Geile 4 Dienstag, K. November 1934 Nr. 260. Das Massenaufgebot der Schlesier Das war In Jägerndorf   noch nicht dal** Acht Tage lagen zwischen der ersten Mel­dung über die Einberufung der Kundgebung durch die Partei und dem Aufmarsch in Jägerndorf  ; sie haben genügt, um dies Wunder an Organisa­tion und Tatkraft aufzuzeigen. Die Wirtschafts­krise wirkt sich im schlesischen Organisationsgebiet nicht minder aus, als anderswo, aber als die Partei zu der Kundgebung gegen den Henlein- fascismus, zur Demonstration für Freiheit und Brot aufrief, da schwanden alle Bedenken, die sonst bei jeder Aktion auftauchen, es gab plötzlich nur einen Gedanken, der unüberwindbar schien; ivir müssen marschieren! Und sie marschierten! Wie die Menschen einiger Gebiete das, Geld auf­brachten, wie sie es möglich machten, daß Arbeits­lose, die seit Jahren mit ihrer Familie von der Ernährungskarte leben müssen, nach Jägerndorf  kommen konnten, das alles kann, so erschütternd einzelne Beispiele an Ueberzeugungstreue und der Liebe zur Bewegung auch sein mögen, hier nicht geschildert werden. So viel sei nur gesagt, daß in diesen Tagen kein Opfer zu groß war, das ein­zelne nicht auf sich genommen hätten, daß jede Schwierigkeit, die sich dem Aufgebot der Massen entgegenstellte, überwunden wurde. Nur so war es inöglich, daß die entlegensten Gebiete ihre Kampf­truppen nach Jägerndorf   entsenden tonnten. Früh um acht Uhr war die erste Bewe­gung um das herrliche Arbeiterheim in Jägern­ dorf  ; die Wigstadtler kommen in fünf Auto­bussen angefahren. Eingepreßt länger als eine Stunde auf der über fünfzig Kilometer langen Fahrt, sind sie glücklich, als erste begrüßt zu wer­den. Es folgen kurz darauf die Arbeiter des Römer sc ädter Bezirkes. 1100 waren ge­meldet, 1800 kommen mit dem Extrazug. Sie kommen zum Teil aus den Siedlungen am Fuße des Alwaters. Holzfäller, Weber, Metallarbeiter, sie alle brachten ein großes Opfer, um sich in das Heer der Deinonstranten einzugliedern. Biele von ihnen mußten früh um drei Uhr auf die Beine, um nach stundenlangem Marsch die Bahnstation rechtzeitig zu erreichen. Aber sie kamen mit glänzenden Augen und über- quellender Begeisterung. Dann folgten die gro­ßen Züge der F r e u d e n t h a l e-r, etwas später der Würbenthaler und schließlich der Zug von Oderberg  -Troppau  -Ostrau., Hier waren 880 gemeldet* r 1300 kamen: Dazwischen kleinere Züge aus den Um Jägerndorf   liegenden Ortschaften, Autobusse, Rad­fahrer und in endlosem Zuge Einzelgänger. Zu­letzt noch der große Zug aus Hennersdorf. Jugendliche, die mit fröhM.m Gesang anrückten, Greise, denen die Augen übergingen, als sie sahen, wie sich-die Masse auf dem Sportplatz beim Ar- beiterhcim staute. Längst wußte man: das war in Jägerndorf   noch nicht da, immer wieder hörte man: Das haben Ivir noch nicht erlebt! Das Bewußtsein der sieghaften Un- iiberwindlichkeit drückte sich in jedem Wort, in jeder Geste fast aus. Die fünf Extrazüge, 15 Auwbusse, gegen 500 Radfahrer und einige Personenwagen brach ­ten gegen 9000 Arbeiter nach Jägerndorf  , sechs­tausend kamen zu Fuß, in der Hauptsache aus der Jägerndorfer Gegend und aus der Stadt Jägern­ dorf   selbst. Für die Vervflegung der körperlich meist überanstrengten und durch die herrschende Kälte mitgenommenen Massen war in mustergül­tiger Weise vorgesorgt worden. Eine Ries,narbeit des unbekannten Arbeiters, der bei dieser Aktion fast Uebermenschliches geleistet hat. Ihm verdankt die Partei den Aufmarsch und den Erfo'q vom Sonntag. Um zehn vormittags setzte sich der Zug in Bewegung. Voran die Ordner, an der Spitze die wackeren Wigstadtler in ihren blauen Hemden. Dann folgten die Jungarbeiter, der gewaltige Zug der Frauen und Männer. In Sechserreihen wird marschiert, ohne Musik, nur Trompetensignale künden den Anmarsch der Arbeiterbataillone. Ohne Abstand folgen die einzelnen Formationen den andern. Vierzig Minuten dauert d r Auf­marsch am Masarykplatz, der, umsäumt von Ord­nern, bis auf das letzte Plätzchen ausgefüllt wird. 100 rote Fahnen flattern im Winde, breite TranS- varente geben unsere Forderungen bekannt. Um dreiviertel elf Uhr wird die Riesenkundgebung durch einen Bläserchoral eröffnet, dann treten an die 150 Sänger zum Vortrag des«Trutzlied" an. Ein Sturm der Begeisterung folgt. Bürgermeister Genosse Richter begrüßt die Masse vor*eK» Mährisch-Schönberg  , die Hauptstadt Nord­mährens, alte Feste der Deutschnatkonalen, dann Hochburg der Nationalsozialisten, und jetzt Landesstrllc der Sudetendeutschen Heimatfront", bat am Sonntag eine deutsch  -sozialdemokratische Kundgebung erlebt, wie sie sich die bürgerlichen Väier und Söhne dieser Stadt kaum hatten träu­men lasten! Der Vertreter her politischen Behörde steUte fest, daß dies die größte Demonstration war, die je in Schönberg stattgefunden hat. Und so hat sich denn auch dort erwiesen, daß Henlein und seine SHF doch zu etwas nütze sind: nämlich dazu, überall die sozialistische Arbeiterschaft' noch fester zusammcnzuschweißen, die trotziger denn je ihre Entschloffenheit zeigt, den FascismuS jeder Spielart niederzuringen. Von der Partei gerufen, gesellten sich zu den Genoffen und Genossinnen aus Stadt und Bezirk Mährisch- Schönberg   die Textilproleten und Tabakarbeiter aus dem Sternberger Gebiet, die Papierarbeiter von Heinrichs­ thal  , die Steinarbeiter aus der Fre iWal­tz a u e r Gegend. In je zwei Sonderzügen aus dem Sternbergischen und aus dem Schlesischen, in einem Extrazug aus Mährisch-Trübau  , in zwei Autobusten aus Olmütz   kamen die Massen in den frühen Vormittagsstunden beim Schönberger Bahnhof zusammen und traten dann ihren Marsch durch die Stadt an. Rathaus. G. unterbreitet den Glü'ich an den Präsidenten, die Bersannnlung stimmt mit Beifall zu, er verliest die Kundgebung des Parteivorsitzenden  , die freudig zur Kenntnis genommen wird, und dann nimmt Abg. Genosse H e e g e r das Wort zur Wiedergabe der Proklamation unserer Partei zum 4. November. Gr wird immer wieder unterbrochen von Zu- stimmungSrufen aus der Maffe und schließt unter dem Beifall der Fünfzehntausend. Die Rede, vom Lautsprecher über den wei­ten Platz getragen, fand ihre Ergänzung im Ver­halten des Bürgertums. Keiner von ihnen war auf der Straße zu sehen, die Fenster um den Masarykplatz wurden geschloffen, als unsere Red­ner auf dem Rathausbalkon sichtbar wurden. So zog sich das Bürgertum vor der grollenden Masse zurück und gab in passwer Manifestation seiner Sympathie für den Fascismus Ausdruck. Und wurde verstanden. Trug so zur Steigerung des Erfolges der Demonstration bei. Jeder wußte; wir müssen wiederkommen, denn der Kampf be­ginnt erst! Diese Gedanken bewegten die Menschen am Schluß derKundgebung, als die Fanfaren ertönten und die Masse das Arbeiterlied anstimmte, als sie mit wehenden Fahnen, die«Internationale" auf den Lippen, den Rückweg zum Arbeiterheim an­traten. Sie dachten über die Bedeutung des Ta­ges und seinen großen Erfolg auch nach, als sie den beschwerlichen Heimweg machten. Wir müssen wieder auf die Straße, sie hat uns groß und kampffähig gemacht, sie wird uns den Kampfboden für den Sieg über die reaktionären Anschläge des Bürgertums wiedergeben, der Massenschritt der Arbeiter wird die Säumigen und'Faulen wieder zur Besinnung erwecken, wir werden auf diesem Boden auch den Fascismus schlagen. Der gewaltigen Kolonne wurde eine Riesen­standarte mit der Auffchrift«Für Freiheit undBrot, gegen den Fascismus" vorangetragen, gefolgt von einem herrlichen Fah­nenwald; dann wieder ein breites Band:«ES lebe Masaryk  !" Imponierend und schmuck zugleich die Uniformträger unserer Bewegung: Rote Wehr, Atus, Jugendliche zusammen an tausend Personen. Im langen Zug der Frauen(mehr als zweitausend) schritt das lc üfrische Arbeitermädel neben der reifen Proleta­rierin und neben dem Mutterl mit Kopftüchel und Einkaufstasche. And dann, wie die Boratischreitenj den zu Hundertschaften in Viererreihen, die Männer: ernste Gestalten, mit harten Zügen, die ebenso schweren Lebenskampf wie unerschüt­terliche Kampfentschlossenheit widerspiegeln. Der Zug ist zum überwiegenden Teil zusam­mensetzt aus Jugend und bestem Alter; die Zwanzig- vis Vierzigjährigen geben den Ausschlag. Der flotte Vorbeimarsch der etwa 7800 Menschen dauerte eine halbe Stunde. Diese siebeneinhalb Tausend waren deutsche Sozialdemo­kraten; denn die Kommunisten, die mit einem Häuflein von etwa hundert Mann zu unseren Massen hatten stoßen wollen, zogen sich wohlweislich zurück, als ihnen die Poli- Meeting der Lehntausend In Mähr.-Schönberg Die größte Kundgebung, die diese Stadt Je erlebte 40 Die Idealisierung ruft indes eine kritische Unter­strömung hervor; noch wagt sie sich zwar nicht laut hervor, doch erzeugt sie die verstiegensten Ge­rüchte und Verdächtigungen. Schon von Anfang an hat sich der Volksmund gegen Johann Hruza ausgesprochen. Es ist auffällig genug, wie sich die Mutter vor, während und nach der Entdeckung des Mordes verhalten hat, das Stück der Maurer­schürze am Tatort ist eines der wichtigsten corpora delicti, das Verhältnis der Familienmitglieder zu- eiuarider höchst gravierend, auch der Tod des Va­ters, noch heute Gegenstand des Dorfklatsches, wäre in Betracht zu ziehen. Nur auf die aus dem Verhandlungsprotokoll sprechenden Tatsachen Be­zug nehmend, gewinnt Masaryk   eine schwerwie­gende Summe von Belastungsmomenten. Eine nochmalige Auseinandersetzung mit der Ritualmordtheorie istDie logische Konstruktion der Schuld Hilsners". Unter dem Einfluß vor­wiegend der Schriften geistlicher Verfasser, die ihrerseits wieder durchaus von August Rohling  abhängen, sieht die Bevölkerung in ganz Mittel­ europa   den Polnaer Fall als das typische Ritual- v.rbrecheii an.Man kann" so zitiert Masaryk  die katholische Lehrmeinungüber die früheren Beweise des Ritualmordes diesen oder jenen Zwei­fel hegen der Fall von Polna   ist einwandfrei, und sein großer Wert für die wahrhaft katholi­schen Freunde der' Wahrheit besteht darin, daß er durch seine Augenscheinlichkeit und durch seine Bestimmtheit selbst die großen Massen zu über­zeugen vermag. Wir brauchen keine philologischen Haarspaltereien über einige Stellen des Alten Testamentes   oder den Talmud und seine Aus­leger, in Polna   ist die ganze Geschichte des Ritual« mordeS   in der einen christlichen Märtyrerin ver­körpert..." Noch einmal faßt Masaryk   seine gründlichen, mühsamen und scharfsinnigen Unter­suchungen zusammen. Es ist medizinisch erwiesen, daß die Leiche nicht völlig auSgeblutet war; di« Halswunde war nichtrituell"; die Manipulation mit der Leiche schließt jede Ritualität aus. Und noch einmal beschäftigt ihn di« Frage nach Ort und Zeit der Tat. Für die Zeitbestimmung führt er einen Zeu­gen ein, der zuverlässiger als alle andern ist: die Uhr von Polna  . Auf dieser Uhr war es zehn Minuten nach fünf, als der. Fuhrmann Cink den Hilsner mit seinen Komplicen in der Richtung nach dem Walde laufen sah. Auf dieselbe Uhr beruft sich der Zeuge Pesäk, der um ein Viertel nach fünf den Hilsner, auf den weißen Stock ge­stützt, nach dem Opfer ausschauen sah. Innerhalb der dazwischen liegenden sünf Minuten legte der Mörder den Weg von Cink zum Fundort zurück, nach der Anklage eine Entfernung von zwanzig Gehminuten; von dort rannte er weiter gegen Wjesnitschka, schnitt sich wie die Anklage an­nimmt, direkt vor der Tat das Stämmchen ab, schälte es und richtete es sorgfältig zu, galoppierte weiter, um die Vomela einzühülen und anzuspre­chen, kehrte um und nahm in der Nähe der Fund­stelle Posten 1 dies alles, wozu ein anderer annähernd eine Stunde gebraucht hätte, in fünf Minuten zu bewältigen, ist keine geringe Leistung, zumal da der Weg infolge hes Regens noch unbequemer zu gehen war als sonst. Seinen Re­kord als Schnelläufer übertrifft er aber noch durch seine Fixigkeit im rituellen Schächten. Da Agnes erst um dreiviertel sechs den Wald erreicht haben konnte, Hilsner jedoch um sechs, wenn nicht schon vor sechs wieder in der Stadt gesehen wurde, blieben ihm für den Ueberfall, die umständliche Blutabzapfung, die Manipulationen mit der Leiche und den Kleidungsstücken, das Abschneiden und- Aufstellen der Bäumchen usw. im günstig­sten Fall wieder nur fünf Minuten. So wie die Anklage sich einen Ritualmord vorstellt, würde aber auch eine halbe Stunde nicht zu seiner Aus­führung genügen. Wenn die Aussage des Cink richtig ist, so kann die des PeSäk nicht richtig sein. Nicht nur die Uhr beweist es. Die Sehproben, die Masaryk an Ort-und Stelle vornahm und vornehmen ließ, widerlegen den Kronzeugen. Seine Bekundungen beruhen auf Autosuggestion, auf Zeitungsgewäsch und von Mund zu Mund verbreitetem Klatsch. Auch die Begründung, er habe sich so spät gemel­det, weil es seinen Verdienst bei den Juden nicht verlieren wollte, ist unzulänglich. Masaryk   gibt eine Aufstellung über alle Arbeiten, welche Pe- säk innerhalb der letzten zwei Jahre für jüdische Kunden ausgeführt hat. Der Zeuge hat damit insgesamt etwa dreieinhalb Gülden verdient. Alle speziellen Beweise der Schuld Hilsners verlieren unter Masaryks Kritik ihre Kraft; und bestehen bleiben lediglich allgemeine Gründe: daß der Angeklagte arbeitsscheu ein Nichtsnutz und Mädchenjäger ist, und daß er gern im Brestna- wald herumlungerte.«Der Ritualaberglaube Hal die Beobachtenden, Prüfenden und Suchenden mit Blindheit geschlagen. Das ganze luftige Gebäude des Polnaprozesscs ist auf dem Sumpfboden einer vorgefaßten Meinung aufgebaut darum mußte es Zusammenstürzen... Die Menschen, die den Fall untersucht und beurteilt haben, sind blind und taub geworden; alles Denken und Fühlen, ja die Sinne selbst wurden nach einer vorgezeich­neten Richtung gedrängt, alles was dieser Rich­tung zuwiderläuft oder abseits liegt, wurde nicht beachtet, nicht einmal bemerkt. ... Ich wiederhole, was ich den demon­strierenden Studenten auf die Tafel geschrieben habe: Der ganze Polnaprozcß und seine Ausbeu­tung von klerikaler und antisemitischer Seite ist ein Attentat gegen den gesunden Menschenver­stand und gegen die Menschlichkeit." eine Versammlung auf offener Arave Als unser Genosse Dr. C z e ch mit dem- Chefredakteur desPrävo Litzu", Genossen S t i- v i n in der Mittagsstunde von der Kundgebung in Komotau   zu jener in Bodenbach   fuhr, begegnete er vor Teplitz   einem Zug der Genossen aus dem Duxer Bezirk, die von ihrer Demonstration heim­kehrten. Die Genossen Czech   und Stibin wurden von den Demonstranten herzlichst begrüßt, Genosse Czech hielt eine kurze Ansprache, die mit viel Beifall ausgenommen wurde. zei ein paar Standarten wegnahm, deren Knallig- keit im umgekehrten Verhältnis zur«Bedeutung" dieser Partei stand. Ernst, fast trotzig bewegte sich der Zug zum Marktplatz. Fast glich dieser Marsch dem Durchzug einer Truppe durch eine Stadt in Feindesland; denn jeder von uns hatte das Gefühl, zwischen diesen auf den Straßen und von Fenstern aus ver­steckt zusehenden Bürgern wie durch ein Spalier unerbittlicher, haßvoller Feinde hindurchzugehen. Auf dem Marktplatz standen dann, Kopf an Kopf, mehr als zehntausend in dem Karree vor dem Rathaus und darüber hinaus. Die Häupter entblößten sich beim«Lied der Arbeit" wie zum ewigen Bekenntnis zur Sozial­demokratie. Auf der von der Staats- und von un- screr Fahne flankierten, von unseren Bannern eingesäumten Tribüne begrüßte Gen. Z i s ch k a die Versammlung, verlas unter begeisterter Zu­stimmung ein Telegramm an Masaryk  , ferner eine Solidaritätsdepesche an die anderen Kundgebungen des Tages und sodann, wieder unter großem Beifall, die Botschaft des Parteivorsitzenden   Genossen Dr. Czech. So­dann hielt Senatsvizepräsident Genosse Dr. Carl Helle r-Teplitz, herzlichst begrüßt, ein mehr als halbstündiges Referat; insbesondere jedes Wort zur Charakterisierung Henleins, seiner SHF und überhaupt des sudetendeutschen   Bürgertums fand starkes Echo in der Massenversammlung, die bei jeder Gelegenheit ihre antifascistische, republika­nische, demokratische und sozialistische Gesinnung lebhaft zum Ausdruck brachte. Die.Internatio­nale", gespielt und gesungen, war der feierliche Abschluß. Mit klingendem Spiel zogen die unifor­mierten Abteilungen ab.(Für mehr als fünf­tausend Teilnehmer wurde ein Mittagessen durch unsere Konsumgenossenschaft beigestellt.) Die Kundgebung verlief in mustergültiger Ordnung und Disziplin. Eine winzige Episode umerstrich das noch: als nämlich Zischka zu spre­chen begann, hörte man plötzlich aus der Ver- sancmlung eine Art Piepsendes war.das, wie sich fpatercheräusstellte, der kommunistische Senator Langer, der, allerdings nur von den Nächststehenden bemerkt, eineRede" schwin­gen wollte; er wirkte dabei etwa wie so ein Spatz, der sich in eine riesenhaste fremde Umwelt verirrt bat; Man nahm denn auch das Vöglein gleich b«i oen Flügeln und in wenigen Sekunden war dieser «Zwischenfall" vorbei, bedeutungsloser, als sich mit Worten ausdrücken läßt. Nicht einmal mehr stören können die Kommunisten während die deutsche Sozialdemokratie, wie auch die Schönber­ger Kundgebung eindeutig und prachtvoll bewies, Freund und Feind Achtung gebietend, als einzige und starke Kämpferin für die sozialen Rechte der Arbeiterschaft, für die Demokratie, für Frieden und Völlerversöhnung marschiert; in Nordmähren  so gut wie in Böhmen  . Der Buchausgabe dieser Studien gibt der Verfasser eine Vorrede mit, in welcher es heißt: Der Ritualaberglaube ist eine Schmach der Zei­ten, eine brennende Anklage des offiziellen Chri­stentums, die offene Tür alles übrigen Aberglau­bens, die hohe Schule nationaler und sozialer Gewalttätigkeit." Und in seinem Schlußwort sagt er:Ich gestehe, nie eine Arbeit unternommen zu haben, die so anstrengend und so aufregend ge­wesen wäre. Die rohen Angriffe von klerikäler und antisemitischer Seite haben mich wenig beun­ruhigt, auch der demonstrative Ueberfall einer Anzahl Studenten und ihrer Helfershelfer hat mich nicht aufgeregt. Aufregend wirkt die un­glaubliche Lässigkeit und Oberflächlichkeit des ganzen Prozeßverfahrens, austegend wirkt das Inquisitorische an der Arbeit und der ungewohnte Umstand, über Ehre und Leben von Menschen verhandeln zu müssen. Ich habe lebhaft gefühlt, wie die Todesstrafe, um die es sich in dem Pro­zesse handelt, eine furchtbare Verantwortung er­heischt, und wie die Menschen noch furchtbar ober­flächlich und sorglos ihre Urteile über Leben und Tod fWlen l Die Todesstrafe ist schon darum ab­zuschaffen." Der Haß des Antisemitismus aller Länder hat ein neues Ziel gefunden: die Person Masa­ryks. Bisher richtete sich die Bewegung vornehm­lich gegen allgemeine Erscheinungen; gegen un­greifbare, ideelle Feinde, wie den Geist des Tal­mud, gegen verschwommene Größen, wie die per­sönlich unbekannten jüdischen Weltherrscher jetzt darf sie sich eines leibhaftigen Widersachers erfreuen. In diesem einen Menschen verkörpert sich ihr die verhaßte Uebermacht der Vernunft, der Verrat gläubiger Gebundenheit an den heimat­losen Geist der Zersetzung. Er ist ihr der Ueber- läufer auS der bodenständigen, ursprungsverbun­denen, blutverhafteten Gemeinde in die Welt einer haltlosen Humanität, einer utopischen Kultur. Und er ist ungleich gefährlicher als die andern. (Forffetzung folgt.)