Str. 258 Seite 5 Donnerstag. 1. November 1934 Wegen Rauschgifthandels hingerichtet Peking. In der Provinz Fukien wurden zwei Rauschgifthändler zum Tode verurteilt, die ihr Gift hauptsächlich in den Schulen umgesetzt hatten. Das Urteil wurde öffentlich vollstreckt. Die beiden Verbrecher hatten bereits mehrere Vorstrafen wegen dieses verbotenen Handels auf dem Kerbholz. Widerstand gegen die Sterilisierungen In einem Punkte ist das Dritte Reich Virtuosenhaft tüchtig, nämlich sich selbst Schwierigkeiten zu schaffen. Dazu gehören die Sterilisierungen, die auf einen wachsenden Widerstand stoßen und die ohnehin nicht gerade rosige Stimmung im Volke verschlechtern. In Halle sollen über 500 Kinder sterilisiert werden. Die Eltern wehren sich verzweifelt gegen dies« Maßnahme. In den Sprechzimmern der Sterilisationsärzte kommt e- unaufhörlich zu Zusammenstößen. Laut jammernde Frauen verursachen Straßenaufläufe und protestieren empört. Beamte des Gesundheitsamtes werden bedroht, so daß Ueber- sallkommandos der SS alarmiert werden mußten. Ein« Frau bekam Schreikrämpfe und erklärte, ihr Kind sei nicht krank, sondern nur durch Unterernährung zurückgeblieben- Bei besserer Ernährung werde es von selbst kräftiger werden. Ein Mann drohte, sich mit seiner ganzen Familie aufzuhängen, ehe er seine Kinder zu Idioten machen taff«. Andere wieder führen religiöse Argumente ins Feld. Nachdem die ersten fünf Kinder— ei waren Waisenkinder— sterilisiert worden waren, erhielt der Stadtarzt über 100 Drohbriefe. Angesichts der ungeheuren Zahl der Fälle, die vorge- sehen sind, ist in Halle eine förmlich« Panik auSge- brochen. Unter den Kindern überwiegen übrigens die Knaben. Zu diesen Kindern kommen noch weit über 1000 Erwachsene, denen daS gleiche Schicksal zugedacht ist. AuS weiteren Berichten über diese Vorfälle in Halle geht hervor, daß eine Frau in ihrer Empörung die Wohnung des verantwortlichen ArzteS zu demolieren begann. Sie wurde auf den Ueberfallwagen geschleift und geht einer schweren Bestrafung entgegen, derweil das Kind natürlich doch sterilisiert werden wird. In einer Straße sammelten sich zahlreiche Menschen und riefen, man mache das mit ihnen nur, weilsiefrüherlinks gestanden hätten. Andere erklärten, das sei der Dank, daß sie im Kriege gehungert hätten. Aus anderen Teilen des Reiches kommen ähnliche Nachrichten. In Kottbus schoß ein Familienvater auf einen Hausbesitzer weil dieser, als er mit seinem Mieter in Streit geraten war, seine zwei Kinder dem Sterilisierungsarzt denunziert hatte. Verschwörer yder Mttsteller?, Pari-, 31. Oktober. Die Verlobte des Prinzen Georg von England, Prinzessin Marina voll Griechenland, weilt gegenwärtig in Paris , uin ihre Einkäufe für die bevorstehende Hochzeit zu vervollständigen. Wie„Paris Soir" berichtet, stürzten sich Dienstag abends, als sie ihr Hotel verließ, zwei Männer und eine, Frau auf ihren Kraftwägen.' Der Sicherheitsdienst nahm die Betreffenden fest und brachte sie zur nächsten Polizeiwache, wo sie behaupteten, lediglich ein Anliegen an die Prinzessin gehabt zu haben. Waffen wurden bei den drei Verhafteten nicht gefunden, doch waren ihre Ausweispapiere nicht in Ordnung, Es handelt sich um einen gewissen Sulezar Adjelian, seine 80jährige Mutter und einen gewissen Djemail Madanias. Rotlandung eine» MilitLrpiloten Prag. Das Ministerium für nationale Verteidigung teilt mit: Bei einem Flug von Prag nach Olmüh auf dem Jagdflugzeug Type S—20 war am Dienstag der Gef. M a t l o ch a vom Flieger- Regiment 2 infolge-ungünstiger Witterung zu einer Notlandung unweit von Mähr.-Schönberg gezwungen. Das Flugzeug wurde hiebei beschädigt und der Pilot am Kopf und am Halse verletzt. Die Verletzungen sind nach dem Urteil der Aerzte leichterer Natur. An den Ort des Unfalls begab sich sofort eine militärische Kommission aus Olmüh. Ein Erdbeben von ungewöhnlicher Heftigkeit ereignete sich in B a k u. Mehrere Häuser wurden zerstört. Das Erdbeben wirkte sich auch im Gebiete von Aserbeidschan aus, von wo ebenfafls zahlreiche Schäden gemeldet werden. Auch in Ka bul waren Erdstöße zu verspüren. DaS Feilschen um die Ostchiuabahn. Durch neue Meldungen über den Stand der Verkaufsverhandlungen der chinesischen Ostbahn wird bestätigt, daß beide Teile sich über den Kaufpreis als solchen geeinigt haben, MeinungSunterschiede bestehen nur noch in Einzelheiten. Diese betreffen vor allem die Ueber- tragung der Eigentumsrechte, die Uebernahme des Inventars, die Sicherheitsleistung für die Ratenzahlungen, die sich auf drei Jahre erstrecken sollen, die Forderung der Sowjetunion , bestimmtes auf der Ostchinabahn befindliches rollendes Inventar zurück- zubekommen und ähnliche Einzelfragen. Japan hat die Bürgschaft für die Zahlungen Mandschukos noch nicht zusagen wollen. Auch dieser Punkt wird noch einer Klärung bedürfen.— Der Kaufpreis besteht zu zwei Dritteln in rollendem Inventar. Ein Drittel wird in transferfreier Barzahlung geleistet werden. Der. gegenwärttge reine Kaufpreis für die Ostina- bahn beträgt 140 Millionen Den. Beim heutigen Stand der Len sind das nur noch 45 Millionen Goldrubel. kapitalistischen Abwehrmaßnahmen-sihre Ursache^ haben. Die unsauberen Prämiengescläfte einer Winkelbank Zwölf Klienten um 1,334.438 Kronen geprellt! Prag . In der Hybernergasse Nr. 26 hatte sich eine Firma niedergelassen, die sich hochtrabend als „Bankgeschäft und Wechselstube, Generalrepräsentantin ausländische B an k e n" auSgab. In Wahrheit war das Unternehmen eine jener modernen. Raubritterburgen, deren es noch immer mehr als genug gibt und die ihre Aufgabe darin erblicken, vertrauensselige Leute bis zum vollständigen wirtschaftlichen Ruin auszusaugen. Der Chef dieser famosen Unternehmens, der 41, jährige Eugen Tänzer, der Mittwoch hem Straf, scnat T r o st aus der Untersuchungshaft vorgeführt wurde, hat sich auf„Prämiengeschäfte" spezialisiert, und zwar auf solche fragwürdigster Sorte. Reguläre Geschäfte solcher Art sind Hauptgegenstand der Börsenspekulation, aber dieser aus dem Osten stammende Bankier war gar nicht Mitglied der Börse. Die Anklage des Staatsanwaltes Dr. Cesak legt die Machinationen dieses Herrn eingehend dar. Im wesentlichen handelt es sich bei solchen Geschäften darum, die Spekulationslust ahnungsloser Leute, die schnell und mühelos reich werden wollen, anzureizen. Dazu bedarf es natürlich tüchtiger, beredter und mit einem robusten Gewissen ausgestatteter Agenten. Bankier Tänzer hatte deren drei, die gleichfalls mit ihm auf der Anklagebank saßen. ES sind dies der 29jährige„Direktor" Erwin Baß, ferner ein gewisser Hynek H a m l i s ch und ein Friedrich Vojtkchovsky. Das„Geschäftsprinzip" ist einfach. Man überredet harmlose Menschen, die von der Börsenspeku- latton keine Ahnung haben, ihre Ersparnisse, Wert» Papiere usw. in„gewinnbringenden" SpekulationS , ge'chästen anzülegen. DaS Bankgeschäft übernimmt selbstlos alles weitere, so daß der künftige Millionär nichts weiter zu tun hat, als fein Geld herzugeben und dann ruhig abzuwarten, bis er eines TageS als steinreicher Mann erwacht. DaS Bankhaus kauft dann Aktien, die.totsicher" in den nächsten Tagen sprunghaft steigen werden oder kauft sie auch nicht und spiegelt dem ahnungslosen Klienten den Ankauf nur vor. Steigen die Papiere nun wirklich, so beschwahi man das Opfer zu weiteren„Ordres " auf neue „Käufe" angeblich noch gewinnbringenderer Papiere, die dann prompt katastrophal fallen. Natürlich haben die Geprellten meist keine blaffe Ahnung, von der Bedeutung ihrer„Ordres ". Die Schlußabrechnung läuft jedenfalls stets auf«in Defizit hinaus. Dabei handelt es sich fast durchwegs um fingierte Geschäfte. Der Winkelbankier hat über- i Haupt nichts gekauft, sondern lediglich das Geld ein« Die Handelsvertragsverhandlungen, die nahezu zwei Monate zwischen Frankreich und der Tschechoflowakei geführt worden sind, sollten eine Wendung in den Handelsbeziehungen der beiden Länder herbeiführen. Im Gegensatz zu der engen politischen Freundschaft, die die beiden demokratischen Republiken verbindet, haben sich auf wirtschaftlichem Gebiet immer mehr Spannungen herausgebildet. Der tschechoslowakische Handel mit Frankreich hat für dieses Land bisher keine größere Bedeutung gehabt. Solange unserer Exportindustrie genügend andere Absatzmärkte offen standen, mochte diese Lücke nicht so fühlbar sein. Als aber unter den Auswirkungen der Krise der Außenhandel mit allen Ländern zusammenschrumpfte, wurde von der tschechoflowakischen Exportindustrie immer stärker die Forderung erhoben, daß das unS politisch verbündete Frankreich sich uns auch wirtschaftlich verpflichtet fühlen müßte. Doch konnte Frankreich diesem Verlangen gerade in dieser Zeit nicht leicht entsprechen, da seine Exportindustrien ja auch schweren Schlägen ausgesetzt waren und zum Ausgleich einen stärkeren Schutz für deck inländischen Absatzmarkt forderten. Frankreich war unter den ersten Staaten, die die Kontingentierung der Einfuhr zur Anwendung brachten. Unter dieser Beschränkung der Einfuhr hat der tschechoflowakische Export nach Frankreich stark gelitten; vornehmlich die Ausfuhr von Textilien, Papier, Schuhe und Lederwaren. ES ist bekannt/ daß in Frankreich die Wirtschaftskrise gerade in diesen Industrien starke Verwüstungen angerichtet hat; allein etwa 200 Textilfabriken sollen fest Beginn des Jahres 1934 geschlossen worden sein. Für die Tschechoflowakei brachte diese fran- zösische Handelspolitfl, mit der die Wirtschaft lichen und finanziellen Schwierigkeiten des Landes bezwungen werden sollten, gewaltige Nachteile. Die Ausfuhr schrumpfte in diesem Jahre von Monat zu Monat mehr zusammen und daS tschechoflowakische Pasflvum wuchs immer größer. Diese Entwicklung war deshalb noch bedenflicher, weil die Tschechoflowakei nicht nur im reinen Warenverkehr mit Frankreich u n g ü n- st i g dasteht, sondern weil sie . gleichzeitig auch int' Zahlungsverkehr mit Frankreich (Fremdenverkehr, Zinsen- und Schuldenrückzahlungen) noch stark passiv ist. Vereinbarung über den Warenaustausch abgeschloffen Kontingenterhöhung für die Einfuhr an die Tschechoflowakei gewährt gesteckt, um dann durch raffinierte Rechenkunststücke seinen Kunden klipp und klar zu beweisen, daß sie ihr Geld durch unglückliche Kursbewegungen verloren hätten. Dabei beruft man sich auf die ihnen aufgeschwatzten„Aufträge" und hat für ihre Klagen nur ein Achselzucken:„Tja! Wer reich werden will, muß riskieren und darf sich nicht beklagen, Wenns schief geht!" In unserem Fall beträgt der Schaden 1,844.488 Kt. Die Geschädigten gehören den verschiedensten Schichten an. Ein Proßnitzer Buchhändler wurde um 860.000 XL gebracht; ein Student legte das väterliche Erbteil— 88.000 XL in guten Wertpapieren— in diesen„Spekulationen" an und verlor es fast völlig. Ein Lehrerpensionist hat seine Ersparnisse dieser Gesellschaft in den Rachen geworfen, ein Pfarrer ist schwer gerupft worden und selbst ein kleiner Beamter ist den sauberen Agenten und ihrem Chef zum Opfer gefallen. Die Machinationen dieser Sippe zeichnen sich im einzelnen durch beispiellose Dreistigkeit aus. Wenn einer sein Geld zurückhaben wollte, erhielt er den Bescheid, daß man neue Papiere für ihn gekauft hab«. Der alte Lehrer wurde in nachtschlafender Zeit aus dem Bett geholt und ihm eine„Ordre " diktiert, von deren Bedeutung er natürlich keine Ahnung hatte, die ihn aber ein ansehnliches Vermögen kostete. AlS sich die Strafanzeigen häuften, verduftete der fein« Bankier Tänzer nach bewährten Mustern in die Schweiz , wurde aber auf Grund eines internattonalen Steckbriefes verhaftet und ausgeliefert. Bei der Verhandlung spielte er den ehrlichen Geschäftsmann, der nur die Aufträge seiner Klienten erfüllt habe. Sein Verschwinden war natürlich gar keine Flucht, sondern eine Geschäftsreise. Da zahlreiche Zeugen zu vernehmen waren, dauerte die Verhandlung bis gegen 10 Uhr abends, worauf der Gerichtshof den Fall vertagte. rb. Wer hat Dollfuss rnwrdet? Eine kriminalistisch-politische Betrachtung! von Dr. Fritz Kreisler 76 Seiten Preis 8 Kö■ Zu beziehen durch die Zentralstelle für das Bildungswesen, Prag XII., Slezskä 13 Kolporteure erhalten Rabatt Zwanzig Jahre Kinderheim Das Werk der deutschen Genossinnen in Brünn Das Kinderheim der deutschen sozialdemokratischen Frauenorganisation in Brünn begeht am 3. November seinen 20. Geburtstag. Ich hoffe, daß sich zu diesem seinen Ehrentag die Gratulanten zahlreich einstellen werden. Auf keinen Fall möchte ich unter ihnen fehlen. Ich will auch gleich sagen warum. Im Winter 1915/16 kam ich als kranker Soldat aus dem Felde nach meiner Vaterstadt Brünn zurück. In der Zeit meiner Rekonvaleszenz konnte ich das Heim unter Führung seiner Schöpferin und Leiterin, der Genossin L i l i C z e ch, wiederholt besuchen. Es bestand damals etwas über ein Jahr und befand sich noch im Künstlerhaus auf dem ! Glacis nächst dem Theater. Was ich dort sah und i erlebte, hat mich zu einem begeisterten Freund • diese- Unternehmens gemacht. Der Weg von unserem sozialistischen Erch- zielgedankcn zur Praxis sozialer Fürsorge ist uns Sozialdemokraten nicht leicht geworden. In den I Jugendjahren der Partei und unseren. eigenen ' sahen wir auf die christliche Charitas und bürgrr- öir waren DMDM daß die soziale i Frage mit Suppenküchen nicht zu lösen ist. Was I wir wollten und was wir bald zu erreichen hoff- j ten, das war die Abschaffung der Armut. Wir waren überzeugt— und sind es noch— daß es auf Erden Brot genug für alle gibt, und daß nur dec Wahnsinn der kapitalistischen Wirtschaft ein menschenwürdiges Leben der Massen verhindert, sir toaren überzeugt— und sind es noch—*•, ! daß eines Tages die Arbeit über das Kapital, die Menschlichkeit über die Barbarei, die Vernunft Silber alle Dummheiten, Torheiten und grotesken s Verirrungen der Völker triumphieren wird. Was | wir aber damals nicht sahen, daS war die Weite des Weges, die Höhe der Hindernisse, die phanta- I stisch unbegrenzte Möglichkeit der Zwischenfälle, i Rückschläge, Katastrophen, mit denen der Ueber- gang aus der alten Zeit„in die neue verbunden war. Der Weltkrieg, der große Zerschmetterer aller Illusionen, stellte uns auch auf allen Gebieten vor neue Aufgaben. Angesichts der Uner- meßlichkeit der Not, die zumeist unsere eigenen Genossen am härtesten traf, konnten wir das Werk der Bekämpfung dieser Not nicht mehr der Kirche und den bürgerlichen Wohltätigkeitsvereinen allein überlassen. Damals wurde, was später als Arbeiterwohlfahrt in Deutschland zu einer großen Organisation herantvuchs und was sich ähnlich auch im Gebiet der alten Monarchie entwickelte: eine neue Form sozialer Fürsorge, die aus dem Geist sozialisttscher Solidarität entstand..Was.sich.hier,.darbtzt.^gr sticht mehr eine Wohltätigkeit von oben herab, sondern eine Hilfsbereitschaft zwischen Gleichen, Gleichgesinnten und ! Gleichfühlenden. Daß der eine noch zu seinem Glück imstande war, etwas zu geben, während sich der andere in der unglücklichen Lage befand, nehmen zu müssen, machte keinen so großen Unterschied mehr. Es wurde auch kein„Vergelts Gott !" und kein„Danke schön!" verlangt. Die Tat trug den Dank in sich. Aus solchem Geist ist das Kinderheim der sozialdemokratischen Frauenorganisation in Brünn entstanden. Die Väter waren im Felde, die Mütter in der Fabrik. Die Kinder waren bei aualitativ und quantitativ ganz unzureichender Ernährung den ganzen Tag sich selber überlassen. Da griffen die Brünner Genossinnen ein. Sie schwangen mutig den Bettelsack, legten selber zusammen, gaben ihre Arbeit her, kochten, nähten, plätteten, wuschen, sie holten sich die verlassenen Kinder, setzten sie in einen warmen, behaglichen Raum an sauber gedeckte Tische, sie erzogen sie zu Selbstdisziplin und Selbstverwaltung, indem, sie die Größeren dazu anhielten, für Ordnung zu sorgen und den Kleinen behilflich zu sein. Sie gaben der munteren Schar, die bald von Hunderten bis zur runden Tausend stieg, für Vater und Mutter, Heim und Familie und den häuslichen Tisch— ja. sie gaben ihnen für das alles freilich nur„Ersatz", wie alles im Kriege„Ersatz" war. Nur daß dieser„Ersatz" nicht aus den Retorten der Chemiker stammte, sondern aus mütterlich empfindenden Herzen. Zwanzig Jahre seitdem... Es war ein Marsch durch die Wüste, durch Sturm und Not; die Kinder von damals sind die Arbeitslosen von heute und wieder Eltern von Kindern, die so hilfsbedürftig find, wie sie es einst selber waren. Unsere tapferen Brünner Genossinnen aber haben ihr Werk verteidigt und fortgeführt. Sie haben zwanzig Jahre durchgehalten im Kriege der Menschlichkeit gegen das menschliche Elend und seine traurigste, aufs stärffte ans Herz greifende Form, das Kinderelend. Sie wissen sehr wohl, daß alles, was sie tun, Stückwerk und Flickwerk blechen muß, und daß nur eine aus dem Willen des Volkes erwachsende totale Erneuerung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens imstande ist, das Uebel an der Wurzel zu fassen. Sie lassen sich aber durch diese Erkenntnis nicht zu' einem lähmenden Fatalismus verleiten, sie leisten GegenwartSarbeit um des ZukunstszieleS willen, sie bleiben Sozialisttnnen unb darum auch Optimiststinen. Sie glauben, eS müßten sich trotz wachsender Schwierigkeiten, trotz steigender An-' sprüche an die Opferbereitschaft jedes Einzelnen immer wieder Helfer finden, die ihnen die Fortsetzung ihres Werkes ermöglichen. Mögen sie nicht enttäuscht werden! Friedrich Stampfer . So war es nur zu verständlich, daß von tschecho-, flowakischer Seite der Versuch gemacht wurde, die gegenseitigen Handelsbeziehun gen, deren Grundlage der durch Zusatzabkommen wiederholt ergänzte Zollvertrag aus dem Jahre 1929 ist, einer Neuregelung zu unter ziehen. Die Verhandlungen, die in den letzten zwei Monaten zum größten Teil in Paris gepflogen worden sind, haben sich, das muß man offen aus sprechen, außerordentlich schwierig gestaltet. Es wäre aber ganz falsch, etwa von einem mangelnden guten Willen der französischen Regierung zu spre chen. Vielmehr resultieren die Schwierigkeiten aus der Verschärfung der Wirtschaftskrise in Frank reich und daraus, daß es im wesentlichen die glei chen Industrien sind, die in Frankreich Schutz aus dem Binnenmarkt fordern, und die in der Tschrcho- flowakei eine stärkere Ausfuhr nach Frankreich ver-,,„„,.„ langen. Außerdem hat Frankreich einzelnen Län- dr-chnstfich-Lharfias und dern, wie Deutschland und England, gewiss- Ver- Wohltättgkett Aringschätzrg herab Wi «KW-•***•”> fuhr Vorteile emzutauschen. Die großen Lander sind dafür geeigneter als die Tschechoflowakei mit ihrem viel weniger umfangreichen Absatzmarkt. In den Verhandlungen hat schließlich noch'■ der Außenminister Dr. B c n e i beim französi schen Handelsminister interveniert. Sie haben I nun am 25. Oktober zu dem Abschluß einer Ver-! gg einbarung geführt, durch welche, so meldet das• französische Tclegraphenbüro Havas, Frankreich | der Tschechoflowakei mittels angemessener Kom pensationen eine Erhöhung der Kontingente ge währt. Diese. Erhöhung wird im Rahmen der Global-Kontingente wahrscheinlich für Texfilien, Schuhwaren , Papier u. dgl. erteilt. Außerdem setzt die Vereinbarung die Organisation bei der Durchführung der Kontingente fest und bestimmt die Verkaufspreise bestimmter aus der Tschecho flowakei eingrführtcr Erzeugnisse auf dem fran zösischen Markt. Ueber den Umfang der Erhöhung des tschechoflowakischen Kontingents an der fran zösischen Einfuhr wird nichts mitgeteilt. Nach dem Stand kurz vor dem Ende der Verhandlungen ist zu schließen, daß er etwas mehr als zehn Millionen KL vierteljährlich, also rund 50 Millionen KL yn Jahre auSmachen dürfte. Es sind demnach diese Handelsvertragsver handlungen nicht völlig ergebnislos verlaufen. Aber sie haben gezeigt, wie weit sich zwischen poli tisch verbündeten Staaten die wirtschaftlichen '^eMM^EvgiUM.k3nnen. tue in dem.!avita- .Dlschen System, seiner Dauerttis^. und rnoeui. 1
Ausgabe
14 (1.11.1934) 256
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten