Seite 2 Samstag, 10. November 1934 Nr. 264 kennt:„Ich schreibe als W e l t b ü rg e r, der keinem Fürsten bieni' und der das Bekenntnis zu jener weltbürgerlichen Gesinnung, die im Dritten Reich als Volkse und Landesverrat, als Kulturbolschewismus und marxistisches Untermenschentum gilt, immer wieder erneuert hat und mehr als einmal so deutlich, wie etwa in folgendem Ausspruch: „Wir Neueren haben ein Interesse in unserer Gewalt, daS kein Grieche und kein Römer gekannt hat, und dem das vaterländische Interesse bei weitem nicht beikommt. Das sichte ist überhaupt nur für unreife Nationen wichtig... eS ist ein armseliges, kleinliches Ideal, für eine Nation zu schreiben: einem philosophischen Geist ist diese Grenze durchaus u m erträglich. Was immer das Dritte Reich getan, hat und was immer es zur Feier Schillers erlügen könnte, wäre diesem philosophischen, an K a n t, dem„kulturbolschewistischen" Propheten der Menschlichkeit und des ewigen Friedens gereiften Geist„durchaus erträglich" erschienen und seiner Enttäuschung über die Bürger deS Hitlerreiches hätte er wohl noch kräftiger Ausdruck verliehen als der Resignation, mit der er den kaum verhüllten Durchfall des„Fiesco " in Mannheim aufnahm: „Den Fiesco verstand das Publikum nicht. RepublikanischeFreiheitist hierzulande ein Schall ohne Bedeutung, ein leerer Namen— in den Adern der Pfälzer fließt kein römisches Blut." Der Sohn Knes abenteuernden Feldschers, Enkel eines kleinen Bäckermeisters, Opfer des Tyrannen Karl Eugen in der württembergischen Karlsschule, Zeit- und Leidgenosse der Moser und Schub art, die der verlotterte Fürst einkerkern und nicht anders halten ließ als Goering die Gefangenen in den Konzentrationslagern, Schiller , der in der kleinen Episode, in„Kabale und Liebe ", die den Menschenhandel deut scher Fürsten für ewige Zeiten anprangert, sein nationales Bekenntnis ablegte, hätte sich von keinem Goebbels bestreiten lassen, daß die Bühne eine„moralische Anstalt" sein soll und nicht der Saustall von Lügenpropaganda und Stümperei, zu dem das deutsche Theater unter dem Nationalsadismus wurde. Für Schiller war das Theater die Tribüne der Nation, aber einer Nation, die in der F r e i- heit des Gewissens und des Ge- dankens ihr einziges wirklich unveräußerliches Gut erblickt. Nichts Hatzte und verachtete Schiller so wie die Schande, die man in Deutschland Gleichschaltung nennt, denn„Sklaverei, sagt er, ist niedrig, aber eine sklavische Gesinnung in d e r Freiheit ist bet ä ch ijli.dj"». Schillers Weg führte von der wilden und noch durch kein vollendetes Weltbild gebändigten Rebellion, wie sie in den„Räubern" zum Aus- bruch kam, zur Höhe kantianischer Weltanschauung und einem geläuterten, wenn man will, auch verdünnten und verfeinerten Freiheitsideal. Aber er führte ihn damit auch zu der mutigen Vollendung einer selbst erwählten Aufgabe, zur Lösung des Problems, das der junge Schiller aufwirst und der sterbende Schiller beantwortet und das die Fragenachdemmo- ralischenRechtder Revolution in sich schließt. Um Verschwörung, Aufstand, Selbsthilfe, Rebellion, Verrat geht es in allen seinen Dramen, in den„Räubern", im„Fiesco ", in der „Millerin", in„Maria Stuart ", im„Wallen stein ". Im„Teil" wirddieRevolution b e j a h t, im„Teil" der politische Mord als Notwehr der Unterdrückten moralisch gerechtfertigt. „Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden, wenn unerträglich wird die Last..." heißt es in der ost zifierten Stelle, die das Schwert als letztes Mittel„wenn kein anderes mehr verfangen will" dem Manne züspricht. Mögen die deut- sch e n Geßler von heute dem Volke vorlügen, daß Franzosenhaß— den der Kosmopolit Schiller nicht kannte— daß Nationalismus~ bei dem Dichter des Liedes an die Freude und der Verse:„Alle Menschen werden Brüder"!— aus dem Geist der Rütltszene und des ganzen„Tell" spreche, es wird ihnen doch kalt über den Rücken laufen,, wenn sie es wagen, den unverfälschten Text, anzuhören, den Schiller in ihr Stammbuch schrieb:„Nein, eine Grenze hat Thrannenmacht"! Die Reklamation Schillers für das Dritte Reich ist Sakrileg, Schändung eines der größten Deutschen , sie ist aber auch für jeden noch denkenden Deutschen das lächerlichste Beginnen, dessen sich die geistigen Falschspieler und kulturellen Ta- 'chendiebe von der nazistischenPropagandazunst unterfangen können. So wahr hinter Schiller, der zwischen Goethe und Kant und-schon darum im Bunde der Geister gegen die Barbarei stand,„in wesenlosem Scheine" das Gemeine versank, so wahr bleibt, daß die Sturzflut der Gemeinheit, die daS Dritte Reich verkörpert, an"' sein Andenken nicht heranreicht. Vielmehr gilt,, was. M e h r i n g 1906 über Schiller schrieb. Heute wie damals„hört die Arbeiterklasse klar und rein denGrundtonsei- n es dichterischen Schaffens im Gelingen und auch im Verfehlen: dieHoh«it der Gesinnung, die sich siegreich erhebt'über alle Sklaverei". Beginn der Budget verhandlungen Prag . Die Nachtsitzung des Parlaments, die erst Freitag gegen 1 Uhr früh mit der Annahme der drei Mmisterexposös durch die Kotlli- tionsparteien endete, hatte sich als notwendig erwiesen, damit der Budgetausschuß, der ohnedies nicht allzu viel Zest zur Durchberatung des Voranschlages hat, schon Freitag vormittags die Budgetverhandlungen eröffnet werden konnte..; Die Debatte wurde vom Generalberichterstatter Genossen R e m e s mit einem ausführlichen Referat eingeleitet, worauf bis spät abends die Generaldebatte weiterging. Von den Rednern rief namentlich der ffchechische NatioUÄ- sogialist Dr. S t r a n s k y, her sich ausführlich mit.dem. deutsch -tschechischen Probleme befaßte, Aufmerksamkeit hervor. sehr bemerkenswerter Satz:„Trotzdem ist die DNSAP der Auffassung, daß der Gedanke der Sudetendeutschen Volksfront nicht tot sei." Was heißt das? Die„Bolksstont"(mit allen Parteien, also einschließlich Bund der Landwirte und den Christlichfozialen) ist„gescheitert". Der Gedanke ist aber trotzdem nicht tot? Diese Feststellung der DNSAP kann sich eben nur darauf beziehen, statt der„Volksfront"(mit allen Parteien) ein Gebilde anderer Art ins Leben zu rufen, das in erster Linie als Anfangsorganisation für die Mitglieder der aufgelösten Parteien in Frage kommt. So ist statt der Volksfront die„Heimatfront" entstmtden, an deren ersten Aufrufen«in Deutschnationaler und em Nationalsozialist mitgearbeitet haben. Warum hat Henlein nicht schon vor mehr als einem Jahr das„Prager Tagblatt" und andere Blätter dementiert? Glaubt er wirklich, daß man heute an diese Verhandlungen vergessen hat? Gibt es nicht eine Anzahl von Zeugen hiefür? Z Wenn Henlein ferner bestreitet, vom Kawe- radschastsbund präsentiert worden zu sein, so genügt demgegenüber die Feststellung, daß an den Verhandlungen(siehe ckbzitierte Meldung des „Prager Tagblatt" vom 20. September 1933) auch Dr. Walter Brand teikgenommen Hat, der seinerzeit eine führende Rolle im Kameradschaftsbund gespielt hat. Henlein ist bereits am 18. September vorigen Jahres im„Prager Montagsblatt" als Kandidat des Kameradschaftsbundei bezeichnet worden. Erft heute aber versucht er es zu bestreiten. Noch heute, obwohl Dr. Sebe« kons k v gleichfalls ehemaliger Kirmeradschastler, nach wie vor zu seinen engsten Mitarbeitern ans Presseberatern gehört.• Man sieht also, was man davon zu halte« hat, wenn Henlein behauptet, die SHF sei als „vollkommen selbständige polstische Organisation ins Leben getreten". Er hatte nicht einmal den Mut, die Behauptung zu bestreiten, daß an seinem e r st e n A u f r u f der Deutsch - nationale Abg. Kallina und der näitp* nalsozialistische Schriftleiter Viererbl m it- gearbeitet haben und daß erst ein äm Gründonnerstag in Deutschland weilender Bercher — wie gleichfalls durch Zeugenaussagen zu beweisen ist— von diesen Mitarbeitern abgeralen hat. Henlein - der Kronverweser der Juns und Krebs Die„Präser Presse** demaskiert die SHF In unserer Folge vom 31. Oktober 1934 haben wir den Inhalt eines Leitartikels der „Prager Presse" wiedergegeben. in welchem auf gewisse Zusammenhänge der Sudetendeutschen Heimatfront mit d?r aufgelösten DeMschen nationalsozialistischen Partei in der Tschechoslowakischen Republik aufmerksam gemacht wurde. Zu diesem Artikel sendet uns Herr Dr. Alsted Schmued in Vertretung Konrad Henleins die nachstehende Berichtigung: In dem Artikel„Henlein — der„Kronverweser" der Jung und Krebs, die„Prager Presse" demaskiert die SHF" in Nummer 258 des 14. Jahrgangs des„Sozialdemokrat" vom 31. Oktober 1934, ist folgendes richtig zu stellen: Es ist unwahr, daß Henlein seinerzest in Saaz dem Krebs vorgestellt wurde, daß eingehende Verhandlungen über die Bildung der „Volksstont" stattfanden, wie die spätere SHF damäls heißen sollte; es ist unwahr, daß Henlein bei dieser Gelegenheit dem stüheren Abg. Krebs das bindende Versprechen gab, innerhalb der „Sudetendeutschen Heimatfront" den Kern der nationalsozialistischen Gedanken unversehrt zu erhalten; es ist unwahr, daß Krebs Henlein ermächtigte, in jenem Maße nach außen Loyaliiätser- klärungen abzugeben, wie Henlein dies Je nach her Lage für.nötig halten würde, um der ,„neuen Bewegung" über die. GründungsschwjerstrkeiteN, DnwexMhelfes.< Wahr ist vielmehr, daß die„Sudetendeutsche Heimatstont" als vollkommen selbständige politische Organisation ins Leben getreten ist und mit Krebs und dem Ausland nicht das geringste zu tun hat. ♦ Dieselbe Berichtigung hat Herr Dr. Schmued der„Prager Presse" zugesandt, die nun noch einmal auf den Sachverhalt zurückkommt unv u. a. ausfuhrt: Wenn Henlein bestreitet, mit den Führern der nationalsozialistischen Partei über die Möglichkeit einer„Volksfront" verhandelt zu haben, so kann sich dieses Dementi bestenfalls auf den. Zeitpunkt, keineswegs aber auf die Tatsache beziehen. Unerfindlich ist, warum er die Verhandlungen über die„Volksfront" erst heute dementiert; denn im„Prager Tagblatt" vom 20. September 1933 ist in einem Artikel auf Seite 2 folgende Feststellung über die Beratungen, besteffend die Errichtung der„Bolksstont" gemacht: »Die Beratungen begannen bereits vormittags im Klub der deutschen Gewrrrepartei wo sich beim Abgeordneten S t e n z l der Nativ na lsozialist Krebs und der Deutschnationale Jng. K a l l i n a einsanden. An den Beratungen nahmen aber auch Richtparlamentarier teil, der Vorsitzende des Deutschen Turnverbandes Henlein, der im Zusammenhang mit der in Reichenberg erfolgten Schaffung eines Deutschen BoWrates als dessen künftiger Vorsitzender genannt wird, und Dr. Walter Brand , pädagogischer Leiter des Deutschen Turnverbands, der als Stimmführer der >,jungen, polüischrn Generation" bezeichnet wird, von der man allerdings nicht weiß, ob sie nicht eine Bezeichnung für alle diejenigen ist, die mit dem heutigen politischen Zustand unzustieden sind. Um 2 Uhr nachmittags stat der parlamentarische Klub und die Reichsparteileitung 4, der Deutschen Nationalsozialisten zusammen. " Nach mehrstündiger Debatte wurde der Beschluß gefaßt, für den 28. September einen außerordentlichen ReichSparteitag nach Aussig einzuberufen, um die höchsten Parteiinstanzen entscheiden zu lassen." Bei diesem Parteitag wurden, wie eS im „Prager Tagblatt" vom 29. September 1933 heißt,„die Richtlinien für die Parteianhänger für den Fall eines Verbotes der Partei, sowie über die künftige Taktik der Nationalsozialisten aufgestellt". In der Entschließung wird sogar darauf hingewiesen, daß die„Volksfront" als geschettert betrachtet werden muß, da„eine Anzahl von Parteien ihr Eigenleben dem großen Ganzen nicht unterordnen wolle". Dann aber kommt folgender Auch er hat beim Rückmarsch vom Arbeiterseft den Juden und das Mädchen gesehen. Und weitere Zeugen folgen. Ein Schulmädchen hat Hilsner im Herrschaftswald erkannt, als er an einem Baum stand, sich verdächtig duckte und. weiter iys Dickicht schlich. Die Magd Bacek ergänzt ihre frühere Aussage: sie sah ihn einmal direkt bei der Stelle, wo man nachher das Skelett gefunden hat, auf dem Rasen liegen; ihre Schwester sei mit ihr gewesen. Die Schwester erklärt das für un«: Wahr. Zwei andere Frauen haben ihn am Tag der Auffindung des Leichnams dort im Wald ge-^ troffen, wo er, hinter Bäumen versteckt, die Hände auf dein Rücken, herumging. Davon erzählen sie zuerst einem Prager Herrn, mit dem sie zufällig im Postwagen fahren. Bald darauf erfahren sie aus den„Närodni Listy", daß sie Hilsner beobachteten, wie er im Walde Zweige abschnitt und auf einen Haufen legte, unter dem die Leiche verborgen war. Staatsanwalt und Verteidigung sind in voller Tätigkeit. Kann Hilsner ein Alibi erbringen? Daß er bis zum 17. Juli in Jglau gewesen ist, beweist die Verpflegsstation und die Angabe des Maximilian Metzl, wonach ihm am Vormittag dieses Tages laut Urkunde des Armenbuches eine Unterstützung ausbezahlt wurde. Daß er sich Montag, den 18. Juli, in Groß-Jenikau befunden hat, bestätigt die dortige Verpflegsstation. Aber wo hat er die Nacht vom Sonntag aus Montag zugebracht? In Jglau hat er angegeben, nach Polna zu reisen, in Jenikau, von Polna zu kommen. Nun behauptet er, die Nacht noch in Jglau geblieben zu sein, und beruft sich auf Zeugen, die ihn dort gesehen haben sollen. Aber die Leute, bei denen er gebettelt hat, können sich des Datums nicht mehr mit Bestimmtheit entsinnen. Und aUe andern haben Angst, in die Sache des zum Tod verurteilten Ritualmörders, des verhaßtesten Menschen weit und breit, verwickelt zu werden. Kusy, den er damals sprach, vermutet, daß es Sonnabend gewesen sei; auch die Tscherwenkas halten sich zurück, denn Wilhelm, aüs Deutschland hejmgekehrt, ist bereits in den Verdacht der Mittä- ttrschast geraten. Nur der jüngere Sohn bestätigt, daß Hilsner, als er von der Wanderschaft zurück- kam, eines Sonntags'ein Bündel bei ihnen ringe- steflt und es am Montag abgeholt habe. Die Ma- chaffchek und ihre Freundin erinnern sich zwar, daß der Reisekamerad des Willy Tscherwenka an einem Sonntag im Juli vorsprach, ob es jedoch, gerade der 17. war, können sie nicht beschwören. Auch der Hausknecht im„Schwarzen Adler" kann nicht mehr bestätigen, daß Hilsner im Stall über-' nachtet hat/ Der Staatsanwalt hält den Alibibeweis für mißlungen und erhebt die Anklage. . Sie beschreibt das Verschwinden der Klima und die allmähliche Entdeckung der sterblichen Ueberreste und zieht alle Aussagen heran, welche die Anwesenheit Hilsners in Zhor und im Bre- sinawald belegen. Ueber ihre Widersprüche in bezug auf die Personsbeschreibung geht sie hinweg: sie seien aus der Länge der seither verstrichenen Zett zu verstehen. Hilsner ist demnach am Sonn-, tag, den 17. Juli, vormittags von Jglau nach Polna gegangen und wurde Mittag dott mtt der Klima von Bekera gesehen. Auf den Einwand, wie er sogleich ein fremdes Mädchen dazu gewinnen konnte, mit ihm auf die Wallfahrt zu gehen, erwidert der Staatsanwalt: ihr von den Zeugen geschildertes Verhalten deutet.auf. ein vertrautes Verhältnis hin, wie ja auch die Strnad beweist, daß die beiden schon' früher miteinander gingen. Sie verbrachten nun den Nachmittag und den Abend zusammen und wurden noch in der Nacht von Lang gesehen, wie sie auf dem Weg in den Wald verschwanden. Wo Hilsneb sich in dieser Nacht aufhielt, kann er nicht beweisen. Wäre er sich keiner Schuld bewußt, würde er nicht leugnen, mit dem Mädchen beisammen gewesen zu sein. So aber muß man„dafürhalten, daß er wissentlich an einer gewalttätigen Handlung gegen die Klima Anteil nahm". Dafür sprechen die Bekundung des Pesäk, der ihn zweimal im Walde gesehen hat, die der Schülerin Sttasil und der Magd Vaoek. Darum wäre er besorgt gewesen, die Leiche zu verbergen, wenn., er an dem Woxd keinen Anteil hätte? An der Leiche zeigten sich dieselben ungewöhnlichen MerkMäle wie an der Agnes Hruza also ist der Mörder der Hruza auch der der Klima gewesen.■ Beiweisen läßt sich allerdings nicht, daß eS just Hilsner war, welcher die Klima tötete oder Beim Mord di« Hand nach ihr ausstreckte; aber soviel läßt sich behaupten,. daß ohne seine Mitwirkung der Mord nicht hätte geschehen können,. Diesen Schluß zu ziehen, wäre vielleicht gewagt, wenn Nicht Hilsner seine Bekanntschaft Mit dem Mädchen so hartnäckig'leugnete, und wenn er nicht so. verzweifelt versuchte, ein Alibi, zu konstruieren. Warum gesteht er nicht einfach offen, wo er die Nacht verbrachte, wann er mit der Klima beisammen war und wohin er'Mit ihr! ging? Weil es sein eifriges Bemühen ist, die nähe-. ren Umstände ihres Verschwindens auf ewig verborgen zu halten. Zugleich erhebt der Staatsanwalt gegen Hilsner die Anklage, sich des Verbrechens der Verleumdung schuldig gemacht zu haben, indem er Erbsnapn und Wassermann bei der Obrigkeit der Mittäterschaft an einem Morde bezichtigt«. Der Gegenseite scheint dieser neue Fall noch absurder und haltloser als der erste.-Punkt für Punkt bestreitet sie.• die Argumentation des Staatsanwalts. Das Skelett ist niemals eindeü-s tig identifiziert worden, der Kleiderfund kein schlüssiger Beweis, denn di« Sachen konnten ja auch nachträglich an den Fundort gebracht worden sein; die Aehnlichkctten des Leichenbefundes mtt dem der Hruza sind so gering, daß man daraus keinesfalls auf denselben Täter schließen darf. Dem Verdacht gegen Zumpl ist man nie ernstlich nachgegangen. Zeugen, welche sich ein bis zwei Jahre nach der Tat melden, find nicht glaubivüc- dig, zumal wenn sie sich zwar an belanglose Kleinigkeiten, nicht aber an wichttge Tatsachen erinnern, und wenn sie einander wesentlich widersprechen. Die Mädchen- die dqs Paar gesehen habe« Wollen, geben zu, mtt Hilsner nie gesprochen und die Klimau kaum gekannt zu haben--Lang, dek einen Abend damit verbringt, auf Ereignisse z« Warten, die nicht voräuszusehep wären, ist offen- sichtlich pathologisch, Hazukas Aussage lehnt sich teils.wörtlich an die des Lang an, teils steht sie im Widerspruch zu ihr. Die Verdächtigung der Reinhalt, Rapp: Graf, Basch und Brettisch ist st lächerlich, daß nicht einmal eine. Untersuchung gegen sie eingeleitet wurde.. An der Kirchweih in Zhor haben verschiedene Juden teilgenommen; Hilsner ist im Jahr vorher mtt Anna Benesch dort gewesen. Daher mag die Erinnerungstäuschung stamMen. Niemand hat den Verdacht rechtzeitig, als di« Nachforschungen nach Marie Klima betrieben wurdest, ausgesprochen.<::.. Daß Hilsner an jenem Sonntag in-Jglau gewesen ist, beweisen Metzl, die Machatschek und der jüngere Tscherwenka . Und selbst wenn er arn Vormittag von dort nach Polna gegangen wäre, hätte er erst gegen 1 Uhr ankommen können und noch Zeit gebraucht,, sein Bündel abzulegen, sich untzukleiden usw. Keinesfalls konnten ihn Bekera und Hazuka schon um halb 12 dort gesehen haben- Dex Weg nach Zhor beträgt abermals eineinhalb Stunden, und doch soll er bereits bei Reinhalts z« Tisch gewesen sein. Auf dem Jahrmarkt würde er von den Zeugen um 1, um 3 und um 8 Uhr gesehen, im Brefinawckld, 6 Kilomter von Zhor, zwischen 5 und 6 Uhr. Und wo ist Reinhalt geblieben? (Fortsetzung folgt)
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14 (10.11.1934) 264
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