Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
Einzelpreis 70 Heller
( einschließlich 5 Heller Porto)
14. Jahrgang
Sie packeln schon
,, Nationale" Unterhändler
bei Schuschnigg
Wien. Wie amtlich gemeldet wird, wurde
eine Reihe nationaler Persönlichkeiten, dic
Sonntag, 28. Oktober 1934
Wir stossen vor!
ſchon früher Pläne über die Liquidierung der Er- Am nächsten Sonntag fünf Kundgebungen
eignisse vom 25. Juli, sowie über die Möglichkeit einer Teilnahme dieser Kreise am Wiederaufbau maßgebenden Kresen vorgelegt hatten, über Antrag des Bundeskommissärs für Heimatdienst 3um Empfang in das Bundeskanzleramt geladen, wo sie von Schuschnigg , Starhemberg und dem neuen Generalsekretär der Vaterländischen Front Adam empfangen wurden. In einer längeren Aussprache sei den einzelnen Erschienenen die Möglichkeit gegeben worden ,,, ihre Meinung über die auf die nationalen Gruppen bezüglichen Fragen vorzulegen".
Schuschnigg und Starhemberg haben erividert, daß die Mitarbeit nationaler Kreise deren Einfügung in den Rahmen und das Statut der Vaterländischen Front zur Voraussetzung habe. " Die primäre Voraussetzung für diese Entwicklung sei jedenfalls bedingungsloses Bekenntnis und Eintreten für den österreichischen Gedanken, für die innere und äußere Freiheit und Unabhängigkeit Desterreichs und daher loyale Unterstübung der Regierung. Für weitere Fühlungnahme stehen die Wege
offen.".
Keine Versöhnung mit den Kleriko- Fascisten!
Die Aktion Winters gescheitert.
"
nach
Für Sonntag, den 4. November beruft die deutsche sozialdemokratische Arbeiterpartei
Karlsbad , Bodenbach , Komotau , Teplitz- Schönau , Mähr.- Schönberg und Jägerndorf
öffentliche Kundgebungen ein mit der Tagesordnung:
Für Freiheit und Brot!
Gegen getarnten Fascismus!
In ernster Stunde erheben wir die Stimme des arbeitenden Volkes. Gegen die Phrasen des Nationalismus und Fascismus stellen wir unser Bekenntnis zur sozialen Demokratie, zu einer Republik der Gleichen und Freien, zu einem friedlich geordneten Europa .
Genossen und Genossinnen!
Diese Kundgebungen sollen Zeugnis geben von der unerschütterlichen Kraft der sude tendeutschen Arbeiterbewegung, von ihrer Kampflust, ihrer Siegeszuversicht. Seht in den wenigen Tagen der Vorbereitung alle Kräfte ein für einen machtvollen Verlauf der Manifestationen!
Die näheren Weisungen ergehen durch die Kreis- und Bezirksorganisationen.
Ueberfüllte Gefängnisse
Eine politische Todesanzeige
übernimmt der
Madrid . Das für 1100 Häftlinge be- Vom Pressedienst der Deutschen Arbeitsstimmte Madrider Gefängnis birgt jetzt mehr als und Wirtschaftsgemeinschaft 3000 Häftlinge, die zum überwiegenden Teil im Zusammenhang mit den letzten politischen Ereignissen eingeliefert wurden.
Wir lesen in der Arbeiter- Zeitung ": Die Aktion Winters" ist von allen gejinnungstreuen Arbeitern von Anfang an abgelehnt worden. Jetzt wendet sich immer schärfer auch die Faszistenregierung gegen Ernst Karl Win ter . Der Sicherheitsdirektor von Oberösterreich hat die von Winter angekündigten Versammlungen in Linz Steyr , WeIs und Ebensee verboten. Die„ Reichspoſt" greift Winter heftig an. Im Vorwärts"-Gebäude hat man Winter sein Arbeitszimmer entzogen. Winter hat es versucht, Feuer und Wasser, die Arbeiterklasse und den Fa- tiert. icismus zu versöhnen; der von Anfang an aussichtslose Versuch ist selbstverständlich gescheitert und wird nun wohl auch formell bald liquidiert
werden.
Wien. ( Havas.) Die Polizei nahm bei dem ehemaligen Oberstleutnant der österreichischungarischen Armee Percevič, einem gebürtigen Kroaten, eine Haussuchung vor, die ohne Ergebnis verlief; auch das Verhör lieferte keinen schlagenden Beweis für eine Verbindung seiner Person mit den kroatischen Terroristen. Percevič wurde trotzdem für den Fall in Haft belassen, daß die jugoslawischen Behörden feine Auslieferung verlangen sollten. Die Frau
mit den zwei Pässen
Paris. ( Havas.) In Paris wurde eine Frau berhaftet, die aus Bordeaux kam und die im Verdachte steht, eine Komplizin der Marseiller Atten täter zu sein. Sie gab an, Marie Trodt zu heißen und am 13. März 1908 in Custin(?) in Deutschland geboren zu sein. Sie hat zwei Bässe, einen auf den Namen Lucie Josephsohn und den anderen auf den Namen Sybille von Schulenburg.
Die Staatspreise
Am Vorabend des Staatsfeiertages wurden wie alljährlich die Träger der Staatspreise bekanntgegeben. Von tschechischer Seite erhielten den Staatspreis für Literatur Vitěslav Nez bal, Karl Čapek und Josef Gregor Tajovsky, für dramatische Kunst Edmond Konrád und Vilém 3 itet, für Musit Josef
Lastautos sammeln Leichen!
In Oviedo haben die Behörden zum Sammeln der Leichen der Opfer der Unruhen in der Umgebung der Stadt einige Lastautos requiriert. Bei der Durchsuchung von niedergebrannten Gebäuden wurden einige verkohlte Leichname
gefunden.
Vom Ständestaat enttäuscht! Ein Protest des niederösterreichischen Gewerbebundes
Wien . Die„ Desterreichische Gewerbezeitung" meldet, daß die Landesleitung Niederösterreich des Gewerbebundes bei der Landesregierung einen Protest dagegen erhoben hat, daß auf das Gewerbe mit seinen 50.000 Kammerwählern bloß vier, auf den Handel mit seinen 24.000 ammerwählern nur zwei Mandate in den Landtag zugeteilt wurden, während der Landwirtschaft mit ihren 110.000 Kammerwählern volle 18 Man date zugewiesen worden sind, von denen bloß drei mit Arbeitnehmern zu besetzen sind.
Was deutsches Recht bedeutet Sechs Jahre Zuchthaus für einen Holländer Wir lesen in ,, Het Volk":
" Teplitz- Schönauer Anzeiger" einen Artikel, wo zu lesen iſt:
,, Nachdem nun Henlein überdies den Totali tätsanspruch der ersten Zeit aufgegeben hat, ist bei der aufgezeigten Gleichheit des politischen Wollens die beste Gelegenheit zur Schaf fung einer Einheitsfront gegeben. Heimatfront DAWG
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Nr. 253
Fest und Verpflichtung
Zum 16. Geburtstag der Republik
Wenn wir deutschen Sozialdemokraten heute die Republik feiern und uns der inneren Festigfeit wie der Sicherheit nach außen freuen, deren sie sich am Abschluß ihres 16. Jahres rühmen fann, so bekennen wir uns zu Prinzipien, die wir niemals verleugnet haben, auch nicht in den Zei ten, da wir das in der Republik herrschende politische System heftig bekämpften. Immer haben wir dem tschechoslowakischen VoIf die Freiheit gegönnt, die es sich 1918 nach dreihundertjähriger Pause in seiner großen Geschichte wieder erkämpft hat, immer haben wir es begrüßt, daß die Erneuerung des tschechoslowakischen Staates im Herzen Europas , das der monarchischen Staatsform vorbehalten schien, eine Republik nach westlichem Muster schuf, immer haben wir die demokratischen Fundamente des Staates freudig bejaht. Aber wir würden lügen, wollten wir behaupten, daß der Staat und seine Einrichtungen unseren Herzen immer gleich nahestanden. Von 1918 bis 1932 war die Tschechoslowakei eine unter drei mitteleuropäischen Republiken, die nach demokratischen Grundsäßen aufgebaut waren und regiert wurden. Ihre Existenz war von diesen beiden Nachbarn nicht bedroht. 1932 änderte sich das. Als in Deutschland der Junker Franz von Papen ans Ruder kam, fiel der größere Teil Mitteleuropas aus der demokratischen Ordnung aus, die 1918 begründet worden war. 1933 wurde er vollends zum Bollwert der Konterrevolution und zum Herd furchtbarer Kriegsgefahren. Nun war die Tschechoslowakei nicht mehr eine Republik unter anderen, nun erhielt ihre Existenz einen weit tieferen geschichtlichen Sinn. Je mehr sie bedroht war, desto enger schlossen
wir uns ihr an. Nun da ihr Gefahr drohte, verficherten wir gern und aus ganzem Herzen, daß wir sie schützen wollen. Man brauchte uns zu solchem Bekenntnis nicht zu nötigen. Weder Drud noch Werbung, weder Konjunktur noch raffinierte Taktik veranlaßten uns, das Bekenntnis zum Landbund Christlichsoziale Staate, das schon Josef Seliger 1919 abgelegt Gewerbepartei, vereinigt im gleichen hatte, nun herzlicher und lauter zum Ausdruck zu politischen Willen, geschieden in verschiedenen bringen. Wir hatten da nichts zu revidieren und Nuancen der Weltanschauung welche Macht brauchten uns nicht umzuschalten. Denn wir hatkönnte diese Einheitsfront erringen." ten, nochmals sei es betont, den Gedanken der staatlichen Unabhängigkeit der tschechoslowakischen Nation, die republikanische Staatsform, die demokratische Verfassung und mit dem System des Friedens, den wir erhalten wollten,
Die in der Form eines geschäftlichen Angebotes veröffentlichte Todesanzeige der letzten Reste des deutschbürgerlichen Liberalismus verdient registriert zu werden.
,, Wohin rollst du, Aepfelchen?" auch die territoriale Integrität des Staates von Anbeginn bejaht.
Unter diesem geschmackvollen Titel beginnt ein Artikel in der männiglich als hundertprozentiges Hakenkreuzblatt bekannten" Rumburger Beitung" wie folgt:
"
Aber nun kam ein neues Moment hinzu. Nun fühlten wir und sagten es gern, daß dieser Staat auch unser Staat ist, mögen auch manche seiner Einrichtungen unserem „ Prag ( DAWG). Die deutschen Sozial- deal von Demokratie nicht entsprechen. Als demokraten haben eine böse Woche hinter sich. Man 1934 auch Oesterreich dem Fascismus verfiel, als kann nicht sagen, daß sie in dieser Woche besonders nun auch im Süden statt eines neutralen und ruhm und erfolgreich abgeschnitten haben." befreundeten Staates, ein höchst labiles Gebilde Dann kommt eine Spalte Naziotismus. Auf entstand, das gefährlicheren Mächten zum das Gewäsch von der beabsichtigten Verschmelzung Sprungbrett gegen die Republik werden könnte, beider Großeinkaufsgesellschaften usw. einzugehen, wäre zuviel Herablaſſung. Nur soviel jei festge- wurden wir uns der Schicksalsverbundenheit mit halten, daß eine Korrespondenz der Bacher- Rosche- der Republik noch deutlicher bewußt, war sie doch Gruppe derzeit nichts anderes zu tun hat, als die jetzt der letzte demokratische Fels in nordböhmische Schriftleiterpresse mit antimargi- der Flut der fascistischen Reat. stischem Schmus zu beliefern. Henlein sei Dank, tion. daß er uns wenigstens vor der physischen Qual erlöst hat, solche Leute mit dem Demokratenhut her umlaufen zu sehen! Kann es noch einem Ziveifel unterliegen, wohin das deutschdemokratische Aepfel
chen rollt?
Der in Venlo wohnhafte Niederländer G. J. 3 i ers ist wegen Hochverrats gegen den deut schen Staat in Berlin hinter verschlossenen Türen zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Der Rechtsanwalt E. Da ub aus Venlo , der die Verteidigung des Angeklagten übernommen hatte, hatte ersucht, dem Beschuldigten gegenübergestellt zu werden. Die Behörden haben ihm jedoch das Zusammenkommen mit Ziers vollständig unterSuf. sagt. Ein deutscher Verteidiger, der dem AngeDen deutschen Staatspreis erhielt Ludwig flagten zugewiesen worden war, beantragte Freis Winder für den Roman Familie Dörre spruch; der Staatsanwalt verlangte fünf Jahre Der Prozeß wird Mitte November in Kiew stattüberwindet die Krise." Zuchthaus. Der Gerichtshof verhängte sechs Jahre. finden.
Sowjetunion Akulow und der Kommissar Balicki ( DGP) haben im Zusammenhang mit den Niefenunterschlagungen gegen 32 Beamte des Justiz kommissariates der Ukraine Saftbefehle erlassen.
Von diesen Gefühlen und Erwägungen find wir auch heute beherrscht. Wir bejahen diesen Staat als Republit, als Demokratie, als die Lebensform eines Volkes, das dank seiner Selbständigkeit erst feine großen Fähigkeiten voll entfalten und seinen Platz in der europäischen Kulturgemeinschaft ganz ausfüllen konnte. Wir sehen in diesem Staat aber unsere Heimat, unseren Staat
deshalb, weil er ein Garant des Friedens, weil seine Verfassung eine Gewähr friedlicher Machtentfaltung der deutschen Arbeiterklasse, ihrer sozialen und kulturellen Entwicklung ist.
Wir wollen aber nicht vergessen, daß unfer festliches Bekenntnis zum Stoat