Seite 2 Freitag, 28. Oktober 1934 bungen werden aus dem Umlauf genommen werden, wodurch die Staatsschuld verkleinert wird. Der Ankauf von Staatsschuldverschreibungen hat sicherlich auch den Zweck, die Kurse der Staatspapiere zu beeinflussen. Für uns als sozialistische Partei ist es bei der sachlichen Beurteilung des Budgets wichtig sestzustellen, daß im ganzen und großen die bisherige Unter st ützung der Krisenopfer durch den Staat aufrecht erhalten bleibt. Im Finanzgesetz wird ausdrücklich verfügt, daß für die Zwecke der Arbeitslosenfürsorge 650 Millionen bereit gestellt werden, so daß sowohl die Unterstützungen nach dem Genter System als auch die Ernährungsaktionen ungehindert vor sich gehen können. Aufgabe der sozialdemokratischen Parlamentarier und aller öffentlichen Funktionäre der Partei wird es sein, daß dieser Betrag ohne die üblichen behördlichen Schikanen den Arbeitslosen wirklich zugute kommt. Auch für die Arbeitsbeschaffung durch die Selbstverwaltung ist gesorgt, indem der Staat für 50 Millionen Anleihen, welche den Selbstverwaltungskörpern gewährt werden können, die Garantie übernimmt. Außerdem dient der Wirtschaftsankurbelung eine weitere Garantie von 50 Millionen für Jndustriekredite, welche die Landesbank an industrielle Unternehmungen gewähren kann. In fast allen Kapiteln des Bud- gets sind außerdem Jnvestitionsaus- gaben enthalten, so vor allem Hunderte von Millionen im Budget des Ministeriums für öffentliche Arbeiten, während weitere Hunderte von Millionen Investitionen in den Staatsbetrieben vorgesehen sind. Sicherlich entspricht das Budget für das das Jahr 1935, wie es vor uns liegt, nicht all den Wünschen, welche ein Sozialist an ein Staatsbudget stellt. Die sozialistischen Regie- rungsmitglieder haben sich in langwierigen Verhandlungen bemüht, das Budget so zu gestalten, daß den Interessen der arbeitenden Schichten, sowie denen der Arbeitslosen mög- lichst weit Rechnung getragen wird. Es ist das Budget einer Koalitionsregierung, das vor uns liegt, das Ergebnis emes Kompromisses, das Budget einer demokratischen Regierung, das auf demokratische Weise, nämlich durch Verhandlungen der Parteien untereinander, zustande gekommen ist. Dieser d e- mokratischenRegierung, an der die sozialdemokratischen Parteien beteiligt find, werden auch die sozialdemokratischen Parlamentarier im vollen Bevmßtsein ihrer Deranüvor- tung das Budget bewilligen. Der Senat hielt Donnerstag nachmittags eine Trauersitzung für König Alexander, Barthou und Poincare ab, an der sich ebenso wie am Vormittag im Abgeordnetenhaus die gesamte Regierung mit dem Ministerpräsidenten an der Spitze und in der Diplomatenloge die Gesandten von Frankreich und Jugoslawien beteiligten. Die Reden der beiden Kammerpräsidenten wurden auch im Rundfunk gesendet.— Die nächste Senatssitzung soll schriftlich einberufen werden, voraussichtlich für Anfang der übernächsten Woche. Arbeiterinspektoren auch für die Fabriken Die freigewerkschaftliche Landeszentrale hat dem Ministerium für soziale Fürsorge ein Ansuchen um Erweiterung der Gewerbeinspektion überreicht, da die jetzigen Befugnisse und der Umfang der Gewerbeinspektion eine vollständig unzureichende ist. Die Landeszentrale fordert die Errichtung einiger neuerJnspektorate für Böhmen , und zwar in: Kladno , Klattau , Kolm, Laun, Raudnitz , Pisek , Nachod , Beneschau, Taus, Deutsch-Brod , Komotau , Eger und Leitme- rih. Ferner werden fünf neue Inspektorate für Mähren , drei für die Slowakei und eines für Karpathorußland gefordert. Nebst dieser Erweiterung der Gewerbeinspektion verlangt die gewerkschaftliche LandeSzen- trale, daß, so wie eS im Bergbau der Fall ist, auch Arbeiterassistenten mit Jnspek- tionSbefugnissen ausgestattet werden. Das FürsorgMinisterium hat die Absicht, diese Forderungen^u verwirklichen. Demnach können auch die Arbeiter in den Fabriken und in den sonstigen, der Gewerbeinspektion unterliegenden Betrieben damit rechnen, in absehbarer Zeit eine Verbesserung ihres Schutzes zu erlangen. Die Abzüge der Staatsangestellten Beratungen der Koalitionsparteien Am Donnerstag, den 25. Oktober, verhandelte der Zwölferausschuß der koalierten Staatsangestellten-Organisationen und die Exekutive in einer gemeinsamen Sitzung mit den Obmännern der politischen Parteien über die Forderung der öffentlichen Angestellten auf Aufhebung der Abzüge nach dem Gesetz 204/32 und der Regierungsverordnung 252/33. In der Beratung formulierten folgende Herren den Standpunkt der Parteien: Abgeordneter Beran für die republikanische Partei, Abgeordneter H a m p l für die tschechoslowakische sozialdemokratische Arbeiterpartei, Abgeordneter TuLnh für die tschechoslowakische nationalsozialistische Partei, Abgeordneter Taub für die deutsche sozialdemokratische Partei und Abgeordneter I e 8 e k für die nationaldemokratische Partei. Die Wortführer aller Parteien konstatierten übereinstimmend, daß die Ueberzeugung von der Härte der Sparmaßnahmen bei den öffentlichen Angestellten eine allgemeine ist. Bei den Verhandlungen über das Staatsbudget für das Jahr 1935 wird eine Art gesucht werden müssen, inwieweit vom Standpunkt der Tragfähigkeit der Staatsfinanzen zu einer allmählichen Milderung dieser Maßnahmen geschritten werden könnte., Namens' der"anwesenoen Mästen' förmu-^ lierte die Abgeordnete Jurneökovä den Standpunkt der Frauen in öffentlichen Diensten zu den die Angestellten betreffenden Sparmaßnahmen. Im Ministerrat erstattete am Freitag Dr. Benes einen Bericht über die Konferenz der Kleinen Entente in Bel grad , bei welcher die Situation behandelt wurde, die infolge des Marseiller Attentates entstanden ist. Hierauf erstattete der Minister ein ausführliches Referat über die außenpolitische Situation in Europa überhaupt und über den gegenwärtigen Stand der internationalen Beziehungen unter den Staaten, welche die Interessen der Tschecho slowakei und der Staaten der Kleinen Entente berühren, u. zw. insbesondere über die in der letzten Zeit seitens der Nachbarstaaten geführten diplomatischen Verhandlungen. Der Bericht des Ministers wurde nach durchgeführter Debatte mit Zustimmung zur Kenntnis genommen. Vas Personalbudget Der Anteil der Personalausgaben am Gesamtbudget ist aus folgenden Ziffern ersichtlich:• A. Budget der eigentlichen Staatsverwaltung: Personalausgaben 3.888,523.600 XL oder 48.71 ProzeM. B. Budget der staatlichen Antern eh mungen: Personalausgaben 3.855,608.500 XL oder 50.95 Prozent. Außerdem find noch in der Gruppe Hl(Zuweisungen an die Sclbswerwaltungskörper) 925 Millionen als Zuschuß zu den Lehrergehältern eingestellt/ Henlein und die Demokratie „Närodni OSvobozeni" kommt im donnerstägigen Leitartikel nochmals auf die Leipaer Kundgebung der SHF zurück und beschäftigt sich insbesondere mit dem Verhältnis Henleins zur Demokratie. Es schreibt: Henlein sagte, daß er für die Demokratie sei, aber nicht für die heutige, sondern für eine andere. Für welche? Das sagt er nicht, denn die glatten Worte von der richtigen, lebendigen Demokratie der entschiedenen Tat und der sittlichen Persönlichkeit sind eben nichts anderes, als eine leere Phrase, genau so wie die, daß di« Demokratie wahre Volksherrschaft bedeutet. Das ist nicht eine neue Auffassung der Demokratie, sondern die Stürze, unter der sich manches kochen läßt, was mit der Demokratie nichts gemeinsam hat. Hören und lesen wir denn nicht, daß die italienischen Theoretiker des‘ Fascismus diesen als die wahre Demokratie ausgeben?' Und machen das nicht bei uns die Gajdaleute ebenso seit der Zeit, da ihnen das Wasser in die Stiefel zu rinnen begann? Es darf uns nicht täuschen, daß Henlein sich offen für die Freiheit des Einzelnen und für die Freiheit des Wortes, der Presse und für die Versammlungsfreiheit ausgesprochen hat. Als politischer Redner einer nationalen Minderheit kann er nicht anders. Behauptete er, daß der Hitlerismus zu uns nicht übertragen werden kann, hat er insoweit recht, als .sich nicht alle seine Methoden und seine ganze Ideologie übertragen lassen. Aber man muß fest-" stellen, daß es ihm vorläufig nicht gelungen ist, den berechtigten Verdacht zu widerlegen, das, was er fördert etwas im Sudetendeutschen sehr Aehnliches ist, mit vielen Unterschieden in Ideologie und Methode, welche durch die hiesigen Verhältnisse gegeben sind, aber deswegen nicht weniger gefährlich. Verlangt Henlein , die Tschechen mögen ihn verstehen, muß man ihm antworten, daß dies erst dann geschehen könne, wenn er eine andere politische Sprache sprechen wird. Die Töne, in welchen er in Böhm.-Leipa gesprochen hat, haben wir zu ost über die nördliche und wesüiche Grenze herübergehört, als daß wir ihnen unsere Herzen öffnen könnten. 81 BRUNO ADLER : Copyright 1884 by Michal Kacha Verlag, Prag XIX Die Mitschuldigen des Hilsner werden steckbrieflich verfolgt. Ueberall in der Monarchie wird ihre Personalbeschreibung in mehreren Sprachen veröffentlicht. Zwei Tage später wird Wassermann in Leitmeritz verhaftet. Er hatte sich in Auscha , wo er an einem Bau beschäftigt war, dem Bezirksgericht gestellt und war mit drei Gulden Reisevorschuß nach Kuttenberg geschickt worden. Ganz Leitmeritz versammelt sich vor dem Stadthaus, wo er interniert ist. Der andere, Erbmann, wird in Schlan festgenommen. Man bringt ihn und seine Frau in den Arrest und läßt ihn vom städtischen Nachtwächter bewachen. Am nächsten Morgen wird er zum Gericht geführt, die Straße ist von Menschen gedrängt voll, sie widerhallt vom Geschrei der Rachsucht. Der Verhaftete erklärt, von dem Mord nichts zu wissen. Unter dem Futter seines Hutes findet man aber einen Aufgabeschein über ein Paket mit Kleidern, die von Polna nach Karlsbad abgeschickt worden sind. Von diesem Fund verspricht man sich wertvolle Enthüllungen. Man zögert, die beiden nach Kuttenberg einzuliefern, um die Erregung unter der Bevölkerung dort nicht zu steigern. Aber sie verlangen, Hilsner gegenübergestellt zu werden. Schon am folgenden Tag gibt ein Arzt des Allgemeinen Krankenhauses in Deutsch-Brod öffentlich bekannt, daß Wassermann von Mitte März bis Mitte April in dem dortigen Spital gelegen sei. Erbmann stellt jede Teilnahme an der Tat entschieden in Abrede. Als es sich herumspricht, daß er auf dem Transport nach Kutten berg Prag passiere» versammelt sich eine riesige Menschenmenge auf dem Franz-Josephs-Bahn- hof. Auf allen Stationen der Strecke gibt^.Demonstrationen. Die Bilder der beiden Verhafteten erscheinen mit der Unterschrift: Die Mörder von Polna . In Kuttenberg bestätigt sich die Angabe des Deutsch-Broder Arztes, und auch Erbmann erbringt ein lückenloses Alibi. Die beiden treten Hilsner gegenüber. Er ist überrascht, er erkennt sie sofort. Sie sind im Februar einmal bei seiner Mutter über Nacht geblieben. Seither hat er sie nicht gesehen. Schluchzend bekennt er, wie ihm seine Zellengenossen mitgespielt haben, daß er ganz von Sinnen war und nur darum so ausgesagt habe, weil sie ihm drohten, das Todesurteil werde sofort vollzogen, wenn er nicht auf der Stelle die Komplizen nenne. In seiner Todesangst wußte er keinen Ausweg. Und wieder beteuert er, ganz und gar unschuldig zu sein. Aber als er in die Zelle zurückkommt und ein neuer Häftling über ihn herfällt und ihn furchtbar schlägt, behauptet er wiederum, sein Geständnis sei wahr, und er widerruft den Widerruf. Vom Aufseher erfährt er, daß Erbmann entlassen worden sei, und er schüttelt dazu den Kopf: Wie man so einen Landstreicher nur freilassen könne! Es sei allerdings Wassermann, der es hauptsächlich getan habe. Und als er hört, daß auch Wassermann enthaftet sei, erklärt er, er habe sich geirrt, er habe einpn Juden aus Oswiecim in Polen gemeint. Jetzt aber glaubt ihm selbst Miffek nicht mehr und nennt ihn einen Lügner und Betrüger. Hilsner schlägt sich auf die Brust:„Ich muß es doch wissen, ich war doch dabei, wie er ihr die Kehle durchgeschnitten und das Blut in einem Blechtopf aufgefangen hat!" Auf dieser Darstellung besteht er, bis er seiner Mutter gegenübergestellt wird. Weinend nimmt er alles zurück:„Ich weiß von nichts! Ich bin unschuldig!" Erbmann und Wassermann werden nach zehntägiger Haft entlassen. Ein Fiaker bringt sie insgeheim nach Kolin zum Zug. Dort wartet eine stattliche Menge Neugieriger auf dem Perron. Der begleitende Gendarm ist gemütlich.„Die Leute draußen wollen Sie sehen, stellen Sie sich zum Fenster!" Sie zeigen sich in der Tat. Eine Flut von Beschimpfungen überschüttet sie. . Von neuem lebt die Diskussion auf. Hat Hilsner wirklich gelogen? Wollte er nur um jeden Preis einen Aufschub der vermeintlichen Justifizierung gewinnen? Oder hat er die Wahrheit gesagt und sich in den Personen geirrt? Oder sind die nun Enthafteten doch mitschuldig und die Angaben, die für ihre Unschuld sprechen, falsch? Die Verwirrung ist grenzenlos. Das Geschäft blüht. Wieder ist es, allein„Cas", der sich scharf gegen die Verhetzung und insbesondere gegen Baxa wendet. Die Zeitung fühlt sich dazu verpflichtet, „damit wenigstens jemand gegen den blutdürstigen Aberglauben Front macht, der dem tschechischen Namen in ganz Europa Schande und Hohngelächter einträgt... Die bestia triumphanS feiert in Böhmen ihren Siegeszug." Mn Mann allein Jedermann kennt diese Stimme. Sie läßt sich, nur dem eigenen Gewissen hörig, das Recht auf Offenheit niemals nehmen. Wenn die an-' dern verstummen, well ein nationales Interesse oder die Rücksicht auf andere erhabene Notwendigkeiten eS so verlangt, spricht sie und übertönt das Schweigen. Für wenige ist sie die Stimme des Prediger? in der Wüste, für die Vielen die Stimme des Aevgerniss's. Der Professor Thomas G. Masaryk hat die UniversttätSferien dieses Jahr in seiner mährischen Heimat verbracht. Die Ferien gehören zuerst der Frau und den Kindern; wissenschaftliche Arbeit und Teilnahme am öffentlichen Leben müssen in diesen Wochen zurücktreten. Aber auch in die Stille des Landaufenthaltes dringt der mißtönende Lärm der Judenhetze. Ihre Ursachen und Wirkungen beobachtet Masaryk mll dem Auge des SoNr. 251 Die unentbehrlichen Kommunisten Bürgerliches Eingeständnis . In der„Deutschen Landpost" ist in einem Artikel über das Arbeitsprogramm des Parlamentes, bzw. die vorbereiteten Regierungsvorlagen folgendes zu lesen: Im Zusammenhang mit der Novelle zum Parteiengesetz steht das Parteiregistrierungsgesetz, Zweck dieses Gesetzes sei vor allem, die politischen Parteien auf eine rechtliche Grundlage zu stellen. Die Parteien sollen in ein Register eingetragen und nur registrierte Parteien zur Wahlbeteiligung zugelafsen weichen. Eine dieser Voraussetzungen soll das Bekenntnis der Partei zum Staat und zur demokratisch-republikanischen Staatsform sein. Dieses Postulat schafft beträchtliche Schwierigkeiten. Man weist darauf hin, daß sich z. B. die kommunistische Partei nicht zur demokratischen Staatsform bekennen kann und daher nicht zur Registrierung und Wahl zugelassen werden könne. Gerade die bürgerlichen Parteien wollen aber die Kam» mnnisten im Parlament nicht misten, denn ihr Lerschwinden würde ein ihnen unliebsames Anwachsen der sozialistischen Parteien bewirken. Jetzt wissen wir, wozu die kommunistische Partei da ist. Die bürgerlichen Partei?» können, wie es so schön heißt,„die Kommunisten im Parlament nicht missen", weil dann die Sozialdemokratie zu stark würde. Präsident Masaryk empfing Donnerstag, den 25. Oktober, um 16 Uhr in feinem Arbeitszimmer auf Schloß Läny den neuen Gesandte« der Vereinigten Staaten von Amerika für die Tschechoflowakei. JoshuaButlerWright, der neue Gesandte, ist ein guter Kenner der mitteleuropäischen Verhältnisse. 500 Privatautos waren nach einer Darstellung der„Sudetendeutschen Tageszeitung" zur Henleinkundgebung nach Böhmisch-Leipa gekommen. Mit diesen 500 Auws waren nicht weniger als 2500 Teilnehmer, also ein Fünftel aller Versammlungsteilnehmer, gekommen. Wer bezwei- fell da noch, daß die SHF die Bewegung der armen Leute ist? Eine Novelle znm Militär-Disziplin- nnd Strafrecht(Gesetz 154/23) wurde am Donnerstag in der. ersten Senatssitzung aufgelegt. Die wichtigste« Aenderungen sind folgende: Als Disziplinarstrafe« werden auch für nichtaktive Militärpersonen Geldbußen eingeführt. Die ehrenrätlichen Ausschüsse werden in Hinkunft nur für Verstöße zuständig sein, di« den guten Ruf der Wehrmacht bedrohen oder schädigen(sogenannte Standesvergehen), nicht aber für Verletzung der Amts- und Dienstpflichten etc. Weiters ist eine zwangsweise Versetzung vom Berufs- gagisten in den Ruhestand vorgesehen. Vorschriften über ein vereinfachtes Straf-, bzw. ehrenrätliche- Verfahren für. den Fall, der Mobilisierung oder des Krieges sollen durch Regierungsverordnung erlasse« werden. Verbot von Zugaben beim Wareneinkauf. Di« Regierung hat im Senat ein Gesetz vorgelegt, daS ein Verbot von Zugaben beim Warenverkauf oder bei der Vornahme von Leistungen beinhallet. Daallgemeine Gesetz über den unlauteren Wettbewerb bot in dieser Hinsicht gegen diese Unsitte keinen genügenden Schutz. Durch die neue Vorlage wird zwar noch in gewissen Fällen die Gewährung von unbedeutenden Sachen als Zugaben zugelaffen, doch muß die Zugabe der gleichen Gattung wie die geliefert« Ware angehören. Auch die Gewährung von Rabatten und Preisnachlässen ist zulässig. Für Uebertte« wng sieht der Entwurf Geld- und auch FreihettS- strafen vor. ziologen, mit dem Verstand des umfassend gebildeten Gelehrten und mit dem Herzen, das der Idee der Menschlichkeit hingegeben sst. Wohin er kommt, begegnet ihm, dem Feind aller Dummheit und Gebundenheit, alles Paroxismus und Aberglaubens, der Haß und seine.Propaganda. I« der Nähe von Bistritz , seinem Landaufenthalt, liegt der jesuitssche Wallfahrtsort Hostein; von hier aus wird das Land ringsum mit dem Geist unchristlicher Intoleranz verseucht; die llerikalen Zeitungen und die politischen Kundgebungen overieren mtt den Methoden und Argumenten, die ihm von den Wiener Deutschvölkischen und den Christlichsozialen her vertraut sind; und bei den Volls- beratern und Drahtziehern muß er eine moralische Verkommenheit feststellen, mit der sich auch der hartgesottenste Wucherjude nicht messen kann. Gewohnt, gründlich zu analysieren, und mit der Kraft der Synthese begabt, hat er hinter der nattonalistischen Erscheinungsform des Judenhasses längst dessen ökonomssche Grundtriebe erkannt. Ueberall, wo der katholssche Klerus und der tschechische Chauvinismus die Empörung gegen die Juden dirigieren, nützen sie die wirtschaftliche Unfreiheit uiw die Not des Bolles für ihre Zwecke aus. Jede Erfahrung des Alltagslebens bestätigt ihm diese Erkenntnis.' Durch Steuererhöhung ist der Zucker verteuert worden. Er unterhält sich Mit einer alten Arbeiterftau Wer ihre Lage, sie llagt und schimpft und beschließt ihr Lamento mit der Drohung:«Wir werden halt über die Chro- piner Juden herfallen!" Die Frau, mit dec Pfeife itn Mund.' sagt es ganz mechanisch. Alle nationalökonomischen Problem« drängen nach ihrer Lösung im Pogrom. Aber«r braucht gar nicht erst solcher äußerer Erfahrungen— er braucht sich nur der eigenen Kindheit zu erinnern. Im heimatlichen Dorf hat er es nicht anders gehört: die Juden sind Verbrecher; zu Ostern brauchen sie christliches Blut. (Fortsetzung folgt'
Ausgabe
14 (26.10.1934) 251
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