Seite 6 „Sozialdemokrat" Sonntag. 28. Oktober 1934. Nr. 253 Prager Zeitung Deutsche Republik-Feier in Prag Die am Vorabend des Staatsfeiertages von der Prager Urania veranstaltete Republik -Feier, durch die Teilnahme des Außenministers Doktor Benes ausgezeichnet und aus der Reihe sonstiger deutscher Veranstaltungen emporgehoben, war eine kurze, durch ihre. Einfachheit des demokratisch-republikanischen Staatsgedankens würdige Feier. Der Besuch war gut. Besonders fielen die in großer Zahl erschienenen deutschen Soldaten der Prager Garni son auf. Nicht recht verständlich ist, warum sie im voraus dazu bestimmt waren, im Hintergründe und auf den Galerien zu stehen.— Ueber der Bühne war eine große Staatsfahne angebracht, die Rückwand der Bühne zierte ein neues Porträt Masarhks, das den Präsidenten so zeigt, wie es wirklich am charakteristischesten ist für dieses Staatsoberhaupt: mit einem Buche in den Händen. Der Gelehrte als Staatsführerl Das Bild, das für den großen Lehrsaal der Urania-Volkshochschule bestimmt ist, wurde am Samstag zum ersten Male gezeigt. Eröffnet wurde die Feier durch das„Präludium" Dr. Th. V e idls, vom Komponisten gespielt. Dr. Mannheimer sprach die von ihm geschriebene„Ballade vom Hradschin", eine Huldigung an Masarhk, die in die Worte aüsklingt:„Wer Freiheit will, kennt ein Unmöglich nicht I" Professor Dr. Frankl, der Leiter der Urania , würdigte in kurzer Ansprache die Bedeutung des Staatsfeiertages; er verwies besonders nachdrücklich auf die reiche Entwicklung des deutschen Volksbildungswesens in der Republik , ermöglicht durch die Volksbildungsgesetze, und bezeichnete als Bildungsaufgabe der nächsten Zeit die Erziehung der Jugend für die Demokratie. Die Rede klang aus in herzliche Glückwünsche für den Präsidenten der Republik . Nachdem die letzten Worte der Festansprache verklungen waren, sang das Ehm-Quartett deutsch die erste Strophe der Staatshymne, die von den Anwesenden selbstverständlich stehend angehört wurde.— Hans Multerer las seine kurze Bergbauern- geschichte„Die Wallfahrt", las sie mit anheimelndem mundartlichen Anklang. Dann folgten Lieder des sudetendeutschen Komponisten K r a s a, eindrucksvoll gesungen von Frl. Betty Graf, und ein langes Ge- . dicht„Lob der Heimat", vorgetragen vom Dichter Viktor Sorta«. Es ist an dieser, Stelle nicht möglich, die beiden literarischen Beiträge zur Prager deutschen Staatsfeier eingehend zu würdigen. So viel aber darf gesagt werden, daß sie nur einen Ausschnitt sudetendeutscher Dichtung boten, keineswegs den repräsentativsten. Denn die sudetendeutsche Dichtung ist nicht nur religiös gefärbte Heimatdichtung, ist nicht nur Lobpreisung bäuerlichen Wesens, ist nicht nur jene freiwillige Begrenzung auf einen engen Raum, aus dem kein Weg in die Weite führt, in die Welt. „Wir haben unsere Seelen verloren, als wir in die Städte zogen.. Ist diese Flucht aus der Stadt Wirklich das Wesen deutscher Kultur? Ist die deutsche Kultur fchollengewachsen, sind die große deutsche Dichtung und Musik in Dörfern und Weilern erblüht? Nein! Alles Drängende, Vorstürmende, Zukunftweisende ist in den Städten gewachsen! Ohne Zweifel hat jene Dichtung, die„Heimatdichtung" genannt wird und diesen Namen doch nicht ganz verdient, weil zur Heimat genau so die Städte und Jndustrieorte, die Fabriken und die Bergwerke gehören,.ihre Daseinsberechtigung. Aber man soll sie nicht als. besonders kennzeichnend für die deutsche Dichtung unserer Zeit oder auch nur für die sudetendeutsche Dichtung erscheinen lassen wollen... Den Abschluß der Feier bildete Brahms ':-„An die Heimat", gesungen vom Ehm-Quartett. Die Festveranstaltung wurde, auch durch den Prager Rundfunk übertragen.—fb— * Die heutigen Feier« Das Prager Programm für den heutigen Staatsfeiertag sieh: für 9 Uhr 30 eine Sitzung des Tschechoslowakischen Nationalrates im Gemeindehaus, für 10 Uhr 50 die Enthüllung einer Gedenktafel für S v e h l a in der Hybernergaffe und an- schließend einen Festumzug zum Altstädter Rathaus vor, wo Primator Baxa sprechen wird. Drei Frauen überfahren. Eine etwa 70jäh- r i g e Frau wollte am Freitag in der Smichover tholeökova, gerade als ein Autobus der elektrischen Unternehmungen in die Nähe kam, die Straße überschreiten. Sie wurde von dem Kotflügel des Wagens erfaßt und niedergestoßen. Auf der Klinik Jiräsek wurden mehrere Riß- und Quetschungen im Nacken festgestellt. Die Identität der Verletzten konnte bis jetzt nicht eruiert werden. — Ebenfalls am Freitag um 17.30 Uhr überschritt üi der Närodni tk. die 30jährige Bozena Sindeläkovä aus Smichov , Zborovskä 54, ohne Taille, auf 3 Knöpfen schliessend. Wenn Sie nicht nur gute, sondern auch wirklich MODERNE HERRENKLEIDUNG tragen wollen, dann kommen Sie in eine der 90 Filialen der grössten inländ. Kleiderfabrik DER MODERNE WINTERRA6LAN 19351 Die Preise unserer Kleider sind zur Kontrolle aut das Taschenfutter gedruckte die Fahrbahn hinter einem elektrischen Stratzen- bahnzuge.' Dabei wurde sie von dem Personenauto P 3042, das der 33jährige Franz R e h o r aus Prag VIII., Krälovskä 146, lenkte niedergestoßen: Bruch des linken Fußes und zwei Kopfwunden waren die Folgen. Am gleichen Tage stieß der Chauffeur Karl F i s e r mit dem Personenauw P> 5897 in Bubenec die Beamtin Sofie K o- houtovä so heftig nieder, daß sie einen Bruch des rechten Schienenbeines erlitt. Der Schloßgarten auf der Prager Burg ist am 28. Oktober der Oeffentlichkeit von 8 bis 17 Uhr zugänglich. Eintritt: Kc 1.— pro Person, Kinder zahlen die Hälfte,'»■•••.< Beratung für Körperbeschädigtc,(Rückgrawer- krümmungen, x-Beine, angeborene Gclenksablösung usw.) findet jedesmal Mittwoch und Donnerstag von 10 bis 12 Uhr für Unbemittelte im Jedlicka- Jnstitut in Prag -Pmckräc, Benesova tr. Nr. 13, statt. Kunst und Wissen „Das lebenslängliche Kind" Lustspiel in vier Akten von Robert Neuner . Hinter dem Pseudonym Robert Neuner. soll sich angeblich Erich Kästner verbergen. Wenn das richtig ist, so hätte Kästner allen Grund; sein Inkognito besser zu wahren, denn der Verwechslungsschwank, der sich pseudonym— also mit falschem Namen—„Lustspiel" nennt, macht einem Dichter, selbst wenn er sonst nur den Ehrgeiz hat. Gebrauchslyrik zu verschleißen(unter der sich mancher Wertgegenstand findet), keine Ehre. Der Einfall könnte ergiebig sein, aber die Technik ist mehr als plump, das gedanklich«, Gerüst^dürftig, die Tendenz kindisch. Ein Dichter würde aus dem Stoff ein Spiel zwischen Ernst und Satire formen, wie Georg Kaiser itt der unvergeßlichen Komödie„Kolportage" gerade aus der Banalität des Stoffes und der Verlogenheit einer bewußt übernommenen Tendenz die stärksten Wirkungen geholt hat. Die Handlung entwickelt sich aus der Laune eines Millionärs, der seine Menschenkenntnis erweitern will und sich in einem Luxushotel als armer Mann und Preisträger eines Wettbewerbs ausgibt. Dem Hotel wird die Komödie avisiert, aber es verwechselt nun den fälschen Armen noch mit einem echten, der als Millionär geehrt wird, während der wirkliche Millionär hinausgeekelt werden soll. Die Geschichte endet mit mächtigem Happy end , aber zieht sich bis dahin Mer endlose Bemühungen, das längst bekannte Geheimnis zu entschleiern, langweilig hin. Zwischendurch gibt es ein paar zwar alte, aber noch erträgliche Situationswitze. Für diese Nichtigkeit hat man einen Regisseur wie G e l l n e r, Darsteller wie LeopoldKra- mer, Götz, Lotte Stein, Willy Volker strapezsiert. Die spielten denn auch so gut, daß man das Stück mit in Kauf nahm, seine Schwächen' allerdings gerade an dem Kontrast zu der Mühe, die dafür aufgewandt wurde, erst recht deutlich merkte. Im Mittelpunkt der Komik standen eine nord- deutsch -doofe Hausdame, die Lotte Stein nuancenreich verkörperte, und ein liebenswürdiger Typ von altem Diener, den Willy Volker spielte, einen neuen Beweis für seine Vielseitigkeit und seine gediegene Kunst der Charakterzeichnung erbringend. Kramer gab den Millionär— es war eine kleine Porträtstudie in wenigen, feinen, aber gutsitzenden Zügen, den armen Teufel spielte Götz charmant und aufopfernd, auch wo der Text vorschriftswidrig ist. Frl. Schneck blieb auch diesmal wieder sast- und farblos, weil ihr augenscheinlich das ganze Fach nicht liegt, für das man mst Nutzen die eine, u. zw. die dunkle der jungen Damen, heranziehen würde. die als„Erste" und„Zweite Dame" auf dem Zettel rangieren. Denn hier waren das Temparament und das Fluidum da, die dem in anderen Aufgaben sicher versierten Frl. Schneck abgehen. Aus der großen Zahl der übrigen Mitwirkenden sei noch der Hotelportier Stadler hervorgehoben. Man bedauerte, daß dieses Ensemble unter dieser Leitung so selten vor größere und würdige Aufgaben gestellt wird(die freilich, wie heuer schon bewiesen wurde, auf das Unverständnis gerade der Gebildeten unter den Verächtern wahrer Bühnenkunst stoßen). Dem Publikum gefiel es, die Stimmung im Saal war die einer Kinderaufführung. Die Jugendlichen unter 16 Jahren, denen der Zutritt verwehrt ist, hätten vermutlich nach dem ersten Akt die Flucht ergriffen und Iß'IM herrlichsten MMüstll'däS hellste Entzücken— etwa über die gut nachgeahmte Ungeschicklichkeit eines Ski-Anfängers nicht abgewartet. E. F. Wochenspielplan des Neuen Deutschen Theaters. Sonntag nachmittags halb 3 Uhr: Das kleine Cafe; Festvorstellung anläßlich des Staatsfeiertages der Republik : halb 8: Zwei Witwen. C 2. — Montag 8: Wo war ich heute nacht? Gastspiel Werbezirk.—- Dienstag 8: Das lebenslängliche Kind, A 2, Gastspiel Leopold Kramer. — Mittwoch 8: D i e Schaukel, Gastspiel Werbezirk, B 1.— Donnerstag halb 3: S en- sationsproze ß, halb 8: Die Hugenotten, neuinszeniert, CI.— Freitag 7: Peer G y n t, D 2.— Samstag, 8: Die S ch.au ke l: Gastspiel Werbezirk, C 1. Wochcuspielplan der Kleinen Bühne. Sonntag 3: HeddaGabler, 8:Hoch klingt das Lied vom braven Mann.— Montag 8: Hedda Gabler?, Bankbeamte und fieier Verkauf.— Dienstag 8%:© ensatio n s p r o z e ß.— Mittwoch halb 8: Das lebenslängliche Kind. Gastspiel Kramer.— Donnerstag 3: Bunbury, 8:Nacht vor dem Ultimo. — Freitag 854: Hoch klingt das Lied vom b ra v e n M a n m— Samstag halb 8: Das lebenslängliche Kind, Gastspiel Kramer. Täglich Ziehungen I Die Prämie der V. Csl. Klassenlotterie Ki 1,000.000'- kommt am 15. November 1934. Vergessen Sie nicht Ihr Los rechtzeitig zu besorgen! Lotterieabteilung des Bankhauses I. G. SELIG PRAG I., Na Prikopä 17. Tel. 20651-55. 2743 Aus der Partei Bezirksexekutive. Montag, den 29. Oktober, um 7 Uhr abends im Parteiheim wichtige Sitzung. Sozialistische Jugend, Kreis Prag . Dienstag, den 30. Oktober, 7 Uhr, im Parteiheim wichtige gemeinsame Ausschußsitzung der SJ Weinberge und SJ Smichov.— 8 Uhr: SJ Zentrum: Die politische Lage. SJ Holleschowitz: Die russische Oktoberrevolution. SJ Weinberge: Vortrag des Genoffen Kern über die Henleinbewegung. SJ Smichov : Die russische Oktoberrevolution(Referent Genoffe Paul Ehrlich ). Mitteilungen der»Urania « Sonntag 8 Uhr: Hans Multerer: Ernstes und Heiteres. Gedrucktes und Ungedrucktes. Einer der besten sudetendeutschen Vorleser.— Montag %9 Uhr:„Jngagi". Künstlerischer Film. —D iens- tag 8 Uhr:„Die verhexte Hand". Marionettenspiel. Mafaryk-Bolkshochschule Heute 4 Uhr:„Kleidernähen". Leitung: Else Eichner. Vom Schnittzeichnen bis zum fertigen Kleid.— Montag 6 Uhr:„Moderne Gesellschaftsformen". Caroline Schönay. Beginn eines neuen Kurses. Zehn Stunden.— Montag acht Uhr:„Beethoven und wir". Ministerialrat Prof. L. Kestenberg. Wechselwirkung zwischen Form uNd Freiheit in Kunst und Leben. 32 Variationen in C-Moll.— Dienstag 6 Uhr: Strick- und Häkelkurs.— Dienstag 8 Uhr:„Bewußte Lebensgestaltung oder Schablonenleben". Dr. Aryold Hahn. Gibt es heute noch Wege zu einer individuellen Lebenskunst?— Dienstag 8 Uhr: „Umgang mft Kindern". Jndividualpsychologe Paul Fischl. Sexuelle Aufklärung. Mitteilungen aus dem Publikum Hartnäckige Verstopfung, Tickdarnikatarrh, Empordrängung der Leber, des Magens und. des Zwerchfelles, allgemeines Krankheitsgefühl werden durch das natürliche„Franz-Josef"-Bitterwaffer morgens und abends je ein kleines Glas— sicher beseitigt. Aerztlich bestens empfohlen. GEDENKET bei affen Anlässen der Arbeiterfürsorge! Vrlansen Sie in Jeder Verkaufsstelle des Konsumvereines SELCHWAREN der Firma HEGNER& Cie., PILSEN Selchwaren der Fa.HEGNER A Cie., PILSEN SIND DIE ALLERBESTEN I Bauet Betonstraßen! 2877 Sie sind sowohl für den städtischen, als auch für den Ueberlandverkehr vorzüglich geeignet. B ezu g s b e d i n g u n g e n: Bei Zustellung ins HauS oder bei Bezug durch die Post monatlich Kö 16.—, vierteljährig Kc 48.—. halbjährig Kf 96.—, ganzjährig Kö 192.—.— Inserate werden laut Tarif bMgst berechnet. Bei öfteren Einschaltungen Preisnachlaß. — Rückstellung von Manuskripten erfolgt nur bei Einsendung der Retourmarken.— Die Zeitungsfrankatur wurde von der Post- und Telegraphendireküon mit Erlaß Nr. 18.800/VII/1930 bewilligt. Druckerei:„Orbis". Druck-. Verlags- und Zeitungs-A.-G.. Prag .
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14 (28.10.1934) 253
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