«r. 260 Dienstag, 6. November 1934 Seite 9 Eine sonderbare Geschichte von gemordeten und halbverhungerten Chinesen. New Jork . Die Bundespolizei fand auf der Suche nach Opiumschmugglern in dem Keller eines abgelegenen Hauses in der Nähe der Stadt Atlantic an der Küste von New Jersey 17 Chinesen auf, meist Studenten, die halb verhungert waren. Einige der Chinesen beherrschten die englische Sprache. Sie sagten aus, sie seien vor drei Monaten aus Kanton über Trinidad nach der Küste von Virginia in eine Ladung eines Tramp-Dampfers eingeschmuggelt worden. Zu Beginn der Seereise seien sie 50 an der Zahl gewesen. Unterwegs seien aber 12 erkrankt. Diese seien einfach über Bordge- warfen worden. Die übrigen 88 seien bei Virginia Beach an Land geschafft und dann in Kartoffelsäcke eingenäht worden. Sodann seien sie zusammen mit Kartoffeln auf Lastkraftwagen verladen worden, mit denen sie dann nach New Jersey gebracht worden seien. Hier seien 21 Chinesen freigelassen worden, da ihre Verwandten das Fahrgeld bezahlt hätten. Die übrigen 17, die man jetzt aufgefunden hat, seien in einem lichtlosen Keller unter Bewachung eines Negers, der Wohl zwei Zentner gewogen habe,«gefangen gehalten worden. Sie sollten erst freigelassen werden, wenn ebenfalls das Fahrgeld bezahlt sei, das ungefähr 1500 Dollar betrage. Anderenfalls sollten sie sich verpflichten, inWäschereien bei einem Taglohn für 20 Cents die Fahrt- k o st en abzuarbeiten. Ei« bulgarischer Nationalpark. Die bulgarische Regierung beschloß die Schaffung eines etwa 9000 Hektar großen Nationalparkes auf dem Berge Wito f ch bei Sofia . Das gesamte Gebiet soll mit Waldbestand bepflanzt werden. Der Schöpfer der Eros»Statue gestorben. Der bekannte Bildhauer Sir Alfred Gilbert , der Schöpfer der Eros-Statue auf dem Londoner Picca- dilly-Platz und anderer bekannter Skulpturen und Grabmäler, ist auf der Klinik in London im Alter von 80 Jahren gestorben. In der Oeffentlichkeit erregte er seinerzeit auch durch seinen Konflikt mit den Behörden wegen der Placierung seiner Eros-Statue Aufmerksamkeit. Sir Gilbert begab sich damals in freiwillige Verbannung und lebte 20 Jahre auf dem Kontinent. Eisenoahnkonferenz iu Dresden . Aus Moskau begab sich eine Sowjetdelegation zur Eisenbahnkonferenz nach Dresden , an der die Eisenbahnverwaltungen von Sowjetrußland, der Tschechoslo wakei , Polens und Deutschlands teilnehmen. Der Schatz des Jägers. Die Leningrader Eremitage erhielt einen der Gröhe und dem Wert nach, seltene^ Schatz von Silbermünzen, die von einem Jäger im Urwald beim Ladoga-See gefunden wurde. Der Jäger, der bei einer D a ch s j a g d eine Grube aushob, stieh auf einen Kupferkeffel, der 11.000 Münzen, Münz-Bruchstücke und Silberbarren enthielt. Der Schatz enthält außer sächsischen, dänischen, tschechischen und italienischen Münzen aus dem 11. Jahrhundert auch seltene orientalische Münzen. Die Rache der Zeitungsverkäufer Der Aufstand der Knirpse— Fünfzig Jungen demolieren ein Luxuslokal In Bukarest haben die Zeitungsjungen ein aufsehenerregendes Exempel statuiert. Eines der gröhten Luxusrestaurants hatte einen neuen Geschäftsführer erhalten, der sich besonders tüchtig zeigen wollte. Als zwei Zeitungsjungen in das Lokal kamen und ihre Blätter auSriefen, packte er Die Baracke Vom Dach der Baracke hat man einen schönen Ausblick. Die Stadt dampft. Die Lichter der Straßen zittern. Hinter den Baracken beginnen die Flußauen. Da biegen sich die Weiden und singen im Wind, kläglich und lang gezogen. Das Rauschen des Flusses hört man, wenn Südwind weht. Der verfluchte Wind, das ist ein erbitterter Feind, denkt der Arbeitslose Berner, der auf dem Dach der Baracke sitzt und ein Stück Dachpappe festnagelt. Jetzt wird es nicht mehr in sein Bett regnen. Er rutscht vom Dach herunter und schwingt den Hammer, diese ungewohnte Last in seinen Händen. Er schwingt ihn und probiert, ob seine Arme noch beweglich sind. Wie er noch Ar- beit hatte! Da schwang er den Hammer, glitt über die Leftern, hob die Latten und stand hoch oben auf einem schwankenden Gerüst. Und die Frauen, die auf der Straße standen, zitterten um ihn. Aber das Gerüst wuchs sicher unter seinen Händen. Jetzt wcchnt er in der Baracke. Sie sicht windschief und verbeult wie eine Hundshüfte. Vor mchr als fünfzehn Jahren stöhnten Kriegsgefangene auf den Pritschen und schrien in sieben Sprachen nach ihren Frauen und Kindern, nach dem dämmernden Strom in der russischen Steppe, nach dem südlichen Himmel über Neapel , nach dem Rauschen des Meeres in der Bretagne . Aus ihren Träumen schluchzten sie zärtliche Worte in dunklen Lauten und weinten vor Heimweh in die Kommißdecken. Und jetzt verflebt Berner die Fugen, damit ihm der Re4en nicht ins Gesicht tropft, wenn er schläft. Und er schläft viel. Er taucht gerne unter in das Vergessen und träumt davon, daß die den der sei. einen erzählt Novak welchem nehmen des zur geht zum Öfen und trinkt eine Schale Kaffee aus, die für ihn bereit steht. Dann sagt die Frau: Leg dich nieder und gib endlich Ruhe., Er denkt wieder daran, wie alles einmal war und daß ein entscheidendes Ereignis kommen müßte. Wäre nicht eine Gefängniszelle bester als dieses Barackenloch? Wäre es nicht bester, durch die Welt zu wandern, sftolchen, arbeiten, nicht arbeiten,— wie es kommt? Hält ihn die Frau, ihre mageren Arme, ihr eingefallenes Gesicht? Oder das Kind? Was sollte aus dem Kind werden? Was, zum Teufel, konnte aus dem Buben werden? Berner schlug mit der Faust auf die Bretüante.„Was hast du?" stöhnte die Frau. Er gab keine Antwort. Er hatte nur Fragen im Kopf. Nebenan schrie jemand. Das waren nicht die singenden Weiden. Schrien die Gespenster der Gefangenen? Eine Frauensftmme, mehrere Stimmen. Träumte er? Berner sprang aus dem Bett. Er hörte Schrttte. Draußen sah er, daß die Bewohner der Baracke auf den Beinen waren, Frauen in zerschlistenen Hemden, Männer in Unterhosen. Dann sauste ein Rettungswagen heran. Aerzte in weißen Kitteln. Und dann trugen sie einen Mann aus der Baracke. Ach sol Der ausgesteuerte ArbeftSlose hatte sich vergiftet. Lysol. Das wirkt nicht, dachte Berner. Das ist gut gegen die Wanzen. MS er die Aerzte sieht, denkt Berner: Die I hätten ihm früher helfen müssen! Dann legt er sich wieder nieder und horcht auf die erregten Stimmen. ES ist etwas geschehen, denft er. Aber nicht das Richtige. Jeder, der allein etwas unternimmt, tut falsch. ES muß etwas andere- geschehen. Draußen singen die Weiden . sie unter Mißachtung der bisher geduldeten Ver- kaufstätigkcit kurzerhand beim Kragen und warf sie hinaus. Zunächst waren die Jungen völlig verblüfft. So etwas war ihnen noch nicht vorgekommen. Dann aber, nachdem sie erst eine Weile kräftig geschimpft hatten, beschlossen sie zu handeln. Eine Stunde später hatten die beiden Jungen sämtliche Zeitungsverkäufer von Bukarest zu- sammengetrommelt. Nach kurzem Kriegsrat erklärten die Führer, man hätte in den beiden Vertretern der„Zunft" alle Mitglieder getroffen. Ein Racheplan wurde ausgellügelt, alle Einzelheiten Feldzuges festgesetzt und der kommende Tag Durchführung besttmmt. In der Mittagszeit des nächsten Tages, als vornehme Restaurant überfüllt war, hörten „mit eineinhalb Millionen aktiv" Nach ganztägiger Verhandlung wurde der Prozeß zur Einvernahme neuer Zeugen auf unbestimmte Zeit vertagt. rb. Synchronisierung der Prager Uhren Die gestrige Sitzung der Zentralvertretung der Stadt Prag hat einen Beschluß gefaßt, der, wenn er den angestrebten.Zweck auch erreicht, von der Beßölkerung mit großer Genugtuung ausgenommen werden wird. Es ist nämlich beschlossen worden, die in den Prager Straßen aufgestellten Uhren, im ganzen vierzig, durch die tschechoslowakische Postverwaltung synchronisieren zu lassen, so daß in Zukunft alle Prager Stadtuhren eine einheitliche Zeit anzeigen sollen. Ueber Antrag des Stadftates ist ferner beschlossen yrorden, die Podbabflä ttida in Prag - Dejvice nach König Alexander und die Mänesova in Prag XII, nach Minister Barth o u zu benennen. An der Sitzung der Stadtvertretung wurde die Aufnahme mehrerer Kommunaldarlehen be- l schloffen, darunter ein Darlehen vott 18 Millionen das die Gäste auf der Straße das wüste Geheul vieler Knabenstimmen. Wenige Augenblicke später wurde von den heranstürmenden Jungen der betreßte Portier zur Seite gestoßen, und eine Flut schreiender und johlender Jungen wälzte sich in das Lokal. Der Anführer der Zeitungsverkäufer- Zunst verschaffte sich Ruhe und erllätte den verängstigten Gästen den Grund ihres Ueberfalles und forderte sie auf, das Lokal zu verlassen. Die Gäste kamen dieser Aufforderung gern nach und waren froh, nur mit einem Schreck davongekommen zu sein. Jetzt, nachdem die Gäste das Lokal geräumt hatten, schlugen die Jungen alles kurz und klein. Kein Tisch, kein Stuhl blieb ganz. Das Porzellan, das auf den gedeckten Tischen gestanden hatte, die zerbrochenen und zerschlagenen Möbel boten das Bild einer schrecklichen Verwüstung. Nach 'der Beendigung dieses Zerstörungswerkes zogen die Jungen geschloffen ab. Sie hatten Racke genommen für ihre beleidigten Zunftgenoffen. truges und der verschuldete nKrida. Die Angeklagten sind: Jan Kadlec, Baumeister; Stanislav Hotik, Eisenbahnbeamter; Bohumil Brodsky, Privatbeamter; Josef fies«, Zuschneider; Josef Novak, Beamter; Josef Rudolf, Maurermeister; Josef Jojek, Beamter; Josef Kadlec, Dachdeckermeister; Anton Vilt, Vertreter; Vaclav Mokes, Kaufmann, und Frantisek HanL, Vertreter. Die erwähnte„gründende Versammlung" verteilte zunächst die Funktionen unter die„Aufsichtsratsmitglieder". Baumeister Kadlec wurde Obmann, wofür er auch zwei Anteile zeichnete und auch das Gela für Einrichtung eines Büros, in der Heinrichsgasse vorstreckte. Zum Kassier wurde der Schneider L e x a erkoren, der von der Buchhaltung und Kassaführung weniger als nichts verstand. Natürlich wurden von den Aufsichtsräten gleich für die erste Versammlung Diätenrechnungen aufgestellt und genehmigt. Und dann ging? an die„Arbeit". Die„Geschäfte" der Sparkaffe waren vor allem„Kreditbeschaffungen", die im wesentlichen darin bestanden, daff die Klienten, welche Geld brauchten, eine EinschreibnngSgebühr von 50 K£ entrichten und einen„Anteil" von 100 Ki bezahlen mußten. Zur Werbung von Kunden wurden reichlich Agenten eingestellt und der Erfolg war beftächtlich. Natürlich bekamen die Darlehenswerber zuguterletzt nichts. Die Zahl der Geschädigten ist aber nicht festzustellen, weil sich viele von ihnen schämten, die Anzeige zu erstatten... Prager Zeitung Um das Prager deutsche Theater Eine Versammlung der Thea.- terinteressenten im Deutschen Hans empfing gestern abends vom Referenten, Herrn Direttor Dr. Eger, zwar nicht so sehr das, waS man sich unter dem versprochenen„Blick auf die laufende Spielzeit" vorgestellt haben mochte, sofern man dabei mehr an Künstlerisches zu denken berechtigt war, doch aber einen vielleicht nicht minder wichttgen Einblick in den Wirtschaftszustand des Prager deutschen Theaters, den man jetzt, nach Dr. Egers sehr knappem Expost', wohl richttg dahin auffaßt, daß ein gut Teil dec ern- stesten Befiirchtungen, die man in der verflossenen Spielzeit über den Fortbestand des Theaters gehegt hatte, zwar erfreulicherweise beseitigt ist, daß es aber dennoch des festesten und dauerhaftesten Zusammenwirkens aller theaterinteressierten Kreise— vom Staate angefangen bis zum einzelnen Besucher— bedürfen wird, wenn das Theater auf seinen heuftgen guten Niveau, und das heißt: überhaupt erhalten werden soll. Die Senkung des Etats von 11 auf 8 Millionen war nur möglich durch die Theaterliebe der in ihren Bezügen hart betroffenen Künstler und Arbeiter selber. Das vorjährigeDefizit von 2% Millllionen durch das restliche Vermögen des Theatervereins und durch einen Bankkredit überbrückt. Die laufende Spielzeit läßt sich trotz des Abgleitens der A'onne- menteinkünste um etwa 200.000 Kronen gut an. Dennoch wird ein zu gründendes Aktionskomitee nach Mitteln suchen müssen, um die Mindereinnahmen des Theaters(durch das Fort- i der allgemeinen Wirtschaftskrise und durch die Senkung der Subventionen) wettzumachen. Dr. Eger hofft, daß die Subventionslage sich bessern und daß dies dann im Zusammenwirken mit dem lebendigen Interesse des Publikums und aller theaterfördernden Institutionen die Grundlage für eine Sicherung des Theaters auf Jahre hinaus schaffen werde, ohne welche ausgedehntere Sicherung das vorbildlich arbeitende Personal den Druck nicht ohne weiteres länger so wie bisher aushalten, das Theater | überhaupt sein Niveau und damit seine Existenzgrundlage nicht halten könnte. Dr. Egers Vortrag, der alles in allem hoffnungsvoll klang und schloß, wurde von dem vollbesetzten Parkett des Saales außerordentlich beifällig angenommen; übrigens auck an der Stelle, an der er versicherte, daß er persönlich durchaus nicht auf Prag angewiesen sei, es aber für seine Aufgabe halte, das Theater weiter durch die schwierige Zeit hindurchzuführen,, ! Ein wenig vielleicht gegfn die Neigung des Vorsitzenden',' Herrsi Dt7.'W d kf''- Z'd e k a u e r, die Versammlung in dieser absoluten Einmütig- keit zu schließen, entspann sich dann doch eine Debatte, die vor allem von einem Herrn Dr. Popper bestritten wurde. Dieser wünschte, daß das manchem etwas langweilig erscheinende Repertoire mehr von der z e i t g e n ö s s i s ch e n Produktion beeinflußt würde; auch di-philharmonischen Konzerte mühten nach moderneren Gesichtspunkten gestaltet werden. Dieser und ein anderer Redner übten auch etliche Kritik am Theaterverein, an dessen Zusammensetzung und Gebarung; so wurde es bemängelt, daß der Theaterverein mit den Millionen des Erlöses aus dem Verkauf des Theatergartens nicht fürsorglicher umgegangen sei und nicht schon früher an Sparmaßnahmen gedacht habe. Herr Dr. Eger war in seiner Erwiderung auf die künstterischen Einwände glücklicher als die Debattenredner, die aber zweifellos in ehrlichster, theaterfreundlicher Absicht sprachen, so daß das Gefühl, die Mehrheit der Versammlung wende sich gegen sie, sofort und absolut wie gegen eine störende„Opposifton", nicht sehr angenehm war. Der Vorsitzende berief sich in seiner Erwiderung auf die Wirtschaftskrise und aus die Subventtonskürzung, die niemand hätte vorauS- ahnen können. Ein Antrag auf Schluß der Debatte wurde zwar nicht vorbildlich parlamentarisch, aber doch auf demokratische Weise, nämlich im zweifellosen Sinne der Mehrheit der Versammlung angenommen, die jedenfalls bewies, daß das The-ierpu- blikum, so weit es in dieser Versanunlung ver- fteten war, voll Vertrauen undAner- kennung für die d e r z e i t i g e T h e a- terleitung ist. Und das ist ein Posirivum von nicht zu unterschätzender Bedeutung. g. Ocrlditssaal Weil sie Geld brauchten, gründeten sie— eine»Sparkasse " Betriebskapital: 1300 KL— Geprellte Einleger, schwerer KaittionSschwindel, phantastische „Tätigkeitsberichte"— Gilt elfköpfiges Konsortium vor dem Prager Strafgericht Im November 1932 fanden sich elf Leute zusammen, di« Dringend Geld brauchten. Das ist heutzutage nichts besonderes, aber diese'elf Herren hatten zur Behebung ihrer. Finanznot ein besonderoriginelles Mittel ausgedacht: sie beschlossen die Gründung einer Sparkasse. Dem gefaßten Entschluß folgte alsbald die.„gründende Versammlung', in welcher die als Genossenschaft konstituierte„Zivnostensko-Obchodnikä Zä- l o z n a"(Sparkasse für Gewerbe und Handel) auS der Taufe gehoben wurde, die am 18. Jänner 1933 ins Genossenschaftsregister eingetragen wurde. Schon der Anfang war verheißungsvoll. Die elf versammelten Gründer, die sich zugleich zum„Aufsichtsrat" ernannten, zeichneten„Anteile" zu je 100 K£, der Herr„Vorsitzende des Aufsichtsrates" sogar deren zwei, so daß sich ein „Betriebskapital" von 1300 K£ ergab. Rach diesem komödienhaften Auftakt nahm das„In- stitut" seine Tätigkett unverzüglich auf, deren Endresultat darin besteht, dqtz Montag die wackere Elf vor dem Strafsenat des OGR. K a i s l e r auf der Anklagebank saß unter Anklage des s ch w e r e n B e- Baracke niedergeriffen wird, dieses elende Mach-!seufzt im Schlaf. Der Vater liegt am Boden auf Werk einer„großen Zeit". Er braucht Arbeft für! der Matratze. Er döst bei offenen Augen. Berner einen tüchtigen Gerüster und eine Wohnung in einem schönen Haus. Zum Teufel, es müßte etwas geschehen I Aber es geschieht nichts. Der Makler Silber stein läßt jede Woche die paar Kronen Zins holen, für das Zimmer in der Baracke. So viel hatten wohl die ganzen Baracken einst gekostet, wie er jetzt Zins nimmt von ihren Bewohnern.. Damals waren die Gefangenen heimgeströmt und hatten nur ihr Ungeziefer und ihren Unrat zu- rückgelaffen. Ein paar Jahre später waren der arbeitslose Gerüster Berner und seine Frau Emilie noch froh gewesen, daß sie und ihr schreien des Kind und der alte Vater dieses schwache Dach Wer ihre Köpfe gefunden hatten. Nur durch dünne Bretterwände getrennt, schrien andere Kinder, fluchten andere Väter, weinten andere Frauen. Aber in den Nächten hörte man es kaum. Der Wind pfeift lauter und man weiß im Dämmer des Halbschlafes nicht, ob die Weiden singen oder Säuglinge wimmern. Nur wenn die eigene Frau! schluchzt oder das eigene Kind im Wind fröstelt,! das hört er und stellt sich schlafend und denkt dar über nach, daß er die Frau einmal geliebt hat. Damals war sie jung und braun und voll und hat allerhand Lieder gewußt. Sie hat nie gezittert, wenn das Gerüst schwankte, auf dem er stand. Sic hatte volles Vertrauen, daß jeder Tritt richtig ist und jeder Griff fitzt, wie die Küsse, die er ihr gegeben hat, genau zwischen die Augen. Jetzt fft sie mager und zänkisch und hat den zärtlichen Blick verloren. Sein Vater sitzt dumpf in einem Winkel und mahlt trockenes, dürres Brot zwischen den Zähnen. Berner steigt durch das Fenster in die | Baracke. Soll er schlafen oder soll er noch herum- I gehen? Die Frau liegt im Bett und das Kind Ein inzwischen verstorbener Arzt brauchte 30.000 Kf und verpfändete zwei Lebensbersiche- rungspolizzen. lautend auf 50.000 und 25.000 Kö. Obwohl ausdrücklich vereinbart war, daß diese Ber- sicherungSdokumente nicht weiter verpfändet werden sollten, verschaffte sich doch der Herr„Obmann des Auffichtsrates" Baumeister Kadlec unter Verpfändung dieser Polizzen zweimal 25.000 KL. von denen er aber dem Arzt nur 10.800 KC auszahlte und den Rest einsteckte. Da er aber den anderen„AufsichtS- räten" von diesem Geschäftchen nichts abgab, wurde er von ihnen„suspendiert", was gewiß ein köstliches Stückchen ist/ Wenn jemand eine Hypothek aufnehmen wollte, erschien der Herr Vorsitzende Kadlec mit dem Maurermeister Rudolf unverzüglich, um eine „Schätzung" der Realität vorzunehmen, wobei sie stets die Schätznngsgebühren auf der Stelle«inkas- sterten und sich weiter um die Sache nicht bekümmerten. Obwohl diese„Geschäfte" über ein Jahr ganz hübsch glatt verliefen, war die„Sparkasse " schließlich doch genötigt, auch noch zu anderen EinnahmS- quellen zu greifen.. Man begann^Persoual aufzu n ehmen und.von den Anwärter» Kautionen herauSzupressen. Drei Beamte, denen eine ftre Anstellung versprochen wurde, erlegten Beträge von 25.000, 3000 und 9500 AL und zwei Nnterbeamte warfen der Gesellschaft 10.000»nd 3000 XL in Rachen! Aus diesen Kauttonen holte sich zuerst einmal Herr Obmann die vorgestreckten Gelder herein. Ilm das Gaukelspiel voll zu machen, fand im März d. I. eine„Generalversamm lung " statt, an der 14„Genossenschaftsmitglieder" teilnahmen und bei welcher der Angeklagte Josef „Tätigkeitsbericht" erstattete, in Nmrde, daß das Schwindelunter»
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14 (6.11.1934) 260
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