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Mittwoch, 7. November 1934

Der 4. November

KARLSBAD

Seite 3

Das Echo

im deutschen Lager:

,, Prager Tagblatt":

Sozialdemokraten verfügen über Massenanhang

daß

,, Nicht zu leugnen, daß Konrad Henlein in Leipa eine sehr ansehnliche Schar um sich vereinigte; ebenso wenig fann aber, nach den Ziffern, die über die ge­ftrigen Rundgebungen in Nordböhmen , Mähren und Schlesien berichtet werden, zweifelhaft sein, die deutschen Sozialdemokraten auch heute noch über einen Massenanhang verfügen, trob fünf Jahren er müdender Teilnahme an der Regierung und trok dem Schicksal, das ihre Bruderparteien in Deutsch­ land und Desterreich getroffen hat. Den deutschen Sozialdemokraten kam es diesmal darauf an zu zei­gen, daß das Sudetendeutschtum in ihnen einen Grundstock demokratischer Elemente befißt. Daran war auch schon vorher nicht zu zweifeln, und die Versammlungen des gestrigen Sonntags haben die Vermutung bestätigt, daß die bisher stärkste deutsche Linkspartei auch in Zukunft ein gewichtiger Bestand­teil des gesamten tschechoslowakischen Deutschtums bleibt."

,, Reichenberger Zeitung ":

Ruhiger und würdiger Verlauf

Die R.- 3. gibt die Nachrichten des Tich. P.-B. über unsere Kundgebungen wieder, enthält sich jedoch einer Stellungnahme. Zum Schlusse bemerkt sie, daß die Kundgebungen einen ruhigen und würdigen Ber­lauf genommen haben.

Verhaltene Wut:

,, Deutsche Landpost":

,, Musik к a pellen und sonsti­ger Klim bim."

"

Die Deutsche Landpost" hat über die Kund­gebung Henleins in Böhmisch- Leipa begeisterte Berichte gebracht. Unser Aufmarsch ist ihr sehr un­angenehm. Der fascistische Klimbim in Leipa hat hr gefallen. lleber unsere Kundgebungen schreibt

ite:

Der gesamte Werbeapparat der Partei wurde aufgeboten und, wie der Erfolg zeigte, er funktio­nierte noch tadellos. Aber, und das ist das Charak­teristische, der Aufzug ging überall nach bekanntem Muster vonstatten, mit einem Wald von Fahnen und Wimpeln, Trommlern, Pfeifern, Märsche spie­lenden Musikkapellen und dem sonstigen Klimbim, einschließlich uniformierter ,, Wehrmänner", hier na­türlich in sattem Rot.

,, Deutsche Presse":

Ein trockenes und ein nasses

Auge.

Die deutschen Christlichsozialen freuen sich, daß die deutschen Sozialdemokraten ein mächtiges Ge­gengewicht sind. Im Schatten der deutschen Sozial­demokratie fönnen sie ihren Kampf gegen das Auf­gefressenwerden durch Senlein mit befferer Aussicht auf Erfolg führen. Andererseits sind sie wütend, daß die deutsche Sozialdemokratie noh so start ift. Diese Zwiespältigkeit geht aus der ganzen Faffung des Berichtes in der Deutschen Preffe hervor. Die Größe der Kundgebungen versucht sie dadurch zu berkleinern, daß sie behauptet, es hätten viele Tiche­

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in

an ihnen teilgenommen.

,, Neue Morgenpost":

Fraglos politische Bedeu.. tung

Die Neue Morgenpost" hat die Kundgebung Böhmisch- Leipa nicht nur registriert, sondern sich in dem Bericht auch eindeutig au Henlein bekannt. Der wichtigste Gedanke" in ihrem Bericht über den 4. November ist, daß die Kundgebungen ,, frag­los politische Bedeutung" gehabt hätten.

Sudetendeutsche Tageszeitung": Arbeiter verständnis- und teilnahmslos"

Der dümmste Bericht ist in der Sudeten­deutschen Tageszeitung" des Dritten Reichs:

Mit allen Mitteln hatte man sich um die Auf­bietung von Teilnehmern bemüht, und zwar nicht nur mit Tausenden und Abertausenden von Flug­blättern und Werbeaufrufen, sondern auch durch Nebernahme der Fahrspesen und durch Errichtung bon Ausspeisungen, in denen fostenlos Mittagessen berabreicht wurden. Und trotzdem waren, wenn man bedenkt, daß jene Gebiete des Staates, die man für

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MAHR. SCHONBERG

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die Kundgebungen ausersehen hatte, zu den industries reichsten und dichtbesiedelt sten Gegenden ge= hören, in denen jeder einzelne Bezirk weit über 100.000 Einwohner zählt, diese Versammlungen mit ihren durchschnittlich 5000 bis 10.000 mehr oder weniger gezwungen mitmarschierenden Teilnehmern alles andere als etiva ein überzeugen­der Beweis dafür, daß die Arbeiterschaft heute noch hinter der Sozialdemokratie, bzw. hinter den margi­stischen Parteien steht. Weder diese Forderungen noch die Reden vermochten, bei den Versammelten begei­sterte Zustimmung oder überzeugenden Beifall aus­zulösen. Der deutsche Arbeiter stand allem diesem Aufwand an vielversprechenden Worten und schönen Reden verständnis und teilnahmslos gegenüber; er hat es auf Grund der Erfahrungen, die er machen mußte, verlernt, den Beteuerungen der roten Führer Glauben zu schenken. Denn die Sozialdemokraten hätten längst Gelegenheit gehabt, ihre Versperchungen in Taten umzuseßen, statt des= sen aber hat sich das Los des deutschen Arbeiters auch in der Zeit, seit welcher die deutschen Sozialdemokra= ten der Regierung angehören und Anteil nehmen an der Macht, von Jahr zu Jahr verschlechtert. Nur allzu erklärlich ist es daher, daß derartige Kindge bungen in der breiten Masse der deutschen Arbeiter­schaft keinen Widerhall mehr finden können."

,, Brüxer Zeitung":

,, Nur an drei Stellen Applaus"

"

Die Brüger Zeitung" behauptet, die polizei­liche Zählung der Karlsbader Kundgebung habe 20.200 Teilnehmer ergeben. Das steht zwar in Wi­derspruch zu den Angaben, die der Karlsbader Poli­zeidirektor selbst den Journalisten gemacht hat, da= für hat die B.- 3.", aber in Komotau nur 5000 Teilnehmer gezählt. In Karlsbad hat ihr Berichter­statter ,, nur an drei Stellen Applaus" und kommu­nistische Zwischenrufe gehört.

*

Im tschechischen Lager ernste Würdigung

Eine Reihe tschechischer Blätter befassen sich auch am Dienstag noch mit den Kundgebungen unserer Partei. Inbesondere die Linkspresse er­fennt ohne Ausnahme an, daß die Manifestation vom 4. November für die sudetendeutsche Politik außerordentlich bedeutungsvoll gewesen ist.

So schreibt das Právo Lidu": Die deutsche Sozialdemokratie hat sich schon 1928 auf dem Smi­chover Kongreß für eine einheitliche Politit mit der tschechischen Sozialdemokratie ausgesprochen. Schon 1927 hatte sie Masaryk zum Präsidenten gewählt. Sie hat dem Staate seit 1929 alles gegeben, was er brauchte, auch der Armee. Sie steht hinter Masaryk . Eine Menge Standarten Es lebe Masaryk ". Be­grüßungstelegramme an den Präsidenten, Begeiste= rung beim Aussprechen seines Namens, Hefempfun dene Demokratie as alles find Umstände, welche verschiedene Seiten politischer Bedeutung haben. Die deutsche Sozialdemokratie hat gezeigt, daß die Hen­leinsche Heimatsfront getarntes Hakenkreuztum ist, daß Henlein das Erbe Jungs und Krebs angetreten hat. Herr Henlein hat in Böhmisch- Leipa erklärt, daß er das Hakenkreuztum nicht beurteilen kann, weil er nicht in Deutschland war.

Die deutsche Sozialdemokratie hat geurteilt und verurteilt.

Im Namen Masaryks, der Demokratie und der Republik . Dabei blieben die Kommunisten überall machtlos und waren nicht imstande, die Manifestation zu stören. Genügt das noch nicht?

"

Das Česté Slovo" glaubt drei Tatsachen festzustellen. Erstens: Die deutschen sozialistischen Republikaner stehen treu auf dem Boden des Staa tes. Der beste Beweis, ob die Reden der Führer der Ueberzeugung der Mitglieder entsprechen, ist, die Stimmung der Massen mit eigenem Auge zu prüfen. Auf beiden Kundgebungen, an denen wir uns als Zuschauer beteiligt haben, war das Bekenntnis zum Staat durchaus spontan." Die zweite Tatsache ist nach Ansicht des Berichterstatters: Die Sehnsucht nach der Veränderung der heutigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung. Der Begriff Demokratie ist dabei keine leere Phrase und kein hohles Wort." Die dritte belehrende Tatsache ist in sozialistischer Hinsicht zu suchen. Auch auf deutscher Seite wird Jagd auf den Sozialismus gemacht, der zertrümmert und von der Erdoberfläche beseitigt werden muß... aber vergebens sind die Bemühun gen der bürgerlichen Parteien.

Auf die bloße Aufforderung kommen Hundert­tausend,

eine Bewegung zu verteidigen, die ihnen die Garantie einer besseren Zukunft ist."

Národní Osvobozen f": Hunderttau­send deutscher Staatsbürger sind am Sonntag ge=