. November festgesetzt war, fortsetzen wird.

Rom  . Die italienische   Abendpresse nimmt mit großer Befriedigung von dem Entschluß des franzö­fischen Außenministers Laval   Kenntnis, an Stelle feines verstorbenen Vorgängers Rom   und die italie­ nische   Regierung zu besuchen.

Frankreich  

verlangt Auslieferung

Paris  . Die französischen   Behörden haben an Italien   das Ersuchen gestellt, die in Turin  berhafteten kroatischen Terroristenführer Pa ve= lič und Kwateruit in kürzester Zeit aus­zuliefern und nach Marseille   zu bringen. Es ist noch nicht bekannt, welchen Standpunkt die ita­ lienischen   Behörden diesem Auslieferungsbegehren gegenüber einnehmen werden.

Im Laufe des Freitag traf in Turin   ein französischen   Polizeikommissär ein, um alle durch die Verhaftung Paveličs und water­nits entstandenen Fragen zu behandeln. Da noch nicht alle internationalen Formalitäten erfüllt find, konnte er die beiden Verhafteten noch nicht einem Verhöre unterziehen, doch versicherte ihm die italienische Polizei, daß auf beide die Be­schreibung der gesuchten Terroristen Pavelič   und Amaternit passe.

men Barberis verborgen hält.

Samstag, 20. Oktober 1934

Nr. 246

Noch immer Kämpfe Sudetendeutsches Grauerspiel

in Asturien

Madrid.( Tsch. P.-B.) Zeitungsmeldun­gen zufolge scheinen sich in Asturien   Ito ch immer unruheherde zu befinden. In der asturischen Hauptstadt ist die Arbeit zum großen Teil wieder aufgenommen worden. Der Revolu­tion find in Oviedo   zahlreiche öffentliche Gebäude zum Opfer gefallen.

Die Madrider   El Sol" spricht davon, daß bei der Einnahme von Oviedo   durch die Regie­rangstruppen auf seiten der Aufständischen 600 Tote zu verzeichnen sind.

Havas meldet:

Die Regierungstruppen besetzten in der Provinz Asturien   die Stadt Norena, einen wichtigen Eisenbahnknotenpunkt auf der Strecke Oviede  - Santander.

Ein Maulkorb für Winter

Linz. Der Vizebürgermeister Dr. Winter, der bekanntlich eine rege Tätigkeit für die Ver­söhnung der Arbeiterschaft mit der Regierung ent­wickelt, wollte in Ebensee   einen Vortrag veranstal­ten. Der Vortrag wurde über behördlichen Auf­trag der sicher auf die Heimwehren zurückgeht abgesagt.

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Die Kleine Entente   verlangt:

Zwischen Berlin   und Prag  

Der Kampf um die Seele eines Minderfieiten volkes Ich sage Ihnen: Auch wir werden gung nicht... Nein, die Henleinpartei schustert ein Programm aufstellen mit ihre Programme nicht für ihre Bewegung, sondern wenigen grundsäßlichen Punkten; in denen wer- nur für die Oeffentlichkeit zurecht, die sie einseifen den Recht, Gerechtigkeit, aufrichtiges soziales will. Auf einige Punkte mehr oder weniger kommt und es dabei nicht an. Verstehen und soziale Gerechtigkeit einige andere Punkte drinnen sein. Aber ich sage Ihnen, daß es mir und uns herzlich wenig auf ein gut aus gearbeites Programm an tommt, denn wenn wir alle Parteiprogramme seit 1920 hernehmen und nur einen ganz klei­nen Bruchteil dieser Programme verwirklicht hätten, dann hätten wir schon das Paradies. Programme allein machen unsere Zukunft

nicht."

Also sprach Henlein   in seiner ersten Kund­gebung am 12. November 1933 in Reichenberg Damit hat er seine Programmerklärung schon vor­weggenommen, die er am Sonntag in B.- Leipa abgeben will. Man mußte ja zuerst ein volles Jahr zuwarten, wie der Hase läuft. Je nach dem tak­tischen Bedürfnis, kann man ja einige Punkte ein­flicken. Ein Programm sozusagen zum Auf- und Butnöpfen. Weht der Wind demokratisch, wird man Demokrat. Weht der Wind fascistisch, bleibt man Fascist. Programme allein machen ja die Bewe­

Internationale Maßnahmen da sonst Konfliktsgefahr

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Zwischen beiden Polen   schwankt die sudeten deutsche Volksseele. Berlin  , das ist das Programm der nationalsozialistischen Gewalt. Das größte und nächste Beispiel einer fascistischen Diktatur. Auch die nationalistischen und sozialreaktio nären Kräfte anderer Völker fühlen sich dazu hin­gezogen. Aber die Sudetendeutschen sind für das schlechte Beispiel des Hitlerismus doppelt empfäng= lich. Die soziale und nationale Problematit dieses Minderheitsvolkes ist so kompliziert, daß sie der einfache Mann nicht ohne ernstes Nachdenken fassen kann. Die Not ist da, die körperliche und die see­lische. Also weg mit den Parteien, her mit einem Hitler! Jedoch Hitler   thront jenseits der Grenze. Also her mit einem Hitler- Ersaß! Er ist in der Person Henleins gefunden worden. Wer aber die Hitlerbegeisterung der Sudetenden schen politisch fruttifizieren will, muß sich mit Prag   auseinan­dersehen. Das haben Jung und Krebs versäumt und sind daran gescheitert. Die Lehren der Par teienauflösung schrecken. Henlein   tanzt also auf einem Seil, das zwischen Berlin   und Prag   ge= spannt ist. Seine taltischen Künste bringen feine Klärung in die sudetendeutsche Politik, sondern wachsende Verwirrung.

Die grundsätzliche Entscheidung

Prag   ist das nächste politische Willenszen­trum, nicht nur im innerpolitischen, sondern auch im mitteleuropäischen Sinne. Größer ist die sug­gestive Ausstrahlungskraft Berlins  , aber die Su detendeutschen sind durch tausende reale Fälle an Brag gebunden. In Prag   entscheidet sich auf ab­schick. In Prag   muß mit demokratischen Methoden um Geltung gerungen werden. Ein Minderheits­bolt hat nur die Wahl zwischen demokratischer Zu­sammenarbeit und Katastrophenpolitik. Diese Zu­Brücke von gesinnungsverwandten Parteien. Wer indes die Hitlerbegeisterung der Sudetendeutschen  politisch mobilisieren will, der muß vor allem das

Balkanpaktmächte schließen sich vollinhaltlich an Nach einer Meldung aus Turin   forscht die dortige Polizei soeben nach einer verdächtigen Belgrad.( Avala.) Der Ständige Rat der Bei einer derartigen Lage hält es der Stän­Person, die sich angeblich unter dem falschen Na Kleinen Entente und die Außenminister der dige Nat der Kleinen Entente für notwendig, dak sehbare Zeit ihr wirtschaftliches und politisches Ge Staaten, die den Ballanpakt unterzeichnet haben, veröffentlichten Freitag abends zwei Stom­tend ist.

alle Staaten ohne Ausnahme im friedlichen

die Polizei gewisse Spuren. Dort hatte seit lan- muniqués, deren Wortlaut jedoch gleichlaufälle festzustellen. Gleichzeitig verlangt der Rat, jammenarbeit tann sich nur vollziehen über die

Selbst in San Paul in Brasilien   verfolgt gem eine Zweigstelle der makedonischen Organisa­tion Jmro, der Kelemen- Georgijew angehörte, be­standen, deren Leitung seit dem Bekanntwerden des Anschlages von Marseille   plötzlich ver­schwunden ist. Verdächtig erscheint aus diesen Kreisen namentlich eine Frau mit ber­stümmeltem 3eigefinger, die vor furzem von San Paulo nach Desterreich abgereift ist. Man glaubt, daß es dieselbe Frau ist, die mit den Attentätern an der Schweizer   Grenze zu­sammentras, da diese ebenfalls einen verstümmel­ten Zeigefinger hatte.

England

und Austrofascismus

Labourparty drängt auf Eingreifen

Eine elfgliedrige Abordnung der Britischen  Arbeiterpartei und der Freien Gewerkschaften sprach beim Außenminister Sir John Simon bor. Der stellvertretende Fraktionsführer im Un­terhaus, Major Attlee, stellte die Abordnung

In diesem Kommuniqué heißt es nach einer Kundgebung der Trauer für König

Alexander und Barthou  :

" Der Ständige Rat der Kleinen Entente be­faßte sich, indem er die allgemeine politische Lage prüfte, auch mit den Umständen, unter denen das tentatin Marseille   berübt wurde und kam zu dem Schluß, daß es sich um ein Verbrechen handelt, das, da es unter dem Einfluß von im Auslande arbeitenden Kräften verübt wurde, in das Gebiet der Außenpolitik gehört.

In der letzten Zeit wurde tatsächlich eine große Zahl terroristischer Handlungen verübt, deren Ziel es war, bestimmte Länder in ihrer internationalen Stellung zu treffen, die sie er­langt hatten, oder Staaten, die kürzlich zu einer nationalen Einigung gelangt sind, ihrer bewährte­sten Diener zu berauben. Diese internationale Anarchie gipfelt heute in dem Tode des großen Königs, den wir alle liebten und ehrten.

Budapest  . Ministerpräsident Gömbös   ist

Geiste, in Ruhe und in Objektivität zusammen­arbeiten, um die Verantwortung für diese Vor­daß Maßnahmen getroffen werden, durch die eine Wiederholung derartiger Taten in Zukunft ver­hindert werde. Wenn keine geeigneten internatio­nalen Maßnahmen getroffen oder wenn derartige

Maßnahmen nicht mit voller Loyalität und gutem

Willen durchgeführt würden, wie dies erforderlich ist, dann käme es nach der Ueberzeugung des Ständigen Rates der Kleinen Entente zu crustesten Konflikten.

den

Parteiwesen verfluchen, der muß eine antidemo= kratisch nach dem Führerprinzip geleitete Bewe­gung aufziehen. Das tat Henlein  . Darum trägt

seine Bewegung ein Doppelgesicht. Im deutschen  Lager will er den Vernichtungskampf gegen das Parteiwesen führen. Den tschechischen Parteien Mag dem wie immer sein; die Staaten der macht er Komplimente und bietet sich ihnen als Kleinen Entente lassen sich durch terroristische demokratischer Partner an. Das ist ein Auswei­Taten von ihrer gegenwärtigen Politik nicht ab= chen vor der grundsäßlichen Entscheidung. Henlein bringen. Mehr denn je wird die tiefe Trauer, von der sie betroffen wurden, die die Staaten der Kleinen Entente verknüpfenden Bande festigen.

Ihre Regierungen erklären feierlich ihre vollkommene Solidarität mit Jugoslavien und verpflichten sich, daß sie aufs genaueste die Ver­tragsverpflichtungen durchführen werden, durch die sie verbunden sind, und daß sie mit unerschütter­licher Energie die bis jetzt betriebene Politik fort­

setzen werden.

mag ihr ausweichen wollen, die Sudetendeutschen werden ihr nicht entgehen. Auch für sie ist die europäische   Schicksalsfrage gestellt: demokratische Verständigung oder fascistische Gewalt. Was die Deutschen   in diesem Staate zu fordern und anzu­streben haben, kann nur durch geistiges Ringen unter ihnen selbst entschieden werden. Wollen sie ihr Lebensrecht in der Demokratie durchseßen, dann müssen sie unter sich Demofraten sein. Wol­

Yen sie einen Ständestaat, dann dürfen sie ihn nicht nur für die Deutschen   propagieren, dann müssen sie auch ein demokratisches Gesamtregime im bürger in dieses schändliche Verbrechen" verlaate ablehnen und die Konsequenzen hinnehmen, vor. Er. Morrison und Bevin wiesen auf die Ver- Unschuldslamm Gömböser int widelt fei. die ein autoritäres Regiment in einem Völker­folgungen der Sozialisten und Gewerkschaftler in Der Mann hatte angesichts des von der gan staate bedingt. Und die größte Schicksalsfrage un­Desterreich hin, besonders auf die Gefangenhal­zen Kulturwelt noch unvergessenen furchtbaren tung ohne Prozeß, den Raub des Unterstüßungs- Freitag früh zu dem offiziellen Staatsbesuch nach weißen Terrors im Nachkriegs- Ungarn   die eiserne kapitalistisch- fascistischen oder mit demokratisch­serer Tage, ob der Ausiveg aus der Krise mit fonds für die Opfer des 15./16. Juli 1927( 1) Warschau   abgereiu. Stirn, auch noch zu behaupten, daß der Geist und sozialistischen Methoden gesucht werden soll, wer­und des Privateigentums erilierter Sozialisten, Vorher ließ er sich noch offiziell interviewen die Mentalität des ungarischen Volkes im Laufe den auch die Sudetendeutschen beantworten müssen. den Zwang gegen Konfessionslose, in den Katho- und sprach in seiner Antwort von dem ,, inter  - der Geschichte niemals den Mord als poli- Sie können mit ihrem nicht zu unterschäßendem lizismus zurückzukehren usw. Sie betonten, daß nationalen Verleumdungsfeldzug", welchen ein tisches Mittel anerkannt" hätten, und anzukün­Einsatz je nachdem im gesamtstaatlichen das Eintreten Englands für die Selbständigkeit Teil der ausländischen Presse gegen Ungarn   führe digen, daß Ungarn   Schritte gegen den ,, Ver- Kräfteſpiel dem Recht oder der Gewalt, dem Auf­Desterreichs ihm auch das Recht gebe, eine Ge- und welcher Ungarn   als Sündenbock" wegen der leumdungsfeldzug" einleiten werde. bauwillen oder den Zerstörungsgewalten zum neralamnestie für die Februarkämpfer Marseiller   Tragödie hinstellen wolle. Er wisse und die Einstellung der Verfolgungen zu fordern. aber, daß die europäische Meinung die reine Siege verhelfen. Sie tragen die Verantwortung für ihre Zukunft selbst. Außenminister Sir John Simon erwiderte, Wahrheit suche und Ungarn   habe davor nicht Budapest  . Der ungarische Außenminister Henlein   und die Tschechen daß er von dem Gewerkschaftsführer Citrine über nur nichts zu fürchten(!), sondern es tanya ist aus San Remo, wo er einen drei­diese Dinge unterrichtet werde, über deren müsse im Gegenteil die Aufklärung der Wahrheit wöchigen Erholungsurlaub verbrachte, am Frei- Hört man Rednern der Heimatfront in den Wirkung in England die österrei auch seinerseits mit größter Energie verlangen, tag früh in Rom   eingetroffen. Der Minister wird Provinzversammlungen zu, dann ist es der Sinn chische Regierung nicht in Un dann werde sich unzweifelhaft ehrausstellen, daß die Gelegenheit benüßen, um vor seiner Rückkehr ihrer Ausführungen, daß die Sudetendeutschen  tlarheit sein könne. Der Außenmini- weder die ungarische Regierung oder irgend nach Budapest   dem Ministerpräsidenten Musso unter der Herrschaft des Parteiivesens dem völti­ster begrüßte schließlich die jüngsten Freilassungen welche Regierungsstellen oder amtlichen Organe, Lini und dem Staatssekretär für auswärtige fchen Untergange geweiht sind. Wird in fünfzig noch überhaupt ein einziger ungarischer Staats- Angelegenheiten Suvich Besuche abzustatten. einiger Gefangenen. Jahren unsere Heimat noch deutsch   sein? Das ist

Kanya in Rom