Nr. 25« Donnerstag, 1. November 1934 Seite 3 Arbeiterfront gegen Henleinfront! Heraus zu den Kundgebungen am 4. November! Die Geburtswehen des österreichischen Ständestaates Handelspolitische Schwierigkeiten Buchstäblich mit Hängen und Würgen ist im Feber daS neue Oesterreich der Starhemberg und Fey geboren worden. Mühsam bewegt es sich durch die Schwierigkeiten, die teils in der offenen An­lehnung an Rom   und den geheimen Packeleien mit Berlin   zu suchen sind, teils in den Affären der führenden Regierungsmänner, als da sind Scheidungs- und Alimentationsfragen, Unter­schlagungen, Wechselgeschichten und nicht zuletzt dringender Verdacht der Beteiligung an Hochver­rat und Mordaktionen.-Nun soll es einen Schritt weiter gehen. Der Staatsrat soll bis zum 1. November ernannt sein. Am Abend des 31. Ok­tober wird aber zwischen den verschiedenen Cli­quen noch erbittert um die Pfründen und Ehren gerungen. Als gesichert gelten die StaatSratSsitze für den ehemaligen Präsidenten des National­rats Dr. Dinghofer, den Generalprokurator Dr. Winterstein, des Professor Oswald Redlich  , den Generalobersten Schönburg- Hartenstein, den Präsidenten des Haupt­verbandes der Industrie, Urban, den Abt des Schottenstiftes P e i ch l, den Direktor der Bun­desbahnen N o a k h. Der Präsident der jüdischen Religionsgemeinde P i ck, der frühere Bundes­kanzler Streeruwitz und der Staatssekretär Glaß sollen auch ernannt werden. Lebhaft um­stritten ist noch der Präsidentenstuhl, für den Dr. Ender, der Autor des Monstrums von Stände­verfassung, oder B a u g o i n in Frage kommen. Schuschnigg   und Starhemberg tagen zu zweit, um diese weltbewegende Frage zu ent­scheiden. Im übrigen macht die Aussöhnung mit den Nazis rege Fortschritte. Die Militärgerichte stellen ihre Tätigkeit ein. Die amtlichen Blätter berich­ten, daß die deutsche Propagandatätigkeit aufge­hört habe und konstatieren mit Genugtuung, daß Habicht und Frauenfeld Aemter im Dritten Reich   erhalten. Zwischendurch werden Waffenfunde bei Nazis(z. B. St. Andrä-Wör« dern) gemeldet, aber solche Kleinigkeiten werden der Aussöhnung nicht im Wege stehen, die ja Fey am 28. Juli vom Ballon des Kanzlerpalais aus schon eingeleitet hat. Der mysteriöse Stoklas ausgeliefert Wien.(Tsch. P.-B.) Wie berichtet wird, be- sindet sich seit Anfang September ein gewisser StoklaS in österreichischer Gerichtshaft. Nach dem Attentat von Marseille   verlangte er, zu einem -Verhör vorgeführt zu werden, und erklärte bei demselben, daß er in der Lage wäre, wichtige Mit­teilungen über die Vorgeschichte dieses Attentates machen zu können. Diese Angaben des Verhafteten wurden den jugoslawischen Behörden zur Kenntnis gebracht und diese haben um die Auslieferung StoklaS' angesucht. Nunmehr wurde dem Auslie­ferungsbegehren entsprochen und StoklaS wurde gestern an der österreichisch  -jugoslawischen Grenze den jugoslawischen Gendarmen übergeben. mit Rußland  , Belgien  , Frankreich  , Holland   und Deutschland  Die Tschechoslowakei   führt, wie wir dem Prävo Lidu" entnehmen, gegenwärtig wichtige handelspolitische Verhandlungen, bei denen sich durchwegs große Schwierigkeiten ergeben haben. Auch diejenigen Länder, welche bisher Anhänger des freien Handels gewesen sind, beginnen mit Zoll­erhöhungen vorzugehen. So wird voraussichtlich Holland   in der nächsten Zeit Prohibitivzölle einführen, ähnlich ist es bei B c l g i e n, wo un­sere handelspolitischen Schwierigkeiten in der letz­ten Zeit sehr gewachsen sind. Auch mit Frank­ reich   sind die Verhandlungen nicht leicht. Dieses Land hat nach einer neuen Verordnung die Zwangsbezeichnung des eingeführten Glases mit­tels eines unverwischbaren Zeichen- trotz aller tschechosiowakischen Proteste eingeführt. Erreicht wurde allerdings nur, daß die Gültigkeit der Ver­ordnung bis zum 1. Dezember hinausgeschoben wurde. . Auch die Verhandlungen mit S o w j et- ruß l a n d gehen nicht leicht vonstatten, weil die Russen   Kredite mit der Laufzeit von fünf Jahren verlangen, was die Tschechoslowakische Republik nicht durchführen kann. Den Russen wird voraus­sichtlich ein Kredit von 460 Millionen XL auf drei Jahre im Rahmen des Gesetzes über die Ex­portkredite vorgeschlagen werden. Der tschechoslo­wakische Export muß freilich bis zu einem gewissen Maße durch die Einfuhr russischer Produkte aus­geglichen werden. Die größten Schwierigkeiten ergeben sich frei­lich in den Verhandlungen mit Deutschland  . In den letzten Monaten ist die tschechosloloakische Ausfuhr nach Deutschland   viel größer als die Ein­fuhr deutscher   Waren zu unS. Dadurch ist im Clea­ring für die Tschechoslowakei   eine Aktivspitze von etwa einer Biertelmilliarde XL erreicht worden. Diesen Betrag sind die deutschen   Abnehmer unserer Waren den tschechosiowakischen Exporteuren schul­dig. Es muß also eine Vereinbarung über die Ab­zahlung dieser Schulden getroffen werden. Alle diese wirtschaftspolitischen Schwierigkei­ten sind naturgemäß ein Hindernis unserer Aus­fuhr und damit ein Hindernis des Aufschwunges unseres Wirtschaftslebens. bankerott der Flotten-Abrüstung Alle einig Im Ablehnen I London. Der Marine- Mitarbeiter des Daily Telegraph  " glaubt, berichten zu können, dass die wichtigen Punkte des britischen   Planes zur Begrenzung der Deerüstungen unnachgie­bigen Wider st and gefunden haben. Der Vorschlag, die Tonnage der Großkampf- fchiffe herabzusetzen, sei endgültig ver­worfen worden. Die britische   Anregung, die Tonnage der Kreuzer.auf.2000 Tonnen zu be­schränken, die Frankreich  , Italien   und Japan   zu­sagten, sei von Amerika   endgültig abgelebt wor­den. Für Kreuzer bleibe es also bei einer Höchst- » Nach halbamtlichen Meldungen aus Tokio  soll Japan   grundsätzlich bereit sein, an die Stelle des Washingtoner Abkommens über die Marine­rüstungen einen neuen Vertrag zu setzen. Aller­dings wird betont, daß Japan   an der Forderung festhalte, daß der Schlüssel im Verhältnis der drei großen Seemächte(England, Vereinigte Staaten  , Japan  ), der bisher 5:6:3 war, zugunsten Japans  geändert wird. Ferner verlangt Japan   das Ver­bot der Angriffswaffen(Flugzeugmutterschiffe), aber Beibehaltung des U-BootS alsNerteidi- gungs"waffe. Da der Hauptkonkurrent Japans  grenze von 10.000 Tonnen und einer Höchstve- woffnung mit 20-Zentimetrr-Geschützen. Die englischer- und amerikanischerseits ange­regte Abschaffung der L-Boote werde von Japan  und Frankreich   abgelehtn. Bon einem Vorschläge auf Herabsetzung der Tonnage der U-Boote auf 600 Tonnen wolle die amerikanische   Abordnung auch nichts wissen. Weitere britische Vorschläge, die sich auf die Beschränkung der Zahl der See- lrute und auf Begrenzung der Zahl der auf Schiffen untergebrachten Flugzeuge beziehen, seien, falls sie vorgebracht würden, ebenfalls einerAblrbnung sicher. >» zur See, Amerika  , vorzüglich über Angriffswaf­fen verfügt und seine Stärke in Flugzeugmutter­schiffen riesigen Formats sieht, andererseits kein Interesse daran hat, daß Japan   mit seinen zahl­reichen insularen Stützpunkten von Sachalin   bis zum Sunda-Archipel   eine große U-Boot Flotte habe, da es mit dieser.Verteidigungswaffe" un­ter Umständen die asiatische Festlandsküste, chine­sische wih russische   Häfen, gegen Amerika   abspcrren kann, erscheinen Abrüstungsverhandlungen auf dieser Basis wenig aussichtsreich. KUcktrl« des jugoslawischen Justizministers Belgrad  , 31. Oktober. Nach einer amtlichen Mitteilung, die um 21 Uhr ausgegeben wurde, ist der Justizminister Bojidar MaximoviL am Mittwoch zurülkgetreten. Eine Begründung seines Rücktrittes wurde nicht veröffentlicht. In gut unterrichteten Kreisen verlautet, daß sich der Ministerrat in.seinen drei letzten Sitzun­gen mit den Rücktrittsabsichten des Justizmini­sters beschäftigt habe und dabei bemüht gewesen sei, gewisse persönliche Gegensätze auszugleichen, die zwischen MaximoviL und dem Kriegsminister General ZivkoviL bestanden haben. Da ein Aus­gleich nicht möglich war, trat MaximoviL zurück. Anschlag gegen König Höllenmaschine auf dem Tender des Hofzuges orhT Der Parteivorstand der tschechosiowakischen Sozialdemokratie hielt Mittwoch eine Sitzung unter dem Vorsitz des Genossen H a m p l ab, bei der die Genossen Bechynö und Meißner referierten. Es wurden alle laufenden politischen Angelegenheiten besprochen, insbesondere die wei­teren Aktionen der Regierung für die Arbeitslosen, die Investitionen, die Aspirantenverordnung, die Forderung der militärischen Kreise nach der zwei­jährigen Dienstzeit, die Verkürzung der Arbeits­zeit, die Frage der Minimallöhne und Gehälter, der Sanierung der Selbstverivaltung und der Aus­lösung des BodenamteS. Genosse Dundr berichtete über seine Reise nach Karpathorußland. DaSPrävo Lidu" über Henlein  . Anknüp­fend an diePrager Presse" über das ivahre Ge­sicht der Henlein  -Bewegung befaßt sich das Prävo Lidu" mit der SHF und kommt ebenfalls zu der Feststellung, daß das wahre Gesicht der Henleinfront das Gesicht des Dritten Reiches   sei. Sofia  . Wie der Sonderberichterstatter derDaily Mail" in Sofia   zu berichten weiss, soll auf den Eisenbahnzug, in welchem Zar Boris von Bulgarien   von Sofia   nach Barna reiste, ein Bombenanschlag verübt worden sein. Der König sei unverletzt geblieben. Rach diesem Bericht soll auf dem Kohlrntender des Zuges eine Höllenmaschine verborgen gewesen sein, die bei Slrezira, ungefähr 130 Kilometer von Larna entfernt, explo­diert sei. Der König, der sich bekanntlich häufig anS Liebhaberei als Lokomotivführer betätigt, habe sich auf den Trittbrettern deS fahrenden Zuges znr Lokomotive begeben, und den Zug persönlich sofort zum Stehen gebracht, da der Lokomotivführer durch daS Attentat Ver­wundungen davongetragen hatte. Später habe man bei der Durchsuchung deS KohlentenderS noch die Ueberbleibsel einer Uhr aufgefunden, durch die vermutlich die Höllenmaschine au-gelöst worden war. Man nimmt an, daß dir Bombe bereits in S o f i a in den Kohlentender des königlichen Zuges gelegt wor­den ist. Unter dem gesamten Eisrnbahnpersonal und auch in kommunistischen Kreisen sollen zahlreiche Verhaftungen vorgenommen worden sein. Hur ein zufälliger Brand? Der Sofioter Korrespondent der Agenre HavaS schildert den Vorfall, welcher sich beim Hofzuge ereignete, folgendermaßen: König Boris begab sich mit der Königin auS Sofia  nach ihrem Sitze Euxinograd an den Usern des Schwarzen Meeres  . Auf der Fahrt brach ein Brand aufderLokomotive aus, der aber rasch gelöscht«urde. Bei der Löschung hatte sich der Lokomotivführer die Hand verbrannt. An der Löschung des Brandes nahm auch der König teil, welcher dem Lokomotivführer in seinen Waggon führte und sich dort um den Verletzten bemühte. Dann übernahm König Boris persönlich die weitere Führung deS Zuges bis nach Barna. Der Brand wurde angeblich nur durch einen Zufall verursacht und eS könne nicht von irgendwelchen bösen Absichten gesprochen werden. Die amtliche bulgarische Telegrafenagentur b e st ä t i g t, daß der Brand im Tender der Lokomotive des ZugeS, mit welchem König BoriS und Prinz Cyrill»ach Warna   fuhren, durch««« unglücklichen Anfall entstand und daß von irgendeinem Attentat in diesem Falle nicht gesprochen werden könne. Frankreich   erklärt; Schutz den Menschen und ihrem Eigentum Im Saarland  Paris.  (Havas.) Die in der Auslandspreffe veröffentlichten Jnformattonen, daß die französi­ schen   Militärbehörden bereits alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hätten, daß einem even­tuellen Ersuchen der Regierungskommission für das Saargebiet entsprochen werde, erfordern eine Aufllärung: Fest entschlossen, daß die Bestimmungen des Versailler Vertrages Uber das Plebiszit im Saar­gebiet präzise durchgeführt weWen, beabsichtigt Frankreich   in keiner Weise auf die Abstimmung der Saarbevölkerung, der vollkommene Freiheit verbürgt sein soll, einen Einfluß auszuüben. Po« lizeimaßnahmen, die die Verwendung französi­scher Militärkräfte erforderlich machen, könnten nur zur Erfüllung der internationalen Verpflich­tungen in Anwendung gebracht werden, die durch die Resolutionen des Völkerbundrates aus den Jahren 1926 und 1926 für Frankreich   entstanden sind, sowie auf ein formelles Ersuchen der Re­gierungskommission im Saargebiet, welche eine internationale verantwortliche Organisation unter Autorität des Völlerbundes darstellt und deren Aufgabe es ist, daß die Ordnung gewahrt und daß unter allen Umständen der Schutz der Personen und des Eigentums im Saargebiet gewahrt werde". Wie Deutschland  aufrüstet Paris.  Petit Journal" stellt fest, daß der deutsche   Boranschlag für das Jahr 1934 die Kredite für die Rationalverteidigung Deutsch­ lands  , versteckt in den Kapiteln der verschiedenen Ministerien enthalte. Diese Kredite bilden ei« Drittel des ge- samtenBudgets, was das Blatt für «ine sehr bezeichnende Erscheinung hält. Das Blatt behauptet weiters, daß Deutschland   über 2400 Grossflugzeuge verfügt und daß sämtliche Flug­zeuge der Lufthansa in Laufe einer Stunde in Militärflugzeuge umgewandelt werden können. Spätestens bis Ende des Jahres 1936 hat Deutschland   600 Flugzeuge und 1600 600-HP- Motore bestellt. 300 dieser Flugzeuge sind für schwere Bombardiernng ausgerüstet. Doumergues Staatsreform Votorecht des Senats gegen Kammer-Auflösung Paris  . Der samstägige Afinisterrat wird den Text des Dtaatsreformentwurfes zu Ende beraten. Durch den Entwurf wird dem Senate das Vetorecht bei der Entscheidung über die Auf­lösung der Kammer im ersten Jahr nach deren Wahl gewahrt. In einem späteren Zeitpunkt wird über die Auflösung der Kammer der Präsident der Republik selbst mit dem Mnisterpräsidenten ent­scheiden. I« dieser revidierten Verfassung wird auch die Rolle des Ministerpräsidenten als Regie­rungschef gesetzlich anerkannt werden. Der Staatsreformentwnrf wird der Kammer sofort bei ihrem Zusammentritt zur Herbtagung vorgelegt werden. Infolgedessen könnte die Ra- tionalversammlung in Versailles   in der zweiten Hälfte des Monats November zusammentrrten. keine Ruhe der Jesuiten  in Spanien  Madrid.  (Tsch. P.-B.) In Barcelona   be­schossen Aufständische einen Privatkraftwagen, in dem ein Fabriksbesitzer und drei Begleiter sahen. Ein Insasse des Wagens wurde getötet, die ande­ren drei wurden schwer verletzt. In der Nähe be­findliche Polizeiposten eröffneten sofort das Feuer auf die Angreifer, die jedoch in einer Kraftdroschke unerkannt entkommen konnten. Es handelt sich um einen Racheaft gegen den Fabriksbesitzer, der un­organisierte Arbeiter eingestellt hatte. Und die Aufständischen? Madrid.(Tsch. P.-B.) Nach einer Mittei­lung deS spanischen   Ministerpräsidenten betragen d»e Verluste der Wehrmacht bei den Kämpfen in Asturien   220 Tote, über 143 Verwundete und 46 Vermißte. Unter den Toten sind 22 Offiziere und 26 Unteroffiziere. Gömbös Sonntag in Wien Wien  . Der ungarische Ministerpräsident GömböS   trifft am Sonntag in Wien   ein. Es ist nur" ein eintägiger Aufenthalt vorgesehen und der Ministerpräsident wird in der Nacht auf Montag nach Budapest   zurückkehren.