Seite 8 Nr. 260 Dienstag, 6. November 1934 Im Flug von Australien  «ach Kalifornien  New Aork. Der Transpazific-Flieger King- ford Smith landete, von H o n o l u kommend, Sonntag um 16.05 Uhr m. e. Z. in O a k l a n d. Es ist ihm somit gelungen, als erster den West-Ost-Flug von Australien   nach Kalifor­ nien   zu vollbringen. Den ersten Abschnitt des Fluges von Brisbane  (Ostaustralien) nach Hono­ lulu   hat er in 25 Flugstunden zurückgelegt. Von Honolulu   nach Oakland   benötigte er nur 15 Stunden. Sowohl für den Piloten als auch für die Maschine bedeuten diese 40 Flugstunden, die er benötigte, um von Australien   nach Amerika   zu fliegen, einen ganz hervorragenden Rekord. Abschluß des Australien  -Flugrennens London  . Am Montag lief die für das Luft­rennen EnglandAustralien   gesetzte Frist ab. Von den 2 0 Flugzeugen, die in Mil- dcnhall vor 16 Tagen aufgestiegen waren, haben neun das Ziel Melbourne   er­reicht. Ein Flugzeug ist in Italien   verunglückt. wobei die beiden Insassen, Engländer, den Tod fanden. Die drei noch im Rennen liegenden eng­lischen Maschinen, von denen die vorderste am Sonntag in Kalkutta   eingetroffen war, kommen nunmehr für den Wettbewerb nicht mehr in Frage. Das holländischeFliegende Hotel" ist auf dem Rückflug nach Holland   am Sonntag um 20 Uhr 25 Min. von Port Darwin abgeflogen. Die Preise Rach der amtlichen Klassifikation lautet die Placierung im Handicap-Flug Eng­landAustralien   folgendermaßen: 1. Scott und Black, L.Parmentier und Moll, 3. M e l r o s e. Da Ccott und Black   den Schnel­ligkeitswettbewerb gewonnen haben, besitzen sie keinen Anspruch auf den ersten Preis im Handi­cap(2000 Pfund Sterling), der daher den Hol­ländern Parmentier und Moll zufiel. Den zweiten Preis in der Höhe von 1000 Pfund Sterling gewann Melrose. Entsprechend der Klassifikation der Schnelligkeitskon­kur' r e n z des Luftrennens EnglandAustralien gewinnt den ersten Preis, der 10.000 Pfund Sterling beträgt, das britische   Flugzeug mit den Fliegern Scott und Black. Diese erhalten außerdem einen goldenen Pokal. Den zweiten Preis des Schnelligkeitsrennens von 1500 Pfrmd erhalten die Amerikaner Turner und Pangborn und den dritten Preis von 500 Pfund die Flieger Jones und Waller. Ein furchtbarer Justizirrtum Der fälschlich Verurteilte gestorben. Roubaix  . Ein zurzeit im Gefängnis von Riom  befindlicher Mann, der kürzlich zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden ist, hat soeben der Staatsanwaltschaft die Mitteilung gemacht, daß er im Jahre 1924 an einem Mordversuch beteiligt war. Damals war der Neffe des Opfers unter der Beschuldigung, die Tat begangen zu haben, vom Schwurgericht zu 10 Jahren Zucht­haus verurteilt worden. Auf der Insel Re  , wohin er danach verbracht wurde, ist er kurz vor seiner Entlassung verstorben. Auf Grund der von Cornillon gemachten Angaben wurde in Roubaix   eine provisorische Matuschka und der Geist Leo Erregte Gerichtsverhandlung in Budapest Budapest  . Am Montag begann hier die Hauptverhandlung im Prozeß gegen den Eisen- bahnatteniäter Silvester Matuschka. Der Ver­handlungssaal, der Faffungsraum für 200 Per­sonen bietet, war dicht besetzt. Unter dem Publi­kum bemerkte man zahlreiche Juristen, Politiker sowie Vertreter der In- und Auslandspreffe., Matuschka wird von zwei Gefängniswärtern begleitet; er trägt Fesseln an Händen und Füßen, die ihm vor dem Gerichtstisch abge­nommen werden. Sodann beginnt die Aufnahme der Persona­lien Matuschkas. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob er noch andere Namen trage, antwortet Ma­tuschka, er nenne sich auch utugurak r o" oder auchHaare in den Hosen". Der Vorsitzende ermahnt ihn hierauf, keine Witze zu ma­chen, sondern normale Antworten zu geben, worauf Matuschka wieder ernst wird. Nach der Aufnahme der Personalien wird die umfangreiche Anklageschrift verlesen, die bekannt­lich gegen Matuschka die Anklage wegen 22fachen Mordes, begangen durch das Eisenbahnattetat bei Bia Torbagy, erhebt. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob er sich als schuldig bekenne, antwortet Matuschka mit einem ge­dämpften I a. Er sagt, er hätte nicht auf den Geist Leq hören sollen, der ihn dazu zwang, eine Reihe von Attentaten zu verüben. Dieser Leo habe ihn bereits seit seiner frühesten Kindheit nicht ruhen lassen. Er habe auch den Satan gesehen, sagt Matuschka dann auf eine weitere Frage des Vorsitzenden; er habe große Hörner gehabt, lange spitzige Ohren und einen lachenden Mund. Während der Aussagen wendet sich Matuschka fortwährend hin und her, so daß der Vorsitzende ihn auffordert, ihm ins Gesicht zu schauen. Matuschka lacht und sagt, er werde dies nicht tun, da man ihm dann die Wahrheit aus den Augen ablesen könnte. Verschiedene Fragen des Gerichtspräsidenten versetzen Matuschka in eine solche Erregung, daß er, seine Stimme stei­gernd, die Antworten schließlich schreiend gibt, so daß der Vorsitzende ihm mit vollständiger Fesselung droht. Untersuchung eingeleitet, die ergeben hat, daß derselbe tatsächlich noch drei Tage vor dem Ver­brechen in Roubaix   ein möbliertes Zimmer, un­weit von der Ueberfallstelle innehatte. Die Unter­suchung wird infolgedessen fortgesetzt. Neun Todesopfer eines Bauunglückes Madrid  . In Granada   ereignete sich ein schweres Unglück. Die Seitenwand einer im Bau befindlichen großen Garage stürzte ein und zer­störte vier angrenzende Häuser. Neun Personen, darunter s echsKinder, wurden getötet.> Die Gösch. An der Spitze des riesenhaften Demonstrationszuges,in Karlsbad   marschierten die Genossen und Genossinnen aus dein Hunger­bezirk G r a s li tz. Von all den Treuebeweisen, die die Partei an diesem Tage erfuhr, ist der der Graslitzer Arbeitslosen am rührendsten und er­greifendsten gewesen. Henlein   behauptet, daß ihm gerade in Graslitz   ein Einbruch in unsere Rei­hen gelungen sei; nach der.Rundschau" haben die Graslitzer Arbeitslosen der Sozialdemokra­tie vollständig die Gefolgschaft aufgesagt. Er lasse sich von seinen Vertrauensmännern, die er als Beobachter zu unseren Kundgebungen geschickt hat, genau berichten I Drei Graslitzer Ordner trugen die Staatsflagge an der Spitze des Zuges. Dann schloß sich eine lange Kolonne von Gras­litzer RW-Leuten an, deren straffe Disziplin be­sonders auffiel. Und an der Spitze dieses RW- Zuges wehte eine rote Fahne, die im oberen Eck eine Gösch in den tschechoslowakischen Staats­farben trägt. Daß diese Gösch aufgenäht wurde von jenen sozialistischen   Soldaten der demokrati­schen Republik, die im schwersten Krisensturm ihre Partei und die Demokratie unseres Landes verteidigen, daß sie dem Rot unserer Ovdner- fohne hinzugefügt wurde, ohne daß die Graslitzer einen Auftrag oder eine Anregung hiezu hat­ten das ist ein Symbol.Das einzig mög ­liche nationale Programm ist das soziale", sagte unser Parteivorsitzender auf unseren Kundgebun­gen. Die Graslitzer roten Soldaten der Republik  hoben das erkannt. Sie marschieren für das so­ziale Programm, dessen Erfüllung sie von der tschechoslowakischen Demokratie fordern. Diese Forderung gründet sich auf die Treue, die die ärmsten unserer Kämpfer der Republik   halten. Das will die Gösch auf der Graslitzer RW- Fahne sagen. Die Leistung der Eisenbahner. Eine beson­dere Leistung haben die Eisenbahner in Nordböh­ men   vollbracht. Die Zu- und Abfahrt der Sonder­züge war ausgezeichnet organisiert. Auf dem Bo­denbacher Bahnhof allein liefen neun Sonderzüge ein und mußten neun Züge wieder abgefertigt werden. Die Manifestanten waren mit der Orga­nisation auf den Bahnhöfen sehr zufrieden und es ist mit ein Verdienst des He> Inspektors R e i- t e r, daß alles klappte.- Glänzender Verlauf" eines Todesgeden­kens... Tschsl. P.-B. meldet aus L i s s a b o n: Das sonntägige internationale Flug- Meeting, das zum Gedenken an den bei dem Pariser   Luftakrobatik-Wettkampf auf tragi­sche Weise^rms Leben gekomme­nen portugiesischen Fliegerhauptmanns d'Abreu' veranstaltet wurde, nahm einen glänzenden Ver­lauf. Bor mehr als 80.000 Zuschauern legten portugiesische und auch internationale, darunter hauptsächlich französische Flieger, Proben ihrer Kunstfertigkeit in der Flugakrobatik ab. Besonders reichen Beifall ernteten insbesondere der Fran­zose Detroyat und der tschechoslovakische Flieger Chefpilot N o v ä k. Infolge eines Wolkenbruches lösten sich von dem Hügel bei dem Dorfe Bordenaro in der Nähe von Messina   große Erdmassen) die ein an dem Hügel liegendes Haus zum Einsturz brachten. Zur Hilfeleistung wurde Feuerwehr aus Messina   her­angezogen. Bisher wurden von den 13 in dem Hause befindlichen Personen lediglich zwei als Leichen geborgen. 40.000 Familienväter demonstrier« Brüssel  . In den Straßen von Brüssel   mani­festierten Sonntag mehr als 40.000 Väter v i e l- gliedrigerFamilien, die auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Regierung auf ihre schwere Situation und auf ihren bisher erfolglosen Kampf für ihre Forderungen lenken wollten. Die Manifestation hatte einen ruhigen und würdigen Verlauf. Eine Delegation der Ma­nifestanten überreichte dem König und dem Mini­sterpräsidenten ein Memorandum. Fristlose Entlassung wegen eines Kranzes für Wallisch. Vor wenigen Wochen hat ein Brücker Eisenbahner auf dem Leobner Friedhof einen Kranz auf Wallischs Grab niedergelegt. Er wurde angezeigt und von der Disziplinarkammer der Bundesbahnen zur fristlosen Entlassung unter Verlust aller Rechte, auch der Versorgungsgenüffe für seine Angehörigen, verurteilt! Die christliche Diktatur fürchtet noch den toten Freiheitskämp­fer. Tochter Karl Liebknechts gestorben. Wir er­fahren, daß Vera Liebknecht, Tochter Karl Lieb­knechts, im Alter von 28 Jahren in Wien   ge­storben ist. Dir Mitglieder der Regierung empfangen wegen Teilnahme an den Beratungen über dringende Arbei­ten am heutigen Dienstag kein« Besuche. Der Empfangstag wird auf Mittwoch, den 7. November, verlegt. BarthouS Hinterlassenschaft. Der Vollstrecker des letzten Willens Louis Bqrthous dementiert die Nachricht, daß die berühmte Bibliothek des verstorbe­nen Ministers der französischen   Akademie vermacht wurde. Barthou   hinterließ der Akademie sein Ver­mögen und seine Kun st gegenstände; die Bibliothek jedoch wird im Bersteigerungswege verkauft. Stromdiebstahl. Sonntag wurde der Arnsdorfer^ Mühlenbesitzer Emil Wühl, dessen gleichnamiger Sohn, sowie der Monteur der Firma Wöhl namens Tille verhaftet. Die Verhaftungen erfolgten, wegen Stromunterschlagungen beim. Friedländer Elektri­zitätswerk. wodurch ein Schaden von rund 50.000 Kc nachgewiesen wurde. Raubmörder. Der Polizei in B u d a p e st gelang es, 3 Stunden nach der Aufdeckung des Raubmordes in der Tabaktrafik in der Kai- ser-Wilhelmstraße den Täter in der Person des 27jährigen stellungslosen Handlungsge­hilfen Alexander Horvat zu eruieren. Er hat die Tat bereits eingestanden. Todesurteil wegen eines Eisenbahnunglücks. Am Montag wurde das Urteil des Obersten Gerichtes der Sowjetunion   in Angelegenheit der Eisenbahn­katastrophe in der Bahnstation Osnowa   an der Süd­bahn veröffeMicht,"wobei 24 Lastwagest zertrüm­mert wurden und ein.Wagenschmierer den Tod fand, Bei der Verhandlung wurde festgestellt, daß alle drei Angeklagten, d. s. der diensthabende Beamte L i n- nik, der Signalist Junoschew und der erste Wei­chensteller Pawlenko die Arbeitsdisziplin systematisch verletzt und daß sie bei der Arbeit eine vervre- cherischeNachlässigkeitan den Tag gelegt haben. Das Gericht stellte fest, daß Linnik die Dienstorganisation böswillig gestört und bewußt das Reglement des Verkehrsdienstes sabotiert habe- Das Oberste Gericht verurteilte deshalb den Ange­klagten Linnik als Feind des Volkes und der Sowjet­ union   zum Tode und die beiden anderen Angeklagten zu fünf, bztb. drei Jahren Freiheftsverlust. kugene Pottier Der Dichter derInternationale Von Hermann Wendel Rue Champollion ob in dieser kleinen und engen Straße des Lateinischen Viertels 1871 in derblutigen Woche" der Pariser   auch gekämpft wurde? Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, denn ganz in der Nähe die Barrikaden der Rue de l'Ecole de Medecine waren, zum Teil von Frauen verteidigt, eines der Widerstandszentren auf dem linken Seine-Ufer gegen das hier vorrückende Armeekorps C i s s e y. Und also wurde in der Rue Champollion Eugene P o t t i e r, Kommu­nard und Sänger der Kommune, am rechten Fleck gefeiert. Die Feier begab sich in dem intimen und pfttoresken Saal desCabaret des Noctambules", und abgehalten wurde sie von der VereinigungLa Chanson dePa- r i s", getreu ihrem Grundsatz, das, was unüber­setzbar Chanson heißt, in all seinen Abwandlun­gen zu pflegen. Lucien Descaves   von der Akademie Goncourt, der berühmte Verfasser der Sous-Offs" und einer Reihe anderer Rouiane, in denen die revolutionäre Ueberlieferung des neunzehnten Jahrhundert lebt, führte den Vorsitz und sprach einige eindringlich geistvolle Worte über den Chansonnier, der nicht hinter dem war­men Ofen, sondern im Pulverrauch gedichtet habe, und vor dem er sich verneigte als einemder Toten, die wir zum Leben nötig haben". Dann entwarf Alexandre Z 6 vaLs, Zierde des Pariser  Barreaus und Historiker der Dritten Republik und der sozialistischen   Bewegung, ein anschauliches und lebendiges Bild P o t t i e r s, des Sängers und des Menschen. Der 1816 im Schoß einer Arbeiterfamilie zur Welt kam, war einParigot" reinsten Wassers; er wurde in Paris   geboren, lebte in Pariss, ar­beitete in Varis, kämpfte in Paris  , starb in Paris   und liegt in Paris  , auf dem Pere-Lachaise  , begrabe«. Wie jein Vater sollte Eugene Pot« t i e r Packer werden und versuchte sich in ver­schiedenen Berufen, bis er als überaus geschickter Stoffzeichner sein Auskommen fand. Früh schon, da ihn enge Freundschaft mit Henri M u r g e r, dem Erzähler derBoheme", verband, fühlte er seine Stirn vom Kuß. der Muse gestreift, nur daß diese Muse die rote Freiheitsmütze auf wehendem Lockenhaar trug und statt des Schäfersteckens die revolutionäre Pike in der Rechten hielt. Durch das Geäder seiner kräftigen und kernigen Stro­phen floß das Herzblut des arbeitenden Polks, der duldenden namenlosen Masse; er sang Pas Leid der Reinen Leute, den Hunger des Habenichts, das trübe Erbenlos vonJean Misere", Elend und Verzweiflung, Sehnsucht und Revolte des Pro­letariers. Nachdem Zevaäs geendet hatte, trugen Robert Aubry vom Theater der Porte-Saint- Martin, G, Jsabelli vomTrianon Lyrique" und Felix G i b e r t vomOdeon" eine Anzahl dieser sozial gewürzten Gedichte packend und er- schütternd vor. Wie Pottierim Feber 1848 auf die Bar­rikade stieg, so stand er zum zweiten Kaiserreich in unerbittlicher Opposition; in dieser Zeit suchte er im Rahmen der Internationalen Arbeiter-Asiozia- tron die Stoffzeichner gewerkschaftlich zu erfassen. Nach Sedan   gehörte er zu den Männern der Lin­ken, die zur Rettung der Republik   leidenschaftlich den Krieg bis aufs Messer predigten. Adjutant des 181. Bataillons der Nationalgarde, schlug er sich wacker bei Champigny  , und bekannt wurde sein poeftscher Aufruf zur Verteidigung von Paris  . Aber als am 18. März 1871 auf dem Parsser Rathaus die rote Fahne wehte, war der Reine quecksilberne Mann mft den dunkel glühenden Augen erst recht dabei. Im April entsandte ihn das Zweite Arrondissement in die Kommune und als im Mai die Uebermacht der Versailler die revo­lutionäre Hauptstadt erdrückte, hielt P o t t i e r bis zur letzten Patrone stand. Es gelang ihm, dem Blutdurst der Kriegsgerichte ins Ausland zu ent- I kommen. Nach der Amnestie von 1880 zurück­gekehrt, gab er 1884«inen Teil seiner Gedichte, die in Dutzenden von Zeitschriften und Zeitungen erschienen waren, unter dem TitelQüi eft Xe f o u?" heraus; so hieß eines seiner Chansons mit dem KehrreimWer ist verrückt, die Welt oder ich?" Drei Jahre später legte er einen zweiten Band,Chants Revolutionnaires" (Revolutionäre Gesänge) vor, dem Henri de Rochefort   das Geleitwort geschrieben hatte, aber schon am 7. November 1887 starb P o t- t i e r. Das Pariser   Proletariat erwies seinem Sänger, der sich zur sozialistischen   Partei Ä u e s- d e s bekannt hatte, die Ehren eines Leichenbegäng­nisses, das zu Zusammenstößen mit der Polizei und zu einer Interpellation in der Kammer führte, aber auch die keineswegs revolutionär gesinnte Literaturkritik erkannte das stärke Talent des Dichters an und reihte ihn den großen Chanson­niers ein. Wie es nicht angeht, von Rougek de l'J s l e zu reden, ohne dieMarseillaise  " zu er­wähnen, so, sagte Z ö v a e s, ist es ein Unding, den Namen Pottier   zu nennen, ohne auf die Internationale" zu kommen. Ihre Strophen brachte der Dichter, bei einem Freunde verborgen, im Juli 1871 zu Papier, als das Pariser   Pflaster noch von dem Blut rauchte, in dem die Kommune ersäuft worden war. Gedruckt wurde das Lied aber erst in denChants revolu­tionnaires", und zwar ohne daß die Welt beson­dere Notiz davon nahm. Im Jahr nach dem Tod des Dichters komponierte ein musikalisch begabter Modelltischler in Lille   namens Pierre D e g e y- ter,aus Gent   gebürtig, dieInternationale" für einen lokalen Arbeitergesangverein,La Lyie des Travailleurs". Jetzt bekam sie Flügel, aber ihr Flüg war anfangs langsam genug; Jahre hin­durch beschränkte sich ihre Verbreitung auf die In­dustriezentren des Nord-Departements. Erst als sie 1896 vor einem Kongreß der Französischen   Ar- befterpartei(Guesdisten) in Lille   mehrfach gesun­gen und jubelnd begrüßt war, drang sie mit der Rückkehr der Delegierten in die verschiedensten Ge­genden Frankreichs   vor. 1899 wurde sie von einem Pariser   Kongreß aller sozialistischen   Richtungen auch den. übrigen Parteigruppen bekannt und so zu dem allgemein anerkannten Lied der französi­ schen   Arbeiterbewegung; unzählige Male rissen seitdem bei Kundgebungen ihre anfeuernden Takte die Massen hin: O'est la lutte finale. Groupons-nous, et demain LInternationale Sera le genre humain. Stimmten die Internationalen Sozialisteu-Kon- gresse bis Ende des neunzehnten Jahrhunderts noch das Revolutionslied von 1792, dieMar- seillaise" an, sd erklang in Stuttgart   1907 zum erstenmal dieInternationale",«die damit ihre Weihen als Hymne der internationalen Arbeiter­bewegung erhielt:Völker, hört die Signale!" oder in der besseren Uebertragung von Franz D i e d e r'i ch: Schon erglüh» die Signale! Ein letzter Kampf muß sein. Die Internationale Wird die Welt beftein. 1917 gar rückte die Schöpfung Pottiers und Degeyters zur Nationalhymne Sowjetruß­lands auf, und so wird sie weiter ihren Weg machen. Denn trotz allem Widrigen, was unsere Zeit dem großen Freiheitskampf der arbeitenden Klaffen entgegenwälzt, haben die zuversichtlichen Worte Pottiers aus seinemSie ist nicht tot!" unverbrüchliche Geltung: Man schoß sie mit Kartätschen tot Aus Mitrailleusenschlünden Und schleifte ihre Banner durch den Kot, Blut dampfte in Tälern und Gründen. Da paradierten die Henker des Volks Ms siegreiche Paladine... Doch nichts hält auf der Dinge Verlauf, Denn sie ist nicht tot, die Kommune! Die gleiche Zuversicht gab Lucien Descaves  in seiner Ansprache kund:Die Kommune stirbt nicht. Man muß sie nicht hinter uns suchen, sie ist vor uns." Und unsterblich wie die Kommun« ist ihr Sänger: Eugöne Pottier-