Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

14. Jahrgang

Der König von Siam will abdanken

weil das Parlament die königlichen Rechte erweitert

Der König von Siam, der in Europa weilt ( und heuer auch Prag besucht hat), ist in Kon­flift mit der Nationalversammlung seines Landes geraten und hat von London aus seinen Entschluß verkündigt, des Thrones zu entsagen, wenn die Nationalversammlung sich nicht einem Plebiszit unterwirft.

Der Verfassungskonflikt, um den es sich in Siam handelt, ist einer der interessantesten, den es je gegeben hat. Gewöhnlich geraten Staats­oberhäupter dann in Streit mit den Parlamenten, wenn diese mehr Rechte beanspruchen und die Rechte der Krone einschränken. In Siam ist es umgekehrt. Das Parlament hat das Strafrecht reformiert, u. zw. in dem Sinne, daß bei einer Berurteilung zum Tode oder zu lebenslänglichem Kerker die Unterschrift des Königs sein soll. Der König weigert sich, das Gesetz zu unterzeichnen und fordert eine Volksabstimmung darüber. Wahrscheinlich spielt dabei die Furcht vor Blut­rache eine wesentliche Rolle. Es ist aber auch möglich, daß sich hinter dem formellen Konflikt noch andere Gegensätze verbergen. Die Nachricht bon der geplanten Abdankung des Königs Prad­schadhipok foll in Bangkot große Bestürzung her­borgerufen haben. Die Armee soll zwiespältiger Auffassung sein. Angeblich sind Bemühungen im Gange, den Streit beizulegen. Das entscheidende Wort dürfte wohl als der an Siam meist inter­effierte Staat England sprechen.

Dienstag, 30. Oktober 1934

Am Sonntag, 4. November:

Sechs Aufmärsche

der deutschen Sozialdemokratic

Schach dem getarnten Fascismus!

Am Sonntag finden sechs Massenkundgebungen der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterschaft statt:

in Karlsbad , Komotan, Teplit- Schönan, Bodenbach , Mährisch­Schönberg und Jägerndorf .

Vom Egerland bis Schlesien hinüber wird die Front der republikanischen Wachsamkeit, die Front gegen Krisennot und Fascismus kraftvoll in Er­scheinung treten. Die Kunde von diesen Veranstaltungen hat elektrisierend in den Reihen der judetendeutschen Arbeiterschaft gewirkt. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange. Der alte Kampfgeist ist in allen Aufmarschgebieten wieder lebendig geworden. In fieberhafter Eile werden Sammlungen veranstaltet, um auch den arbeitslosen Mitkämpfern die Teilnahme zu ermöglichen. Der kommende Sonntag wird den ungebrochenen Mut und die Opferbereitschaft der deutschen sozialistischen Republikaner ernent unter Beweis stellen. Genossen und Genossinnen!

Wir nehmen den Fehdehandschuh auf, den Herr Henlein in Böhmisch- Leipa der deutschen Arbeiterbewegung dieses Landes hingeworfen hat. In unseren Kundgebungen wird das andere Sudentendeutschtum in Erscheinung treten, das Volk der Arbeit mit seinen sozialen Nöten und Forderungen, mit seiner antifascistischen Entschlos­

Chinesisches Kommunisten- fenheit, mit seinem unbengsamen Freiheitswillen. heer geschlagen

Shanghai . Die chinesischen Regierungs­truppen haben bei Anjuan in Südchina ein 80.000 Mann starkes Kommunistenheer vernichtend ge= schlagen.

Die Verluste an Toten und Verwundeten

werden auf 10.000 geschätzt.

Jest gilt es alle Kräfte aufzubieten für einen macht vollen Verlanf der Kundgebungen des 4. November.

Genaue Belege

über die deutschen Rüstungen

Betain machte in diesem Zusammenhang namentlich auf die Schwierigkeiten aufmerksam,

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Nr. 254

Wir treten an!

Die Front der sozialistischen Republikaner Es ist nicht das erstemal, daß die politi­schen Wellen höher schlagen in Deutschböhmen, in Nordmähren und Schlesien . Immer wieder hat das sudetendeutsche Bürgertum zum Schlage gegen die freie Arbeiterbewegung ausgeholt. Man schrieb das Jahr 1908. K. H. Wo If eilte der Höhe seines Ruhmes zu. Seine Versamm­lungsfahrten glichen Triumphzügen. Wo er eintraf, wurden die Pferde von seinem Wagen ausgespannt und das Fuhrwerk von begeisterten Anhängern unter Heilgebrüll durch die Stra­Ben gezogen. Am Vorabend des 1. Mai forderte der deutschradikale Bürgermeister von Tepliẞ­Schönau mit einem Flugblatt die Hausbesitzer auf, beim Vorbeimarsch der Arbeiterzüge die Dachziegel zu lockern. Die völfischen Turner wurden gegen die Arbeiter mobilisiert, zum Sturm vorgeschickt gegen die Redaktion der Tep­liger Freiheit" und gegen die Bezirkskranken­kasse. Diese Institutionen standen unter der Führung Josef Seliger 3, jenes Man­nes, dessen Andenken heute noch die Schrift. leiterpresse schändet, indem sie es gegen die deutsche sozialdemokratische Bewegung auszu­spielen versucht. Wo es zu Zusammenstößen kam, stand die Gemeindepolizei auf der Seite der nationalistischen Angreifer, prügelte in die Rei­hen der angegriffenen Arbeiter hinein. Aber die kampferprobten Bataillone unserer Arbei­terschaft boten der Meute ihrer haßtobenden Feinde unerschrocken die Stirn. In Teplitz stellte sich Seliger selbst an die Spitze seiner Ge­treuen und schwang seinen knorrigen Eichenstock gegen die Söldner des deutschvölkischen Unter­nehmertums.

Ein Vierteljahrhundert ist seither vergan­gen. K. H. Wolf ist längst eine politische Leiche. die nach dem Plebiszit im Saarge Die jüngere Generation kennt seinen Namen biet auftreten können, und ersuchte schließlich nicht mehr. Die ,, Rundschau" des Herrn Wolf, Nachdem zwischen den Regierungstruppen Paris. ( Havas.) Kriegsminister Marschall um die Bewilligung von Nachtragskrediten für die Vorläuferin der Henleinschen ,, Rundschau" und den Kommunisten in Südchina seit längerer éta in erstattete im Finanzausschuß der Kam- eine Vermehrung der Vorräte an hat die Katastrophe der deutschbürgerlichen Po­Zeit wechselvolle und für beide Teile sehr verlust- mer ein Erposé über die Verwendung der Kredite Kriegsmaterial. reiche Stämpfe stattgefunden hatten, haben anschei- für die Nationalverteidigung. Er machte mit ge= nend die Luftstreitkräfte der Regierungstruppen nauen Belegen auf das ständige Anwachsen Der Budget- Berichterstatter machte darauf eine Entscheidung herbeigeführt. Chinesischen der Effektivstände und der Offensivwaffen der aufmerksam, daß der für diese Zwede früher be­Pressemeldungen zufolge haben zwei Flugzeugge- deutschen Armee aufmerksam und hob die Not- willigte kredit von 310 Millionen grants dem schwader die Kommunisten angegriffen und ihnen wendigkeit der Sicherung Frankreichs durch die tatsächlichen Bedarf nicht entspreche und daher er­so starke Verluste beigebracht, daß es den Regie- notwendige Verteidigungsausrüstung hervor. höht werden müsse. rungstruppen gelang, die ins Wanken geratene

Front der kommunistischen Truppen zu durch­brechen.

Rüstungsausgaben viel höher als vor dem Krieg

Washington. Zwei Mitglieder der Vereini gung für Außenpolitit haben einen Vergleich zwi­ichen den Militär-, Marine- und Luftfahrtshaus­halten mehrerer Staaten und den entsprechenden Bahlen aus dem Jahre 1913 aufgestellt. Hieraus ergibt sich eine allgemeine Zunahme der militäri­ichen Ausgaben. Japan stehi mit einer Erhöhung Der Ausgaben um 358 Prozent an der Spize, dann folgen die Vereinigten Staaten mit 190.9 Prozent, Großbritannien mit 48.8 Prozent, Italien mit 26.3 Prozent und Frankreich mit

25.8 Prozent. Werden die Todesurteile

vollstreckt?

Madrid.( Havas.) Wie verlautet, werden die Represalien gegen die Aufständischen in Asturien nicht allzu umfangreich sein, jedoch mit aller Strenge durchgeführt werden. Dem Ministerpräsidenten Zerrour wurden jetzt die Atten von 20 zum Tode Verurteilten unterbreitet.

Prieto entkommen

Paris . Der ehemalige spanische sozialistische Minister Prieto, der nach den letzten Greig­nissen von der spanischen Polizei gesucht wurde, traf Montag nach einer dramatischen Fahrt auf dem Meere an der französischen Atlantikküste knapp an der Grenze unweit St. Jean de Lus ein, und fuhr unverzüglich nach Paris .

BUNDES­

KANZLER

AMT

litik nach dem Kriege nicht überlebt. Aber die freie Arbeiterbewegung, die tausendmal totge­jagte Sozialdemokratie ist noch da und wird ein Faktor der sudetendeutschen Politik bleiben. Sie hat die Stürme des Weltkrieges überstanden, die Jahre der Spaltung und des Bruderzwists und ein halbes Jahrzehnt furchtbarsten Krisen­elends der arbeitenden Menschen.

Nun hält die deutschvölkische Reaktion ihre Stunde wieder für gekommen. Sie glaubt die Reihen der Arbeiter erschüttert und zermürbt durch die entsegliche Not. In den Henleins und Sandners vermeint sie Werkzeuge gefunden zu haben, die von keiner Mitschuld an der arbeiter­

Ueber die Hintertreppe feindlichen Ratastrophenpolitik des deutſchen

R

Gorre

Schuschnigg: Wenn Sie mir erklären, daß Sie anderer Gesinnung geworden sind, meine Herren, lasse ich Sie gerne herein..."

Bürgertums befleckt sind. Auch dem tschechischen Lager will sie neue Männer" präsentieren, um jenes Vertrauen erschleichen zu können, das die Jung und Krebs und Kallinas für alle Zeit ver­wirkt haben. Die deutschen Arbeiter werden sol­che Manöver nicht zu täuschen vermögen! Sie erkennen im Wesen der Heimatfront wieder die alte Feindschaft gegen die Demokratie, den Geist eines aufgeblasenen Herrenmenschentums, das die friedliche Zusammenarbeit der Völker, den sozialen und kulturellen Aufstieg der schaffenden Menschen mit allen Mitteln der Lüge und Ge­walt verhindern will. Wir kennen den Inhalt jener sagenhaften Volksgemeinschaft, die von Henlein erneut angepriesen wird; den nackten Egoismus eines durch eigene Schuld bankrotten Unternehmertums, den Kastengeist einer soge­nannten Intelligenzschicht, die den deutschen Ar­beiter seit eh und je nur als politischen Statisten und Stimmvieh gekannt hat.

Wozu weitschweifiges Gerede über politi sche Gruppierungsfragen und darüber, in wel­chen Grenzen Henlein seinen politischen Totali. tätsanspruch erhebt? Es geht wiederum um einen Generalangriff gegen die freie Arbeiter­bewegung, der die Bahn freimachen soll für nationalistisch- fascistische Abenteuer. Wagt Hen­